Am 28. August erscheint der Roman DAS WESEN DES LEBENS der finnischen Autorin Iida Turpeinen. „Hauptperson des Romans, der mehrere ahrzehnte umspannt ist die Stellersche Seekuh, ein Tier, das 1741 vom deutschen Arzt und Naturwissenschaftler Georg Wilhelm Steller erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde, nachdem Steller sie auf einer Expedition unter Vitus Bering entdeckt hatte. Das vermutlich letzte Tier der Art wurde zu Nahrungszwecken 1768 von Pelztierjägern bei der Beringinsel erschlagen. Die Seekuh war nicht das erste und auch nicht das letzte Tier, das durch Menschenhand ausgestorben ist. Dieser Blog zeigt genügend Beispiele, aber es sind meist nur die Großen, die ins Auge fallen. Manchen wird auch ein Roman gewidmet, aber das Tier selbst wird dadurch nicht mehr lebendig. Klonierungsversuche (wie man es immer wieder beim Beutelwolf andenkt, oder auch beim Wollhaarmammut) sind auch eher fraglich. Warum ein ausgestorbenes Tier wiederbeleben, wenn die Lebensbedingungen nicht mehr oder ausreichend vorhanden sind?
Aber ich will ein Augenmerk auf die kleineren Tiere richten, die auch in Iida Turpeinens Roman eine Erwähnung finden. Im Nachwort bei denen sich die Autorin bedankt. Und das sind Tiere, die vermutlich ausgestorben sind, während sie sich mit der Stellerschen Seekuh auseinandersetzte (allerdings ist der Status einiger der erwähnten Tiere unbekannt und andere sind bereits früher ausgestorben … aber es ist gut, wenn sich jemand ihrer erinnert). Und vermutlich sind es noch viel mehr.
Erschreckend eigentlich nur, dass diese Tiere den meisten Menschen unbekannt waren und es für immer bleiben und auch die Wissenschaft nicht mehr über das herausfinden wird, was nun endgültig verloren ist. Und dann stellt sich die Frage: Was stirbt aus bevor wir wissen, dass es existiert?
Wer hat schon von Pristimantis anotis oder Atelopus pinangoi gehört? Beides sind Frösche, aber nur Beispiele für zahlreiche andere Amphibien, die derzeit weltweit ums Überleben kämpfen. Diese und andere Arten haben nicht einmal einen deutschen Namen, den man sich leichter merken könnte.
Amphibien sind unter anderem wegen ihrer durchlässigen Haut und wegen ihrer Eigenschaft als Bewohner von Biotopkomplexen (Gewässer und Landlebensräume, zwischen denen sie im Jahresverlauf pendeln) anfälliger als viele andere Tiergruppen gegenüber schädigenden Umwelteinflüssen und -veränderungen. Von allen auf der Rote Liste gefährdeter Arten der IUCN geführten Tierarten weltweit stellen die Amphibien allein über 23 Prozent – gemessen an der Gesamtartenzahl weit überproportional viel. Diese 360 Millionen Jahre alte Tierklasse wird daher als ein zuverlässiger Bioindikator für den Zustand der Ökosysteme der Erde angesehen.
Von den zurzeit bekannten Amphibienarten stuft die Rote Liste der IUCN (2023) fast ein Drittel als in ihrem Gesamtbestand bedroht ein: 722 Arten vom Aussterben bedroht (critically endangered), 1.144 Arten stark gefährdet (endangered) und 740 Arten gefährdet (vulnerable), zusammen 2.606 Arten. Zusätzlich werden mindestens 36 der „modernen“ Arten offiziell als bereits ausgestorben geführt – darunter auch die oben abgebildete Goldkröte. Weitere 130 Lurcharten wurden seit Jahren nicht mehr gefunden und könnten ebenfalls ausgestorben sein. Etwa ein Viertel der Amphibien (1145 Arten) können aufgrund mangelnder Daten derzeit nicht bewertet werden (data deficient). Unter diesen dürften sich viele weitere bedrohte Arten befinden.
Die meisten bedrohten Arten sind in Lateinamerika und auf den Karibik-Inseln zu verzeichnen, also in den natürlicherweise amphibienreichsten Regionen.
In Mitteleuropa hatten Amphibien lange Zeit von der kulturlandschaftlichen Umgestaltung durch den Menschen profitiert, da mit der kleinbäuerlichen Bewirtschaftung viele neue, offenere Landlebensräume und Gewässer entstanden. Mit der industriellen Revolution, verstärkt aber seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat allerdings eine rückläufige Entwicklung der Bestände eingesetzt. Erst in jüngster Zeit konnten Naturschutzmaßnahmen manche Negativtrends zumindest regional abmildern.
Ausgestorbene Amphibien der Neuzeit 1
Ausgestorbene Amphibien der Neuzeit 2
Ausgestorbene Amphibien der Neuzeit 3
Chitala lopis, der Riesenmesserfisch ist auf den Inseln Java und Sumatra endemisch. Er bewohnt Tieflandflüsse und Nebenflüsse mit felsigem und versunkenem Holzboden sowie waldbedeckte Bäche. Er ernährt sich hauptsächlich nachts von kleineren Fischen, Insekten und Wirbeltieren. Die Art wurde 2020 für ausgestorben erklärt, wurde aber 2023 am Typusfundort wiederentdeckt.
Der Weihnachtsinsel-Waldskink Emoia nativitatis wurde 1887 von George Albert Boulenger anhand eines einzigen schwanzlosen Exemplars beschrieben. Anschließend wurden vom Naturforscher Joseph Jackson Lister acht Exemplare gesammelt.
Emoia nativitatis war während des größten Teils des 20. Jahrhunderts auf der Weihnachtsinsel weit verbreitet. 1979 galt er als häufig. Erst 1998 beobachtete der Herpetologe Hal Cogger mehr als 80 Waldskinke, die sich um einen einzigen umgestürzten Baum herum sonnten und nach Nahrung suchten. Allerdings sanken die Populationen in den 1990er und 2000er Jahren um bis zu 98 %. Im Jahr 2003 war die Art auf fragmentierte Gebiete in abgelegenen Teilen der Insel beschränkt, und eine gezielte Untersuchung im Jahr 2008 fand die Art nur an einem einzigen Standort.
Die Ursache für den rapiden Rückgang der Art ist noch immer unbekannt, obwohl als mögliche Gründe die Bejagung durch Gelbe Wildameisen, Riesentausendfüßler, Wolfsnattern und Katzen, die Konkurrenz durch fünf eingeführte Reptilienarten, Vergiftungen durch Insektizide und Krankheiten gelten.
In den späten 2000er Jahren versuchten Forscher auf der Weihnachtsinsel, Waldskinke für ein Zuchtprogramm in Gefangenschaft zu fangen, aber es wurden nur drei Weibchen gefunden. Am 3. Januar 2014 wurde die Art in die EPBC-Liste der bedrohten Tiere aufgenommen. Das letzte überlebende in Gefangenschaft lebende Weibchen erhielt den Spitznamen Gump und starb am 31. Mai 2014.
Nach Gumps Tod schrieben die Herpetologen John Woinarski und Hal Cogger: „Beim Waldskink liefern der Rückgang und die Erfolglosigkeit gezielter Suche vernünftige Gründe, von seinem Aussterben auszugehen, obwohl es einige Jahre dauern könnte, bis diese Schlussfolgerung offiziell anerkannt wird.“ Sollte dies zutreffen, wäre dies das erste Reptilienaussterben in Australien seit der europäischen Kolonisierung.
Fische, Reptilien und Amphibien werden von der Normalbevölkerung kaum wahrgenommen, ihnen fehlt der Niedlichkeitsfaktor um wirklich Interesse zu zeigen. Noch weniger hoch ist das Interesse an Wirbellosen, die klangheimlich verschwinden (und manche dürften ganz froh sein, wenn es sich um Parasiten oder Krankheitsüberträger handelt).
Ausgestorbene Parasiten
Ameles fasciipennis ist eine Fangschrecke aus der Familie der Mantidae. Von der Art ist nur ein einziges Exemplar, der Holotypus, in der Nähe der italienischen Stadt Tolentino gefunden worden, seitdem wurde sie nicht wiedergefunden. Sie gilt daher als ausgestorben.
Das bekannte Exemplar, ein Männchen, erreicht eine Körperlänge von 25 Millimeter, bei einer Vorderflügellänge von 25,7 Millimeter, es ist bräunlich gefärbt. Es ähnelt in der Körpergestalt der Kleinen Fangschrecke (Ameles spallanzania), nur die Vorderschenkel sind etwas schlanker. Das Pronotum ist kurz und breit, der Seitenrand geschwungen, die transparenten Vorderflügel (mit opakem Vorderrand) sind etwa siebenmal so lang wie das Pronotum. Die glasklaren (hyalinen) Hinterflügel überragen in Ruhestellung die Spitzen der Vorderflügel. Die Vorderschenkel sind schlank, etwa viermal so lang wie breit, Mittel- und Hinterbeine filzig behaart. Die Komplexaugen sind kegelförmig, mit einem flachen Buckel ohne Ommatidien.
Die Art ist anhand der Körpergestalt nicht sicher von anderen europäischen Arten der Gattung Ameles unterscheidbar. Ausschlaggebend für die Bestimmung ist die Gestalt des Pseudophallus des Aedeagus, der einen sehr langen subapikalen Stachel trägt.
Der einzige Fund stammt nach dem Sammlungsetikett aus Tolentino, Region Marken, in Mittelitalien, aus dem Jahr 1871. Näheres zum Lebensraum ist nicht bekannt. Das Typusexemplar befindet sich im Naturhistorischen Museum Wien, anhand dessen wurde die Art im Jahr 1963 von Alfred Kaltenbach erstbeschrieben.
Ausgestorbene Insekten der Neuzeit
Ausgestorbene Insekten der Neuzeit 2
Achatinella apexfulva war eine Vertreterin nachtaktiver, lebendgebärender Baumschnecken, die auf der hawaiischen Insel Oʻahu endemisch sind. 40 Arten sind bekannt, 16 davon bereits ausgestorben. George, der letzte Vertreter von Achatinella apexfulva, starb am 1. Januar 2019. „Er“ wurde in einer Zuchtstation an der Universität von Hawaii in Mānoa geboren. Der Rest „seiner“ Familie verstarb kurz nach seiner Geburt und „er“ blieb allein zurück. „Er“ wurde daher „Lonley George“ getauft – in Anlehnung an „Lonesome George“, der berühmten Galapagosschildkröte, die ebenfalls die Letzte ihrer Art war. Allerdings hätte man George auch Georgina nennen können. Achatinella-Arten sind Zwitter, aber zur Vermehrung hätte man noch ein zweites Tier benötigt. Und die Suche danach verlief ergebnislos.
Partula faba, auch bekannt als Bohnenschnecke, war eine endemisch auf Ra’iātea und Tahaa vorkommende Schnecke. Sie war die erste Partula, die nachgewiesen wurde.
Partula ist eine Gattung nachtaktiver, lebendgebärender Baumschnecken, die in Polynesien verbreitet sind. Durch die Zerstörung des Lebensraums und Einschleppung invasiver Tierarten sind die meisten der etwa 75 bekannten Arten ausgestorben.
Ab 1991 kämpften Zoos im Vereinigten Königreich darum, Partula faba vor dem Aussterben zu bewahren. Eine Zeit lang war dies erfolgreich, doch dann setzte ein langsamer Rückgang ein. Dem Bristol Zoo und dann dem Edinburgh Zoo wurde die letzte bekannte Kolonie dieser Schnecken anvertraut. Dies war kein Erfolg und die letzte Schnecke starb im Februar 2016.
Ausgestorbene Weichtiere der Neuzeit