Ausgestorbene Weichtiere der Neuzeit

(Erstveröffentlichung am 6. Dezember 2016)

Achatinella
Diese Schneckengattung besteht aus ca. 40 beschriebenen Arten, von denen bereits 15 ausgestorben sind. Dabei handelt es sich um nachtaktive, lebendgebärende Baumschnecken, die auf der hawaiischen Insel Oʻahu endemisch sind.
Die bei ausgewachsenen Schnecken meist etwa 2 cm langen Gehäuse sind rechts oder links gewunden und variieren in Form und Farbe. Sie sind in der Regel länglich oder eiförmig und haben eine glatte Oberfläche.
Die Schnecken leben auf Bäumen, wo sie sich vom pilzlichen Bewuchs der Blätter ernähren. Gelegentlich werden die Schnecken auch auf Neophyten gefunden, doch ist unklar, ob auf diesen wachsende Pilze eine ausreichende Lebensgrundlage für die Schnecken bieten. In Gefangenschaft können zumindest einige Arten mit Pilzen gefüttert werden, die auf dem Myrtengewächs Metrosideros polymorpha oder auch auf Maismehl-Agar wachsen.
Die Schnecken sind wie andere Lungenschnecken Zwitter, die sich mit ihren Penissen gegenseitig begatten. Die Jungschnecken werden lebend geboren.
Als die Achatinella-Schnecken noch häufig waren, wurden sie wegen ihrer Gehäuse gesammelt, die als Schmuck für Lei verwendet wurden. Nicht nur das übermäßige Sammeln durch Schneckensammler trugen zum Rückgangs und Aussterben der Schnecken bei, auch die Nachstellung durch eingeschleppte Schweine und Ratten, die Rodung der Wälder sowie invasive Pflanzenarten wie Clidemia hirta und Dicranopteris linearis angegeben, die das Nachwachsen der für die Schnecken unentbehrlichen Futterbäume verhindern, tragen Mitschuld. Auch die eingeführte Ameisenart Pheidole megacephala, die Knoblauch-Glanzschnecke und die Rosige Wolfsschnecke machen Jagd auf Achatinella-Schnecken.
Die Arten, die noch nicht ausgestorben sind, sind im Bestand stark bedroht.
Die ausgestorbenen Achatinella-Arten:
Achatinella abbreviata, Achatinella decora, Achatinella elegans, Achatinella valida, Achatinella buddii, Achatinella casta, Achatinella caesia, Achatinella dimorpha, Achatinella juddii, Achatinella juncea,
Achatinella lehuiensis, Achatinella livida, Achatinella papyracea, Achatinella spaldingi, Achatinella thaanumi

Partula
Diese Schneckengattung aus der Familie Partulidae, nachtaktiver, lebendgebärender Baumschnecken, die in Polynesien verbreitet sind.
Die bei ausgewachsenen Schnecken meist nicht über 2 cm langen Gehäuse sind rechts oder links gewunden, in der Regel spitz eiförmig und haben ein kegelförmiges Gewinde. Der bauchige Körperumgang ist höher als das Gewinde. Die Gehäusemündung ist kurz und mit Zähnchen oder Wellen verstärkt. Die Schnecken sind wie andere Lungenschnecken Zwitter, die sich mit ihren Penissen gegenseitig begatten. Die Jungschnecken werden lebend geboren. Die Schnecken leben von abgestorbenem Pflanzenmaterial und mikroskopischem Pflanzenbewuchs der Bäume, auf denen sie leben.
Die Schnecken leben auf Bäumen in den Wäldern der Inseln des Pazifiks von den Gesellschaftsinseln bis Palau. Daher rührt auch der Trivialname „Polynesische Baumschnecken“, mit dem aber auch auf andere Schnecken wie z. B. die Gattung Achatinella auf Hawaii bezeichnet werden. Die auf Tahiti untersuchten Partula-Arten wurden insbesondere auf Unterseiten der Blätter von Caladium und Bananenstauden gefunden, daneben auch an Drachenbäumen und Kurkuma.
Die Zerstörung der Wälder und die Einschleppung afrikanischer Großer Achatschnecken, welche die heimischen Schneckenarten durch Nahrungskonkurrenz erfolgreich verdrängten, werden im Zusammenhang mit dem Rückgang und Aussterben der Partula-Arten gesehen. Zur Bekämpfung der Achatschnecken wurden im Jahre 1974 räuberische Rosige Wolfsschnecken ausgesetzt, die jedoch an Stelle von Achatschnecken die einheimischen Arten fraßen. Die Wolfsschnecke, die sich von Tahiti auf zahlreiche Inseln ausbreitete, ist als Hauptursache für die Vernichtung der Partula-Schnecken erkannt worden. Auf anderen Inseln, so auf Guam, wird die aus Neuguinea eingeschleppte Landplanarie Platydemus manokwari als wichtigste Ursache für das Verschwinden von Partula-Arten und anderer heimischer Schnecken vermutet. Inzwischen betreibt die Zoological Society of London ein Programm zum Erhalt der verbliebenen Partula-Arten in Gefangenschaft im Vereinigten Königreich, Frankreich und den USA (Partula Programme Consortium).
Die Schneckenhäuser dienten einst den Polynesiern als zeremonieller Schmuck. So wurden die Zoologen Henry Crampton und Yoshio Kondo auf die Schnecken aufmerksam und untersuchten diese über einen Zeitraum von 50 Jahren. Auf Grund der zahlreichen Daten über die morphologische Vielfalt, ökologische Nischen und Verhalten konnten sie ein klassisches Beispiel für adaptive Radiation beschreiben.

Zelandiscus worthyi ist eine ausgestorbene Landlungenschneckenart, die auf der Südinsel von Neuseeland vorkam. Sie ist nur vom Holotypus, einem subfossilen Gehäuse, bekannt, den der neuseeländische Paläozoologe Trevor H. Worthy im Februar 1984 in den Bodenablagerungen der Aurora Cave nahe dem Lake Te Anau zu Tage gefördert hatte. Zusammen mit der 1977 entdeckten Art Zelandiscus elevata bildet sie die Gattung Zelandiscus.
Das einfarbig graue Gehäuse hat einen Durchmesser von 2,46 cm und eine Höhe von 1,73 cm. Die Oberfläche ist flach abgetragen. Es gibt 4,75 Windungen. Das Protoconch (Embryonalgewinde) besteht aus 1,75 Windungen. Auf dem Körpergewinde befinden sich 68 Rippen. Auf der ersten Teleoconch-Windung befinden sich 37 Rippen. Der Gehäuserand ist flach gewölbt. Die Oberschalennaht ist tief und nicht gefurcht. Die primären axialen Rippen sind in und über der Naht absteigend. Sie schließen nicht an der Suturalkante ab. Es gibt keine Mündungsbarrieren. Die Spindelwand und die Basis der Gaumenwand sind stark verdickt. Dieser verdickte Bereich, der sich durchgehend zurück bis zur Spindel ausdehnt, besteht aus einer tiefen nabelförmigen Naht. Der Umbilikus (Nabel) ist weit und offen.

Graecoanatolica macedonica ist eine winzig kleine, wahrscheinlich inzwischen ausgestorbene Wasserschneckenart aus der Familie Hydrobiidae.
Das rechtsgewundene Gehäuse ist etwa 2,8 mm hoch und 1,3 mm breit. Es ist regelmäßig hochkonisch mit einem zugespitzten Apex. Die Windungen sind gut gewölbt, sie nehmen regelmäßig zu. Lediglich die letzte Windung ist etwas höher. Die Windungen sind durch ein mäßig tiefe Naht voneinander abgesetzt. Die längliche Mündung ist eingeengt und ist am oberen Ende spitz gewinkelt. Die Außenlippe ist sehr dün und von der Seite gesehen gerade. Der untere Teil des Spindelrandes ist verdickt, der obere Teil ausgedünnt und an die Gehäusewand angelehnt, oder verwachsen. Im letzteren Fall ist er in einen Callus umgewandelt, der Mündungsrand ist dadurch unterbrochen. Der Nabel besitzt einen deutlichen Schlitz.
Graecoanatolica macedonica kommt (kam) ausschließlich im Dojransee, an der Grenze zwischen der Republik Mazedonien und Griechenland vor.
Die Art lebt(e) im ufernahen Flachwasserbereich mit steinigem oder sandigem Substrat, meist in 0 bis 50 cm Wassertiefe.
In den 1970er Jahren begann – ausgelöst durch starke Wasserentnahmen aus den Zuflüssen des Sees und heiße Sommer – der Wasserspiegel des Dojransee stark zu sinken (10,4 m Tiefe in den 1930er Jahren, 5,6 m Tiefe 1995), der Lebensraum der Art fiel trocken. Seit 1992 wurden keine lebenden Exemplare mehr beobachtet. Auch der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger im Einzugsgebiet des Sees hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.
Ab 2009 konnten zahlreiche, scheinbar frische, Leerschalen nach Stürmen am Ufer gefunden werden (Fischer et al. 2009, Petkovski (ined.), Mrkvicka (ined.)). Noch ist unklar, ob diese in geschützten Substratbereichen als Leerschalen überdauerten und ausgewaschen wurden oder von Restpopulationen lebender Tiere, die sich in unterirdischen Zuflüssen erhalten konnten, stammen. Auch Radea et al. (2013) berichten von Leerschalen, die den Eindruck machen, dass die Tiere erst vor kurzem gestorben sind.
Derzeit gilt die Art als ausgestorben, sollten lebende Vorkommen nachgewiesen werden, wäre sie als vom Aussterben bedroht einzustufen.

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2 Antworten zu Ausgestorbene Weichtiere der Neuzeit

  1. Uwe Wagner sagt:

    Der Blog ist Spitze. Danke daß ihr euch so viel Arbeit macht und wenigstens dokumentiert was der Mensch größtenteils verbricht bzw. verbrochen hat. Durch die Waldbrände der letzten Jahre in Sibirien, Australien, den USA und Malaysia sowie diverse Ölkatastrophen (Brent Spar etc.) werden leider noch viele weitere Arten in den Orkus gehen. Macht weiter so.

    • Martin sagt:

      Danke für das Kompliment. Ich habe zwar in letzter Zeit wenig über ausgestorbene Tierarten berichtet, aber das wird bald wieder der Fall sein. Vermutlich sterben viele Arten unbemerkt aus, weil wir von ihrer Existenz noch nichts wissen.

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