Let’s talk about … Terrorvögel

Phorusrhacos longissimus (Charles R. Knight)

Phorusrhacos longissimus (Charles R. Knight)

Einen Beitrag über Terrorvögel wollte ich schon vor einiger Zeit schreiben, aber dann haben mich meine eigenen Kindheitserinnerungen abgelenkt und ich habe mich über einen Film ausgelassen. Aber durch das Lesen eines Buchs wurde ich an mein Vorhaben erinnert und hier sind sie … die Terrorvögel der Urzeit.
Heutige Riesen sind Strauß und Kasuar (nicht zu vergessen Emu und Nandu), aber auch wenn sie groß und auch stark sind (man sollte sie nicht unterschätzen), so sind sie wohl kein Vergleich zu den Terrorvögeln, welche während des Paläogens und des Neogens in Südamerika lebten und anders als die heutigen Laufvögel, Räuber waren. Verwandtschaftliche Beziehungen bestehen nicht, die einzige Gemeinsamkeit ist die Flugunfähigkeit. Die nächsten heute noch lebenden Verwandten sind die Seriemas, die weitaus kleiner sind und vielleicht nur noch für Schlangen gefährlich sein können (wobei … Schnäbel an sich können durchaus auch beim Menschen starke Verletzungen hervorrufen).

Die Angehörigen der Phorusrhacidae (der wissenschaftliche Name der Terrorvögel) waren flugunfähige Vögel, die mittelgroße bis sehr große Arten umfassten. Sie erreichten eine Gesamthöhe von 80 cm und ein Körpergewicht von etwa 5 kg bei Psilopterus bis hin zu 240 cm bei 180 kg bei Paraphysornis. Mit Kelenken trat ein Angehöriger auf, der möglicherweise auch bis zu 3 m hoch wurde, doch liegen hier bisher nur wenige Funde vor. Ein generelles, die Gruppe definierendes Merkmal findet sich in dem kräftigen, allerdings seitlich verschmälerten Körperbau, der den Tieren in Anblick von vorn eine schlanke Gestalt verlieh. Dies betrifft vor allem den Schädel, den Brustkorb und das Becken. Auffallend war des Weiteren der hohe und schmale Oberkiefer, der am vorderen Ende spitz nach unten bog und so ein hakenförmiges Ende aufwies. Dies findet sich auch bei heutigen Greifvögeln und kann als eine Anpassung an fleischliche Nahrung interpretiert werden. Dem entsprach auch der Unterkiefer mit seiner fest verwachsenen Symphyse. Die Nasenlöcher waren groß und wurden nicht von einer Scheidewand getrennt. Weiterhin auffällig zeigten sich der lange Hals und die verkleinerten Flügelknochen. Letzteres war hauptsächlich bei den besonders großen Vertretern auffällig, bei den kleineren Angehörigen jedoch nicht so prägnant. Gegenüber den verkümmerten Armen waren die Hintergliedmaßen äußerst kräftig, der Tibiotarsus bildete hier den längsten Knochen. Am Tarsometatarsus trat ein im Querschnitt dreieckiger Hypotarsus auf, ein Wulst am oberen Ende. Das Becken wiederum war insgesamt sehr gestreckt und seitlich verschmälert, was generell für die guten Laufeigenschaften der Vögel spricht. Allerdings zeigte es sich im vorderen Bereich stark zurückgebildet, ein Merkmal, das unter anderem auch von den Habichtartigen bekannt ist. Als zusätzlicher Hinweis auf eine beutegreifende Ernährungsweise wiesen die Füße spitz gebogene Endzehen auf, die kräftige Krallen trugen. Ergänzende Charakteristika betreffen spezielle Skelettmerkmale. Hierzu zählen etwa die extrem reduzierten Fortsätze am Rabenbein, das Fehlen der hakenartigen Fortsätze an den Rippen und der deutlich gebogene obere Schaftverlauf des Oberarmknochens.

Phorusracos (Urzeitpark Sebnitz)

Generell waren die Phorusrhacidae an eine schnelle Fortbewegung am Boden angepasst, worauf neben dem hohen Becken auch die verlängerten unteren Gliedmaßenpartien der Hinterbeine (Tibiotarsus und Tarsometatarsus) verweisen. Bei den meisten Formen mit bekanntem Beinskelett erreicht der Tarsometatarsus zwischen 60 und 85 % der Länge des Tibiotarsus, was für ausgesprochen gestreckte Füße spricht. In absoluten Zahlen ausgedrückt besitzt der Tibiotarsus bei Phorusrhacos eine Länge von rund 50 cm, der Tarsometatarsus von 38,5 cm. Entsprechende Maße bei Mesembriornis lauten 42 cm und 36 cm. Zudem sind die Knochen relativ grazil, der Schaftdurchmesser des Tarsometatarsus bei Phorusrhacos beträgt 3,7 cm, bei Mesembriornis 2,7 cm. Alle diese Merkmale verweisen auf gute Laufeigenschaften. Eine Ausnahme bildet hier aber Paraphysornis. Diese sehr große Form hat einen deutlich robusteren Skelettbau, bei dem der Tarsometatarsus weniger als 60 % der Länge des Tibiotarsus ausmacht. Demnach wurde ersterer etwa 31,5 cm lang, letzterer gut 55 cm. Dadurch sind die Füße bei Paraphysornis nicht nur relativ, sondern auch absolut kürzer als im Vergleich zum gleich großen Phorusrhacos. Auch der Schaftdurchmesser des Tarsometatarsus ist bei Paraphysornis mit 5,7 cm deutlich umfangreicher. Es wird daher angenommen, dass die Form weniger stark an einen schnellen Lauf angepasst war und eventuell als Lauerjäger oder Aasfresser in Erscheinung trat. Ähnliches kann zu Physornis gesagt werden.

Als weiterer Hinweis auf eine agile Fortbewegung bei den meisten Phorusrhaciden kann der Bau der Füße gewertet werden. Diese sind mit drei nach vorn zeigenden Zehen ausgestattet, während ein vierter Zeh verkleinert ist und nicht den Boden berührte. Trittsiegeln aus der Rio-Negro-Formation in der Pampa-Region von Argentinien legen nahe, dass von den anatomisch drei groß ausgeprägten Zehen nur zwei den Boden direkt kontaktierten. Es handelt sich hierbei um die zentrale große Zehe (Strahl III) und die etwas kleinere äußere Zehe (Strahl IV). Die innere Zehe (Strahl II) spielte nur eine geringe Rolle. Dadurch entstand eine funktionale Didactylie. Eine reduzierte Anzahl der Zehen bei Kontakt mit dem Untergrund verringert den Reibungswiderstand beim Laufen. Das Merkmal ist vor allem bei den heutigen Straußen extrem ausgeprägt, die nur über zwei funktionale Zehen je Fuß verfügen. Die Phorusrhaciden waren diesem Befund zufolge an einen schnellen Lauf angepasst. Um das Körpergewicht abzufangen, bestand außerdem ein großes Fußpolster, das sich in den Trittsiegeln ebenfalls abzeichnet. Die ausgeprägte innere Zehe (Strahl II) wurde vermutlich erhöht gehalten und diente mit ihrer kräftigen Kralle dazu, Beute festzuhalten. Die Spuren sind rund 30 cm lang und gehören zu einem großen Vertreter der Phorusrhaciden. Ihr Alter beträgt rund 8 Millionen Jahre.
Inwiefern ein Teil der kleineren Formen der Phoruschacidae einen Rest Flugfähigkeit bewahrt hatten, wird in der Forschung unterschiedlich bewertet. Als potentieller Kandidat gilt unter anderem Psilopterus, der mit einem Gewicht von 5 kg den kleinsten Vertreter der Terrorvögel repräsentiert. Im Vergleich zu den großen Angehörigen waren die Flügelknochen noch deutlich länger, übertrafen im Gegensatz zu echten flugfähigen Vögeln in ihren Maßen aber nicht die Hinterbeine. Möglicherweise war das mögliche Flugverhalten dadurch eher schwerfällig oder umständlich und die Lebensweise erfolgte überwiegend schreitend und rennend am Boden ähnlich den heutigen Seriemas.

Die kräftigen und langgestreckten Beinknochen ermöglichten den Rekonstruktionen zufolge eine hohe Laufgeschwindigkeit. Schätzungen und Vergleiche mit heutigen Straußen befürworten für mehrere der größeren Formen der Phorusrhacidae Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h. Der außerordentlich massive Tibiotarsus vom Mesembriornis würde theoretisch sogar bis zu 97 km/h zulassen. Da diese Geschwindigkeit heute lediglich vom Gepard erreicht wird, nehmen Wissenschaftler an, dass die Vögel höchstwahrscheinlich mit kräftigen Tritten ihre Beute attackierten, wie es heute beispielsweise vom Sekretär bekannt ist. Damit wären die Phorusrhacidae in der Lage, Reaktionskräfte von dem dreinhalbfachen Wert ihres eigenen Körpergewichts zu erzeugen, was bei Mesembriornis mit einem Körpergewicht von rund 70 kg umgerechnet etwa 2400 N ergibt. Die Kraft hätte ausgereicht, um bei heutigen mittelgroßen Huftieren wie der Saiga, den Thomson-Gazellen oder dem Alpensteinbock bedrohliche Knochenbrüche zu erzeugen.

Bei einem Angriff gebrauchten die Vögel außerdem ihren Kopf mit dem großen Schnabel wie eine Axt, wie Untersuchungen am Schädel von Andalgalornis zeigten. Ausschlaggebend hierfür ist der stark verfestigte Bau des Schädels und der große und hohe sowie seitlich komprimierte Schnabel, die beide horizontalen Scherkräften nur wenig widerstehen konnten, dafür aber besser mit vertikalen Bewegungen zurechtkamen. Die an der Schnabelspitze erzeugten Kräfte waren dagegen mit rund 133 N eher gering. Dadurch kamen als Beute entweder nur kleinere Tiere in Betracht oder aber größere wurden mit schnellen und präzisen Hieben erlegt. Der kräftig gebaute Hals ermöglichte dabei nicht nur den großen und massiven Schädel zu halten, er unterstützte vor allem auch schnelle Auf- und Abwärtsbewegungen. Dadurch waren im Zuge eines Angriffs einerseits Schläge gegen ein Beutetier möglich, andererseits konnte so der Kopf wiederum schnell in die Ausgangsposition zurückgebracht werden.
Als mögliche Hinweise auf die Ernährungsweise der Phorusrhacidae werden einzelne fossilisierte Gewölle aus der Andalgala-Formation in der argentinischen Provinz Catamarca gewertet. Die aus dem Oberen Miozän stammenden ovaloiden Strukturen sind bis zu 4 cm lang und 1,9 cm breit sowie 1,0 cm hoch. Sie enthalten eine dichte Packung aus Gebissresten und Langknochen, die überwiegend zu Trugratten und Wühlern gehören. Die einzigen bekannten Nachweise räuberischer Vögel aus der Gesteinseinheit wurden als Procariama und Andalgalornis identifiziert, zwei eher kleine Vertreter der Phorusrhaciden. Für eine genaue Beurteilung fehlen allerdings bisher Vergleichsfunde.
Anhand eines gut erhaltenen Schädels von Llallawavis konnte ermittelt werden, dass dessen mittleres Hörvermögen bei rund 2300 Hz lag, der Gesamtumfang wiederum bei wohl 3850 Hz. Vergleichbare Werte für Patagornis betragen 2050 und 3370 Hz. Dies ist niedriger als bei heutigen Seriemas. In der Regel fallen die Lautäußerungen heutiger Vögel in den unteren Bereich ihres Hörvermögens. Die Phorusrhacidae vermochten daher wohl eher Töne in niedrigeren Frequenzen wahrzunehmen, was sowohl die innerartliche Kommunikation als auch das Aufspüren potentieller Beutetiere betrifft.

Paraphysornis brasiliensis (© N. Tamura)

Ein möglicher früher Hinweis auf ausgestorbene riesige Vögel in Südamerika gab der französische Geologe Auguste Bravard im Jahr 1860 im Rahmen eines handgeschriebenen Kataloges zur Fossilfauna Argentiniens. Bravard verwies hierbei auf miozäne Schichten im Bereich des Río Parana, eine Region, die er selbst in den 1850er Jahren bereist und wo er Fossilien gesammelt hatte. Aus heutiger Sicht stammen aus dem Einzugsgebiet des Río Parana, unter anderem vom Conglomerado osifero der Ituzaingó-Formation mehrere Reste der Phorusrhacidae, die zumeist Devincenzia zugeordnet werden, welcher aber erst in den 1930er Jahren wissenschaftlich eingeführt worden war. Der forschungsgeschichtlich erste eindeutige Angehörige der Phorusrhacidae wurde im Jahr 1887 durch den argentinischen Naturforscher Florentino Ameghino nach einem Unterkiefer beschrieben, gefunden in der Santa-Cruz-Formation in der argentinischen Provinz Santa Cruz. Hierbei verwendete er erstmals die wissenschaftliche Bezeichnung Phorusrhacos. Der Name leitet sich höchstwahrscheinlich von den griechischen Wörtern φορός (phoros) für „tragend“ oder „bringend“ und ῥάκος (rakos) für „zerrissen“ oder „zerlumpt“ ab, er bezieht sich möglicherweise auf die bruchstückhafte Erhaltung des Fundes. Ameghino hielt den Unterkiefer anfangs für den Rest eines zahnlosen Säugetiers, das er in die Nähe der Faultiere und Gürteltiere einordnete. Zwei Jahre später wandelte er den Gattungsnamen in einem umfangreichen Katalogwerk zur Fauna Argentiniens in Phororhacos ab und begründete gleichzeitig die darauf basierende Familienbezeichnung Phororhacosidae. Die Erkenntnis, dass es sich hierbei um den Rest eines riesigen Vogels handelte, brachte er wiederum im Jahr 1891 nach der Entdeckung eines weitgehend vollständigen Schädels zu Papier, wobei er sowohl die von ihm neu gewählte Schreibweise der Gattung als auch den Namen der Familie beibehielt. Richard Lydekker korrigierte im Jahr 1893 die Bezeichnung der Familie in Phororhacidae. In der nachfolgenden Zeit blieben beide Namen, Phororhacos und Phororhacidae, weitgehend in Gebrauch. Erst im Jahr 1963 wies Pierce Brodkorb darauf hin, dass aufgrund der Namenspriorität in der zoologischen Nomenklatur Phorusrhacos vorzuziehen ist. Der korrekte Familienname lautet demnach Phorusrhacidae. Dies wurde im Jahr 1992 in einer Sitzung der International Commission on Zoological Nomenclature offiziell bestätigt (Opinion 1687). Unabhängig davon wird die heute noch verwendete Bezeichnung der Überfamilie der Phororhacoidea, basierend auf Ameghinos korrigierter Schreibweise, in der Regel auf Bryan Patterson aus dem Jahr 1941 zurückgeführt. Analog zur Familie ist allerdings die nomenklatorisch genauere Version mit Phorusrhacoidea zu benennen, was bereits Brodkorb in den 1960er Jahren anmerkte.
Vor allem die Frühphase der Erforschung der Phorusrhacidae war bestimmt von einer Fehde, die in etwa an die sogenannten „Bone Wars“ in Nordamerika erinnerte, welche zwischen den Forschern Othniel Charles Marsh und Edward Drinker Cope in den 1870er und 1880er Jahren ausgetragen wurde. In Südamerika konkurrierte Ameghino mit Francisco Pascasio Moreno, dem damaligen Direktor des La-Plata-Museums in der gleichnamigen Stadt in Argentinien. Neben wichtigen Fossilfunden beinhaltete die Fehde auch die Deutungshoheit über die wissenschaftliche Namensgebung. Kurz nach Ameghinos Benennung der Familie der Phorusrhacidae erstellte Moreno zusammen mit Alcide Mercerat im Jahr 1891 ein eigenes Konzept der systematischen Zuordnung der Terrorvögel. Beide etablierten die Gruppe der Stereornithes, die sie als übergeordnete Einheit auffassten. In dieser vereinten sie verschiedene Familien wie die Brontornithidae und die Stereornithidae. In letzterer gliederten Moreno und Mercerat Phorusrhacos, Mesembriornis und Patagornis ein. Das Stereornithes-Konzept wurde teilweise noch bis in das 20. Jahrhundert übernommen und abgewandelt. So unter anderem führte Lucas Kraglievich im Jahr 1932 innerhalb der Stereornithes die Familien der Phororhacidae sowie der Psilopteridae und erweiterte sie um die Devincenziidae. Mit dem Aufkommen moderner phylogenetischer Untersuchungsmethoden verlor das Konzept an Bedeutung, zumal die Typusform Stereornis lediglich ein Synonym zu Phorusrhacos ist.

Und es gibt noch so viel mehr über die Terrorvögel zu sagen. Und sie waren bei weitem nicht die einzigen Riesen unter den Urzeitvögeln… einst wandelten riesige Gänseverwandte auf unserer Erde und sie waren nicht weniger bedrohlich als die Terrorvögel … aber dazu ein anderes Mal mehr (wenn ich mich noch daran erinnere, dass ich einen kleinen Hinweis bereits gegeben habe …)

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