Der Haushund stammt vom Wolf ab. Das lernt man in der Schule, so unglaublich es auch erscheinen mag wenn man Wolf und Chihuahua nebeneinander stellt. Es gibt Mischlinge zwischen Haushunden und anderen Wildhunden der Gattung Canis, die ich hier vorgestellt habe. Beim ausgestorbenen Fuegian soll es um die domestizierte Form des Andenschakals handeln. Andere domestizierte Hundearten gibt es nicht, obwohl es bei Rotfüchsen, die in Pelzfarmen gezüchtet werden, verschiedene Farbvarianten gibt. Haustiere sind das jedoch nicht.
In den 1950er Jahren begannen der russische Genetiker Dmitri Beljajew (andere Schreibweisen: Belyayev, Beljaev, Дмитрий Беляев) und seine Mitarbeiter Zuchtversuche mit Silberfüchsen, einer Farbvariante des Rotfuchses, die bereits seit Jahrzehnten in Pelztierfarmen gezüchtet worden waren und wählten dabei zur Weiterzucht nur die Tiere aus, die weniger Scheu und geringe Bissigkeit gegenüber Menschen zeigten. Er erhielt schließlich eine Population von Füchsen, die sowohl in ihrem Verhalten als auch in ihrem Aussehen deutlich von den Füchsen des Wildtyps unterschieden.
Nach etwa zehn bis zwanzig Generationen kontrollierter Zucht zeigten die Füchse keine Furcht mehr vor Menschen und begrüßten die Pfleger mit Schwanzwedeln und Zuneigungslecken. Äußerliche Veränderungen waren gefleckte Fellzeichnung, Schlappohren und gekräuselte Schwänze.
Während dieser Zeit versuchten Biologen noch herauszufinden, warum Hunde andere Fellzeichnungen aufweisen als Wölfe. Beljajew sah in seiner Forschung mit Füchsen die Möglichkeit, diese Frage zu beantworten. Mit seinen Mitarbeitern untersuchte er auch biochemische Parameter und fand, dass die Adrenalin-Werte der domestizierten Füchse deutlich niedriger lagen als die der wilden Füchse. Dadurch konnte das handzahme Verhalten der Füchse erklärt werden, nicht aber die Vielfarbigkeit der Felle.
Die Wissenschaftler stellten die Theorie auf, dass durch die molekulare Ähnlichkeit von Adrenalin und Melanin ein Zusammenhang bezüglich der Pigmentproduktion bestehen könne und dass veränderte – das heißt verminderte – Hormonwerte dadurch kaskadenartig die Expression von genetischen Varianten zum Vorschein bringen könnten, die im Wildtier durch hohe Adrenalinkonzentrationen unterdrückt blieben. Damit war auch eine Funktion von Stress (erhöhter Adrenalinspiegel) als regulatorisches Element in der Genexpression und damit der Evolution erkannt.
Beljajew starb 1985 an Krebs. Nach seinem Tod führte Lyudmila Trut, eine Mitarbeiterin Beljajew und Managerin des Fuchsprojekts, sein Experiment fort und machte es 1999 mit einem Artikel im American Scientist international bekannt. Nach 40 Jahren und 45.000 Füchsen umfasste die Population der Experimentatoren in diesem Jahr 100 Füchse – das Ergebnis von 30 bis 35 Selektionsgenerationen. Trut äußerte damals die Überzeugung, dass Beljajew mit den posthumen Ergebnissen seines Experiments zufrieden gewesen wäre. Dieses habe einen uralten Prozess, der sich ursprünglich über Jahrtausende erstreckte, in wenigen Jahrzehnten komprimiert und dazu geführt, dass das aggressive Verhalten der wilden Vorfahren der Herde vollständig verschwunden sei. Die Experimentatoren, so schrieb sie, hätten die Entstehung neuer morphologischer Merkmale beobachtet – ein Prozess, der zuvor nur aus archäologischen Funden bekannt war. Trut merkte an, die wichtigste offene Frage sei, wie weit das Zuchtexperiment noch gehen könne.
Das Experiment wurde bis zu ihrem Tod am 9. Oktober 2024 von Lyudmila Trut geleitet. Anna Kukekova, eine in Russland geborene Postdoktorandin für Molekulargenetik an der Cornell University unterstützte Trut bei der Vollendung von Beljajews Arbeit seit 2002, wodurch daraus eine russisch-amerikanische Gemeinschaftsinitiative wurde.
Die Versuche mit Beljajews Füchsen werden auch heute noch fortgeführt und wurden dahingehend erweitert, dass nun auch Füchse weiter gezüchtet werden, die ein aggressives Verhalten aufweisen.
Mehr dazu findet man (auf englisch) auf der Seite von Anna Kukekova.
Es existieren bis heute zahme „Domestikationsfüchse“ in Nowosibirsk (Russland). Zu Forschungszwecken wurden Tier auch nach Kanada und den USA importiert. Über eine kommerzielle Hautierhaltung wurde diskutiert, aber etabliert wurde sie nie. Vereinzelt gibt es Beljajew-Füchse in Privathaltungen aber in Deutschland ist das meines Wissens nicht der Fall, es wären auch einige Auflagen zu beachten, da die Füchse ja nicht mit Haushunden gleichzustellen sind.



