08.12.2025, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Eulen und Lerchen unter den Fischen
Innere Uhren können sehr unterschiedlich ticken. Während manche Menschen morgens am produktivsten sind, sind andere erst später am Tag oder gar abends aktiv. Dieses Phänomen ist in Wissenschaft und Medizin als Chronotyp bekannt. In einer umfassenden Analyse der Aktivitätsmuster von Wildfischen hat ein Forschungsteam mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) nachgewiesen, dass es auch bei Fischen – Karpfen, Forellen, Zandern und Co. – „Frühaufsteher“ und „Spätaufsteher“ gibt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Fish and Fisheries veröffentlicht.
Bei Menschen sowie verschiedenen Säugetieren und Vögeln ist bekannt, dass manche Individuen eher früh, andere eher spät aktiv werden. Dies wird als individueller Chronotyp bezeichnet. Studien haben gezeigt, dass diese Tendenzen teilweise genetisch bedingt sind. Bislang gab es jedoch kaum Untersuchungen dazu, ob solche Chronotypen auch bei Fischen in freier Wildbahn existieren.
Die Forschungsgruppe, an der auch Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin beteiligt war, analysierte mit biotelemetrischen und biologgenden Methoden im Freiland erhobene, hochaufgelöste Aktivitätsdaten aus 44 Datensätzen zu 34 verschiedenen Meeres- und Süßwasserfischarten. Bei diesen Methoden tragen die Fische Sender, die Signale aussenden und die Bestimmung der Aufenthaltsorte erlauben, oder Biologger, die Aktivitätsdaten eines Fisches speichern, wie die Anzahl der Schwimmstöße. Die Forschenden werteten nur Datensätze aus, bei denen die Aktivitätsmuster der Tiere über den gesamten Tagesverlauf und über mehrere Tage hinweg analysiert werden konnten. Anhand dieser Daten bestimmten sie, ob es konsistente individuelle Unterschiede in Bezug auf Beginn und Ende der täglichen Aktivitätsmuster der Tiere gab. Ob Fische im menschlichen Sinne schlafen, ist übrigens wissenschaftlich umstritten. Was aber ohne Zweifel bestimmbar ist, sind Ruhephasen und Phasen erhöhter Schwimmaktivität. Schwimmende Fische sind außerhalb der Laichzeit in der Regel auf der Nahrungssuche oder versuchen, Räubern auszuweichen.
Chronotypen bei vielen Fischarten gefunden:
Dem Forschungsteam gelang es, Chronotypen bei 17 Fischarten zu identifizieren. Dabei geht es nicht darum, dass einzelne Fischarten tagsüber oder nachts aktiver sind, sondern um systematische individuelle Unterschiede in Bezug auf Start und Ende der Aktivität innerhalb einer Fischart im Laufe des Tages.
1. Die Forelle: extreme Frühaufsteher und Morgenmuffel
Bei den Forellen war die Ausprägung der Chronotypen besonders deutlich. Vor allem die Spannweite der Zeiten, in denen einzelne Tiere aktiv wurden beziehungsweise die Aktivität einstellten, schwankte erheblich und systematisch zwischen einzelnen Tieren: Einige Individuen waren bereits fünf Stunden vor Sonnenaufgang aktiv, andere erst fünf Stunden danach.
2. Der Karpfen: Jedes Individuum hat vor allem feste „Schlafenszeiten“
Karpfen zeigten vor allem in Bezug auf ihr Aktivitätsende deutliche individuelle Muster. Die ersten kamen rund drei Stunden nach Sonnenuntergang zur Ruhe, wohingegen die Nachtschwärmer unter den Karpfen neun Stunden später in den Ruhemodus schalteten.
3. Zander: große Zander ruhen früher
Auch bei den grundsätzlich eher nachtaktiven Zandern wurden Chronotypen festgestellt. Bemerkenswert war, dass größere und ältere Zander tendenziell früher in der Nacht zur Ruhe kamen als ihre kleineren, jüngeren Artgenossen.
4. Roter Zackenbarsch: strenge Tagesroutine
Der rote Zackenbarsch, ein Meeresfisch, hatte insgesamt den rigidesten Tageszeitplan. Die verschiedenen Tiere hat sehr strikte Wach- und Ruhephasen. Sowohl das „Aufstehen“ als auch das „Schlafengehen“ variierten individuell und systematisch, ganz im Sinne der Chronotypen.
„Die Ergebnisse stützen die Einteilung in ‚Morgen-‘ und ‚Abendtypen‘, was der klassischen Klassifizierung von Chronotypen beim Menschen entspricht“, sagt Robert Arlinghaus. „In unserer Studie zeigten fast alle untersuchten Fischarten Chronotypen. Bei den Arten, bei denen wir keine Hinweise darauf gefunden haben, gehe ich davon aus, dass der Grund methodischer Natur ist. Um die Existenz von Chronotypen bei Fischen zweifelsfrei nachzuweisen, sind hochauflösende Daten über viele Tage erforderlich, die jedoch selten sind“, ergänzt der Fischereiökologe.
Hochauflösende Fischortung und Aktivitätssensoren ermöglichen ungestörte Verhaltensstudien:
Einige der Studien, auf denen diese Analyse basiert, wurden mit akustischer Telemetrie durchgeführt, darunter auch Arbeiten des IGB zu einheimischen Fischen in einem See in Brandenburg. Hier trägt eine Stichprobe von Fischen kleine Sender, die mehrmals pro Minute Signale aussenden. Anhand dieser Signale lassen sich die Schwimmtiefe, die Schwimmgeschwindigkeit und der Standort der Tiere bestimmen. Im See installierte Empfänger zeichnen die Daten auf, ohne die Fische zu stören.
„Hochauflösende Telemetrie- und Biologging-Methoden sind besonders gut geeignet, um Aktivitätsmuster von Fischen in freier Wildbahn zu untersuchen. Mit diesen Methoden lassen sich kurze Übergänge zwischen Ruhe und Aktivität besonders gut erfassen“, sagt der Fischereibiologe Dr. Christopher Monk vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Christopher Monk hat in seiner Zeit als Doktorand und Postdoc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Robert Arlinghaus die fischtelemetrischen Arbeiten am IGB, die in die nun publizierte Studie eingeflossen sind, maßgeblich begleitet.
Neben der grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnis helfen die Ergebnisse dabei, das Phänomen zu erklären, dass Anglerinnen und Angler nur bestimmte Individuen fangen, wie frühere Studien von Robert Arlinghaus und Christopher Monk bereits zeigen konnten. Angelt man beispielsweise am Morgen, können die Tiere, die früh aktiv werden, einfacher gefangen werden als die, die noch ruhen, wenn der Angelköder ins Wasser fällt. So könnten sich durch Auslese die Aktivitätsmuster von befischten Fischen über Generationen hinweg systematisch verschieben.
Originalpublikation:
Martorell-Barceló, M., Abecasis, D., Akaarir, M., Alonso-Fernández, A., Arlinghaus, R., Aspillaga, E., Barcelo-Serra, M., Brevé, N.W.P., Davidsen, J.G., Gamundí, A., Grau, A., Hereu, B., Jarić, I., Kapusta, A., Lowerre-Barbieri, S., Monk, C.T., Nickel, A.K., Nicolau, M.C., Ólafsdóttir, G.Á., Olsen, E.M., Pickholtz, R., Prchalová, M., Reubens, J., Říha, M., van der Knaap, I., Verhelst, P., Villegas-Ríos, D. and Alós, J. (2025), Revealing Chronotypes Across Aquatic Species Using Acoustic Telemetry. Fish Fish, 26: 1134-1145. https://doi.org/10.1111/faf.70022
08.12.2025, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
Wie viele Insekten fliegen am Himmel über den USA?
Rund 100 Billionen Insekten fliegen an einem Sommertag am Himmel über den USA, schätzen Forschende von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und aus den USA. Mit Hilfe von Wetterradaren haben sie erstmals die Menge der Fluginsekten über dem US-Festland abgeschätzt.
* Forschende nutzten Daten von 140 Wetterradaren, um die Insektenmenge über den ganzen USA abzuschätzen.
* Die Insektenmenge blieb dort in den letzten zehn Jahren stabil, aber regional gab es grosse Zu- und Abnahmen.
* Die Methode soll helfen, die Insektenhäufigkeit grossflächig zu überwachen.
Obwohl im Luftraum Abermillionen von Lebewesen fliegen, fressen und sich fortpflanzen, ist dieser Lebensraum kaum erforscht. Insekten stehen durch den globalen Wandel und menschliche Aktivitäten weltweit unter wachsendem Druck. Wie sich das grossflächig auswirkt, ist schwierig abzuschätzen, weil die Insektenüberwachung bisher weitgehend auf wenige Arten und Orte beschränkt war.
Eine automatisierte, günstige und grossflächige Methode, sie im Luftraum zu überwachen, können Wetterradare sein, von denen viele Länder grosse Netzwerke besitzen. Sie «schauen» nach oben, um Wolken und Niederschlag zu beobachten, und «sehen» dabei auch alles andere, was dort fliegt. Algorithmen können daraus die Signale von Insekten herausfiltern, deren Flugmuster auf Radarbildern typische Spuren hinterlassen.
In den USA sind Wetterradardaten frei zugänglich. Das nutzten Elske Tielens von WSL und zwei US-Kollegen, um die weltweit erste Schätzung der Insektenmenge über dem US-Festland zu machen: An einem durchschnittlichen Sommertag fliegen gut 100 Billionen (1014) Insekten, die Millionen von Tonnen Biomasse umfassen, über den USA, berichten sie im Fachjournal Global Change Biology.
Auf und Ab mit Wintertemperaturen
Diese Zahl war über die ausgewerteten zehn Jahre (2012 bis 2021) relativ stabil. Ein starkes Auf und Ab gab es aber auf regionaler Ebene – jeweils rund die Hälfte der Radare beobachtete eine Zu- respektive eine Abnahme der Insektendichte. Die Schwankungen hingen am stärksten mit den Wintertemperaturen zusammen: In Regionen, wo diese wärmer wurden, schrumpften die Insektenpopulationen am meisten. Der Lebenszyklus vieler Insekten – sei es Schlüpfen, Entwicklung oder Parasitenbefall – ist massgeblich durch die Temperatur reguliert.
Die Radarbeobachtung macht erstmals kontinentale Muster fliegender Insekten sichtbar und liefert eine einzigartige zehnjährige Zeitreihe. Es ist jedoch kein Allheilmittel: «Es ist wahrscheinlich, dass der stärkste Rückgang der Insektenpopulationen bereits in den 1970er- und 1990er-Jahren, also vor unserer Datensammlung, stattgefunden hat», sagt Tielens. Auch können die Radargeräte keine einzelnen Insektenarten erkennen. Untersuchungen am Boden zeigen aber, dass vor allem für Umweltveränderungen empfindliche oder seltene Arten verschwinden und häufige Arten zunehmen. «Es ist deshalb wichtig, Radardaten mit anderen Datenquellen – lokale Erhebungen, Citizen Science und so weiter – zu kombinieren», sagt Tielens.
Dennoch können Wetterradare dringend nötige Basisdaten der Insektenpopulation liefern, auf der zukünftige Zeitreihen aufbauen können. Insbesondere im globalen Süden gibt es viel weniger Erhebungen zur Insektenfauna als in Europa und Nordamerika. Und wenn ältere Radardaten mit neuen Rechenmodellen durchforstet werden, lassen sich vielleicht auch historische Veränderungen aufdecken, schreiben die Autorin und die Autoren. Nur in der Schweiz ist die Methode schwierig anzuwenden: viele Wetterradare stehen auf Bergrücken oder -gipfeln und Fluginsekten fliegen somit – buchstäblich – unter dem Radar.
Originalpublikation:
Tielens E.K., Stepanian P.M., Kelly J.F. (2025) Systematic continental scale monitoring by weather surveillance radar shows fewer insects above warming landscapes in the United States. Glob. Chang. Biol. 31(11), e70587 (14 pp.). https://doi.org/10.1111/gcb.70587
08.12.2025, Universität Leipzig
Schwierige Lebensbedingungen für den Lachs in der Elbe und Mulde sind historisch bedingt
Wie groß der menschliche Einfluss auf die Entwicklung von Lachspopulationen in Mitteldeutschland ist, zeigt eine neue Studie von Forschenden der Universität Leipzig. Sie zeichnet nach, wie Menschen im Laufe der Geschichte in Fließgewässer eingriffen und so die Lebensräume des Atlantischen Lachses in Mitteldeutschland nachhaltig veränderten.
Der Atlantische Lachs war einst in vielen mitteleuropäischen Flüssen heimisch. In der Mulde und ihren Zuflüssen verschwand er im Laufe des 19. Jahrhunderts. Wiederansiedlungsprogramme in den letzten Jahrzehnten konnten bislang nur begrenzte Erfolge erzielen. Die aktuelle Studie trägt dazu bei, die historischen Ursachen besser zu verstehen und daraus Konsequenzen für den heutigen Gewässerschutz abzuleiten.
Ein Forschungsteam aus Geograph:innen, Historiker:innen und Archäolog:innen untersuchte anhand historischer Karten aus dem 18. und 19. Jahrhundert die Entwicklung von Gerinnebett, Barrieren und Landnutzung in den Auenräumen der Mulde und ihrer Zuflüsse.
Wehre, Dämme und Landnutzung verändern den Lebensraum des Laches
Die Ergebnisse belegen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Zahl an künstlichen Barrieren wie Wehren und Dämmen sowie einer intensiveren Landnutzung in den Auen einerseits und dem Rückgang historischer Lachsbestände andererseits. Gleichzeitig zeigen die Untersuchungen, dass natürliche Flussläufe mit ihrer Vielfalt an Gerinnebettmustern damals mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Lachsvorkommen einhergingen.
„Unsere Analysen historischer Karten machen sichtbar, dass die Beeinträchtigung des Flussbettes und die Zerschneidung von Wanderkorridoren bereits vor über 200 Jahren begannen“, erklärt Martin Offermann, Doktorand und Archäologe an der Universität Leipzig. „Diese Veränderungen der Gewässerstruktur haben den Lebensraum des Lachses massiv eingeschränkt. Dieser Faktor erschwert bis heute die Wiederansiedlungsprogramme“, so die geographischen Leiter der Studie, Dr. Michael Hein und Professor Dr. Christoph Zielhofer.
Innerhalb der interdisziplinären Studie im Rahmen des DFG-geförderten Schwerpunktprogramms 2361 „Auf dem Weg zur Fluvialen Anthroposphäre“ wurden historische Flussverläufe anhand der Sächsischen Meilenblätter (1780–1821) und der Von Deckerschen Quadratmeilenblätter (1816–1821) digitalisiert und ausgewertet. Dabei identifizierten die Forschenden damals bereits vorhandene Barrieren, Veränderungen des Gerinnebetts sowie die Stärke der Landnutzung in den Flussauen als Zeigerwerte für mögliche Gewässerverschmutzung und Lebensraumqualität des Lachses.
Die Untersuchung liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie historische Landschaftsnutzung und Flussregulierung langfristig die ökologische Vielfalt beeinflussen. Sie unterstreicht zudem, dass Renaturierungsmaßnahmen nicht nur aktuelle, sondern auch historische Veränderungen berücksichtigen müssen, um die Lebensräume wandernder Fischarten wie des Atlantischen Lachses nachhaltig zu verbessern.
Originalpublikation:
Originaltitel der Publikation im E&G Quaternary Science Jourbal:
„Ecomorphological changes and potential salmon habitat suitability since pre-industrial times in the Mulde River system (Germany)“ https://egqsj.copernicus.org/articles/74/325/2025
09.12.2025, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Libelle des Jahres 2026: Gemeine Winterlibelle
Heimische Libelle überwintert als erwachsenes Insekt
Gute Tarnung im Winter
Libelle nutzt auch Landlebensräume
Die Gemeine Winterlibelle ist die Libelle des Jahres 2026. Gekürt haben sie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Gesellschaft der deutschsprachigen Odonatologen (GdO). Die Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca) ist – mit ihrer seltenen Schwester, der Sibirischen Winterlibelle – die einzige heimische Libelle, die als erwachsenes Insekt überwintert. Männchen und Weibchen sind fast identisch braun-bronzefarben gefärbt. Damit sind sie im Winter gut getarnt und kaum zu finden. Ihre Flügel legen sie in Ruhestellung über dem Körper zusammen.
Die kalten Monate verbringt die Art an geschützten Orten wie kleinen Lichtungen mit altem Gras oder ausgedehntem Röhricht an naturnahen Gewässern. An warmen Sonnentagen kann sie umherfliegend beobachtet werden. Ab Anfang April ist sie als erste Libelle dauerhaft aktiv. Die Gemeine Winterlibelle ist weit verbreitet und profitiert wohl von der Zunahme milder Winter. Ihre Wahl soll darauf aufmerksam machen, dass Libellen auch Landlebensräume nutzen und auf die Vernetzung naturnaher Gewässer angewiesen sind. Libellen leben nicht nur in und an ihren Schlupfgewässern.
Als gefährdet gilt die Libelle des Jahres vorläufig nicht – anders als 48 der rund 80 heimischen Libellenarten. Mit der Gemeinen Winterlibelle wird auf die Bedeutung der Landlebensräume für die eigentlich aquatisch lebenden Libellen aufmerksam gemacht. Gerade bei dieser Art, die sich in den vergangenen Jahren mit dem Klimawandel etwas ausgebreitet hat und von den milden Wintern profitiert, wird die Bedeutung der Vernetzung von Lebensräumen in der Landschaft deutlich. Auch bei Libellen kommt es nicht nur auf die Reproduktionsgewässer an. Wichtig ist auch die Möglichkeit, weitere geeignete Biotopstrukturen im Umfeld erreichen zu können.
09.12.2025, Universität Zürich
Elefanten, Giraffen und Nashörner leben dort, wo es genug Salz hat
In manchen Regionen Afrikas können insbesondere die grossen Pflanzenfresser ihren Natriumbedarf nur unzureichend decken. Da viele Schutzgebiete in salzarmen Gebieten liegen, hat diese Knappheit auch Folgen für den Natur- und Tierschutz, sagen Forschende der UZH.
Pflanzenfressende Tiere benötigen regelmässig Natrium, damit ihr Stoffwechsel einwandfrei funktioniert. Nutztiere erhalten deshalb seit Langem Salz- oder Minerallecksteine. Bei Wildtieren hängt die Versorgung dagegen stark vom Lebensraum ab: In manchen Gebieten liefern Pflanzen und natürliche Salzquellen genügend Natrium, in anderen Regionen kann ein Mangel auftreten. Solche Unterschiede können beeinflussen, wo sich bestimmte Wildtierarten ansiedeln oder wie weit sie zu natürlichen Salzlecken wandern.
Eine neue Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich zeigt nun, dass die grössten freilebenden Pflanzenfresser der Erde – Elefanten, Giraffen und Nashörner – vielerorts nur eingeschränkten Zugang zu Natrium haben. Die Forschenden kombinierten dazu hochauflösende Karten zum Natriumgehalt von Pflanzen mit Daten zur Populationsdichte der Tiere und mit Ergebnissen aus Kotanalysen. Da sich ein Natriummangel in der Nahrung im Kot direkt nachweisen lässt, konnten sie so Rückschlüsse auf die tatsächliche Versorgungslage der Arten ziehen.
Risiko steigt mit zunehmender Körpergrösse
«In Afrika variiert die Natriumverfügbarkeit in Pflanzen von einer Region zur anderen um das 1000-fache», sagt Marcus Clauss, Klinikdirektor am Tierspital der Universität Zürich und Mitautor der Studie. «Wilde Pflanzenfresser können deshalb in einigen Gebieten einfach nicht genug Salz über ihre Nahrung aufnehmen.»
Doch nicht alle Herbivoren sind gleich stark betroffen: Die Forschenden stellten fest, dass die Salzknappheit insbesondere bei den grössten Arten, den Megapflanzenfressern, ausgeprägt ist. Damit bestätigen sie frühere Ergebnisse, wonach das Risiko von Natriummangels mit zunehmender Körpergrösse steigt.
Salzknappheit bestimmt Siedlungsraum von Megapflanzenfressern
Dies erklärt auch bestimmte Verhaltensweisen von Wildtieren. «In Kenia etwa dringen Elefanten in Höhlen vor, um an natriumreiche Felswände zu gelangen, während sie im Kongo in Flussbetten nach Salz graben. Und dieses Verhalten beschränkt sich nicht auf Elefanten: Gorillas liefern sich Kämpfe um besonders salzhaltige Nahrungsmittel, und Nashörner, Gnus sowie Zebras versammeln sich oft an Salzpfannen in der Kalahari», sagt Erstautor Andrew Abraham von der Northern Arizona University.
Zudem liefert die Studie eine neue Erklärung für den geringen Bestand grosser Pflanzenfresser in Westafrika, einer eigentlich vegetations- und artenreichen Region, in der jedoch nur wenige Megaherbivoren vorkommen. Die Forschenden vermuten, dass ein ausgeprägter Natriummangel dabei eine zentrale Rolle spielt, wohl in Kombination mit weiteren Faktoren wie Überjagung und geringer Bodenfruchtbarkeit.
Mögliches Konfliktpotenzial
Die Forschenden verweisen zudem auf wichtige Fragen für den Natur- und Tierschutz: «In von Menschen besiedelten Gebieten entstehen durch Bohrlöcher oder – in nördlichen Erdregionen durch Streusalz – künstliche Natrium-Hotspots. Da viele Schutzgebiete jedoch in natriumarmen Landschaften liegen, könnten Tiere, die auf der Suche nach Salz weite Wege zurücklegen, künftig vermehrt in Konflikt mit Menschen geraten», erklärt Clauss.
Originalpublikation:
Literatur
Andrew J. Abraham et al. Sodium constraints on megaherbivore communities in Africa, Nature Ecology & Evolution. 9. Dezember 2025. Doi: https://doi.org/10.1038/s41559-025-02917-y
08.12.2025, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
Was Knochen über das Riechen verraten: Neue Einblicke in die Evolution des Geruchssinns bei Säugetieren
Durch die Kombination von anatomischen Schädelanalysen und genetischen Untersuchungen ist es Forschenden gelungen, den Geruchssinn sowohl lebender als auch fossiler Säugetiere einzuschätzen. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift ‚Proceedings of the National Academy of Sciences‘ (PNAS) veröffentlicht.
Der Geruchssinn ist für Tiere lebenswichtig, da er bei Nahrungssuche, Schutz vor Feinden und sozialen Interaktionen hilft. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Quentin Martinez und Dr. Eli Amson vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart hat nun herausgefunden, dass bestimmte Bereiche im Hirnschädel Rückschlüsse auf den Geruchssinn von Säugetieren erlauben. Besonders aussagekräftig ist das Volumen des Endokasts des Riechkolbens, einer knöchernen Struktur im Schädel, die auch in sehr alten Fossilien oft gut erhalten ist. Dieses Volumen hängt eng mit der Anzahl intakter Geruchsrezeptor-Gene zusammen – einem wichtigen Hinweis auf die Geruchsfähigkeit. So lässt sich der Geruchssinn auch bei ausgestorbenen Arten wie frühen Walen, Säbelzahnkatzen oder dem Tasmanischen Tiger, auch Beutelwolf genannt, abschätzen. Die Studie, die eine verlässliche Methode zur Rekonstruktion des Geruchssinns bei ausgestorbenen Säugetieren liefert, wurde im Fachjournal ‚Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)‘ veröffentlicht.
Vom Gehirn zu den Genen – die Verbindung von Anatomie und Genomik:
Für Wissenschaftler*innen ist es eine große Herausforderung, die Entwicklung des Geruchssinns nachzuvollziehen, besonders bei längst ausgestorbenen Tieren, deren Verhalten heute nicht mehr beobachtet werden kann. Bei Säugetieren entspricht das Volumen der Hirnschale ungefähr dem Volumen des Gehirns. Die vorliegende Studie zeigt: Je größer der vordere Teil der Hirnschale ist, der den Riechkolben enthält, desto mehr funktionsfähige Geruchsrezeptor-Gene besitzt das Tier – ein wichtiger Hinweis auf die Ausprägung des Geruchssinns. Da die knöcherne Hirnschale in vielen Fossilien gut erhalten bleibt, können Forschende die Ausprägung des Geruchssinns selbst bei längst ausgestorbenen Arten rekonstruieren. „Unser Ansatz – vom Gehirn zu den Genen – verbindet die Anatomie des Schädels mit genetischen Informationen. Das hilft uns, die Evolution des Geruchssinns bei Säugetieren besser zu verstehen“, erklärt Dr. Quentin Martinez, Wissenschaftler am Naturkundemuseum Stuttgart und Erstautor der Studie.
Umfangreiche Schädelanalyse – Von der Spitzmaus bis zum Elefanten:
Für diese umfassende Studie untersuchte das Forschungsteam Schädel aus allen Säugetierordnungen mittels Computertomographie (CT). „Die von uns untersuchten Arten reichten von der zehn Gramm schweren Spitzmaus bis zum fünf Tonnen schweren Afrikanischen Buschelefanten und umfassten Endokranien von Elefanten, Walen, Nashörnern, Primaten und vielen weiteren Arten. Besonders das Scannen extrem großer Schädel erforderte ungewöhnliche CT-Scan-Einrichtungen und war eine technische Herausforderung. Der Versuch, einen Elefanten- oder Walschädel zu scannen, kann ein richtiges Abenteuer sein“, so Dr. Eli Amson, Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart und Experte für fossile Säugetiere.
Was konnten ausgestorbene Säugetiere riechen?
Mithilfe umfassender anatomischer und genetischer Untersuchungen sowie genauer Analysen von Fossilien und Knochen ist es Forschenden gelungen, die Geruchsfähigkeiten verschiedenster ausgestorbener Säugetiere einzuschätzen. „Wir haben unter anderem Fossilien früher Wale aus dem Eozän, Säbelzahnkatzen und dem Tasmanischen Tiger sowie weitere ausgestorbene Arten untersucht. Besonders spannend war für uns, dass einige der frühen Wale noch über einen deutlich ausgeprägten Riechkolben verfügten. Dies deutet darauf hin, dass sie einen guten Geruchssinn hatten – im Gegensatz zu heutigen Zahnwalen wie Delfinen, bei denen der Riechkolben im Laufe der Evolution stark verkleinert wurde. Frühe Wale aus dem Eozän verfügten somit wahrscheinlich über einen sehr guten Geruchssinn“, so Dr. Quentin Martinez.
Ein neues Fenster zur Evolution der Sinne:
Durch die Verbindung anatomischer Merkmale des Schädels mit genetischen Informationen ermöglicht die Studie ein besseres Verständnis der Entwicklung des Geruchssinns im Laufe der Evolution. Sie eröffnet neue Einblicke in die Lebensweise und die ökologischen Anpassungen von heutigen Säugetieren sowie von solchen, die vor Millionen von Jahren lebten. Diese Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage für die Erforschung der sensorischen Evolution und eröffnen neue Perspektiven für die Interpretation der Paläoökologie und des Verhaltens ausgestorbener Säugetiere.
Originalpublikation:
Martinez, Q., Molinier, C., Barraza-Soltero, I. K., Berger, E., Le Verger, K., Fabre, A-C., Billet, G., Fernandez, V., Ferreira, S. G., van de Kamp, T., Hamann, E., Zuber, M., Portela Miguez, R., Hautier, L., Amson, E. (2025). The olfactory bulb endocast as a proxy for mammalian olfaction. Proceedings of the National Academy of Sciences.
https://doi.org/10.1073/pnas.2510575122
10.12.2025, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Säugetiere: Länger leben durch Kastration und Verhütung
Ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, hat untersucht, wie sich verschiedene Formen der Fortpflanzungsunterbindung auf die Lebenserwartung von Säugetieren in Zoos auswirken. Grundlage waren Daten von 117 Arten, die weltweit in Zoos und Aquarien gehalten werden, ergänzt durch eine Metaanalyse von 71 bereits publizierten Studien. Das Ergebnis: Sowohl langfristige hormonelle Verhütung als auch dauerhafte chirurgische Sterilisation erhöhen die Lebensdauer, im Schnitt um zehn Prozent.
Auf den Punkt gebracht
– Längere Lebenserwartung: Die Lebenserwartung steigt im Durchschnitt um rund zehn Prozent, wenn Säugetiere an der Fortpflanzung gehindert werden.
– Verhütungsmethoden: Die Lebenserwartung von Männern steigt nur durch Kastration (Testosteron-Effekt), während die weibliche Lebenserwartung von jeder Verhütungsmethode verlängert wird, wahrscheinlich aufgrund der Unterbindung von energetisch aufwendiger Schwangerschaft und Stillzeit.
– Todesursachen: Kastrierte Männchen sterben seltener an aggressions- oder risikobedingen Zwischenfällen; Weibchen mit blockierter Fortpflanzung seltener an Infektionen.
Warum werden manche Säugetiere sehr alt, während andere nur wenige Jahre leben? Eine Elefantenkuh kann bis zu 80 Jahre alt werden, bekommt aber im Laufe ihres Lebens meist nur wenige Junge. Eine Maus dagegen lebt höchstens ein paar Jahre, kann aber theoretisch mehr als Hundert Nachkommen zur Welt bringen.
Die Evolutionstheorie erklärt solche Unterschiede durch einen grundlegenden Kompromiss: Arten müssen Energie zwischen Fortpflanzung und Erhalt des eigenen Körpers blancieren. Eine neue Studie liefert nun deutliche Belege für diesen evolutionären Trade-off – und das über eine erstaunlich große Bandbreite von Säugetieren hinweg, einschließlich des Menschen.
Fortpflanzung und Überleben: Ein evolutionärer „Trade-off”
Fortpflanzung ist kostspielig. Schwangerschaft, Stillzeit, Spermienproduktion, Paarungsverhalten und elterliche Fürsorge erfordern alle viel Energie. Selbst wenn ein Tier sich nicht aktiv fortpflanzt, beeinflussen Sexualhormone wie Testosteron und Östrogen Wachstum, Verhalten und Alterungsprozesse und verbrauchen Ressourcen, die ansonsten für die Erhaltungung des Körpers zur Verfügung stünden. „Zoos bieten einen einzigartigen Rahmen, um diese Dynamiken zu untersuchen“, erklärt Johanna Stärk, eine der Autor:innen. „Die kontrollierte Fortpflanzung in einigen Individuen, zum Beispiel durch Kastration oder Sterilisation, ermöglicht natürliche Vergleichsgruppen innerhalb identischer Umgebungen.“
Lebensverlängernde Effekte fanden sich in vielen Säugetiergruppen – von Primaten über Beuteltiere bis hin zu Nagetieren. Besonders stark ausgeprägt war der Effekt zum Beispiel bei weiblichen Mantelpavianen, die unter hormoneller Verhütung im Schnitt 29 Prozent länger lebten, während die kastrierten Männchen 19 Prozent länger lebten. „Unsere Studie zeigt, dass Fortpflanzung messbare und mitunter deutliche Auswirkungen auf die Lebenserwartung von Säugetieren hat“, sagt Fernando Colchero, einer der leitenden Autoren. „Wenn weniger Energie in die Reproduktion fließt, steht mehr Energie für Prozesse der Langlebigkeit zur Verfügung.“
Beide Geschlechter leben länger – aber aus unterschiedlichen Gründen
Wird die Fortpflanzung unterbunden, steigt die Lebenserwartung sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Tieren – jedoch aus aus verschiedenen biologischen Gründen. Bei Männchen verlängert sich die Lebensdauer ausschließlich durch eine Kastration, nicht aber durch eine Vasektomie, wie Hauptautor Mike Garratt von der Universität Otago erläutert: „Das weist darauf hin, dass der lebensverlängernde Effekt mit dem Wegfall von Testosteron zusammenhängt. Besonders ausgeprägt war er, wenn die Kastration bereits früh im Leben erfolgte – also vor der Geschlechtsreife, in der viele testosterongesteuerte Prozesse einsetzen.“
Bei Weibchen verlängern verschiedene Formen der Verhütung oder Sterilisation das Leben, vermutlich weil die körperlich belastenden Fortpflanzungsprozesse, wie Schwangerschaft und Stillzeit entfallen. Auch die Entfernung der Eierstöcke, wodurch die Produktion von Eierstockhormonen unterbunden wird, zeigte positive Effekte.
Eine Meta-Analyse von Laborstudien zeigte jedoch, dass dies gesundheitliche Nachteile mit sich bringen kann – ein möglicher Erklärungsansatz für das „survival–health paradox“, nach dem Frauen nach den Wechseljahren zwar länger leben, jedoch häufiger gebrechlicher sind und häufiger an chronischen Krankheiten leiden als Männer. Zudem unterscheiden sich die Todesursachen: Kastrierte Männchen sterben seltener an aggressions- oder risikobasiertem Verhalten, während Weibchen mit unterbundener Fortpflanzung seltener an Infektionen sterben. Dies unterstützt die Annahme, dass die hohen Energiekosten der Schwangerschaft das Immunsystem der Mütter schwächen können.
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen
Daten beim Menschen liegen nur begrenzt vor. Historische Aufzeichnungen, etwa von Eunuchen am königlichen Hof der Chosun-Dynastie in Korea, deuten darauf hin, dass kastrierte Männer im Durchschnitt rund 18 Prozent länger lebten als nicht kastrierte Männer. Diese Befunde müssen jedoch vorsichtig interpretiert werden, da die Genauigkeit der Aufzeichnungen unsicher ist. Bei Frauen zeigt sich, dass eine chirurgische Sterilisation aus nicht-krankheitsbedingten Gründen – etwa Hysterektomie oder Oophorektomie – nur minimal mit einer Verringerung der Lebenserwartung verbunden ist: etwa ein Prozent im Vergleich zu nicht sterilisierten Frauen. „Fortpflanzung ist von Natur aus kostspielig“, betonen die Autoren. „Beim Menschen können Faktoren wie Gesundheitsversorgung, Ernährung und soziale Unterstützung diese Kosten jedoch abfedern oder verändern.“
Die Studie macht deutlich, dass Fortpflanzung bei Säugetieren mit erheblichen biologischen Kosten einhergeht – ein grundlegender evolutionärer Trade-off zwischen Reproduktion und Überleben. Diese Kosten entstehen durch ein Zusammenspiel hormonell gesteuerter Prozesse sowie durch die vielfältigen Risiken und Belastungen, die mit der Fortpflanzung verbunden sind.
Welche Mechanismen dabei genau wirken, bleibt jedoch offen und verlangt weitere Forschung. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kosten der Fortpflanzung bei einer Vielzahl von Säugetieren erheblich und messbar sind“, schlussfolgern die Autoren. „Das Verständnis dieser Trade-offs vertieft unser Verständis über die Evolution des Alterns und in die unterschiedliche Art und Weise, wie Geschlechter Überleben und Fortpflanzung ausbalancieren.“
Originalpublikation:
Michael Garratt, Malgorzata Lagisz, Johanna Staerk, Christine Neyt, Michael B. Stout, José V. V. Isola, Veronica B. Cowl, Nannette Driver-Ruiz, Ashley D. Franklin, Monica M. McDonald, David M. Powell, Susan L. Walker, Jean-Michel Gaillard, Dalia A. Conde, Jean-François Lemaître, Fernando Colchero & Shinichi Nakagawa
Sterilization and contraception increase lifespan across vertebrates
Nature, 10 December 2025, https://doi.org/10.1038/s41586-025-09836-9
10.12.2025, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Schnurren verrät mehr als Miauen
Eine neue Studie von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Neapel Federico II zeigt: Das Schnurren von Hauskatzen verrät deutlich mehr über ihre persönliche Identität als ihr Miauen. Während Miaus sehr flexibel sind und sich je nach Situation stark verändern, bleibt das Schnurren von Katzen konstant und individuell erkennbar. Mit Methoden der automatischen Spracherkennung und unter Einsatz des Tierstimmenarchivs am Berliner Naturkundemuseum analysierte das Forschungsteam Laute von Haus- und Wildkatzen und fand heraus, dass Domestikation vor allem die Variabilität des Miauens erhöht hat.
„Menschen achten vor allem auf das Miauen, weil Katzen diese Laute hauptsächlich gegenüber uns einsetzen“, erklärt der Erstautor der Studie, Danilo Russo. „Aber nachdem wir die akustische Struktur genau untersuchten, stellte sich das gleichmäßige Schnurren als das bessere Mittel zur Identifikation verschiedener Individuen heraus.“ Das Team, an dem auch die Bioakustikerin Mirjam Knörnschild aus dem Museum für Naturkunde Berlin beteiligt war, analysierte Miau- und Schnurrlaute von Hauskatzen mit Methoden, die ursprünglich für die automatische Spracherkennung beim Menschen entwickelt wurden, und stellte eine einfache Frage: Wie zuverlässig kann ein Computer allein anhand des Klangs jede Lautäußerung dem richtigen Individuum zuordnen? Schnurren und Miauen erwiesen sich beide als individuell unterscheidbar – aber Schnurrlaute lagen klar vorn.
„Jede Katze in unserer Studie hatte ihr eigenes, charakteristisches Schnurren“, sagt Co-Autorin Anja Schild. „Schnurren tritt häufig in entspannten Situationen auf, etwa beim Streicheln oder engem Kontakt mit einer vertrauten Person. Auch dient es schon kurz nach der Geburt der Kommunikation zwischen Katzenmutter und Kitten. Miauen hingegen ist berühmt für seine Vielseitigkeit.“ Katzen miauen in unterschiedlichsten Situationen, vor allem in der Kommunikation mit Menschen – beim Betteln um Futter, beim Einfordern von Aufmerksamkeit oder sogar beim ‚Beschweren‘. Diese Flexibilität spiegelt sich in den akustischen Daten wider: Miaus zeigten deutlich größere Variation innerhalb einzelner Individuen.
Um die Ergebnisse in einen evolutionären Kontext einzuordnen, verglichen die Forschenden außerdem die Miaus von fünf Wildkatzenarten – Falbkatze, Europäische Wildkatze, Rohrkatze, Gepard und Puma – mit jenen der Hauskatzen und nutzten dabei die umfangreiche Sammlung von Lautäußerungen im Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde. Die Miaus der Hauskatzen wiesen eine viel höhere Variabilität auf als die ihrer wilden Verwandten.
„Das Leben mit Menschen, die sich in Routinen, Erwartungen und Reaktionen stark unterscheiden, hat vermutlich Katzen begünstigt, die ihre Miaus flexibel anpassen konnten. Unsere Ergebnisse stützen die Idee, dass sich Miaus zu einem hochgradig anpassungsfähigen Werkzeug entwickelt haben, um das Leben in einer vom Menschen geprägten Welt auszuhandeln,“ sagt Seniorautorin Mirjam Knörnschild.
Die Studie zeichnet ein differenziertes Bild der vokalen Kommunikation von Katzen und zeigt, wie die Domestikation vermutlich vokale Flexibilität begünstigt hat: Schnurrlaute, stereotyp und niederfrequent, dienen als verlässliche Identitätsmerkmale, die – Katzen wie Menschen – helfen können, vertraute Individuen im nahen sozialen Kontakt wiederzuerkennen. Miaus hingegen setzen auf Flexibilität statt Wiedererkennbarkeit, sodass Katzen unterschiedliche Bedürfnisse und Emotionen gegenüber ihren menschlichen Bezugspersonen ausdrücken können.
Originalpublikation:
Russo D, Schild AB, Knörnschild M (2025) Meows encode less individual information than purrs and show greater variability in domestic than in wild cats. Scientific Reports, https://rdcu.be/eT01v
10.12.2025, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Was Rufen und Singen über Grönlandwale verrät
Grönlandwale scheinen sich unter dem Meereis nordwestlich von Spitzbergen fortzupflanzen, während sie das offene Wasser in der östlichen Framstraße als Durchzugsgebiet nutzen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der Gruppe Ozeanische Akustik am Alfred-Wegener-Institut, die mit Unterwasserrekordern die Rufe von Grönlandwalen aufzeichneten und mittels künstlicher Intelligenz auswerteten. Sie veröffentlichen ihre Studie zur Habitatnutzung des Grönlandwals in Abhängigkeit von der Meereisbedeckung jetzt in der Fachzeitschrift Scientific Reports.
Rufen Grönlandwale an einem Ort besonders abwechslungsreich und vielfältig, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um ein Fortpflanzungsgebiet handelt. Die Art kommt ausschließlich im Arktischen Ozean vor, ist also dort endemisch. In den Weiten des teils eisbedeckten Nordpolarmeers haben Forschende aus der Gruppe Ozeanische Akustik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sogenannte Hydrophone installiert, die Unterwassergeräusche aufzeichnen. So können sie die Rufe der Tiere in abgelegenen Regionen erfassen, ohne selber vor Ort zu sein – und können anhand der akustischen Daten Rückschlüsse auf das Vorkommen und Verhalten ziehen.
In der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht ein Team um Erstautorin Marlene Meister jetzt eine Studie über die Grönlandwal-Population rund um Spitzbergen. Diese Population wurde zu Zeiten des kommerziellen Walfangs massiv bejagt, so dass ihr Bestand von schätzungsweise 33.000 bis 65.000 Tieren auf nur noch wenige Hundert Individuen sank. Obwohl die Spitzbergen-Population seit den 1930er Jahren unter Schutz steht, zeigt sie bislang keine eindeutigen Anzeichen einer Erholung. Grönlandwale sind stark vom Rückgang des arktischen Meereises bedroht, da dieses für sie ein wichtiges Habitat ist: Hier finden sie vermehrt Nahrung und Schutz vor jagenden Orcas. „Verschwindet das Eis, verliert die Population einen zentralen Lebensraum“, sagt AWI-Biologin Marlene Meister. „Für die Tiere ist es vermutlich kaum möglich, weiter nach Norden auszuweichen, weil sie dort nur sehr begrenzt Nahrung finden.“ Gleichzeitig wird der Arktische Ozean durch das schwindende Eis für die Schifffahrt besser zugänglich. Dies wiederum verstärkt das Risiko, dass Lebensräume durch Lärm oder Öl verschmutzt werden oder Wale mit Schiffen kollidieren.
Um die Auswirkungen dieses Lebensraumverlusts besser einschätzen zu können, legten die Forschenden besonderes Augenmerk auf das Vorkommen und Verhalten der Grönlandwale in Gebieten mit verschiedenen Meereisbedingungen. „Beobachtungen zeigen, dass sich die Spitzbergen-Population verstärkt im Meereis aufhält, von der Eiskante bis hin zu mehreren Hundert Kilometern im Packeis, wo Öffnungen im Meereis den Tieren als Atemlöcher dienen“, so Marlene Meister. Deshalb untersuchte das Team der Ozeanischen Akustik zwei sehr unterschiedliche Regionen in der Framstraße (der Wasserstraße zwischen Grönland und Spitzbergen): Die erste Region lag nordwestlich von Spitzbergen in überwiegend eisbedecktem Wasser; hier werteten die Forschenden akustische Aufnahmen aus den Jahren 2022 und 2023 aus. Die zweite befand sich in der östlichen Framstraße in offenem Wasser, wo akustische Daten aus dem Zeitraum 2012 bis 2023 zur Verfügung standen. Die Audiodaten wandelten die Wissenschaftler:innen in Spektrogramme um und werteten sie auf Rufe von Grönlandwalen hin aus. Dafür nutzten sie ein Verfahren der künstlichen Intelligenz zur Bilderkennung, welches sie mit Spektrogramm-Beispielen von Grönlandwalrufen trainierten und dann zur Detektion der Rufe einsetzten. Die KI-detektierten Rufe untersuchte das Team anschließend genauer und konzentrierte sich dabei auf die Region nordwestlich von Spitzbergen, wo zwischen Oktober und April Gesang auftrat.
Den Grönlandwal-Gesang haben die Forschenden manuell in einzelne Songs (also in Abschnitte, die hohe Ähnlichkeiten aufwiesen) unterteilt und ihr zeitliches Auftreten in Zusammenhang mit den Meereisbedingungen analysiert. Nordwestlich von Spitzbergen konnten so insgesamt zwölf verschiedene Songs detektiert werden, die jeweils über mehrere Tage bis Wochen auftraten. Ab Oktober nahm die Anzahl unterschiedlicher Songs pro Monat zu und erreichte im Februar mit acht verschiedenen Songs ihren Höhepunkt. „Eine mögliche Erklärung ist, dass im Februar mehr Tiere in der Region anwesend waren und jeweils unterschiedliche Songs produzierten, sodass die Song-Diversität anstieg. Auch denkbar ist, dass einzelne Tiere im Februar vielfältiger gesungen haben, was ihnen einen reproduktiven Vorteil verschaffen könnte, etwa wenn Weibchen diejenigen Männchen bevorzugen, die ein besonders großes Song-Repertoire haben.“ Der Anstieg der Song-Vielfalt fiel mit einem regionalen Rückgang des Meereises in einer Grenzregion des untersuchten Gebietes zusammen. Im Dezember befand sich der Rekorder unter dem Meereis bis zu 200 Kilometer von der Meereiskante entfernt, im Februar lag er nach dem Rückzug des Eises jedoch direkt an der Eiskante. „Die enge Verbindung zwischen Song-Diversität und Distanz zur Eiskante war für uns ein überraschendes Ergebnis“, sagt Marlene Meister.
In der zweiten untersuchten, eisfreien Region gab es lediglich Rufe und keine Gesänge. Die AWI-Biologin erläutert: „Grönlandwale haben sich also auch regelmäßig in der eisfreien östlichen Framstraße aufgehalten, der Grund für ihre Anwesenheit ist allerdings weiterhin offen. Möglicherweise durchqueren die Tiere das Gebiet nur und rufen dabei, um den Kontakt zueinander zu halten. Dass wir dort keine Gesänge detektiert haben, spricht zudem dagegen, dass es sich um ein Fortpflanzungsgebiet handelt.“ Studien wie die Aktuelle tragen dazu bei, das Wanderungsverhalten von Grönlandwalen zu verstehen und zentrale Gebiete wie Nahrungs- oder Fortpflanzungsstätten zu identifizieren, damit Schutzmaßnahmen möglichst wirksam greifen können.
OPUS – Das offene Portal zu Unterwasser Klanglandschaften
Unterwasserklänge unterschiedlichster Art hat die Arbeitsgruppe Ozeanische Akustik auf ihrem Portal OPUS (Open Portal to Underwater Soundscapes: https://opus.aq) veröffentlicht. OPUS stellt Langzeit-Daten bereit, die Forschende bei ihren Untersuchungen in Arktis, Antarktis und anderswo aufgezeichnet haben – von singenden Walen, rufenden Robben und sich bewegenden Eismassen unter Wasser bis hin zu vom Menschen verursachtem Lärm. Hier können nicht nur Forschende, sondern auch alle Interessierten den Klängen aus den Ozeanen lauschen.
Auf Basis dieser akustischen Langzeitdaten veröffentlichten Forscherinnen des Alfred-Wegener-Instituts bereits im Oktober 2025 eine Studie in JASA Express Letters.
Darin zeigen sie, dass es regionale Unterschiede in den Songs antarktischer Finnwale gibt. Diese Unterschiede können als akustische Marker benutzt werden – also dazu, verschiedene Populationen derselben Art akustisch voneinander zu unterscheiden. Ihre Ergebnisse können dazu beitragen, akustische Finnwalpopulationen im Südlichen Ozean langfristig besser zu beobachten und ihre Verbreitung genauer zu verstehen – eine wichtige Grundlage für internationale Managementpläne, um Finnwale in einem sich verändernden Ozean gezielter zu schützen.
Originalpublikation:
Shifts in acoustic signature of Southern Hemisphere fin whales: Declining peak frequency of high-frequency components. JASA Express Lett. (2025): 101201.DOI: https://doi.org/10.1121/10.0039500
11.12.2025, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Bären: Konsumverhalten im Klimawandel
Bären sind wahre Allesfresser. Diese Flexibilität macht sie zu erfolgreichen Überlebenskünstlern in verschiedensten Lebensräumen. Ein internationales Forschungsteam um Senckenberg-Wissenschaftler Dr. Jörg Albrecht hat nun erstmals in großem Umfang ökologische und paläoökologische Daten zu sieben Bärenarten ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Bärenarten ihre Ernährung je nach Klima und Nahrungsangebot flexibel anpassen und damit auch ihre ökologische Funktion ändern. Das Forschungsteam zeigt in der neuen Studie, dass eine veränderte Rolle großer Raubtiere die Widerstandsfhigkeit von Ökosystemen gegenüber dem globalen Wandel stärken könnte.
Beeren, Wurzeln, Nüsse und Gräser, aber auch Insekten, Fische oder Säugetiere – der Speiseplan von Bären ist abwechslungsreich. Je nach Art und Jahreszeit variiert die Zusammensetzung ihrer Nahrung stark. So frisst der Braunbär im Sommer und Herbst vor allem Beeren oder Nüsse und im Frühjahr mehr Fleisch. Diese Anpassungsfähigkeit macht Bären zu erfolgreichen Überlebenskünstlern in verschiedensten Regionen der Erde, von arktischen Tundren bis zu dichten tropischen Wäldern. „Allesfresser, sogenannte Omnivoren, können in Ökosystemen eine dynamische und stabilisierende Rolle einnehmen, wenn sich Umweltbedingungen verändern. Obwohl es sie in nahezu allen Ökosystemen und Nahrungsnetz-Ebenen gibt, wissen wir bislang erstaunlich wenig darüber, wie sie in terrestrischen Lebensräumen auf Veränderungen reagieren“, erklärt Dr. Jörg Albrecht vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt.
In einer neuen Studie hat Albrecht gemeinsam mit einem internationalen Team aus 18 europäischen und kanadischen Forscher*innen erstmals umfangreiche ökologische und paläoökologische Daten zu sieben Bärenarten – den größten landlebenden Raubtieren – kombiniert. „Im Gegensatz zu den meisten anderen großen Raubtieren bevorzugen Bären eine vergleichsweise eiweißarme Ernährung. Die meisten Arten zeigen zudem deutlich weniger anatomische und physiologische Merkmale, die sie auf Fleischkonsum festlegen würden. Diese Flexibilität ermöglicht ihnen eine außergewöhnlich vielseitige Ernährung“, erläutert der Senckenberg-Forscher und fährt fort: „Dadurch übernehmen Bären viele ökologische Rollen zugleich: Sie jagen Beutetiere, fressen Aas, breiten Samen aus und ernähren sich von Pflanzen. Auf diese Weise beeinflussen sie Beutetierbestände, das Wachstum und die Verbreitung von Pflanzen, den Nährstoffkreislauf und den Energiefluss – sowohl in Land- als auch in Gewässerökosystemen.“
Durch die Kombination makroökologischer und paläoökologischer Methoden konnten die Forschenden zeigen, dass die meisten Bärenarten ihre Stellung im Nahrungsnetz flexibel an die Verfügbarkeit von Ressourcen und an das Klima anpassen. In Regionen mit geringem Nahrungsangebot und kurzen Vegetationsperioden ernähren sie sich stärker fleischbasiert, während sie in produktiven Gebieten mit langen Wachstumszeiten vor allem pflanzliche Nahrung bevorzugen. „Unsere Isotopenanalysen an fossilen Bärenknochen aus dem späten Pleistozän und Holozän zeigen zudem, dass der Europäische Braunbär im Zuge steigender Primärproduktion und längerer Vegetationsperioden nach der letzten Eiszeit vor circa 12.000 Jahren zunehmend auf pflanzliche Nahrung umstieg“, ergänzt Koautor Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen.
Die Studie unterstreicht den Wert naturhistorischer Sammlungen für die Forschung zu globalen Umweltveränderungen. Das Team untersuchte Knochenmaterial von Braunbären und Rothirschen, das in 14 naturhistorischen und paläontologischen Sammlungen in ganz Europa aufbewahrt wird. Rothirsche wurden einbezogen, da sie ausschließlich pflanzliche Nahrung zu sich nehmen und somit eine klare Referenz liefern, um zu bestimmen, ob Braunbären auf niedrigeren oder höheren Ebenen des Nahrungsnetzes fressen. „Die Arbeit mit den Sammlungsobjekten gleicht einer Detektivarbeit: Isotopenanalysen eröffnen ein Fenster in die Vergangenheit und ermöglichen es uns, zu rekonstruieren, was diese Tiere vor Tausenden von Jahren während der letzten Eiszeit gefressen haben – zu einer Zeit, als die Welt ganz anders war als heute“, so Seniorautorin Prof. Dr. Nuria Selva von der Doñana Biological Station (CSIC) in Spanien und dem Institut für Naturschutz der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN).
Die Ergebnisse zeigen einen bisher wenig beachteten Zusammenhang: Große Allesfresser verändern ihre Rolle im Ökosystem – das Forschungsteam spricht von einer „trophischen Neuverdrahtung“. „Unsere Ergebnisse heben die entscheidende Rolle der omnivoren Megafauna, zu der viele große Fleischfresser gehören, in Ökosystemen hervor. Sie können dazu beitragen, dass Nahrungsnetze trotz globaler Umweltveränderungen wie dem Klimawandel stabil bleiben. Auf diese Weise tragen große Fleischfresser zur Resilienz und Stabilität von Ökosystemen bei, was in einer sich schnell verändernden Welt von entscheidender Bedeutung ist“, sagt Selva.
Albrecht fasst zusammen: „Der globale Wandel verändert die Struktur von Nahrungsnetzen an Land und im Wasser grundlegend – mit teils drastischen Folgen für ganze Ökosysteme. Gerade große Allesfresser an der Spitze der Nahrungskette sind hier besonders interessant. Sie nutzen ein breites Spektrum an Nahrungsquellen, sind sehr anpassungsfähig und reagieren oft schnell auf Umweltveränderungen. Wenn sich ihre Rolle im Ökosystem – etwa von Räubern zu Pflanzenfressern – verschiebt, kann das die Struktur ganzer Nahrungsnetze verändern. Die Art und Weise, wie Allesfresser auf Umweltveränderungen reagieren, könnte daher ein empfindlicher Frühindikator für tiefgreifende Umbrüche in Ökosystemen sein.“
Originalpublikation:
Albrecht, J., Bocherens, H., Hobson, K.A. […] & Selva, N. (2025) Dynamic omnivory shapes the functional role of large carnivores under global change. Nature Communications 16:10896. https://doi.org/10.1038/s41467-025-65959-7
11.12.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Die besten Naturfilme Europas in Hamburg
European Wildlife Film Awards gehen in die zweite Runde
Am 7. Februar 2026 werden in der Botschaft der Wildtiere in der Hamburger HafenCity wieder die besten europäischen Naturfilme prämiert. 165 Produktionen aus über 40 Ländern wurden für die zweite Ausgabe der European Wildlife Film Awards (EWFA) eingereicht. Neben Deutschland sind Spanien, die Schweiz, Italien, das Vereinigte Königreich, Österreich, Schweden und die Niederlande besonders stark vertreten. Eine unabhängige Jury hat zwölf Filme ausgewählt. Jeweils drei davon gehen in den Kategorien „Tierwelt“, „Biodiversität“, „Naturschutz“ und „Story“ ins Rennen um die begehrten Trophäen und Preisgelder. Mit insgesamt 47.500 Euro sind die European Wildlife Film Awards der höchstdotierte Naturfilmpreis Europas. Die Deutsche Wildtier Stiftung hatte den Filmpreis 2024 ins Leben gerufen – den ersten, der seinen Fokus auf die europäische Natur legt.
Die Jury der EWFA 2026 bilden der Filmproduzent Arnd Greve, die Biologin und Journalistin Dagny Lüdemann, der Verhaltensbiologe Prof. Dr. Heiko G. Rödel, die Biologin und Redakteurin Claudia Sewig und der Naturfilmer Thomas Weidenbach.
Die zwölf nominierten Filme sowie 32 weitere Einreichungen gehen nach der Preisverleihung als offizielle Auswahl des Wettbewerbs ins Rennen um den NDR-Publikumspreis. Ab Februar 2026 werden die 44 Dokumentationen jeweils am Naturfilm-Mittwoch in der Botschaft der Wildtiere zu sehen sein. Der Lieblingsfilm der Zuschauerinnen und Zuschauer wird Anfang 2027 bei der dann dritten Preisverleihung ausgezeichnet.
Auch bei den Kurzfilmen hat das Publikum die Wahl. Zehn von ihnen laufen vom 16. bis 29. Januar 2026 täglich außer montags im Kino der Wildtiere. Der Kurzfilm mit den meisten Stimmen wird bei der großen Gala am 7. Februar 2026 prämiert.
Die nominierten Filme
Kategorie „Bester europäischer Film: Tierwelt“
„Fabelhafte Insekten – Käfer“ (Jan Haft)
„Sepia: Die Odyssee eines Tintenfischs“ (Matthieu Le Mau und Romain Guénard)
„Transsilvanien – Draculas Wildnis“ (John Murray und Jamie Fitzpatrick)
Kategorie „Bester europäischer Film: Biodiversität“
„Faszination Europa: Majestätische Berge“ (Christian Baumeister)
„Europas Amazonien: Das große Auenland“ (Szabolcs Mosonyi)
„Into the Carpathian Wild – Winter“ (Erik Baláž)
Kategorie „Bester europäischer Film: Naturschutz“
„After the Fire“ (Lilou Lemaire)
„Kingdom of Fish – The Power of Water“ (Martin Falklind)
„Wildnis 2.0 – Die Tierwelt auf Umwegen“ (Patrick Centurioni)
Kategorie „Beste Story“
„Lost for Words“ (Hannah Papacek-Harper)
„Schweden – Ruf der Wildnis“ (Zoltán Török)
„The Island of Giants“ (Nuno Sá)
Alle Filme der European Wildlife Film Awards 2026 im Überblick:
https://www.EuropeanWildlifeFilmawards.eu/de/wettbewerb-2026
Die Filmpreise werden gestiftet von: Deutsche Wildtier Stiftung, GARBE Urban Real Estate, Norddeutscher Rundfunk (NDR), POPULAR GmbH und Frankonia Handels GmbH & Co. KG.
