Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

11.03.2025, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
Triassic Life: Urlurche, Krokodilverwandte, frühe Dinosaurier und Vorfahren der Säugetiere
Ein Forschungsteam des Naturkundemuseums Stuttgart stellt einen umfassenden Überblick der Trias-Landwirbeltiere und ihrer Umwelt im Mitteleuropäischen Becken vor.
Die Trias war eine der wichtigsten erdgeschichtlichen Epochen in der Entwicklung des Lebens auf der Erde. Nach einem der größten Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren entstanden in dieser Zeit nicht nur die Dinosaurier, sondern auch viele andere Gruppen von Landwirbeltieren, die zahlreiche Lebensräume eroberten. Das Mitteleuropäische Becken ist seit dem frühen 19. Jahrhundert eine historisch bedeutsame Region für die Erforschung der Trias und liefert bis heute eine Fülle neuer spektakuläre Funde. Vor allem in Südwestdeutschland sind Gesteinsschichten und Fossilien aus dieser Zeit besonders gut erhalten. Ein internationales Forschungsteam des Naturkundemuseums Stuttgart um die Paläontologen Dr. Eudald Mujal und Prof. Dr. Rainer Schoch hat nun einen umfassenden Überblick über die triassischen Landwirbeltiere, die so genannten „terrestrische Tetrapoden“, des Mitteleuropäischen Beckens vorgelegt. In diesem Grundlagenwerk haben die Wissenschaftler*innen sowohl alle bekannten fossilen Skelettreste als auch alle bekannten versteinerten Fußabdrücke erstmals gemeinsam analysiert. Zahlreiche Belege stammen aus den umfangreichen paläontologischen Sammlungen des Naturkundemuseums Stuttgart. Die in der Fachzeitschrift „Earth-Science Reviews“ veröffentlichte Forschungsarbeit ermöglicht eine detaillierte Rekonstruktion der triassischen Landwirbeltierfauna, ihrer Paläoumwelt, Ökologie und Evolution.
Die Trias in Südwestdeutschland:
Die erdgeschichtliche Periode der Trias umfasst den Zeitraum von vor 251 bis vor 201 Millionen Jahren. Das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg war ein zentraler Teil des Mitteleuropäischen Beckens. Aufgrund des außergewöhnlichen Fossilienreichtums und der großflächigen Aufschlüsse von Gesteinen in dieser Region lassen sich die damaligen Ökosysteme gut rekonstruieren.
„Die Trias ist ein wichtiges Fenster in die Vergangenheit, um Evolutionsmuster, Anpassungen und die Entstehung ökologischer Nischen zu verstehen. Besonders faszinierend sind die Landwirbeltiergemeinschaften. In der Trias begann der Aufstieg der Dinosaurier, es gab bereits Vorläufer der heutigen Säugetiere und räuberische Krokodilverwandte trafen auf riesige Amphibien. Die Erforschung der Umwelt und der Tiergemeinschaften ist für uns extrem spannend“, sagt Dr. Eudald Mujal, Paläontologe am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart und Erstautor der Studie.
Ökologie, Biodiversität, Klimawandel:
Die Forschung zeigt, dass die Trias eine wichtige Periode in der Erdgeschichte war, in der die Grundlagen für die Entwicklung komplexer Lebensformen und der terrestrischen Wirbeltier-Ökosysteme, wie wir sie heute kennen, gelegt wurden. Durch die Kombination verschiedener Forschungsansätze können die Wissenschaftler*innen umfangreiche Aussagen zur Biodiversität, zur Ökologie der einzelnen Arten oder über die wechselnden klimatischen Bedingungen der damaligen Zeit machen. Die Vielzahl der untersuchten Fossilien deutet zugleich auf eine größere Diversität der Landwirbeltiere in der Trias hin als bisher angenommen.
„Wir haben alle Fossilienfunde miteinander in Beziehung gesetzt. So können wir verstehen, wie sich die triassischen Tetrapodengemeinschaften in ihrer Umwelt entwickelt haben und wie sie zum Beispiel auf Klimaveränderungen reagierten. Unsere Ergebnisse können auch als Modell für heutige Ökosysteme dienen. Ein umfassender Überblick über eine erdgeschichtliche Periode, wie die Trias, kann uns auch heute helfen, die langfristigen Folgen von Klimawandel und Biodiversitätsverlust abzuschätzen“, so Dr. Eudald Mujal.
Bedeutendes Grundlagenwerk für die Paläontologie:
Die Fossiliensammlungen des Stuttgarter Naturkundemuseums sind von weltweiter Bedeutung und eine Referenz für die Erforschung der Trias. Die jetzt veröffentlichte Übersichtsarbeit wurde durch die Zusammenarbeit einer interdisziplinären Forschungsgruppe am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart ermöglicht, in der Spezialist*innen zu verschiedenen Aspekten und Wirbeltiergruppen der Trias arbeiten.
„Unser Team hat für dieses wichtige Projekt alle relevanten Fossilien und geologischen Schichten der Triaszeit in Süddeutschland und anderen Teilen Europas analysiert und verschiedene Forschungsansätze miteinander kombiniert. Gleichzeitig wurde eine umfassende Literaturübersicht erstellt. Insgesamt leistet die Publikation einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Erdgeschichte und der Entwicklung der Organismen auf der Erde“, so Prof. Dr. Rainer Schoch, Leiter der Paläontologie am Naturkundemuseum Stuttgart.
Sonderausstellung „Triassic Life“ in Stuttgart:
Zahlreiche Funde von Landwirbeltieren aus der Triaszeit sind im Museum am Löwentor in Stuttgart zu sehen: Darunter Krokodilverwandte – die Top-Räuber ihrer Zeit, riesige Superlurche, die älteste Schildkröte der Welt, die ersten Dinosaurier Europas, Panzerechsen und Überreste der ersten winzigen Vorfahren der heutigen Säugetiere. Ab dem 17.10.2025 zeigt das Naturkundemuseum Stuttgart zusätzlich die Große Sonderausstellung Baden-Württemberg „Triassic Life – Aufbruch in die Zeit der Saurier“ mit weiteren spannenden Funden aus der Trias.
Originalpublikation:
Eudald Mujal, Hans-Dieter Sues, Raphael Moreno, Joep Schaeffer, Gabriela Sobral, Sanjukta Chakravorti, Stephan N.F. Spiekman, Rainer R. Schoch: Triassic terrestrial tetrapod faunas of the Central European Basin, their stratigraphical distribution, and their palaeoenvironments. Earth-Science Reviews.
Publikationsdatum: 04.03.2025
DOI: https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2025.105085

11.03.2025, Pro Igel e.V.
Erste Igel wachen auf – so können sie helfen
Aufgrund der milden Temperaturen erwachen die ersten Igel aus ihrem Winterschlaf, doch der Frühling hält noch nicht genug Nahrung für die Tiere bereit. BUND Naturschutz und Pro Igel e.V. geben praktische Tipps, wie jeder helfen kann.
Igel sind flexibel in ihrem Winterschlafverhalten. Doch die zunehmend milden Winter und dadurch häufigeren Unterbrechungen des Winterschlafs stellen eine große Herausforderung für die Tiere dar, erklären Pro Igel und BN, die beim Thema Igel zusammenarbeiten. Durch das frühzeitige Aufwachen haben Igel oft mit Nahrungsmangel zu kämpfen. Da Insekten und andere Beutetiere noch kaum aktiv sind, finden die Tiere nur wenig Nahrung.
Wer bereits jetzt einen Igel entdeckt, kann aber helfen. Die Tiere haben nach dem Aufwachen zunächst großen Durst. Eine flache Schale mit frischem Wasser im Garten ist eine einfache und wirksame Hilfe. Als Nahrung eignen sich Rührei, hochwertiges Katzenfutter und getrocknete Insekten. „Je fettreicher und proteinreicher das Futter, desto besser“, so die Igelexpertin Heike Phillips von Pro Igel. „Wichtig ist, das Futter an einem geschützten Ort aufzustellen, damit es den Igeln zugutekommt und nicht von anderen Tieren wie Katzen gefressen wird. Schon eine auf den Kopf gestellte Holzkiste, mit einem Stein beschwert und einem eingesägten Eingang von 10×10 cm, schützt das Futter vor Regen und der Igel kann in Ruhe seine Mahlzeit einnehmen.“
Zudem ist Gartenarbeit im Frühjahr problematisch. „Vor allem das Aufräumen von Laub- und Reisighaufen oder Holzlagerplätzen kann dazu führen, dass Igel aufgescheucht werden und ihren Unterschlupf verlieren. Unsere große Bitte an die Bevölkerung: Lassen Sie die Gartenarbeiten noch ein wenig ruhen. Die Igel brauchen diese Verstecke dringend“, erklärt BN-Expertin Martina Gehret vom BUND Naturschutz.
Um mehr über das Verhalten der Igel und ihre frühzeitige Aktivität zu erfahren, läuft derzeit die Igel-Challenge über die App ObsIdentify. Jeder, der zufällig einen Igel entdeckt, kann den Fund einfach per Foto melden. Seit dem Start der Aktion im Oktober 2024 wurden bereits mehr als 1.500 Igel gemeldet. Die gesammelten Daten liefern wertvolle Erkenntnisse über die Lebensweise und das Verhalten der Tiere, die wiederum für den Schutz der Igel genutzt werden können. Die Igel-Challenge wird deutschlandweit von Pro Igel e.V. in Zusammenarbeit mit dem BUND Naturschutz als regionalem Partner organisiert.

12.03.2025, Universität Ulm
Mit dem Duftstoff-Navi zum Nektar: Blüten manipulieren „stehlende“ Hummeln für bessere Bestäubung
Duftstoffe von Blüten wirken nicht nur über die Luft, sondern auch als Geschmacksstoffe im Nektar. Das hat ein deutsch-US-amerikanisches Forschungsteam unter Leitung der Universität Ulm herausgefunden. Es konnte zeigen, dass Springkraut-Blüten Hummeln mit einem ausgeklügelten chemischen Leitsystem zum Nektar führen. Mit dieser raffinierten Strategie verhindern die Pflanzen auch, dass die Insekten nur den Nektar stehlen, ohne ihre Arbeit als Bestäuberinnen zu verrichten. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Fachjournal Current Biology veröffentlicht.
Wenn im jetzt beginnenden Frühjahr wieder Bienen, darunter auch Hummeln, und andere Insekten durch Gärten und Parks summen, folgen sie einem ausgeklügelten chemischen Leitsystem: Um Bestäuber anzulocken und ihnen den Weg zu Pollen und Nektar zu weisen, geben Blüten leichtflüchtige organische Substanzen als Duftstoffe ab, und zwar nicht nur in die Luft, sondern auch in den Nektar: Bienen und Hummeln können diese nämlich nicht nur riechen, sondern dank zahlreicher Sinneszellen an ihren Mundwerkzeugen auch schmecken. Diese zweifache Funktion wurde bislang kaum wissenschaftlich untersucht. Ein internationales Team um die Ulmer Forschenden Kim Heuel, Dr. Hannah Burger und Professor Manfred Ayasse konnte jetzt nachweisen, dass sich Duftstoffe in Pflanzenarten mit komplexen Blüten räumlich verteilen und manche flüchtigen organischen Verbindungen nur im Nektar vorkommen.
„Wir konnten erstmals zeigen, dass Pflanzen eine Art chemosensorische Landkarte in ihren Blüten anlegen“, erläutert Erstautorin Kim Heuel. „Bestimmte Duftstoffe – manche zum Riechen, andere zum Schmecken – kommen ausschließlich im Nektar vor und leiten die Bestäuber wie ein Navigationssystem zum Ziel.“ Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten nordamerikanische Springkraut-Arten mit einem gebogenen Nektarsporn sowie deren typische Bestäuber, die Hummelart Bombus impatiens. Während einige Hummeln tief in die Blüte kriechen, um an den Nektar zu gelangen, und dabei auch gleich die Bestäubung erledigen, nehmen andere eine Abkürzung: Sie beißen von außen ein Loch in den Nektarsporn. So werden sie zu „Nektardieben“, denn die Blüten werden dabei nicht bestäubt.
Diebstahlsicherung schützt vor Nektardieben
Doch die Springkräuter haben eine Art Diebstahlsicherung eingebaut. In aufwändigen Verhaltensexperimenten mit unerfahrenen Hummeln, die zum ersten Mal Blüten erkunden, stellten die Forschenden fest, dass die Insekten unterschiedlich auf die flüchtigen organischen Verbindungen reagieren – je nachdem, ob sie diese als Duft- oder Geschmacksstoff wahrnehmen. „Typische Nektarduftstoffe wie Vanillin schmeckten den Hummeln gut, während sie die Duftstoffe aus anderen Blütenteilen wie dem Nektarsporn eher mieden“, so Dr. Hannah Burger vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm, die die Studie koordiniert hat. „Diese räumliche Verteilung der flüchtigen organischen Verbindungen fördert die Bestäubung und schreckt Nektardiebe durch unangenehm schmeckende Substanzen in der Blütenwand ab“, erklärt Dr. Burger. „Die Pflanzen haben eine Art chemischen Türsteher entwickelt.“
Die Bedeutung der Entdeckung geht über die untersuchten Arten hinaus. Die Ergebnisse zeigen, dass Blütenduftstoffe auch als Geschmackssignale eine wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern spielen. „Bisher hat die Wissenschaft die Rolle von Duftstoffen als Geschmackssignale unterschätzt“, betont der Ulmer Bienenexperte und Mitkoordinator der Studie, Professor Manfred Ayasse. „Die Erkenntnisse eröffnen völlig neue Forschungsfelder in der Sinnes- und Verhaltensbiologie von Bestäubern und nicht-bestäubenden Gegenspielern.“
Die Studie entstand im Rahmen von Kim Heuels Masterarbeit am Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm. Die Analyse der Blütenduftstoffe führte sie gemeinsam mit Professor Robert Raguso an der Cornell University in den USA durch. Professor Robert Gegear von der University of Massachusetts steuerte seine Expertise in der Verhaltensökologie von Bestäubern bei. Für die interdisziplinär angelegten Untersuchungen nutzte das Team modernste Analysemethoden zur Identifizierung von leichtflüchtigen organischen Substanzen.
Das Projekt wurde unter anderem durch das Mentorshipprogramm des Zukunftskollegs der Universität Konstanz und durch PROMOS-Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) gefördert.
Originalpublikation:
Kim C. Heuel, Robert A. Raguso, Emma Coogan, River Mallick, Kirsten J. Keleher, Manfred Ayasse, Robert J. Gegear, Hannah Burger: Spatial partitioning of floral volatiles provides a “chemosensory roadmap” for bumblebee pollinators. Current Biology, 2025, ISSN 0960-9822
https://doi.org/10.1016/j.cub.2025.02.010

12.03.2025, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Muschelkrebse geben Auskunft über den ökologischen Zustand von Gewässern
Internationales Forschungsteam der Uni Jena stellt Methode für das Gewässermonitoring vor, die kleine Wasserorganismen als Bioindikatoren nutzt
Industrieabwässer, Gülle, Mikroplastik oder Schwermetalle – die Liste der Schadstoffe, die in Gewässer gelangen, ist lang. Vor allem von Menschen intensiv genutzte Gewässer, wie Flüsse, Seen und Küsten, sind in unterschiedlichem Maße und mit unterschiedlichsten Stoffen belastet. Um Gefahren für Mensch und Umwelt abzuwenden, hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 sämtliche Gewässer in den EU-Staaten in ihren natürlichen Zustand zurückzuführen.
„Das setzt voraus, dass wir den natürlichen Zustand erst einmal kennen“, sagt apl. Prof. Dr. Peter Frenzel von der Universität Jena. „Und darüber hinaus bedarf es Methoden, die verlässlich über die Wasserqualität Auskunft geben“, so der Forscher vom Institut für Geowissenschaften weiter. Während für letzteres bereits verschiedene biologische und chemische Methoden etabliert sind, ist die Rekonstruktion des vorindustriellen, natürlichen Zustands eines Gewässers schwierig.
Das Team von Peter Frenzel arbeitet an dieser Fragestellung und stellt nun in einer aktuellen Publikation eine kritische Übersicht von Methoden vor, mit der sich gleich beide Fragestellungen beantworten lassen. Wie die Forschenden im Fachmagazin „Earth-Science Reviews“ schreiben, sind winzige Muschelkrebse, sogenannte Ostrakoden, geeignete Bioindikatoren für die aktuelle Wasserqualität und können zugleich als Archiv des vorindustriellen Gewässerzustands herangezogen werden und damit Auskunft über den ursprünglichen Zustand des Gewässers geben.
„Ostrakoden reagieren empfindlich auf Umweltveränderungen wie Salzgehalt, Temperatur und Schadstoffbelastung. Das macht sie für das Monitoring von Seen und Flüssen sehr geeignet“, sagt Dr. Olga Schmitz, die Erstautorin der jetzt vorgestellten Studie. „Anhand ihrer Artenvielfalt und Häufigkeit können wir nicht nur aktuelle und vergangene Umweltbedingungen rekonstruieren, sondern sogar zukünftige Veränderungen prognostizieren. Dies kann insbesondere für die Landwirtschaft und das Wassermanagement mit Blick auf den Klimawandel von Bedeutung sein.“
Olga Schmitz hat sich den Ostrakoden im Rahmen ihrer Promotion gewidmet. Die vorgelegte Publikation ist die erste umfassende Zusammenstellung des bisherigen Forschungs- und Wissensstandes zur Rolle von Muschelkrebsen als Bioindikatoren. Die nur bis zu einem Millimeter kleinen Tiere kommen in nahezu allen Gewässern vor: in Seen, Flüssen, Lagunen, ja sogar im Grundwasser und in heißen Quellen. Rund 15.000 heute lebende Arten sind bekannt, etwa 20.000 fossile Vertreter beschrieben. Die mikroskopisch kleinen Krebstiere sind von Kalkschalen umschlossen, die auch nach ihrem Tod lange in Schlamm und Sand des Gewässergrundes erhalten bleiben. Diese können den Forschenden bei ihren Umweltanalysen und als Fossilien für die Rekonstruktion von Milieu- und Klimabedingungen dienen.
Doch die Geowissenschaftlerin wertet nicht nur vorhandene Studien über Ostrakoden aus. Sie und das Jenaer Team haben auch selbst bereits unterschiedlichste Gewässer beprobt und die Ostrakodenpopulationen untersucht, vom Großen Stechlinsee in Brandenburg bis zu küstennahen Gewässern in Südafrika. In Kooperation mit Forschenden der Universität Hongkong entwickeln sie heute sogar den Einsatz Künstlicher Intelligenz, um die Muschelkrebse in den Proben unter dem Mikroskop identifizieren, zählen und ausmessen zu können. „Für unsere Analysen brauchen wir lediglich einen Kubikzentimeter Sediment, um Rückschlüsse auf anthropogene Einflüsse oder vergangene hydrologische Veränderungen zu ziehen, was diese Arbeitsweise besonders kostengünstig macht“, unterstreicht Olga Schmitz einen weiteren Vorteil der Methode. Ihre nun veröffentlichte Übersichtsarbeit, so die Hoffnung der Forschenden, könnte maßgeblich dazu beitragen, die Ostrakoden künftig gezielt für das Umweltmanagement und die Renaturierung von Gewässern in Deutschland und darüber hinaus zu nutzen.
Originalpublikation:
Olga Schmitz et al. Ostracoda (Crustacea) as indicators of anthropogenic impacts — A review. Earth-Science Reviews 2025. https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2025.105049

13.03.2025, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Studie widerspricht umstrittener These zur Lebensraumfragmentierung
Neue Forschungsergebnisse widersprechen der These, die Zerschneidung von Lebensräumen fördere die Artenvielfalt. Damit unterstreichen sie die Bedeutung großflächiger, miteinander verbundener Lebensräume. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Große, ungestörte Landschaften sind für die biologische Vielfalt besser geeignet als fragmentierte Landschaften. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie unter Leitung der University of Michigan (U-M), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).
Die in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Ergebnisse treffen den Kern einer jahrzehntelangen Debatte: Ökologen sind sich einig, dass der Lebensraumverlust und die Fragmentierung von Wäldern die Artenvielfalt innerhalb der verbleibenden Fragmente verringern. Allerdings sind sich die Ökologen uneins, ob es besser ist, viele kleinere, fragmentierte Flächen zu schützen oder größere, zusammenhängende Landschaften.
„Wir stellen fest, dass viele kleine Lebensräume in fragmentierten Landschaften insgesamt weniger Arten beherbergen als größere, zusammenhängende Landschaften“, sagt Co-Autor Prof. Jonathan Chase, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und der MLU. „Nicht nur finden sich in jedem einzelnen kleinen Lebensraum weniger Arten als in einem großen, sondern auch in der Summe finden sich weniger Arten, wenn man die einzelnen Lebensräume die gesamte Landschaft hinweg betrachtet. Es ist diese letztere Frage – was auf Landschaftsebene passiert – die in den letzten Jahren ein großes Diskussionsthema war.“
„Wir haben klare Belege aus vielen verschiedenen bewaldeten Landschaften, dass Fragmentierung tatsächlich schädlich ist für die Biodiversität, von kleineren bis größeren Maßstäben“, ergänzt Chase.
Kontroversen Standpunkt rigoros testen
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten 4.006 Arten von Tieren und Pflanzen an 37 Standorten auf der ganzen Welt. Mit den Daten verglichen sie die Unterschiede in der Artenvielfalt zwischen zusammenhängenden und fragmentierten Landschaften. Die Ergebnisse zeigen, dass fragmentierte Landschaften im Durchschnitt 13,6 % weniger Arten auf der kleinen Lebensraum-Ebene und 12,1 % weniger Arten auf der Landschaftsebene hatten.
Darüber hinaus legen die Ergebnisse nahe, dass hauptsächlich Generalisten in fragmentierten Gebieten leben – also solche Arten, die gut in verschiedenen Umgebungen überleben können.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten, was als Alpha-, Beta- und Gamma-Diversität bezeichnet wird. Alpha-Diversität bezieht sich auf die Anzahl der Arten in einem kleinen Lebensraum, während Beta-Diversität beschreibt, wie sich die Artenzusammensetzung zwischen zwei Gebieten unterscheidet. Gamma-Diversität bezieht sich auf die Artenvielfalt ingrößeren Landschaften.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren entlang landwirtschaftlicher Felder und Waldstücke zwischen den Feldern. Jedes Waldstück könnte eine Handvoll Vogelarten enthalten (Alpha-Diversität), aber jedes Waldstück hat im Vergleich zum vorherigen unterschiedliche Vogelarten (Beta-Diversität). Die Artenvielfalt der gesamten Landschaft, die alle fragmentierten Waldstücke enthält, ist die Gamma-Diversität der Region.
„Der Kern der Debatte ist, dass Menschen, die argumentieren, dass Fragmentierung nicht so schlimm sei, behaupten, dass man aufgrund isolierter Lebensräume unterschiedliche Artenzusammensetzungen hat, was bedeute, dass auf Landschaftsebene die Artenvielfalt höher ist“, sagt Thiago Gonçalves-Souza, Erstautor und Wissenschaftler an der U-M. „Sie behauptendas Gegenteil für große Lebensräume: Da dies ein zusammenhängender und homogener Lebensraum ist, ist die Artenzusammensetzung zu ähnlich.“
Frühere Forschung habe jedoch fragmentierte Landschaften mit großen, zusammenhängenden Wäldern nicht ordentlich verglichen, erklärt Gonçalves-Souza. Beispielsweise hätten frühere Forschungen möglicherweise nur eine Komponente der Vielfalt betrachtet oder einige zusammenhängende Wälder mit Dutzenden fragmentierter Lebensräume verglichen.
Im Gegensatz dazu berücksichtigten die Ökologinnen und Ökologen nun in ihrer Analyse die Unterschiede in der Probenahme über verschiedene Landschaften hinweg. Die Ergebnisse zeigen, dass Fragmentierung die Anzahl der Arten über alle Tier- und Pflanzen-Gruppen hinweg verringerte, und dass der Anstieg der Beta-Diversität in fragmentierten Landschaften den Verlust der Artenvielfalt auf Landschaftsebene nicht ausglich.
Was bedeutet das für die Minimierung des Verlusts der Artenvielfalt?
Gonçalves-Souza hofft, dass die Studie die Naturschutzgemeinschaft dazu bringt, die Debatte über Lebensraumfragmentierung hinter sich zu lassen und sich auf die Wiederherstellung von Wäldern zu konzentrieren.
„Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, über kontinuierliche versus fragmentierte Landschaften nachzudenken. Wir müssen die Biodiversität schützen, und ich denke, diese Debatte trägt nicht wirklich dazu bei, den Naturschutz zu stärken“, sagt er. „In vielen, vielen Ländern gibt es nicht mehr viele große, intakte Wälder. Daher sollte unser Fokus darauf liegen, neue Wälder zu pflanzen und zunehmend degradierte Lebensräume wiederherzustellen. Wiederherstellung ist für die Zukunft entscheidend, mehr noch als die Debatte darüber, ob es besser ist, einen großen Wald oder viele kleinere Waldfragmente zu haben.“
Originalpublikation:
Gonçalves-Souza, T., Chase, J. M., Haddad, N. M., Vancine, M. H., Didham, R. K., Melo, F. L. P., Aizen, M. A., Bernard, E., Chiarello, A. G., Faria, D., Gibb, H., de Lima, M. G., Magnago, L. F. S., Mariano-Neto, E., Nogueira, A. A., Nemésio, A., Passamani, M., Pinho, B. X., Rocha-Santos, L., Rodrigues, R. C., Safar, N. V. H., Santos, B. A., Soto-Werschitz, A., Tabarelli, M., Uehara-Prado, M., Vasconcelos, H. L., Vieira, S. & Sanders, N. J. (2025). Species turnover does not rescue biodiversity in fragmented landscapes. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-08688-7

14.03.2025, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Spanner und Spinner werden von der Landesanstalt überwacht
Das Waldschutzteam der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) überwacht die Entwicklung von zwei Schmetterlingsarten in Eichenwäldern: Frostspanner und Schwammspinner. Sollten in einem Sommer die Raupen dieser beiden Arten in Eichenkronen fressen, werden das einige der Bäume nicht überleben.
Frostspanner sind eine eher unscheinbare Nachtfalterart: Während die Männchen nachtaktiv sind, können die Weibchen nicht fliegen. Somit beobachtet man diese Art nicht einfach zufällig. Daher fallen Sie den meisten Menschen vermutlich kaum auf. Für das wissenschaftliche Monitoring macht man sich die Flugunfähigkeit aber zu Nutze: Mit Leimringen kann man die an den Stämmen hochkrabbelnden Weibchen fangen und zählen.
Der Schwammspinner leben etwas auffälliger: Die Falter sind tagaktiv und verdecken Ihre Eigelege in einer gelbbraunen Afterwolle. Dadurch bekommen diese ein schwammartiges Aussehen, was der Art ihren Namen einbrachte.
Die Raupen beider Arten haben Eichenblätter zum Fressen gern. Frostspannerarten fressen aber nur bis Anfang Juni. Den Verlust an Blattmasse gleichen Eichen durch ihre hohe Regenerationsfähigkeit mit der Bildung von Ersatz- oder sogenannten Johannistrieben (benannt nach dem Johannistag am 24. Juni) aus. Die Fraßzeit des Schwammspinners ist dagegen deutlich länger.
Eine unheilvolle Mischung entsteht, wenn es zu einer Massenvermehrung beider Arten im selben Jahr kommt, was zuletzt 1993 geschah. Die Eichen bildeten nach dem Fraß der Frostspanner einen Nottrieb, den die Raupen der Schwammspinner im Juli auffraßen. Sie konnten die Bäume also auch danach kaum Photosynthese betreiben und mussten weitere Notreserven aufbrauchen. Im folgenden Jahr bleibt dann nur wenig Kraft, um im Holz die essenziellen Leitungsbahnen anzulegen. Das allein kann zum Absterben der Eichen führen. Bei Vorschädigungen durch Trockenheit steigt das Risiko.
Auf die Frage, warum das aktuell besonders bedeutsam ist, ergänzt Dr. Peter Pröbstle, Präsident der LWF: „Die Eiche ist unsere wichtigste heimische Laubbaumart für zukunftsfähige Wälder, kommt sie doch im wärmeren Klima vergleichsweise gut zurecht. Außerdem beherbergen Eichenwälder sehr viele seltene Tierarten und sind daher für den Natur- und Artenschutz enorm wertvoll. Der Anteil der Eiche wird im Zukunftswald weiter zunehmen und es gilt, das schrittweise Absterben der wertvollen Eichenwälder zu vermeiden.“
Die LWF überwacht daher bereits seit den 1990er Jahren die Dichten der Schwammspinner mit Pheromonfallen. Im Spätsommer 2024 wurde das Monitoring an über 50 Orten in Nordbayern durchgeführt. Im Vergleich der Anflugzahlen männlicher Falter kann man erkennen, wenn sich die Populationsdichten erhöhen.
Und tatsächlich kann man seit dem Jahr 2022 eine schrittweise Erhöhung sehen. „Die Monitoringfänge zeigen, dass wir in Richtung einer Massenvermehrung laufen – noch nicht in 2025, aber doch in den kommenden Jahren“, so befürchtet Dr. Hannes Lemme, der als Biologe an der LWF für das bayernweite Monitoring vieler potenziell waldschädlicher Insekten verantwortlich ist.
Im letzten Herbst hat die LWF nunmehr auch das das Monitoring der Frostspanner in Frankens Eichenwäldern deutlich ausgeweitet, um genau sagen zu können, wer sich tatsächlich alles an den Blättern der Eiche zu schaffen macht. Entscheidend für eine Schadprognose ist dann der Jahresvergleich. Die Fangzahlen aus diesem Jahr bilden dafür die Grundlage: „Im kommenden Jahr sehen wir dann, ob die Dichten auch beim Frostspanner ansteigen“, so Dr. Lemme.

Dieser Beitrag wurde unter Wissenschaft/Naturschutz veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert