Iida Turpeinen: Das Wesen des Lebens (Rezension)

Drei Jahrhunderte, ein mächtiges, friedliebendes Geschöpf und die Lebenswege der Menschen, die von ihm angezogen sind. Iida Turpeinen erzählt in »Das Wesen des Lebens« ausgehend von der ausgestorbenen Stellerschen Seekuh von obsessiven Sammlern und rastlosen Wissenschaftlern, von begeisterten Naturschützern und den Frauen, die an Naturerforschungen immer schon beteiligt waren. Sie zeigt, wie wir Menschen vom unbedingten Begehren nach Erkenntnis angetrieben werden – und wie wir dafür die unwiderrufliche Zerstörung der Natur in Kauf nehmen. Ob auf Großer Nordischer Expedition in der Beringsee im 18. Jahrhundert, 100 Jahre später in der russisch-amerikanischen Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska oder Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Vogelinseln vor Helsinki: Turpeinen lässt uns mit ihrer berührenden Erzählkunst unsere Welt und das Wunder des Lebens mit neuen Augen sehen und verstehen, wie alles mit allem verbunden ist.

Hutchinson, H. N. (Henry Neville), 1856-1927 – Extinct monsters : A popular account of some of the larger forms of ancient animal life

Es gibt Romane über Riesenalken, Beutelwölfe und viele über den Dodo. Hin und wieder scheint sich ein Autor diese Tiere als Romanfiguren herauszupicken um auf die derzeitige Situation aufmerksam zu machen. In Iida Turpeinens Roman „Das Wesen des Lebens“ geht es u. a. um die Stellersche Seekuh und ihren Entdecker. Das Buch beginnt mit der Entdeckung dieser riesigen Meeressäugetiere, aber nach einem drittel des Buchs haben sowohl Entdecker als auch Seekuh (alle dieser Art) das Zeitliche gesegnet und alles was danach kommt baut auf den Knochen der ausgestorbenen Tiere auf.
Die Stellersche Seekuh wurde 1741 vom deutschen Arzt und Naturwissenschaftler Georg Wilhelm Steller erstmals wissenschaftlich beschrieben, nachdem Steller sie auf einer Expedition unter Vitus Bering entdeckt hatte. Dabei war das Expeditionsschiff, die St. Peter, an der zu den Kommandeurinseln gehörenden und später nach dem Expeditionsleiter benannten Beringinsel vor Kamtschatka gestrandet. Zu der Zeit gab es vermutlich nur noch etwa 2.000 Exemplare bei der Beringinsel und der benachbarten Kupferinsel. Das vermutlich letzte Tier der Art wurde zu Nahrungszwecken 1768 von Pelztierjägern bei der Beringinsel erschlagen.
Steller selbst war ein deutscher Arzt, Ethnologe und Naturforscher von dem es scheinbar kein Portrait gibt. Neben der Seekuh gibt es noch einige andere Tierarten, die nach ihm benannt wurden: Diademhäher (Cyanocitta stelleri), Scheckente (Polysticta stelleri), Stellerscher Seelöwe …
DAS WESEN DES LEBENS vereint wissenschaftliche Fakten mit Belletristik, wobei das Hauptaugenmerk auf der Wissenschaft liegt und so die Menschen etwas in den Hintergrund treten und teilweise sehr farblos wirkten. Das erste Drittel (Steller und seine Seekuh) fand ich sehr interessant und auch wenn alles, was danach folgte durchaus informativ war, so fehlte bei den Personen Furuhjelm, von Nordmann und Grönvall die Lebendigkeit. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass sie nur noch mit den Knochen der Seekuh zu tun haben und der Leser selbst bei Steller noch die Faszination der Größe spüren kann. heutzutage kann man Manatis, kleinere Verwandte der Stellerschen Seekuh in einigen Zoos sehen, aber auch wenn es imposante Geschöpfe sind, Stellers Borkentier muss weitaus größer sein, wie man an Skeletten erkennen kann, die in einigen Museen zu finden sind. Emotional sind die Kapitel nach Steller etwas distanziert. Der Leser bekommt einen Eindruck von der Bedeutung der Seekuh und dem Wissen, das durch die Ausrottung verloren gegangen ist. Ein Mahnmal für die heutige Zeit? Zumindest das Nachwort hat es wieder in sich, denn leider bedankt sich die Autorin bei den Kreaturen, die während des Schreibens des Buchs ausgestorben sind. Und wer denkt, dass die Seekuh schon lange nicht mehr unter uns weilt, wird daran erinnert, dass auch heute noch Tiere ausgerottet werden und das meist aufgrund der Einmischung des Menschen.
DAS WESEN DES LEBENS mag seine Schwächen haben, aber es informiert und rüttelt auf. Und der Schreibstil sorgt dafür, dass man auf kurzweilige Weise mehr über ein Tier erfährt, von dessen Existenz vermutlich nur wenige Wissen.

(Rezensionsexemplar)

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