Die Gänse von Meidum

Meidum ist eine altägyptische Nekropole und Standort der Meidum-Pyramide, die unter Pharao Snofru erbaut wurde. Für die Kryptozooologie interessant ist die Mastaba Nr. 16, das Grab des Snofru-Sohnes Nefermaat (Architekt der Meidum-Pyramide) und seiner Frau Itet.
Dort befinden sich die sogenannten „Gänse von Meidum“. Es handelt sich hierbei um ein 162 cm langes und 24 cm hohes Fragment aus bemaltem Stuck, das sich heute im Ägyptischen Museum in Kairo befindet. Es zeigt sechs Gänse, die in zwei voneinander wegblickenden Gruppen angeordnet sind. Die beiden äußeren Tiere sind Saatgänse, das Paar auf der linken Seite zeigt Blässgänse und das auf der rechten Seite Rothalsgänse. Das Besondere an dieser Malerei ist nicht nur ihre äußerst detailreiche Wiedergabe der Vögel, sondern auch ihre Einmaligkeit in ganz Altägypten. Rothals-, Bläss- und Saatgänse sind in Ägypten aber nicht heimisch, und dürften sich höchstens als Zugvögel dort kurzfristig aufgehalten haben. Rothalsgänse sind als Irrgäste wahrscheinlich, dürften aber noch seltener als die anderen beiden Arten gesehen worden sein. Während sich aber Darstellungen von Blässgänsen auch noch an einigen anderen Orten finden, sind Darstellungen von Saat- und Rothalsgänsen auch nur aus diesem Grab bekannt. Anderen Meinungen nach handelt es sich bei den äußeren Tieren um Graugänse, allerdings deutet die Färbung meiner Meinung nach tatsächlich eher an Saatgänse

2015 wurde die Vermutung geäußert, dass die „Gänse von Meidum“ eine Fälschung des 19. Jahrhunderts sind. Als Hinweise auf eine Fälschung sind laut Francesco Tiradritti, Archäologieprofessor an der Universität Enna, die Tatsache, dass die abgebildeten Gänsearten in Ägypten nicht heimisch waren und ihre Überwinterungsgebiete stattdessen in Spanien und der Türkei haben, die im alten Ägypten unbekannten Farbstoffe, das Fehlen der für altägyptische Kunst typischen Bedeutungsperspektive, die Ausgewogenheit der Bildkomposition nach dem den Ägyptern unbekannten Goldenen Schnitt, der im Vergleich zu anderen Fresken des Grabes ungewöhnlich gute Erhaltungszustand, die blaugraue Übermalung des Hintergrunds um die Gänse, die vom Hintergrund der restlichen Szene abweicht, sowie die Art der Übermalung von später entstandenen Sprüngen des Malgrunds zu werten. Als Fälscher vermutet Tiradritti den angeblichen Entdecker Luigi Vassalli, da sich an einer anderen Stelle des Grabes im selben modernen, plastischen Stil und Erhaltungszustand gezeichnet ein Korb und ein Geier nebeneinander befinden, die in symbolischer Form in der ägyptischen Hieroglyphenschrift die Lautwerte G und A besitzen, was wiederum die Initialen von Vasallis zweiter Frau Gigliati Angiola gewesen seien.

Für den Kryptozoologen interessant sind vor allem die abgebildeten Rothalsgänse, die zwar auf den ersten Blick wie Rothalsgänse erscheinen, aber es gibt einige Unterschiede in der Färbung.
Ziehende Gänse könnten zu der Zeit vereinzelt zum Überwintern nach Ägypten gekommen sein. Während die Saat- und Blässgänse ebenso wie andere Tierarten jedoch relativ farb- und detailgetreu abgebildet wurden, unterscheidet sich die vermeintliche Rothalsgans deutlich von ihren heute lebenden Verwandten und dürften sich höchstens als Irrgäste in Ägypten aufgehalten haben.
Zwischen den uns bekannten Rothalsgänsen und den abgebildeten Tieren gibt es jedoch einige Unterschiede, die fast eine andere (unbekannte und vermutlich ausgestorbene) Gänseart vermuten lassen. Diese könnte dauerhaft in Ägypten gelebt haben oder sich zeitweilig als Zugvogel aufgehalten haben. Es fehlen aber weitere Beweise für die Existenz dieser Gänseart, weder in weiteren Abbildungen noch in Knochenfunden, welche man diesen zuordnen könnte. Ausgeschlossen wird anhand einiger Unterschiede auch, dass es sich um eine Unterart der Rothalsgans handelt, die ebenfalls ausgestorben ist
(A. Romilio: Assessing ‚Meidum Geese‘ species identification with the ‘Tobias criteria’, Journal of Archaeological Science: Reports
Volume 36, April 2021, https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2021.102834)

Die Kopfformen von Rothals- und Meidum-Gänsen unterscheiden sich deutlich: Der Kopf der Rothalsgans hat einen kürzeren Schnabel, eine steilere Stirn und einen höheren, kürzeren Kopf. Die Köpfe der Meidum-Gänse haben längere Schnäbel und flachere Stirnen, die in beinahe gerader Linie ineinander übergehen. Sie wirken eher wie Feldgänse (wie die beiden anderen abgebildeten Arten) als wie Meergänse (zu denen die Rothalsgänse zählen)
Die Schnäbel der Meidum-Gänse sind grau (was ebenfalls eher zu Feldgänsen passt), der Schnabel der Rothalsgans ist schwarz (wie bei allen rezenten Vertretern der Meergänse).
Der Augenstreifen der Rothalsgans geht mit einem Dreieck in einen Kinnstreifen über. Bei den Meidum-Gänsen sind die Augen durch einen weißen Ring betont, der Streifen verjüngt sich nach unten. Anstelle des schwarzen Kehlstreifens ist eine rostfarbene Kontur gezeichnet.
Der rote Hinteraugenfleck der Rothalsgans ist fast quadratisch, während die Meidum-Gänse ein nach unten gezogenes Dreieck aufweisen.
Auch das restliche Gefieder unterscheidet sich in der Färbung zwischen den Arten. Die Geschlechter der Rothalsgänse ähneln sich sehr, während man bei den Meidum-Gänsen einen leichten Unterschied erkennen kann (wenn es sich denn um Abbildungen beider Geschlechter handeln sollte).
Bei den Meidum-Gänsen könnte es sich auch um Mischlinge zwischen Feldgänsen und Rothalsgänsen handeln. Hybride zwischen Vertretern der Gattung Anser mit der Gattung Branta kommen hin und wieder vor. Eine andere Vermutung könnte sein, dass die Meidum-Gänse anhand von Beschreibungen gemalt wurden und der Künstler sich entweder einige Freiheiten erlaubte, es nicht besser wusste oder jemand andere hat die vorgezeichneten Tiere colorierte.

Nach wie vor ungeklärt ist also um welche Art es sich bei den „Rothalsgänsen von Meidum“ handelt. Bei dieser Fragestellung spielt es auch keine Rolle, ob es sich um eine Fälschung oder ein Original handelt. Die Frage bleibt: Um welche Gänseart handelt es sich?
Ob das jemals geklärt werden wird?

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3 Antworten zu Die Gänse von Meidum

  1. schlingloff sagt:

    wann wird endlich eine naturwissenschaftliche altersfeststellung gemacht ?

    • Martin sagt:

      Da müsste man vermutlich im Ägyptischen Museum in Kairo erfragen.Oft ist eine Altersfeststellung zu kostenspielieg, ungenau oder aus anderen Gründen nicht rentabel.
      Ich habe leider keine Quellen gefunden, die sich mit dieser nicht unwichtigen Thematik befasst haben.
      Eine Klärung des Alters würde aber die Artenfrage nicht klären.

      • schlingloff sagt:

        eine naturwissenschaftliche altersfeststellung ist nie so ungenau,daß sie nicht zwischen 100 und 4000 jahren unterscheiden kann.die artenfrage bei einer fälschung ist etwa so,wenn man ein kind gänse auf eine tafel malen läßt und sich dann fragt,welche gänse dargestellt sind.die ägyptische regierung hat unsummen für das neue museum ausgegeben und deshalb sollte man doch erwarten dürfen,daß man dort keine fälschungen vorgesetzt bekommt.

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