Tierstudien: Zoo (Rezension)

Die siebte Ausgabe von Tierstudien ist dem Phänomen Zoo gewidmet. Viele aktuelle kritische Studien zum Zoo werden nicht nur in Animal Studies-Kreisen rezipiert und diskutiert. Auch in den populären Massenmedien sind Bilder und Nachrichten aus dem Zoo beliebt. Der Zoo wird heute als (Über-)Lebensraum, als „Arche“ oder Forschungsinstitution dargestellt, aber genauso auch als Gefängnis, als Spielart eines globalisierten Edutainments oder als Wirtschaftsunternehmen.
Für den Schriftsteller und Kunstkritiker John Berger ist der Zoo ein Denkmal für die Unmöglichkeit einer Begegnung zwischen Mensch und Tier. Er glaubt, dass Zoos unsere Sicht auf Tiere völlig verzerren, weil sie eine Situation schaffen, in der Menschen etwas ansehen, das absolut marginal geworden ist. Doch stimmt das? Sind Tiere in Zoos wirklich marginale Wesen? Dieser und anderen Fragen, besonders solchen nach der ethischen Legitimation von Tierhaltung in Gefangenschaft, widmen sich die Autor*innen dieser Ausgabe von Tierstudien aus den unterschiedlichsten Perspektiven.

Man darf sich nicht vom sehr kindlich wirkenden Cover abschrecken lassen (aber wer die Tierstudien kennt, erkennt die Ausgaben auch daran), denn so kindlich oder kindgerecht ist der Inhalt bei Weitem nicht.
In Beiträgen von Judith Benz-Schwarzburg / Madelaine Leitsberger, Dagmar Burkhart, Priska Gisler, Colin Goldner, Anne Hölck, Christian Janecke, Frederike Middelhoff, Mieke Roscher/Anna-Katharina Wöbse, Julia Siegmundt, Jan-Erik Steinkrüger und Clemens Wustmans werden viele Aspekte des Zoos unter die Lupe genommen und sowohl die positiven als auch die negativen Seiten gezeigt. Ein Muss für Zoointeressierte, die sich mehr mit der Institution des Zoos jenseits der gezeigten Tierarten auseinandersetzen möchte.
Natürlich können die Themen nur angeschnitten werden und vor allem der geschichtliche Teil hat mich neugierig gemacht, zumal ich in letzter Zeit mein Interesse an der geschichtlichen Bedeutung von Völkerschauen entdeckt habe. Aber nicht nur diesen wird Raum eingeräumt, auch auf Zoos während des NS-Regimes wird eingegangen, ebenso wie auf die beiden Berliner Zoos in der Nachkriegszeit (wobei darüber schon viele Bücher geschrieben wurden).
Erschreckend mag vielleicht sein, dass die siebte Ausgabe der TIERSTUDIEN bereits 2015 erschienen ist, man aber nicht den Eindruck erhält, dass sich viel geändert hätte, was die angesprochenen negativen Aspekte anbelangt. Obwohl auch zugegeben werden muss, dass das Zurschaustellen von Tieren eine der Funktionen eines Zoos ist und das zwar von Seiten vieler wissenschaftlich geführter Zoos zugunsten der Tiere verbessert wird, man aber oft das Gefühl bekommt, dass auch mehr auf das Wohl des Besuchers (und seiner Geldbörse) wert gelegt wird.
Augen auf beim Zoobesuch!
Und nein, TIERSTUDIEN: ZOO wirft kein ausschließlich Negatives Bild auf die Zoos, aber auch kein vorwiegend Positives. Die unterschiedliche Ausrichtung der Beiträge machen das Lesen auch nach fast 10 Jahren noch zu einer interessanten Reise in die Zoos der Vergangenheit und der Gegenwart und durch das Aufeinandertreffen von positiven und negativen Argumenten bleibt ein neutraler Blick auf das Thema, der hilft sich eine eigene Meinung zu bilden.

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