22.07.2025, Freie Universität Berlin
Erwärmung des Ozeans gefährdet selbst widerstandsfähige Korallen in der Karibik
„Nature“-Studie mit Beteiligung von Forschenden der Freien Universität Berlin zeigt Schwächung karibischer Riffe durch Klimawandel und lokale Belastungen
Eine über 100 Jahre umfassende Langzeitstudie des Korallenwachstums in der Karibik dokumentiert: Selbst als widerstandsfähig geltende Korallenarten können sich zunehmend schlechter an steigende Meerestemperaturen und weitere menschengemachte Umweltbelastungen wie Küstenverschmutzung und Bebauung anpassen.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin offenbart eine besorgniserregende Abnahme der Kalkbildung durch Korallen – mit weitreichenden Folgen für den Erhalt mariner Lebensgrundlagen. Ihre Studie „Emerging skeletal growth responses of Siderastrea siderea corals to multidecadal anthropogenic impacts in Martinique, Caribbean Sea” ist kürzlich in “Nature Scientific Reports” erschienen und online abrufbar unter: https://www.nature.com/articles/s41598-025-08709-5.
Die Fähigkeit tropischer Korallen zum Aufbau stabiler Korallenriffe sinkt – selbst bei Arten, die als besonders widerstandsfähig galten. Für die Studie analysierte das Forschungsteam das Wachstum der Karibik-Korallenart Siderastrea siderea über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren (1912-2020) vor der Küste der Insel Martinique. Die Auswertung zeigt den langfristigen Rückgang der Kalkbildung der Riffe im gesamten 20. Jahrhundert – mit auffälligen Einbrüchen ab den 1980er Jahren, als sich marine Hitzewellen infolge der menschengemachten Erwärmung häuften.
Besonders gravierend ist der Rückgang der Skelettdichte der Korallen im Zeitraum von 2010 bis 2020 mit einem Minus von 10,5 – ein Wert, der auf eine strukturelle Schwächung der Korallen durch interagierende Stressoren hinweist. Schon ab den 1950er Jahren wurde ein Rückgang der Wachstumsraten der Riffe beobachtet, den die Wissenschaftler*innen zunächst auf lokale Belastungen wie Küstenentwicklung und Wasserverschmutzung zurückführen.
„Unsere Studie zeigt nun, dass lokale Schutzmaßnahmen zwar wichtig bleiben, aber ohne einen spürbaren Rückgang der globalen CO₂-Emissionen auch die widerstandsfähigsten Korallen und damit auch die Riffe langfristig in Gefahr geraten. Das wiederum hätte gravierende Folgen, denn Korallenriffe schützen Küsten vor Erosion, dienen als Lebensraum für unzählige Arten und sind wichtig für Fischerei und Tourismus“, sagt Gabriel Cardoso, Korallenforscher und Paläontologe am Fachbereich Geowissenschaften der Freien Universität Berlin und Erstautor der Nature-Studie.
Korallenriffe entstehen durch Wachstum von Korallen, die dabei Kalkschichten ablagern. Diese Wachstumsringe – vergleichbar mit Baumringen – lassen sich mit Röntgentechnik sichtbar machen und digital auswerten. Für die Studie untersuchte das Forschungsteam das Korallenwachstum im Süden Martiniques. Analysiert wurden dabei Daten, die zwischen 1912 und 2020 mithilfe von zwölf Bohrkernen an vier Standorten erhoben wurden. Das Forschungsprojekt wurde von der Europäischen Union im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 gefördert.
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41598-025-08709-5
22.07.2025, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
Oropouche-Virus: Neues Risiko für Europa?
Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) haben gemeinsam mit Kolleg:innen der Universität Hamburg und weiteren Einrichtungen erstmals das Risiko einer Übertragung des tropischen Oropouche-Virus (OROV) durch in Europa verbreitete Stechmückenarten untersucht. Ergebnis: Unter bestimmten klimatischen Bedingungen kann die invasive Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) das Virus übertragen – ein mögliches Risiko für Südeuropa.
Das Oropouche-Virus gehört zu den sogenannten Arboviren, also Viren, die durch blutsaugende Arthropoden (Gliederfüßer) übertragen werden. Als ein solcher Überträger (Vektor) von OROV waren bislang nur Gnitzen bekannt, die Rolle von Stechmücken war ungeklärt. Seit Anfang 2024 kam es in mehreren Ländern Mittel- und Südamerikas zu einem massiven Anstieg von OROV-Infektionen. Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO/WHO) verzeichnete über 11.000 bestätigte Fälle bis Ende des Jahres – darunter erstmals auch Todesfälle sowie Hinweise auf eine mögliche Übertragung während der Schwangerschaft mit schwerwiegenden Folgen wie Fehlgeburten und Mikrozephalie (kleinen Kopfumfang). Angesichts dieser Entwicklung stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Risiko im betroffenen Raum als hoch ein. In Europa wurden bereits einzelne importierte Fälle bei Reiserückkehrenden festgestellt. Unklar war bislang, ob Stechmücken überhaupt als Überträger des Oropouche-Virus in Frage kommen, also eine sogenannte Vektorkompetenz für dieses Arbovirus besitzen – eine zentrale Frage für die Risikobewertung.
Fünf Mückenarten unter der Lupe
Die nun veröffentlichte Studie liefert erste Antworten und eine Risikobewertung für Europa: Das Team untersuchte fünf auf dem europäischen Kontinent verbreitete Stechmückenarten im Labor, sowohl heimische (Culex pipiens biotyp pipiens und C. torrentium) als auch invasive Arten wie Aedes aegypti, A. japonicus und A. albopictus. Die Tiere wurden mit Oropouche-Viren infiziert und bei unterschiedlichen Temperaturen gehalten. Die Forschenden analysierten, ob sich die Stechmücken tatsächlich mit OROV infizieren lassen (eine Voraussetzung für die Übertragung auf den Menschen) und ob eine Übertragung durch den Speichel stattfinden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass nur Aedes albopictus bei Temperaturen von 24 bis 27 °C eine geringe Vektorkompetenz für OROV aufwies. Bei niedrigeren Temperaturen und bei den anderen getesteten Stechmückenarten ließ sich keine Virusübertragung nachweisen.
Nur eine Art zeigte Übertragung – bei Wärme
Um die epidemiologische Relevanz dieser Beobachtung einzuordnen, kombinierten die Forschenden ihre Labordaten mit Klimadaten und aktuellen Verbreitungskarten von Aedes albopictus. Die Analyse zeigt, dass insbesondere Regionen rund um das Mittelmeer klimatische Bedingungen aufweisen, die eine saisonale Virusübertragung im Sommer begünstigen könnten. Besonders betroffen wären dabei Gebiete in Spanien, Süditalien, Griechenland und der Türkei – Regionen, in denen Aedes albopictus bereits etabliert ist.
„Ein realistisches, aber begrenztes Risiko“
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Oropouche prinzipiell auch in Europa übertragen werden könnte, wenn infizierte Reisende auf Populationen von Aedes albopictus in wärmeren Regionen treffen“, sagt Dr. Anna Heitmann, Letztautorin der Studie. „Die Vektorkompetenz ist zwar niedrig, aber nicht gleich null – das macht Wachsamkeit und weitere Forschung notwendig.“ Derzeit lasse sich nicht vorhersagen, ob es in Europa jemals zu autochthonen Ausbrüchen komme, so Heitmann weiter, also zu Infektionen, die nicht durch Reiserückkehrende eingeschleppt, sondern direkt vor Ort durch heimische Stechmücken übertragen werden. „Aber wie bei Dengue, Zika oder Chikungunya sehen wir, dass eingeschleppte Viren durch invasive Stechmückenarten unter bestimmten Bedingungen auch bei uns zirkulieren können.“
Die Forschenden veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal The Journal of Infectious Diseases. Mit ihrer Arbeit tragen sie dazu bei, das Risiko neuer Infektionskrankheiten im Kontext globaler Mobilität und Klimaerwärmung besser einzuschätzen – und betonen, wie wichtig integrierte Überwachungs- und Frühwarnsysteme für durch Stechmücken übertragene Krankheiten in Europa sind.
Originalpublikation:
Jansen S*, Lühken R*, Höller P et al. (2025): Risk assessment of Oropouche
virus transmission by mosquitoes in Europe. The Journal of Infectious Diseases.
DOI: 10.1093/infdis/jiaf356
(*geteilte Erstautorenschaft)
(Mehr zum Oropouche-Virus hier auf dem Blog)
23.07.2025, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
Ein fossiler „Wundersaurier“ verändert das Verständnis der Reptilienevolution
In der Fachzeitschrift „Nature“ beschreibt ein internationales Forschungsteam in einer wegweisenden Studie das 247 Millionen Jahre alte Reptil „Mirasaura grauvogeli“. Der Saurier aus der Triaszeit zeigt neuartige, komplexe Hautauswüchse, die andere Strukturen aufweisen als Federn bei Dinosauriern und Vögeln. Der Fund ist von herausragender Bedeutung für die Paläontologie.
Körperbedeckungen wie Haare und Federn spielen in der Evolution eine zentrale Rolle. Als komplexe Hautauswüchse ermöglichen sie Warmblütigkeit durch Isolation und erfüllen zugleich Funktionen wie Balz, Wahrnehmung, Abschreckung sowie – bei Vögeln – den Flug. Sie unterscheiden sich deutlich von den einfachen Schuppen der Reptilien. Solche komplexen Hautstrukturen waren bisher nur bei Säugetieren, Vögeln und ihren nächsten fossilen Verwandten – Dinosauriern und Flugsauriern – bekannt.
Ein internationales Team unter der Leitung der Paläontologen Dr. Stephan Spiekman und Prof. Dr. Rainer Schoch vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart beschreibt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ ein frühes Reptil aus der Triaszeit namens Mirasaura grauvogeli, was „Grauvogels Wunderreptil“ bedeutet. Der baumbewohnende Saurier besaß einen Rückenkamm mit bislang unbekannten, komplexen Hautauswüchsen, die als evolutionär sehr frühe Alternative zur Feder interpretiert werden.
Der Fund zeigt, dass komplexe Hautstrukturen nicht nur bei Vögeln und ihren nächsten Verwandten vorkommen, sondern möglicherweise bereits vor den modernen Reptilien existierten. Die Entdeckung einer frühen, 247 Millionen Jahre alten “Federalternative“ erweitert das Verständnis der Evolution der Reptilien grundlegend.
Neue komplexe Hautstrukturen als frühe Alternative zu Federn:
Der Rückenkamm der neu entdeckten kleinen Echse Mirasaura diente wahrscheinlich dazu, Artgenossen zu imponieren. Er besteht aus einzelnen, sich dicht überlappenden Hautauswüchsen, die jeweils eine federartige Kontur mit einem schmalen Mittelgrat aufweisen.
Echte Federn bestehen aus vielen filigranen, verzweigten Strukturen, die als Federäste bezeichnet werden. Bei Mirasaura gibt es keine Hinweise auf solche Verzweigungen. Aus diesem Grund geht das Forschungsteam davon aus, dass sich die Struktur der neuartigen Hautauswüchse von Mirasaura weitgehend unabhängig von denen der Vögel und Dinosaurier entwickelt hat.
„Mirasaura“ liefert den ersten direkten Beweis, dass komplexe Hautauswüchse in der Erdgeschichte deutlich früher entstanden sind als bisher angenommen. Die Entdeckung einer „Federalternative“ bei so frühen Reptilien ist aus evolutionärer Sicht von größter Bedeutung und kaum zu überschätzen.
Wir haben tatsächlich eine Art „Wundersaurier“ entdeckt“, sagt Dr. Stephan Spiekman, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart.
Dinosaurier und der Ursprung der Federn:
Früher galten Dinosaurier als schuppige, träge Tiere, während nur echte Vögel Federn besaßen. Dieses Bild änderte sich grundlegend, als in China gefiederte Dinosaurier entdeckt wurden, die keine Vögel waren. Dadurch verschwammen die Grenzen zwischen schuppigen, „kaltblütigen“ Reptilien und gefiederten, „warmblütigen“ Vögeln.
Die älteste bekannte Dinosaurierfeder ist etwa 150 Millionen Jahre alt. Auch die Flugsaurier – Pterosaurier – trugen wahrscheinlich eine Körperbedeckung aus Federn.
„Mirasaura grauvogeli zeigt, wie überraschend und vielfältig Evolution sein kann. Sie hat bereits sehr früh – lange vor den Dinosauriern – eine unerwartete Alternative zur Feder entwickelt. Solche unabhängigen Entwicklungen ähnlicher Strukturen verdeutlichen das enorme Potenzial der Evolution“, erklärt Prof. Dr. Rainer Schoch, Leiter der Paläontologischen Abteilung am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart.
Die Forschenden sind sich sicher, dass dieser Fund weitere Forschungsarbeiten und Diskussionen anregen und die Evolutionsforschung beflügeln wird.
„Unsere Studie ist ein weiterer Wendepunkt in einer fast 30-jährigen Entwicklung der Paläontologie, die mit den ersten Funden gefiederter Dinosaurier in China Ende der 1990er Jahre begann. Der Fund von Mirasaura besitzt für uns eine sehr große Bedeutung“, ergänzt Co-Autor und Federspezialist Dr. Christian Foth.
Bizarre Baumkletterer mit vogelähnlichen Schädeln und Krallen:
Bei der Untersuchung von Mirasaura wurden modernste Techniken eingesetzt – darunter Bildgebungsverfahren am European Synchrotron (ESRF), um den vogelähnlichen Schädel zu rekonstruieren. Er weist eine schmale, fast zahnlose Schnauze, große, nach vorne gerichtete Augenhöhlen und ein gewölbtes Schädeldach auf. Die Schnauze diente vermutlich dazu, Insekten aus engen Baumhöhlen herauszuholen.
Die Drepanosaurier, zu denen auch Mirasaura gehört, gelten als besonders bizarre Lebewesen der Triaszeit: Sie hatten greiffähige Vordergliedmaßen, zum Teil große Krallen, lange, tonnenförmige Körper, einen langen, greiffähigen Schwanz. Damit konnten sie sich wie Affen an Ästen festhalten. Einige Arten hatten zu diesem Zweck sogar eine hakenförmige Kralle an der Schwanzspitze.
„Drepanosaurier sind erst seit wenigen Jahrzehnten bekannt und zeigen viele ökologische Anpassungen. Mirasaura lebte in den ersten Wäldern nach dem großen Massenaussterben am Perm-Trias-Übergang. Der Rückenkamm von Mirasaura mit einer neuartigen Hautstruktur ergänzt die einzigartigen Merkmale dieser Reptiliengruppe“, sagt der Paläontologe Prof. Dr. Hans Sues, Mitautor der Studie vom National Museum of Natural History in Washington DC, USA.
Grauvogels „Wunderreptil“:
Ursprünglich wurde das Fossil von Mirasaura im Elsass gefunden. Der Fossiliensammler Louis Grauvogel begann dort in den 1930er Jahren mit der Ausgrabung von Fossilien aus der mittleren Trias. Unter seinen Funden befanden sich auch Fossilien von Mirasaura. Im Laufe der Jahre baute er eine umfangreiche Sammlung auf, die viele Jahre im Besitz der Familie Grauvogel blieb. Im Jahr 2019 wurde sie an das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart übergeben. Dort wurde Mirasaura bei der Präparation von Fossilien der Sammlung von dem Mitautor der Studie, Dr. Dieter Seegis, entdeckt. Die Autor*innen haben das Tier zu Ehren von Louis Grauvogel Mirasaura grauvogeli – „Grauvogels Wunderreptil“ genannt. Das Fossil befindet sich heute in der paläontologischen Sammlung des Stuttgarter Museums.
Melanosomen und Hautstrukturen:
Auf dem Kamm von Mirasaura war eine braune Schicht erhalten, in der winzige Organellen mit Melaninpigmenten nachgewiesen wurden. Expert*innen des University College Cork verglichen diese Melanosomen mit denen von Reptilien, Säugetieren und Vögeln. Sie fanden heraus, dass sich die Melanosomen bei Mirasaura von Säugetierhaaren und Reptilienschuppen unterschieden, aber denen in Federn ähnelten. Die Forschenden vermuten, dass die Hautstrukturen von Mirasaura aus ähnlichem Keratin wie Federn bestehen und durch vergleichbare evolutionäre Prozesse entstanden sind. Dies soll in weiteren Arbeiten untersucht werden.
Mirasaura grauvogeli – Entdeckungsgeschichte:
Der lokale Fossiliensammler Louis Grauvogel begann Ende der 1930er Jahre mit Ausgrabungen im Elsass, Frankreich. Die von ihm gefundenen Fossilien stammten aus der mittleren Trias, vor etwa 247 Millionen Jahren, und bestanden hauptsächlich aus Pflanzen, Insekten und anderen Wirbellosen. Grauvogel wusste damals noch nicht, dass sich unter den Funden auch Fossilien von Mirasaura befanden. Die Sammlung, die von Forschern hochgeschätzt wurde, blieb größtenteils im Besitz der Familie. Dr. Léa Grauvogel-Stamm, Paläobotanikerin und Tochter von Louis Grauvogel, widmete sich der Erforschung und Kuration der Sammlung. Sie ist auch als Mitautorin an der Studie beteiligt. Im Jahr 2019 vereinbarte das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart mit Dr. Lea Grauvogel-Stamm die Übergabe der umfangreichen Sammlung nach Stuttgart. Dort steht sie für Forschungszwecke zur Verfügung und wird auch in zukünftigen Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich sein. Bei der Präparation von Fossilien der Sammlung Grauvogel in Stuttgart wurde ein ungewöhnliches kleines Reptil mit einem Kamm entdeckt und weiter erforscht. Zu Ehren seines Entdeckers Louis Grauvogel wurde dieser Saurier Mirasaura grauvogeli – „Grauvogels Wunderreptil“ – getauft. Das Fossil befindet sich nun in der paläontologischen Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart.
Ein interdisziplinäres Team von Paläontologen will den Fundort von Mirasaura grauvogeli weiter untersuchen, um zu klären, warum die Hautauswüchse hier so gut erhalten geblieben sind. Zukünftige Forschungen werden sich auch mit der Ökologie, der Biologie, der Umwelt sowie der Interaktion von Mirasaura mit anderen Tieren befassen.
Originalpublikation:
Stephan N.F. Spiekman, Christian Foth, Valentina Rossi, Cristina Gascó Martín, Tiffany S. Slater, Orla G. Bath Enright, Kathleen N. Dollman, Giovanni Serafini, Dieter Seegis, Léa Grauvogel-Stamm, Maria E. McNamara, Hans-Dieter Sues, Rainer R. Schoch: Triassic diapsid shows early diversification of skin appendages in reptiles. Nature.
DOI: 10.1038/s41586-025-09167-9
Publikationsdatum: 23.07.2025, 17:00 CEST
https://www.nature.com/articles/s41586-025-09167-9
23.07.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Auf den Spuren der Falter in Berlin: Deutsche Wildtier Stiftung bietet spannende Schmetterlings-Rallyes fürs Smartphone
In Gärten und Parks flattern aktuell wieder zahlreiche der großflügeligen Bestäuber. Doch wie gut kennen wir diese faszinierenden Insekten? Wie viele Arten leben in Deutschland? Woran lassen sich Tag- und Nachtfalter unterscheiden? Welche Pflanzen sichern ihr Überleben? All diese und viele weitere Fragen beantwortet die Deutsche Wildtier Stiftung im Rahmen zweier neuer Rallyes durch Berlin. Die digitalen Schnitzeljagden wurden in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat entwickelt und sind Teil der Kampagne „Aus Grün wird Bunt“. Sie sind – wie die erste Rallye zu Wildbienen in der Hauptstadt – ab sofort über die kostenlose Quiz-App „Actionbound“ abrufbar. Naturfans jeden Alters können sich durch spannendes Schmetterlingswissen klicken, miträtseln und die Hauptstadt mit ihrer Natur aus einer neuen Perspektive erleben – entlang kulturell und ökologisch spannender Stationen.
Auf der Rallye „Den Schmetterlingen hinterher in Neukölln“ tauchen Teilnehmer in die bunte Welt der Tagfalter ein. Im Mittelpunkt steht die Metamorphose des Schmetterlings – vom Ei über Raupe und Puppe bis hin zum ausgewachsenen Falter. Bei „Den Nachtfaltern hinterher in Friedrichshain“ dreht sich alles um nachtaktive Falter, die über 80 Prozent der deutschen Schmetterlingsarten ausmachen. Die Rallye lädt dazu ein, diese geheimnisvollen Insekten näher kennenzulernen – nicht nur als scheue Nachtschwärmer, sondern als wichtige Bestandteile städtischer Ökosysteme.
Mit leicht verständlicher, lockerer Sprache und Witz vermitteln die beiden jeweils rund 90-minütigen Rallyes faszinierende Falter-Fakten – zum Beispiel, dass viele Schmetterlinge mit den Füßen schmecken oder potenzielle Partner in zwei Kilometern Entfernung riechen können. Informations- und Quizteile wechseln sich ab. Mit richtig beantworteten Fragen lassen sich Punkte sammeln beziehungsweise digitale Schmetterlingseier retten. Darüber hinaus gibt es handfeste Tipps, wie jeder zum Schutz heimischer Tag- und Nachtfalter beitragen und seinen Balkon oder Garten schmetterlingsfreundlich gestalten kann.
24.07.2025, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Neues Fossil zeigt verborgene Vielfalt urzeitlicher Reptilien vor größtem Massenaussterben der Erdgeschichte
Ein internationales Forschungsteam des Museums für Naturkunde Berlin sowie aus Buenos Aires und Washington D.C. hat ein neues Fossil aus der oberpermischen Korbacher Spalte beschrieben. Es liefert neue Einblicke in die frühe Evolutionsgeschichte der Archosauromorphen. Das 255 Millionen Jahre alte Fossil wurde bereits in den 1990er Jahren in der berühmten Fossilfundstelle im Nationalen Geopark GrenzWelten entdeckt und nun erstmals untersucht. Die Entdeckung schließt eine wichtige Lücke im Fossilienbericht kurz vor dem Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Journal of Systematic Palaeontology veröffentlicht.
Die Korbacher Spalte in Nordhessen stellt eine einzigartige Fossillagerstätte aus der Zeit kurz vor dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte am Ende des Perms vor ca. 252 Millionen Jahren dar, bei dem 70-80 % aller Arten ausgestorben sind. Die Fundstelle bietet einen seltenen Einblick in das Leben auf dem damaligen Festland in Äquatornähe (20° nördlicher Breite).
Korbach ist besonders bekannt für die vielen Funde des frühen Säugetiere-Vorfahren Procynosuchus, der wegen seines Aussehens auch scherzhaft ‚Korbacher Dackel‘ genannt wird. Die Wissenschaftler beschrieben nun jedoch eine bislang unbekannte Art eines archosauromorphen Reptils anhand eines einzelnen, gut erhaltenen Halswirbels aus der Korbacher Spalte. Das Fossil weist markante anatomische Merkmale auf, die die Forscher dazu veranlassten, es als neue Gattung und Art zu bezeichnen: Manistropheus kulicki.
Der Wirbel zeichnet sich durch ein verlängertes, rautenförmiges Zentrum und eine halbmondförmige Vertiefung seitlich am vorderen Rand des Wirbels aus, die der neuen Gattung auch ihren Namen gibt – vom altnordischen Máni, der Personifizierung des Mondes in der germanischen Mythologie, und dem griechischen stropheus, Wirbel. Insgesamt weist das Exemplar Ähnlichkeiten mit frühen Archosauromorphen auf, aber auch Besonderheiten, die bei anderen Reptilien dieser Zeit fehlen. Eine umfassende Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse legt nahe, dass Manistropheus kulicki an der Basisdieser wichtigen Reptilienlinie steht – und damit zu ihren frühesten Vertretern zählt.
Die Studie setzte zudem eine Analyse der Formenvielfalt ein, um zu untersuchen, wie sich die Halswirbel im Lauf der Erdgeschichte verändert haben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Archosauromorphe bereits vor dem Aussterben morphologisch vielfältig waren und dass sich ihre Halsanatomie in der frühen Trias rasch diversifizierte – schneller als andere Skelettteile, wie frühere Forschungen zeigen.
„Diese Entdeckung ist besonders bedeutsam, da permische Archosauromorphe extrem selten sind und bisher nur fünf fossile Arten aus dieser Zeit bekannt sind“, sagt Dr. Martín Ezcurra, Erstautor der Studie. „Dank Manistropheus kulicki erkennen wir, wie vielfältig diese Gruppe bereits vor dem Massenaussterben war.“
„Dieses Fossil belegt nicht nur eine neue Art, sondern stützt auch die Annahme, dass es bereits im Perm eine bislang verborgene Vielfalt an Archosauromorphen gab“, bemerkt Prof. Hans-Dieter Sues vom Smithsonian, Co-Autor der Studie und Leiter der Ausgrabungen an der Korbacher Spalte in den 1990er Jahren.
Laut Co-Autor Prof. Jörg Fröbisch, Evolutionsbiologe am Museum für Naturkunde Berlin, erweist sich die Fundstelle der Korbacher Spalte „als Schlüsselort, um das Leben an Land in den tropischen Regionen des Urkontinents Pangäa kurz vor dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte besser zu verstehen.“ Der Fund macht deutlich, wie wichtig es ist, auch weniger bekannte Fossilfundstellen weiter zu erforschen – besonders jene, die Einblicke in vom Aussterben bedrohte Ökosysteme gewähren.
Publikation: Ezcurra, M.D., Sues, H.-D. & Fröbisch, J. (2025) A new late Permian archosauromorph reptile from Germany enhances our understanding of the early diversity of the clade, Journal of Systematic Palaeontology, 23:1, 2509639, DOI: 10.1080/14772019.2025.2509639
25.07.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Vogelschutz kontra Ordnungsliebe – warum das Hecken schneiden jetzt immer noch tabu ist
Es ist ein bekanntes Problem in den Parks und Gärten: Ende Juli wuchert die Hecke, und der Gärtner rückt an – doch in den dichten Zweigen sitzt eine Amsel und zieht ihren Nachwuchs auf. Während die Elternvögel vor den Scherenblättern flüchten können, sind die Jungen oft noch flugunfähig. Sie bleiben allein zurück oder werden von den Schneiden verletzt, nicht selten tödlich. Liegt das Nest frei, sind die Küken zudem leichte Beute für Katzen, Marder und andere Beutegreifer. „Beim Einsatz von elektrischen Heckenscheren ist die Verletzungsgefahr besonders hoch, denn sie schneiden in nur kurzer Zeit schnell und radikal das Grün weg“, sagt Lea-Carina Hinrichs von der Deutschen Wildtier Stiftung.
Was viele nicht wissen – oder ignorieren: Laut Bundesnaturschutzgesetz (§ 39 Abs. 5) ist es vom 1. März bis zum 30. September verboten, Hecken, Gebüsche und andere Gehölze stark zurückzuschneiden oder zu entfernen. Erlaubt sind in dieser Zeit nur schonende Form- und Pflegeschnitte. Doch wo endet der Form- und Pflegeschnitt, wo beginnt der vogelgefährdende Radikalschnitt?
„Ein erlaubter Schnitt liegt vor, wenn einzelne Zweige seitlich oder nach oben aus der Hecke ragen und so gestutzt werden, dass die ursprüngliche Höhe und Breite der Hecke erhalten bleiben. Keinesfalls bedeutet das, dass man die ganze Hecke stutzen oder in geometrische Form schneiden darf“, sagt Hinrichs. Wer beim Schneiden ein Nest zerstört oder Jungvögel gefährdet, riskiert Bußgelder von mehreren tausend Euro.
Dem Vogelschutz zuliebe heißt es also: Finger weg von der elektrischen Heckenschere. Und mit der normalen Astschere nur das Nötigste abschneiden, zum Beispiel, um Wege freizuhalten. Immer gilt es, genau hinzuschauen, ob gefiedertes Leben im Grün steckt. Denn Amsel, Zaunkönig, Heckenbraunelle und Rotkehlchen brüten oft mehrmals im Jahr – vor allem, wenn das Futterangebot stimmt. Und das ist in diesem vielerorts regenreichen Sommer in vielen naturnahen Gärten der Fall: Regenwürmer und Insekten sind ausreichend vorhanden. Perfekte Bedingungen für eine zweite Brut – die es zu schützen gilt.