02.09.2024, Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans eben später – Reaktivierung der Lernfähigkeit von Zebrafinken im Alter
Motorisches Lernen, beispielsweise das Spielen eines Instruments, präzise Bewegungen beim Sport oder auch die korrekte Betonung einer neuen Sprache, fällt in jungen Jahren besonders leicht. Was aber, wenn sich diese jugendliche Lernfähigkeit auch im Alter reaktivieren ließe? Die Forschungsgruppe von Daniela Vallentin am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz konnte an Zebrafinken zeigen, dass dies tatsächlich möglich ist. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine Reaktivierung bestimmter für das Gesangslernen im Jungvogel wichtiger Mechanismen in ausgewachsenen Zebrafinken möglich ist und die Lernfähigkeit der Tiere positiv beeinflusst.
Je älter wir werden, desto schwerer fällt es uns, neue Fähigkeiten zu erlernen. Besonders deutlich wird dies beim Erlernen einer Fremdsprache: Unbekannte Laute und komplizierte Grammatik wollen einfach nicht im Gedächtnis bleiben.
Schuld daran ist vor allem die mit zunehmendem Alter nachlassende Plastizität unseres Gehirns. Die Fähigkeit, sich durch eine Neuverknüpfung von Nervenzellen und der Anpassung ganze Hirnareale neuen Herausforderungen zu stellen, nimmt im Alter rapide ab. Doch neueste Forschungsergebnisse geben Hoffnung: Es scheint, als könne die jugendliche Lernfähigkeit auch im Alter reaktiviert werden.
Neben der allgemeinen Abnahme neuronaler Plastizität im Alter kann die Aktivität bestimmter motorische Lernzentren im Gehirn auch an spezifische Entwicklungsphasen gebunden sein. Ein Beispiel für solche an ein konkretes Alter gebundene neuronalen Prozesse findet man beim männlichen Zebrafinken. Die Tiere erlernen ihren Gesang ausschließlich in den ersten 90 Tagen ihres Lebens. Nach dieser jugendlichen Lernphase nimmt die Plastizität im Gehirn der Vögel stark ab und spezialisierte Nervenzellen unterdrücken die Fähigkeit, Gelerntes weiter zu verändern.
Dies wirft eine spannende Frage auf: Würden auch ältere Vögel wieder Neues lernen, wenn man die hemmende Aktivität diese Neuronen unterdrücken und somit die Plastizität des Gehirns wiederherstellen könnte?
In einer neuen Studie unter der Leitung von Daniela Vallentin haben Forschende genau diese Frage untersucht. Mit Hilfe modernster Methoden wie der zellspezifischen Optogenetik gelang es dem internationalen Team, die hemmenden Nervenzellen gezielt auszuschalten. Das Ergebnis war erstaunlich: Die Lernfähigkeit erwachsener Zebrafinken wurde tatsächlich wiederhergestellt. Die Tiere waren in der Lage, ihrem bestehenden Gesang neue Elemente hinzuzufügen, ohne die bereits gelernten Elemente zu beeinträchtigen. „Wir konnten eine bisher unbeobachtete Erweiterung des Gesangsrepertoires der adulten Tiere feststellen“, berichtet Fabian Heim, Erstautor der Studie.
Das Gesangslernen beim Zebrafinken ist nur eines vieler Beispiele für solche spezifischen Lernphasen, selbst das Erlernen bestimmter sozialer Verhaltensweisen bei Mäusen ist an entsprechende Zeiträume gebunden. Die Ergebnisse dieser Studie tragen somit neben dem besseren Verständnis des Gesangslernprozesses auch dazu bei, die Regulation solcher zeitlich beschränkten Lernphasen generell zu entschlüsseln.
Originalpublikation:
Disinhibition enables vocal repertoire expansion after a critical period;
Fabian Heim, Ezequiel Mendoza, Avani Koparkar and Daniela Vallentin;
Nature Communications, online 31. August 2024
https://www.nature.com/articles/s41467-024-51818-4
02.09.2024, Bundesanstalt für Gewässerkunde
Frühjahrswanderung der Schweinswale in Elbe, Ems und Weser: Neue Erkenntnisse aus dem Monitoring 2024
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) haben im Frühjahr 2024 außergewöhnlich häufig die Anwesenheit von Schweinswalen in den Flüssen Elbe und Weser festgestellt. In der Ems wurden die Tiere erstmals auch stromauf des Sperrwerks nachgewiesen. Diese Erkenntnisse liefern wertvolle Hinweise für den Schutz der Schweinswale und den Zustand der Gewässer.
Die Schweinswale in den Flüssen Elbe, Ems und Weser stehen im Fokus eines Monitorings der BfG und der WSV. Besonders im Frühjahr 2024 konnten in der Elbe bei Wedel und in der Weser bei Stadland eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Schweinswallauten mit Hydrophonsystemen („Unterwassermikrofone“) erfasst werden. In der Ems wurden erstmals Schweinswale stromauf des Sperrwerks nachgewiesen.
Schweinswale leben normalerweise in der Nordsee und im Wattenmeer, dringen jedoch regelmäßig im Frühjahr, vor allem im Monat April, in die Flüsse Elbe, Ems und Weser vor, um dort unter anderem den Stint, einen ihrer Beutefische, zu jagen, der zu dieser Zeit in die Flüsse hinaufzieht, um zu laichen.
Die Messungen werden an festen Standorten durchgeführt: seit 2019 in der Elbe bei Wedel, seit 2022 in der Weser bei Stadland und seit 2010 an vier Stationen in der Außenems. Im Jahr 2024 wurde erstmals ein Hydrophonsystem in der Unterems bei Terborg stromauf des Emssperrwerks installiert.
Die Ergebnisse vom April 2024 sind beeindruckend: In der Weser bei Stadland wurden in 33 Prozent der Stunden Schweinswale erfasst, in der Elbe bei Wedel sogar in 44 Prozent der Stunden. Dr. Thomas Taupp von der BfG: „Der April 2024 war in Weser und Elbe seit Beginn unserer Messungen ein absolutes Rekordjahr. Im Vergleich zu den Vorjahren wurden dort 5 bis 10-mal häufiger Schweinswale detektiert. “In der Außenems entsprach die Häufigkeit der Schweinswaldetektionen im April 2024 dem langjährigen Mittel der Vorjahre. Eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis: Erstmals konnten auch Schweinswallaute oberhalb des Emssperrwerks bei Terborg aufgezeichnet werden. Dies zeigt, dass Schweinswale tatsächlich durch das Sperrwerk stromaufwärts in die Ems wandern.
Diese Daten liefern wertvolle Informationen über den Zustand der Flüsse und deren Fischbestände und tragen dazu bei, den Schutz der Schweinswale weiter zu verbessern. Für weitere Informationen zu den aktuellen Daten wenden Sie sich bitte an Dr. Thomas Taupp.
Originalpublikation:
Taupp, Thomas, Gauger, Marco F. W. (2024): Passiv-akustisches Monitoring von Schweinswalen in Elbe, Ems und Weser von 2019 bis 2022. Bericht der Bundesanstalt für Gewässerkunde BfG-2168, Koblenz. DOI: 10.5675/BfG-2168.
05.09.2024, Hochschule Koblenz – University of Applied Sciences
Spermienkonkurrenz: ein zusätzlicher Grund für das schnelle Aussterben der Neandertaler
Neandertaler verschwanden erstaunlich schnell, nachdem anatomisch moderne Menschen ihren Lebensraum in Europa und Westasien besiedelten. Unterschiede in der Spermienkonkurrenz zwischen Neandertalern und modernen Menschen wurden nun als zusätzliche Erklärung aufgeführt.
Viele verschiedene Hypothesen wurden aufgestellt, um das Aussterben der Neandertaler zu erklären: Unterschiede im Stoffwechsel, in der Demographie, bei der Nutzung von Feuer und auch die Jagd mit domestizierten Hunden wurden erörtert. Aufgrund des Konkurrenz-Ausschluss-Prinzips hätten vermutlich nicht beide Arten, Neandertaler und moderne Menschen, auf Dauer im gleichen Gebiet leben können, aber warum setzen sich moderne Menschen durch? Krankheitserreger, Klima- und Vegetationsänderungen sowie auch Vulkanausbrüche wurden als mögliche Ursachen diskutiert. Durch genetische Studien ist mittlerweile gesichert, dass sich Neandertaler und moderne Menschen vermischt haben. Daher geht man heute von Assimilation aus, heutige Europäer haben demzufolge Neandertal-Gene in ihrem Erbgut, wenn auch nur wenige Prozente.
Die Schnelligkeit des Verschwindens der Neandertaler ist dennoch erstaunlich. Neuhäuser and Ruxton (2024) argumentieren nun, dass Vorteile des modernen Menschen in der Spermienkonkurrenz wichtig gewesen sein und zur Schnelligkeit der genetischen Assimilation beigetragen haben können. Zu Grunde liegen dieser Hypothese zwei Befunde: Neandertaler wie auch moderne Menschen waren im Pleistozän wahrscheinlich promiskuitiver und weniger monogam als heutige Populationen. Zudem waren die Gruppen der Neandertaler kleiner als die der modernen Menschen. Damit bieten sich Ansätze für statistische Modelle.
Wenn sich zwei Gruppen der beiden Arten begegneten, könnte alleine wegen der Gruppengröße für jede Frau (egal ob Neandertalerin oder moderne Frau) die Wahrscheinlichkeit für eine Paarung mit einem modernen Mann größer gewesen sein. Und je ausgeprägter die Promiskuität war, umso mehr Sexualpartner jeder Frau waren moderne Männer und keine Neandertaler. Darüber hinaus ist die Spermienkonkurrenz, zumindest bei gleichem Paarungssystem, bei in größeren Gruppen lebenden Arten stärker und Anpassungen an intensive Spermienkonkurrenz wie z.B. größere Hoden werden wahrscheinlicher. Jede Anpassung an die größere sexuelle Konkurrenz bei modernen Menschen würde die Vorteile hinsichtlich der Spermienkonkurrenz noch verstärken.
Je größer die Vorteile in Bezug auf die Spermienkonkurrenz waren, umso weniger einwandernde moderne Menschen sind nötig, um die schnelle Assimilation zu erklären. Vorteile in der Spermienkonkurrenz und andere Erklärungen schließen sich selbstverständlich nicht aus.
Originalpublikation:
Neuhäuser M, Ruxton GD (2024) Sperm competition: an additional cause for the rapid demise of Neanderthals. Science (eLetter) https://www.science.org/doi/10.1126/science.adi1768#elettersSection