08.07.2024, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Geheimnisvoller Käfer: Neue Art aus Guatemala entdeckt
Gemeinsam mit einem brasilianisch-deutschen Team hat Senckenberg-Forscher Vinicius S. Ferreira eine neue Art aus der Federleuchtkäfer-Gattung Adendrocera beschrieben. Die Gruppe dieser Insekten ist selten und nur durch sehr wenige Tiere in wissenschaftlichen Sammlungen belegt. In ihrer im Fachjournal „The Coleopterists Bulletin“ veröffentlichten Studie benannten die Forscher ihre Neuentdeckung aus der Familie der Phengodidae nach der „Carmelita“-Kooperative. Diese indigene Gemeinschaft in Guatemala setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, die Artenvielfalt rund um den Fundort der neu entdeckten Art zu erhalten.
Nur eine Art mit einem einzigen Exemplar war bislang aus der Federleuchtkäfer-Gattung Adendrocera bekannt – sicher verwahrt in den wissenschaftlichen Sammlungen des Natural History Museums in London. „Außer diesem Holotyp gab es bislang keine weiteren veröffentlichten Belege aus dieser Gattung. Unser Kollege Dr. Aslak Kappel Hansen vom Museum für Naturkunde in Berlin konnte aber nun auf einer Reise nach Guatemala ein zweites Adendrocera-Exemplar sammeln. Anders als Verwandte aus der Phengodidae-Familie besitzen diese Käfer nicht die an Federn erinnernden namensgebenden Fühler. Gemeinsam mit André Roza Silva von der Universidade Federal do Rio de Janeiro haben wir die seltenen Federleuchtkäfer nun genauer unter die Lupe genommen“, erzählt Dr. Vinicius S. Ferreira vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut Müncheberg.
In ihrer Studie beschreiben die Wissenschaftler das kürzlich gefundene Tier als neue Art: Adendrocera carmelita. Gesammelt wurde der mittel- bis dunkelbraune und nur 3,5 Millimeter lange Käfer im tropischen Tieflandregenwald mit Hilfe einer Flugfangfalle. „Das Untersuchungsgebiet steht unter Naturschutz und weist unter anderem einen hohen Baumartenreichtum mit großen Mahagonibäumen auf“, erklärt Ferreira und fährt fort: „Leider ist es bisher nicht gelungen, lebende Exemplare der neuen Art zu beobachten – daher gibt es aktuell auch keinerlei Daten zu ihrer Lebensweise, ihrer Ernährung oder ihrer Fortpflanzung.“
Benannt wurde die aus Guatemala stammende Art nach der „Carmelita“-Kooperative, die dazu beiträgt, die Artenvielfalt rund um den Typusort der Art im Maya-Biosphärenreservat zu erhalten. Die 1998 gegründete „Cooperativa Integral de Comercialización Carmelita R.L.“ führt verschiedene Arbeiten innerhalb der Gemeinde durch, die eine nachhaltige Bewirtschaftung der vorhandenen Ressourcen ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Investitionen in die Prävention und Kontrolle von Waldbränden, grüner Tourismus im Naturreservat oder eine nachhaltige Holzernte. „Mit minimalen Eingriffen schafft es die Gemeinschaft so, agroforstwirtschaftliche und touristische Aktivitäten durchzuführen, die der lokalen Gemeinde ein Auskommen sichern und gleichzeitig einen Anreiz zum Schutz des natürlichen Waldes bieten. Diese Leistung für die Erhaltung der Artenvielfalt wollten wir mit der Artbenennung würdigen“, fasst der Müncheberger Entomologe zusammen.
Originalpublikation:
Roza Silva, André & Hansen, Aslak & Ferreira, Vinicius. (2024). Redescription of Adendrocera Wittmer, 1976 (Coleoptera: Phengodidae: Penicillophorinae) with Description of a Second Species of the Genus from Guatemala. The Coleopterists Bulletin. 78. 155-164. https://doi.org/10.1649/0010-065X-78.2.155
11.07.2024, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Insektenrückgänge in alten Buchenwäldern: Ursache Dürreperioden
Eine neue Studie der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) von Prof. Dr. Andreas Linde und Fabio Weiß belegt die Auswirkungen von Dürre auf Laufkäfer in elf alten Buchenwäldern Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns. Sowohl die Anzahl wie auch die Gesamtbiomasse gingen im regionalen Durchschnitt zwischen 51% und 65% zurück. Eine bereits Anfang des Jahres von den beiden Forschern veröffentlichte Studie konnte bereits einen engen Zusammenhang zwischen den jüngsten Dürreperioden (2018-2020) und Rückgängen bei Laufkäfern in einem Waldgebiet bei Eberswalde aufzeigen.
Zu den in der neuen Studie untersuchten Flächen zählen einige streng geschützte, naturnahe Buchenwaldstandorte in den Kernzonen des Müritz-Nationalparks und des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin, darunter zwei UNESCO-Welterbe Standorte. Dafür wurden Daten von Laufkäfererhebungen aus den Jahren 1999 bis 2001 und 2020 bis 2022 bezüglich Individuenzahl, Gesamtbiomasse, Diversität und Artmerkmalen verglichen. Als Räuber sind Laufkäfer gute Indikatoren für den Status weiterer Arthropoden (Gliederfüßer) der Waldböden.
Die Ergebnisse zeigen, dass im Vergleichszeitraum sowohl die Anzahl der Laufkäfer als auch ihre Gesamtbiomasse auf allen Flächen zurückgingen (im regionalen Durchschnitt um 51% bzw. 65%). Größere und ungeflügelte Laufkäferarten waren dabei überproportional von Rückgängen betroffen. Hingegen gab keine feststellbaren Veränderungen in der Diversität der Laufkäfergemeinschaften. Die Intensität der Rückgänge variierte teilweise stark zwischen den einzelnen Standorten. Unterschiede ließen sich jedoch nicht durch den Schutzstatus der Waldflächen erklären – streng geschützte Waldflächen waren genauso stark betroffen. Vielmehr wurde ein Zusammenhang zwischen dem Anteil von Waldflächen in der umgebenden Landschaft und der Stärke der Rückgänge gefunden – in dichter bewaldeten Gegenden fielen die Rückgänge der Insekten etwas geringer aus. Die aktuellen Ergebnisse bestätigt die Aussagen der vorherigen Studie und zeigen, dass die jüngsten Dürreperioden zu einem massiven Rückgang der Laufkäferpopulationen in Waldgebieten auf regionaler Ebene geführt haben. Dabei waren auch streng geschützte, naturnahe Wälder von dieser Folge des Klimawandels betroffen. Künftige Naturschutzplanung und Maßnahmen zum Schutz von Insekten sollten daher vermehrt die landschaftlichen Begebenheiten und die potenzielle Exposition gegenüber extremen Wetterbedingungen berücksichtigen.
Fabio Weiß forschte im Rahmen seiner Promotion an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde und der Leuphana Universität Lüneburg über Langzeitentwicklungen von Waldinsekten in Deutschland. Inzwischen ist er am Cawthron Institut in Nelson (Neuseeland) tätig. „Es ist erschreckend zu sehen, dass selbst einige der ältesten und naturschutzfachlich-wertvollsten Buchenwälder Deutschlands von Insektenrückgängen betroffen sind. Diese Ergebnisse stellen in keiner Weise die Erfolge des bisherigen Naturschutzes in Frage, zeigen jedoch, dass wir uns auch hier an die Folgen des Klimawandels anpassen müssen.“
Prof. Dr. Andreas Linde ist Professor für Angewandte Ökologie und Zoologie an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit erfasst er seit 1995 Insektendaten in Nord Brandenburg. „Leider wurden die Ergebnisse unserer Forschungen zum Insektenrückgang auch auch größerer, regionaler Ebene bestätigt. Der von uns aufgezeigte Rückgang der Laufkäfer ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs – auch andere, wichtige bodenlebende Arthropoden dürften betroffen sein.“
Originalpublikation:
Evidence for regional‑scale declines in carabid beetles in old lowland beech forests following a period of severe drought
https://doi.org/10.1007/s10980-024-01920-1