Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

d07.01.2022, Universität Greifswald
Fossiler Schädel eines Sauriers gibt Einblicke in dessen Lebensweise
Der Struthiosaurus austriacus lebte einst bei Muthmannsdorf in der Nähe von Wien, Österreich. Forschende der Universitäten Greifswald und Wien untersuchten den Schädel des Sauriers der Gruppe Ankylosaurier mittels Computertomographie. Die Analysen des fünf Zentimeter großen Schädels zeigen, dass sich der Saurier äußerst behäbig fortbewegte und schlecht hörte. Die Ergebnisse sind in Scientific Reports (www.nature.com/articles/s41598-021-03599-9) erschienen.
Die Gruppe der Ankylosaurier ist seit dem mittleren Jura bekannt. Ihr namensgebender Vertreter Ankylosaurus erlebte das Massensterben am Ende der Kreidezeit. Dinosaurier dieser Gruppe wurden bis zu acht Meter groß und ernährten sich von niedrigwachsender Vegetation. Ihre Körper glichen wandelnden Festungen. Einige ihrer Vertreter, wie die Ankylosauriden, besaßen eine Keule am Schwanzende; andere, wie die Nodosauriden, verteidigten sich mit langen Stacheln im Hals- und Schulterbereich. Letztere lebten scheinbar meist in küstennahen Gebieten und hatten einen kräftigeren Beißapparat als ihre nahen Verwandten, womöglich um härtere Pflanzen fressen zu können. Struthiosaurus austriacus ist ein relativ kleiner Nodosaurier aus der späten Kreidezeit. Er lebte also etwa vor 80 Millionen Jahren im heutigen Österreich.
Für ihre Studie haben Marco Schade von der Universität Greifswald, Cathrin Pfaff von der Universität Wien und ihre Kollegen mit einem hochauflösenden Computertomographen erstmals dreidimensionale, digitale Ausgüsse der Hohlräume des fossilen Schädels von Struthiosaurus austriacus erstellt. Die Hohlräume beherbergten einst das Gehirn und Innenohr des Sauriers und erlauben Rückschlüsse auf dessen Gehör und Gleichgewichtssinn sowie auf dessen Schädelhaltung. Sie geben damit wichtige Hinweise auf die Lebensweise des Tieres.
Das Gehirn von Struthiosaurus ähnelt jenem der meisten seiner Verwandten. So war der Flocculus des Tieres, ein evolutionär alter Teil des Kleinhirnes, vermutlich sehr klein. Der Flocculus ist in die Fixierung der Augen bei Bewegungsabläufen des Kopfes, Halses und gesamten Körpers involviert. „Während sich einige seiner Verwandten vermutlich mit ihren Schwanzkeulen verteidigten, verließ sich Struthiosaurus wohl eher auf seine ausgeprägte Panzerung.“ so Marco Schade vom Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald. Der kleine Flocculus und die Form der Bogengänge des Innenohrs legen nahe, dass sich der Pflanzenfresser nur äußerst behäbig fortbewegte. Darüber hinaus hat er die bislang kürzeste bekannte Cochlea, die bei einem Dinosaurier gefunden wurde. Dieser Teil des Innenohrs hat bei Säugetieren die Form eines Schneckengehäuses und gibt Aufschluss über das Hörspektrum des Tieres. „Das Gehör des Tieres war offensichtlich nicht gut ausgeprägt und so kommunizierte Struthiosaurus, wenn nötig, mit Artgenossen auf andere Weise als über Lautäußerungen“, stellt Cathrin Pfaff vom Institut für Paläontologie der Universität Wien fest. Die gewonnenen Erkenntnisse geben Einblicke in die Entwicklungsgeschichte und vielfältige Lebensweise der Dinosaurier sowie in ihren Lebensraum.
Originalpublikation:
http://www.nature.com/articles/s41598-021-03599-9

07.01.2022, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Artenverschiebung aufgrund von Kipppunkt im Humboldt-Strom vor Peru
Forschende rekonstruieren Zusammenhang zwischen Ozeanerwärmung und Verschiebung zu kleineren Fischarten anhand von Sedimentproben aus dem Humboldtstrom-Gebiet
Grundlegende Veränderungen im Ozean wie eine zunehmende Erwärmung, Versauerung oder Sauerstoffreduzierung können erhebliche Folgen für die Zusammensetzung von Fischbeständen haben – bis hin zur Verdrängung einzelner Arten. Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, Kanada, den USA und Frankreich anhand von Sedimentproben aus dem Humboldtstrom-Gebiet vor Peru Umweltbedingungen der älteren Warmzeit vor 125.000 Jahren (Eem- Interglazial) rekonstruiert. Sie konnten aufzeigen, dass sich bei wärmeren Temperaturen vor allem kleinere, grundelartige Fischarten durchsetzen und wichtige Speisefische wie die Sardelle (Engraulis ringens) zurückdrängen. Die Entwicklung ist unabhängig von Fischereidruck und Fischereimanagement. Die stärkere Erwärmung des Humboldtstrom-Gebietes als Folge des Klimawandels hat demnach weitreichendere Auswirkungen für das Ökosystem und die weltweite Fischereiwirtschaft als bisher angenommen. Die Ergebnisse sind heute (7. Januar) in der Fachzeitschrift Science erschienen.
Das Meer vor der Westküste Südamerikas gehört heute zu den vitalsten und ertragreichsten Fischgründen der Erde. Rund acht Prozent der globalen Fangmenge an Meerestieren kommt aus den Gebieten vor den Küsten Perus, wo der oberflächennahe Humboldtstrom für eine hohe Nährstoffzufuhr und damit für ausreichend Nahrung für kommerziell genutzte Fischarten wie die Sardelle sorgt. Allein zehn Prozent der gesamten weltweiten Fangmenge an Sardellen kommt aus der Region. Ein Großteil davon wird zu Fischmehl und -öl verarbeitet und überwiegend in Aquakulturen in China und Norwegen verfüttert. Die Fangmengen für die Sardelle im Humboldt-Auftriebssystem sinken derzeit jedoch erheblich, während kleinere Schwarmfische wie die Grundel zunehmen. Die Ursachen für die Verschiebung der Arten sind bisher noch unklar und Gegenstand der aktuellen Studie.
Forschende des Instituts für Geowissenschaften an der Universität Kiel haben gemeinsam mit Kollegen des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung sowie internationalen Partnern zum ersten Mal die Zusammenhänge zwischen Temperatur, Sauerstoffgehalt, Nährstoffversorgung und dem Vorkommen einzelner Fischarten mit Hilfe von paläo-ozeanographischen Daten aus dem Humboldtstrom-Gebiet untersucht. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die ältere Warmzeit vor rund 125.000 Jahren (Eem-Interglazial). Während dieser Zeit herrschten ähnliche Bedingungen wie sie Klimaprojektionen (z.B. der IPCC-Report) spätestens für das Ende des 21. Jahrhunderts vorhersagen: D.h. eine vergleichbare Primärproduktion, aber Wassertemperaturen um zwei Grad Celsius höher als heute und verstärkter Sauerstoffmangel in mittleren Wassertiefen.
Für ihre paläo-ozeanographischen Untersuchungen analysierten die Wissenschaftler an der Uni Kiel vor allem kleine Fischwirbel, die sie aus den Sedimentkernen isolieren konnten. Demnach dominierten in der älteren Warmzeit vor allem kleinere, grundelartige Fische in den Küstengewässern, während die Sardelle nur einen geringen Anteil ausmachte. Fische mit geringerer Körpergröße können sich besser an wärmere Temperaturen anpassen. Sie behalten ihre hohe Aktivität selbst in sauerstoffärmeren Gewässern dank ihrer größeren Kiemenoberfläche im Verhältnis zu ihrem Körpervolumen.
„Die Bedingungen dieser vergangenen Warmzeit, die wir aus unseren Proben rekonstruieren konnten, lassen sich durchaus mit der aktuellen Entwicklung vergleichen und in Zusammenhang mit den Zukunftsszenarien setzen,“ sagt Erstautor der Studie, Dr. Renato Salvatteci, der zurzeit im Center for Ocean and Society des Forschungsschwerpunktes Kiel Marine Science (KMS) an der Universität Kiel im BMBF geförderten Projekt Humboldt-Tipping forscht. „Es gibt demnach einen eindeutigen Regime-Shift hin zu kleineren Fischen, die sich in den warmen, sauerstoffärmeren Bedingungen wohlfühlen. Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass die Folgen des menschengemachten Klimawandels stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Bestände in der Region haben können als bisher angenommen,“ so Salvatteci weiter. Kleinere Fische sind schwieriger zu fangen und weniger schmackhaft. Die Auswirkungen auf die Region Peru, das Einkommen der lokalen Fischerei und den weltweiten Handel an Sardellen könnten demnach weitreichende Folgen haben – möglicherweise auch für die globale Ernährungssicherheit.
„Unsere Untersuchungen anhand der Sedimentkerne können uns ziemlich genau Auskunft geben über die Veränderungen und deren Dynamik in hochproduktiven Küstengewässern weltweit, die sich im Zuge unterschiedlicher Klimazustände und über verschiedene Zeitskalen hinweg vollzogen haben,“ erklärt Professor Ralph Schneider, Paläoklimaforscher am Institut für Geowissenschaften an der Universität Kiel und Co-Autor der Studie.
Aufgrund der zunehmenden Erwärmung im Humboldtstrom-Auftriebsgebiet steuert das Ökosystem nach Einschätzung der Forschenden auf einen Kipppunkt zu, ab dem sich die Sardelle zurückzieht und nicht weiter in den küstennahen Fanggründen dominiert. „Trotz einer flexiblen, nachhaltigen und anpassungsfähigen Management-Strategie, haben Biomasse und Anlandungen der Sardelle abgenommen, was darauf schließen lässt, dass wir dem ökologischen Kipppunkt näher sind als vermutet,“ resümiert der Erstautor Renato Salvatteci. Die Ergebnisse tragen dazu bei, besser einzuschätzen, inwiefern ein sich erwärmender Ozean ausreichend Nahrung für die Weltbevölkerung bereithalten kann und mit welchen Veränderungen die Menschheit für die Entwicklung von wichtigen Fischarten wie der Sardelle rechnen muss.
Die Studie wurde durch den Sonderforschungsbereich (SFB) 754 „Klima-Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“, ein Kooperationsprojekt der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gefördert. Weitere Unterstützung kam aus dem BMBF-Projekt Humboldt-Tipping, das im Center for Ocean and Society koordiniert wird sowie durch die Förderung der Emmy-Noether Nachwuchsforschergruppe ICONOX am GEOMAR. Erstautor Renato Salvatteci wurde darüber hinaus mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung unterstützt.
Originalpublikation:
Renato Salvatteci, Ralph R. Schneider, Eric Galbraith, David Field, Thomas Blanz, Thorsten Bauersachs, Xavier Crosta, Philippe Martinez, Vincent Echevin, Florian Scholz, Arnaud Bertrand, “Smaller fish species in a warm and oxygen-poor Humboldt Current System”.
DOI: https://doi.org/10.1126/science.abj0270

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