Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

28.12.2021, Deutsche Wildtier Stiftung
Jahresbilanz 2021 des Verbundprojektes Feldhamsterland
Deutsche Wildtier Stiftung und Senckenberg Forschungsinstitut: Die Schutzmaßnahmen zeigen Wirkung – aber ohne eine Änderung der Agrarpolitik wird ein Aussterben des Feldhamsters immer wahrscheinlicher
Das Jahr geht zu Ende und wieder haben die Lokalkoordinatoren und Lokalkoordinatorinnen im Pilotprojekt Feldhamsterland (www.feldhamster.de) leidenschaftlich alles für den Feldhamster (Cricetus cricetus) gegeben. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Insgesamt konnten mit Unterstützung von knapp 200 engagierten Ehrenamtlichen über 3900 Hektar Fläche in den Bundesländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz systematisch und nach einem standardisierten Verfahren nach Feldhamsterbauen abgesucht werden. Immerhin knapp 6000 Hamsterbaue, etwa 2000 mehr als im Vorjahr, können die ehrenamtlichen Kartierer für 2021 nachweisen.
Die ersten Auswertungen geben Grund zur Hoffnung: „Auf den Projektflächen scheinen sich einige Populationen des Feldhamsters langsam zu stabilisieren“, sagt Simon Hein, Projektkoordinator bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Dies hängt mit den Schutzmaßnahmen engagierter Landwirte zusammen. „Im Projekt beraten wir Landwirte, die Feldhamster auf ihren Flächen haben, welche Maßnahmen zum Schutz der Nager sinnvoll sind“, sagt Hein. „Innovative und gleichzeitig einfach umzusetzende Maßnahmen, wie etwa die Ährenernte auf Getreidefeldern, zeigen positive Effekte.“ Eines allerdings bereitet Hein Sorgen: „Wir sind im Projekt Feldhamsterland auf nur etwa 10 Prozent der Fläche der deutschlandweiten Feldhamsterverbreitung aktiv. Das Schicksal der verbleibenden 90 Prozent der Bestände ist völlig unklar.“
Und obwohl 2021 ein gutes Hamsterjahr für das Projekt Feldhamsterland war, sieht es um die Bestände des kleinen Nagers in Deutschland weiterhin dramatisch aus. „Wir verlieren jedes Jahr etwa eine Feldhamsterpopulation in jedem der untersuchten Bundesländer“, sagt Dr. Tobias Erik Reiners, Hamsterspezialist und Genetiker bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „Dieser Trend setzt sich seit einigen Jahren kontinuierlich fort. Ein Aussterben des Feldhamsters bis 2050 wird immer wahrscheinlicher, wie auch die Weltnaturschutzunion (IUCN) in ihrer aktuellen Roten Liste belegt.“
Ob der Feldhamster in Deutschland vor dem Aussterben bewahrt werden kann, liegt in der Verantwortung der Länder. Ohne eine Änderung in der Agrarpolitik und der landwirtschaftlichen Praxis sowie eine Erhöhung der Mittel für den Natur- und Artenschutz in der Offenlandschaft gibt es wenig Hoffnung. Landwirte müssen für ihren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt angemessen entschädigt werden, sind sich die Feldhamsterschützer einig. Hein: „2022 geben wir im Projekt Feldhamsterland noch einmal Vollgas, damit für die Bundesländer in den Projektregionen die Grundlage geschaffen wird, dem Feldhamster langfristig das Überleben zu sichern“. Das vom Bundesamt für Naturschutz geförderte Pilotprojekt Feldhamsterland läuft noch bis Sommer 2023.
Das Verbundprojekt „Feldhamsterland“ wird in den Bundesländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen umgesetzt. Mit der Deutschen Wildtier Stiftung engagieren sich der Landschaftspflegeverband Mittelthüringen, die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz und die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz in diesem Projekt. Wissenschaftlich wird es von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung begleitet. Ziel ist es, die regional verbliebenen Schwerpunkte der Feldhamsterverbreitung zu erhalten und zu stärken. Das Finanzvolumen des fünfjährigen Gemeinschaftsprojekts beträgt rund 4,6 Millionen Euro. Das Projekt wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert.
Die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich auch unabhängig vom Verbundprojekt für den Feldhamster ein. In Hessen werden unsere Schutzmaßnahmen u.a. von der VILSA-BRUNNEN Otto Rodekohr GmbH unterstützt.

29.12.2021, WWF World Wide Fund For Nature
Gewinner und Verlierer 2021
WWF zu Artensterben 2021: Dorsch-Apokalypse, Muschelsterben und Elefantenwilderei – Lichtblicke bei Luchsen, Panzernashörnern und Bartgeiern
Der WWF Deutschland macht stellvertretend für tausende bedrohte Tierarten im Jahr 2021 auf einige Verlierer im Tierreich aufmerksam: Afrikanischen Waldelefanten, Eisbären, Laubfröschen, Kranichen oder Fischarten wie Stör und Dorsch geht es immer schlechter. Demnach finden sich von den mehr als 142.500 in der Internationalen Roten Liste erfassten Tier- und Pflanzenarten über 40.000 in Bedrohungskategorien – mehr als jemals zuvor. Die Naturschutzorganisation WWF warnt angesichts der neuen Zahlen vor einer „katastrophalen Zuspitzung des weltweiten Artensterbens“. Rund eine Million Arten könnten innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben. Der WWF spricht daher vom „größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit“.
Doch auch 2021 gibt es Lichtblicke, wie die Jahresbilanz des WWF zeigt. Nämlich dort, wo Menschen intensiv am Natur- und Artenschutz arbeiten. Eine der seltensten Katzen der Welt, der Iberische Luchs, hat es genauso auf die Gewinnerliste geschafft, wie die nepalesischen Panzernashörner und Vögel wie Großtrappe oder Bartgeier. Eine echte Überraschung stellte der Fund von Jungtieren des Siam-Krokodils in Kambodscha dar. In einem Schutzgebiet wurden das erste Mal seit über zehn Jahren lebende Jungtiere der extrem seltenen Süßwasserkrokodile gesichtet.
„Beim Artenschutz geht es längst nicht mehr nur um die Beseitigung eines Umweltproblems, sondern um die Frage, ob die Menschheit nicht irgendwann auf der Roten Liste in einer Gefährdungskategorie landet und zum Verlierer ihrer eigenen Lebensweise wird“, warnt Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand beim WWF Deutschland. „Ist die Erde krank, werden es auch die Menschen. Denn wir sind für unser eigenes sicheres und gesundes Leben auf vitale Ökosysteme und Artenvielfalt angewiesen – etwa beim Kampf gegen die Klimakrise. Zugleich zeigen die Gewinner der Liste, dass es noch Chancen für den Artenschutz gibt: Wenn wir wirkungsvolle Naturschutzmaßnahmen umsetzen, können wir Pflanzen, Tiere und schließlich auch das Klima schützen.“
Verlierer 2021
Afrikanische Waldelefanten: 2021 ist offiziell, was viele Naturschützer schon ahnten: Der Afrikanische Waldelefant, der in den Regenwäldern Zentral- und Westafrikas lebt, wird auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Die Bestände brachen um mehr als 86 Prozent innerhalb von 31 Jahren ein. Die „Gärtner des Waldes“ spielen eine entscheidende Rolle beim Walderhalt und damit für den Klimaschutz.
Haie und Rochen: Laut der Internationalen Roten Liste gilt seit 2021 ein Drittel aller Hai- und Rochenarten als bedroht. Die Überfischung ist der Hauptgrund für den Rückgang der Bestände, aber auch Lebensraumverlust und die Klimakrise sind für die prekäre Situation verantwortlich.
Eisbären: Die Sommer der vergangenen Jahre brachten über den arktischen Landmassen Rekordtemperaturen. Einem neuen Bericht zufolge verläuft die Klimaerhitzung in der Arktis dreimal so schnell wie im globalen Durchschnitt. 2035 könnte der arktische Ozean erstmalig im Sommer komplett eisfrei sein. Laut Studien würden nachfolgend bis 2100 die meisten Eisbärpopulationen zusammenbrechen.
Grauer Kranich: Ursprünglich war der größte in Deutschland heimische Vogel über weite Teile Europas verbreitet. Schon einmal wäre er hierzulande fast ausgestorben Durch die Klimakrise fallen in Deutschland nun vermehrt seine Nistplätze trocken. Das Insektensterben wiederum führt zu Nahrungsengpässen für die Küken. Auch 2021 wuchsen in den meisten Brutgebieten Deutschlands zu wenige Jungvögel auf, um die Population langfristig zu sichern.
Laubfrosch: Dem kleinen Laubfrosch und anderen Amphibien geht es an den Kragen: Durch neue Siedlungen oder Industriegebiete verlieren sie ihr Zuhause. Straßen und Autobahnen werden zu Todesfallen. Laut der Roten Liste Deutschland 2021 ist jede zweite der heimischen Amphibienarten in ihrem Bestand gefährdet. Nur der Schutz der letzten Rückzugsorte dieser Arten, wie etwa Feuchtgebiete und naturnahe Wälder, kann hier noch helfen.
Edle Steckmuschel: Die größte im Mittelmeer lebende Muschel (Pinna nobilis) kann 90 cm und bis zu 20 Jahre alt werden. Doch in den vergangenen Jahren sind laut einem aktuellen WWF-Report in manchen Mittelmeerregionen Spaniens, Italiens oder Frankreich die Vorkommen (beinahe) komplett verschwunden. Auslöser des Massensterbens ist ein Parasit, der sich mit warmen Strömungen ausbreitet. Die Erderhitzung könnte dafür sorgen, dass sich dieser Vorgang verstärkt und in anderen Gegenden des Mittelmeers fortsetzt, da warmes Wasser die Entwicklung des Parasiten unterstützt. Wärmeres Wasser könnte zudem, so die Befürchtung, direkt schädlich für den Fortpflanzungserfolg der Muschel sein.
Dorsch, Stint und Co: Für zahlreiche, auch vom Menschen genutzte Fischarten geht es bergab. So kam es in der westlichen Ostsee zu einer wahren Dorsch-Apokalypse. Der Bestand ist zusammengebrochen. Der Kipppunkt, nachdem er sich durch die schädlichen Auswirkungen langjähriger Überfischung und der Klimakrise nicht mehr erholen kann, ist überschritten. Auch Wanderfischarten, die lange Strecken zwischen Meer und Bächen zurücklegen, geht es schlechter. Dabei waren Lachs, Stör und Huchen früher bei uns weit verbreitet. Durch Ausbau und Begradigung von Flüssen, Wasserkraftwerke, schlechte Wasserqualität und Überfischung sind die Bestände der europäischen Wanderfische seit 1970 um 93 Prozent eingebrochen. Durch die Elbvertiefung ist besonders der Stint bedroht.
Gewinner 2021
Iberischer und Eurasischer Luchs: Comeback für eine der seltensten Katzen der Welt: Eine aktuelle Zählung ergab, dass sich die Population des Iberischen Luchses, der nur in Spanien und Portugal beheimatet ist, in den vergangenen 18 Jahren mit nun 1.111 Tieren mehr als verzehnfacht hat. Auch seinem Verwandten, dem Eurasischen Luchs in Deutschland geht es besser: Hierzulande leben mittlerweile etwa 130 ausgewachsene Tiere und 59 Junge. Trotzdem bleibt die Art auf strenge Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungen angewiesen.
Panzernashorn: Seit vielen Jahren arbeitet der WWF zusammen mit der Regierung und anderen Organisationen in Nepal daran, Panzernashörner und ihren Lebensraum zu schützen. Die Bemühungen scheinen sich nun ausgezahlt zu haben. Der Nashorn-Bestand ist im Vergleich zur letzten Schätzung 2015 um 16 Prozent gewachsen und hat sich seit der ersten Zählung 2005 fast verdoppelt. Die Bestände litten in der Vergangenheit vor allem unter Lebensraumverlust und der Jagd auf ihr Horn.
Großtrappe in Deutschland: Durch intensive Landwirtschaft sind die Vögel in vielen Ländern ausgestorben oder akut bedroht. 2021 konnten jedoch 347 Tiere in Brandenburg und Sachsen-Anhalt gezählt werden, im Jahr 1997 gab es gerade einmal noch 57 Tiere. Die Bestände in Deutschland sind damit auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren. Mit bis zu 17 Kilogramm gehören Großtrappen zu den schwersten flugfähigen Vögeln der Welt.
Siam-Krokodil in Kambodscha: Anfang September 2021 gelang einem Forscher-Team des WWF und des kambodschanischen Umweltministeriums ein sensationeller Fund: Auf einer Feldmission wurden acht Jungtiere des vom Aussterben bedrohten Siam-Krokodils in Ost-Kambodscha entdeckt. Das Besondere: Es ist die erste nachgewiesene Fortpflanzung in der Natur dieser bedrohten Süßwasserkrokodile in dieser Region seit über zehn Jahren.
Bartgeier: 2021 war für die Bartgeier ein absolutes Erfolgsjahr. Im gesamten Alpenraum gab es einen Zuwachs von 50 Junggeiern – darunter sechs Jungvögel, die ausgewildert wurden. In den Alpen fliegen damit wieder über 300 Bartgeier. Das internationale Wiederansiedlungsprogramm, das vor über dreißig Jahren startete, ist also auf guten Wegen.

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