Portrait: Bartgeier

Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Accipitriformes
Familie: Habichtartige (Accipitridae)
Unterfamilie: Gypaetinae
Gattung: Gypaetus
Art: Bartgeier (Gypaetus barbatus)

Der Bartgeier wurde aufgrund des Irrglaubens, er würde Lämmer erlegen, Lämmergeier genannt – eine Bezeichnung, die sich als Lammergeier auch im englischsprachigen Raum eingebürgert hat. Auf seine äußerliche Ähnlichkeit zu einem Adler weisen auch Namen wie Bartadler oder Greifadler hin. Goldgeier, Bartfalk, Berggeier, Beinbrecher oder Knochenbrecher sind weitere Bezeichnungen, die der Volksmund dieser Geierart gegeben hat.
Der Bartgeier wurde traditionell zur Unterfamilie der Altweltgeier gezählt, ehe er aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen mit dem Schmutzgeier und dem Palmgeier in eine eigene Unterfamilie (Gypaetinae) gestellt wurde.

Bartgeier (Zoo Frankfurt)

Bartgeier (Zoo Frankfurt)

Ausgewachsene Bartgeier haben ein kontrastreiches Körpergefieder. Die Oberseite ist grauschwarz. Kopf, Hals und die Körperunterseite sind weiß bis rostrot. Ihre Flügelspannweite beträgt 2,30–2,83 m, ihre Körperlänge 94–125 cm, ihr Gewicht 4,5–7 kg. Er zählt zu den größten flugfähigen Vögeln und ist der größte Greifvogel Europas. Junge Bartgeier sind überwiegend grauschwarz, nach fünf bis sieben Jahren ist die Art ausgefärbt. Bartgeier weisen einen nur sehr geringen Geschlechtsdimorphismus auf.
Auffällige borstenartige schwarze Federn hängen dem Bartgeier über den Schnabel. Sie sind für diese Art namensgebend gewesen. Die Augen sind von einem roten Skleralring umgeben; die Intensität des Rots spiegelt die Stimmung des Vogels wider. Je erregter er ist, desto leuchtender ist dieser Skleralring. Die Iris der Augen ist gelb.
Der Bartgeier hat lange, relativ schmale und zum Ende hin deutlich zugespitzte Flügel, die beim Gleiten leicht nach unten hängend gehalten werden. Der Schwanz ist lang und keilförmig. Er ist insgesamt deutlich schmalerflügelig und längerschwänzig als alle anderen Geier und ähnelt in seinem Flugbild eher einem riesigen Falken. Er ist ein ausgezeichneter Segler, der schon geringste Aufwinde nutzen kann, um im Gleitflug an Felswänden oder über einem Berggipfel zu patrouillieren.

Der Bartgeier hat heute ein disjunktes Verbreitungsgebiet. Er ist in Afrika ebenso zu finden wie in den Pyrenäen, einigen Bergregionen Südeuropas, auch in den Tauern, in Gebirgen des südwestlichen und zentralen Asien, der Mongolei und Zentralchinas. Innerhalb dieses großen Verbreitungsgebietes werden zwei Unterarten beschrieben:
Gypaetus barbatus barbatus ist die Nominatform. Sie ist im Atlasgebirge in Marokko, Algerien und Tunesien ebenso beheimatet wie in den Pyrenäen, auf Korsika sowie im Kaukasus-Gebirge. Sie ist außerdem auch die in Asien vorkommende Unterart.
G. b. meridionalis ist die afrikanische Unterart des Bartgeiers. Sie ist etwas kleiner als die Nominatform und hat kurze Federhosen sowie einfarbig helle Wangen. Diese Unterart ist in Afrika mit etwa 15.000 Individuen im Norden Tansanias, in Kenia, Uganda, Äthiopien, dem Sudan, Lesotho und im Südwesten Arabiens zu finden.

Bartgeier (Alpenzoo Innsbruck)

Bartgeier (Alpenzoo Innsbruck)

Typische Lebensräume des Bartgeiers sind alpine und montane Bergregionen oberhalb der Baumgrenze. Sie sind durch große Höhenunterschiede, steile Felswände, gute Thermik und Aufwinde gekennzeichnet. Sie müssen außerdem Frischwasser und sogenannte Rotbadestellen aufweisen. Unzugängliche Felsnischen sind notwendig, damit die Bartgeier zur Brut kommen. Wichtig ist für den Bartgeier gleichfalls, dass es einen Bestand von Beutegreifern wie Wolf und Luchs sowie großen Greifvögeln wie Steinadler in seinem Lebensraum gibt. Er benötigt sie, da er von ihnen einen Teil der Beute übernimmt.
Die Höhenregionen, in denen sich Bartgeier aufhalten, entsprechen in Europa Höhen zwischen 1500 und 3000 Metern. Im Himalaya kommen sie bis zu 7800 Metern vor. In Äthiopien dagegen kann man den Bartgeier bereits in einer Höhe ab 300 Metern über dem Meeresspiegel beobachten.
Das von Familiengruppen oder Paaren beanspruchte Revier hat eine Größe zwischen 100 und 400 Quadratkilometern. Während des Winterhalbjahrs wird das Gebiet, das Bartgeier während ihrer Nahrungssuche überfliegen, noch größer. Allerdings verhalten sich Bartgeier nur in unmittelbarer Nähe ihres Nestes aggressiv gegenüber Artgenossen und anderen Greifvögeln. Bartgeier sind Standvögel, die das ganze Jahr über in ihrem Brutrevier verbleiben.

Bartgeier leben nahezu ausschließlich von Aas – die einzige Ausnahme davon stellen Landschildkröten im Mittelmeerraum dar. Die Landschildkröten trägt der Bartgeier in die Luft und lässt sie ebenso wie Knochen aus großer Höhe fallen. In Afrika ist er außerdem dabei beobachtet worden, dass er die Plazenta von Wild- und Nutztieren frisst. Der Bartgeier landet dabei mitten in der Herde und nähert sich dann zu Fuß den Geburtsüberresten.
Seine Nahrung besteht zu 80 % aus Knochen von gefallenen Tieren und Aas. Jungtiere sind noch auf Muskelfleisch angewiesen, aber erwachsene Tiere können sich fast ausschließlich von Knochen ernähren. Ein ausgewachsenes Tier benötigt dabei täglich zwischen 250 und 400 Gramm Knochen. Bartgeier lassen die Knochen aus großer Höhe auf Felsen fallen, um sie zu zerkleinern und schlundgerechte Stücke zu erhalten.
Entdeckt ein Bartgeier einen Kadaver, kreist er erst eine Zeit lang über diesem. Landet er, tut er das in einiger Entfernung vom Kadaver und nähert sich diesem zu Fuß. Beute, die er nicht sofort verzehrt, bewahrt er in größeren Nahrungsverstecken in Horsten oder Ruhe- und Schlafplätzen auf.
Mit der Spezialisierung auf Knochen hat der Bartgeier eine Nahrungsnische gefunden, die ihm von keinem anderen Tier streitig gemacht wird. Er wartet daher auch geduldig ab, bis sich andere Beutegreifer wie Füchse, Wölfe, Bären oder auch andere Geier am Kadaver gütlich getan haben. Die spektakulären Verteilungsauseinandersetzungen, die man beispielsweise in der afrikanischen Savanne beobachten kann, wenn Geier zwischen Löwen versuchen, an Teile des Kadavers zu gelangen, kommen bei Bartgeiern nicht vor. Mit der Spezialisierung auf Knochen hat der Bartgeier sich dabei durchaus eine nährstoffreiche Nahrungsquelle erschlossen. Knochen enthalten im Durchschnitt 12 Prozent Eiweiß, 16 Prozent Fett, 23 Prozent Mineralstoffe und 49 Prozent Wasser. Wegen des geringen Wassergehaltes der Knochen trinken Bartgeier häufig. Sie sind daher auf Frischwasserquellen in ihrem Lebensraum angewiesen und nehmen auch Schnee auf, um ihren Durst zu stillen.

Bartgeier verfügen über eine außergewöhnliche große Mundspalte. Ausgewachsene Vögel können bis zu 18 Zentimeter lange und 3 Zentimeter dicke Knochen unzerkleinert verschlucken. Noch größere Knochen werden jedoch vor dem Fressen zerkleinert. Im Unterschied zu anderen Geierarten verfügt der Bartgeier über recht bewegliche Greiffüße und spitze Krallen. Er ist daher in der Lage, die Knochen zu ergreifen, sich mit ihnen in die Luft zu erheben und sie aus einer Höhe von 60 bis 80 Meter fallen zu lassen. In einem Revier etablierte Bartgeier nutzen regelmäßig sogenannte Knochenschmieden, das sind Felsplatten von etwa 30 Quadratmetern. Auf diese lässt der Bartgeier den Knochen hinabstürzen, bis dieser zerbricht. Bartgeier sind dabei geduldig und lassen Knochen bis zu vierzig Mal hinabfallen, bis sie endlich zerbrechen. Der spanische Name des Bartgeiers Quebrantahuesos („Der die Knochen bricht“) nimmt das auf.
Die Neigung, Knochen fallen zu lassen, ist Bartgeiern angeboren. Technische Fertigkeit erwerben sie jedoch erst im Laufe der Zeit. Sehr erfahrene Vögel setzen sogar zu einem Sturzflug an und schleudern den Knochen hinab, um die Aufprallenergie zu steigern.
Die starke Magensäure des Geiers löst die schnabelgerechten Knochentrümmer auf, nachdem sie im Ganzen verschluckt worden sind.
Fortpflanzung

Bartgeier (Tierpark Berlin)

Bartgeier (Tierpark Berlin)

Bartgeier sind wendige und geschickte Flieger und zeigen das auch während ihres Balzspiels. Zum Balzspiel gehören Verfolgungsjagden zwischen den Partnern, Loopings, Fliegen auf dem Rücken, bei dem sich die Vögel gelegentlich an den Fängen fassen und gemeinsam bis knapp über den Boden hinabtrudeln. Das wechselt mit Flugphasen, in denen sie im Abstand weniger Meter völlig synchron fliegen.
Bartgeier bauen in unzugänglichen Felsnischen oft gewaltige Horste. Der Horstbau beginnt im Herbst. Die Horste werden von den in festen Partnerschaften lebenden Bartgeiern immer wieder genutzt. Ältere Horste können eine Breite von drei Metern und eine Höhe von zwei Metern erreichen. Beim Nestbau verarbeiten die Bartgeier neben Ästen auch Knochen und polstern die Nestmulde mit Federn und Tierhaaren aus. Wo sie sie finden, nutzen sie zum Auspolstern auch Lappen und Papier. In der Literatur ist sogar ein Fall bekannt, wo ein Gebetsteppich zum Auspolstern verwendet wurde.
Die Eiablage erfolgt im späten Dezember oder Januar, wenn in den von ihnen bevorzugten Lebensräumen ein besonderes harsches Wetter vorherrscht. Bartgeier legen gewöhnlich zwei Eier. Das zweite Ei folgt etwa eine Woche nach dem ersten. Die Brutdauer beträgt 52 bis 58 Tage. Der zweite schlüpfende Jungvogel ist meist nicht in der Lage, sich gegen den älteren Jungvogel im Kampf um das Futter durchzusetzen. Er stirbt daher durch Vernachlässigung innerhalb weniger Tage. In seltenen Ausnahmefällen tötet der ältere Jungvogel sogar sein schwächeres Geschwister. Die Jungvögel, die überwiegend im März schlüpfen, kommen dann zur Welt, wenn die Schneeschmelze einsetzt und zahlreiche Tierkadaver von im Winter umgekommenen Wildtieren freigelegt werden. Bartgeiern fällt in dieser Zeit die Nahrungsbeschaffung für den Jungvogel leicht. Die Nestlingszeit beträgt 110 bis 120 Tage.
Während ausgewachsene Bartgeier Standvögel sind, streifen Jungvögel umher. Dabei verlassen sie jedoch nur ausnahmsweise die Gebirge. Auf ihren Streifzügen schützt sie unter anderem ihr Jugendkleid vor den Aggressionen von Revierinhabern. Erwachsene Vögel dulden Vögel im Jugendkleid auch an der Beute. Bartgeier erreichen mit 5–7 Jahren die Geschlechtsreife.

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