In seinem »bisher ernüchterndsten und realistischsten Buch« (The Guardian) spielt der postmoderne Fantasy- und Bestseller-Autor Jasper Fforde alle Mechanismen von Rassismus und Xenophobie klug und unterhaltsam durch, und zwar in einer absurd-komischen Parallelwelt, die – abgesehen von vermenschlichten Kaninchen – der unseren doch erschreckend ähnelt. Das britische Dörfchen Much Hemlock, nah an der walisischen Grenze, war immer ein Hort des Friedens. Sauber. Traditionell. Die Menschen aufrecht und beflissen. Doch dann kommen sie. Mit ihrer seltsamen Religion, ihrer aggressiven veganen Agenda und viel zu vielen Kindern. Zwar geben sie sich ruhig und friedliebend, aber wer weiß, wie lange noch? »Sie« sind eine Familie vermenschlichter Kaninchen – das Ergebnis eines unerklärlichen Ereignisses vor rund einem halben Jahrhundert. Ihr Nachbar, der langjährige Dorfbewohner Peter Knox, muss sich entscheiden: Kann er Zaungast der Entwicklung bleiben und weiterhin eine ruhige Kugel bei der Rabbit Compliance Taskforce schieben oder soll er den neuen Nachbarn beistehen, denen, wie allen anderen 1,2 Millionen Kaninchen im Vereinigten Königreich, die Zwangsumsiedlung nach Wales droht?
Mein erster Fforde, und auch wenn er schon lange auf meiner Wunschliste der zu lesenden Autoren steht (bzw. stand) hatte ich bisher noch nicht die Gelegenheit ihn zu lesen. Aber … die Erwartungen waren hoch.
Aber so oft ich auch enttäuscht wurde, hier wurde ich angenehm überrascht.
WIE DIE KARNICKEL wirkt auf den ersten Blick wie eine absurde Tierfabel, die sich jedoch schnell als scharfzüngige politische Satire entpuppt. In einer Welt, in der anthropomorphe Kaninchen (und Füchse, und Wiesel, und einige andere Tiere, die eine mehr oder weniger große Rolle spielen und die Frage aufkommen lässt: Was ist mit den anthropomorphen Bienen passiert?) plötzlich Teil der menschlichen Gesellschaft sind, und sich mit rasanter Geschwindigkeit vermehren (so wie man des Kaninchen eben nachsagt), seziert Fforde Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Populismus, Bürokratie und moralische Bequemlichkeit.
Dabei ist der Roman durchaus humorvoll, verspielt und voller Wortwitz, dabei jedoch nie harmlos. Und trotz aller Leichtigkeit, die Fforde (der sich unter anderem auch über Namen mit zwei FF lustig macht) an den Tag legt, regt er auch zum Nachdenken an. Und das auf mehreren Ebenen. Die Kaninchen sind nicht einfach niedliche Allegorien, sondern Projektionsflächen für gesellschaftliche Ängste. Sie nehmen Jobs weg, besetzen Wohnraum, vermehren sich „unkontrolliert“ , das klingt erschreckend vertraut und zeigt in ihrer Überzeichnung (es handelt sich um wirklich viele Kaninchen, das wird teilweise auch an den umgeschriebenen Shakespearedramen und TV-Serien sichtbar, die mehrere Handlungsstränge und hunderte von Protagonisten haben, wie leicht sich Vorurteile reproduzieren und politisch instrumentalisieren lassen.
WIE DIE KARNICKEL ist eine bissige Gesellschaftssatire mit Humor, die aber auch nahe geht und manchmal auch unangenehm sein kann.
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(Rezensionsexemplar)
