Der Maulwurf in Brehms Tierleben

Gerippe des Maulwurfs (Brehms Tierleben)

Der Maulwurf oder Mull (Talpa europaea, T. vulgaris), das Urbild der Familie und einer auf Europa und Asien beschränkten Sippe, läßt sich, nach den vorstehend gegebenen Merkmalen der Familie, mit wenigen Worten beschreiben. Die Leibeslänge beträgt, einschließlich des 2,5 Centim. langen Schwanzes, 15, höchstens 17 Centim., die Höhe am Widerrist ungefähr 5 Centim. Das Gebiß besteht aus 44 Zähnen und zwar im Oberkiefer sechs, im Unterkiefer acht einfachen unter sich nicht wesentlich verschiedenen, einwurzeligen Vorderzähnen, großen, zwei-  wurzeligen Eckzähnen und oben sieben, unten sechs Backenzähnen, von denen die ersten drei und beziehentlich zwei klein und einwurzelig, daher als Lückzähne anzusprechen, die darauf folgenden vier aber mehrwurzelig, theilweise auch mehrspitzig, also Mahlzähne sind. Von der Leibeswalze stehen die sehr kurzen Beine ziemlich wagerecht ab; die sehr breite, handförmige Pfote kehrt die Fläche, welche bei anderen Thieren die innere ist, immer nach außen und rückwärts. Unter den kurzen, durch breite, stark abgeplattete und stumpfschneidige Krallen bewehrten Zehen ist die mittelste am längsten, die äußeren aber verkürzen sich allmählich und sind fast vollständig mit einander durch Spannhäute verbunden, ja beinahe verwachsen. An den kleinen und kurzen Hinterfüßen sind die Zehen getrennt und die Krallen spitzig und schwach.

Die Augen haben etwa die Größe eines Mohnkornes, liegen in der Mitte zwischen der Rüsselspitze und den Ohren und sind vollkommen von den Kopfhaaren überdeckt, besitzen aber Lider und können willkürlich hervorgedrückt und zurückgezogen, also benutzt werden. Die kleinen Ohren haben keine äußeren Ohrmuscheln, sondern werden außen bloß von einem kurzen Hautrande umgeben, welcher ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und zur Oeffnung und Schließung des Gehörganges dient. Die gleichmäßig schwarze Behaarung ist überall sehr dicht, kurz und weich, sammetartig; auch die glänzenden Schnurren und Augenborsten zeichnen sich durch Kürze und Feinheit aus. Mit Ausnahme der Pfoten, der Sohlen, der Rüsselspitze und des Schwanzendes bedeckt der Pelz den ganzen Körper. Sein bald mehr ins Bräunliche, bald mehr ins Bläuliche oder selbst ins Weißliche schillernder Glanz ist ziemlich lebhaft. Die nackten Theile sind fleischfarbig, die Augen schwarz wie kleine einfarbige Glasperlen, denn man kann an ihnen den Stern von der Regenbogenhaut nicht unterscheiden. Das Weibchen ist schlanker gebaut als das Männchen, und junge Thiere sind etwas mehr graulich gefärbt. Dies sind die einzigen Unterschiede, welche zwischen den Geschlechtern und Altern bestehen. Es gibt aber auch Abarten, bei denen die aschgraue Färbung des Jugendkleides eine bleibende ist, oder welche am Bauche auf der aschgrauen Grundfarbe breite, graugelbe Längsstreifen zeigen, auch solche, welche mit weißen Flecken auf schwarzem Grunde gezeichnet sind. Aeußerst selten findet man gelbe und weiße Maulwürfe.

Der Verbreitungsfreis des Maulwurfes erstreckt sich über ganz Europa, mit Ausnahme weniger Länder, und reicht noch bis in den östlichen Theil von Nord- und Mittelasien hinüber. In Europa bilden das südliche Frankreich, die Lombardei und die nördliche Türkei seine Südgrenze; von hier aus verbreitet er sich nach Norden hinauf bis auf das Dovrefjeld, in Großbritannien bis zu dem mittleren Schottland und in Rußland bis zu den mittleren Dwinagegenden. Auf den Orkney- und Shetlandsinseln sowie auf dem größten Theil der Hebriden und in Irland fehlt er gänzlich. In Asien geht er bis zum Amur und südwärts bis in den Kaukasus; in den Alpen steigt er bis zu 2000 Meter Gebirgshöhe empor. Er ist überall gemein und vermehrt sich da, wo man ihm nicht nachstellt, in überraschender Weise.

Von seinem Aufenthalte gibt er selbst sehr bald die sicherste Kunde, da er beständig neue Hügel aufwerfen muß, um leben zu können. Diese Hügel bezeichnen immer die Richtung und Ausdehnung seines jedesmaligen Jagdgrundes. Bei seiner außerordentlichen Gefräßigkeit muß er diesen fortwährend vergrößern und daher auch beständig an dem Ausbaue seines unterirdischen Gebietes arbeiten. Ohne Unterlaß gräbt er wagerechte Gänge in geringer Tiefe unter der Oberfläche und wirft, um den losgescharrten Boden zu entfernen, die bekannten Hügel auf. »Unter allen einheimischen, unterirdischen Thieren«, schildert Blasius, »bereitet sich der gemeine Maulwurf am mühsamsten seine kunstreichen Wohnungen und Gänge. Er hat nicht allein für die Befriedigung seiner lebhaften Freßlust, sondern auch für die Einrichtung seiner Wohnung und Gänge, für Sicherheit gegen Gefahr mancherlei Art zu sorgen. Am kunstreichsten und sorgsamsten ist die eigentliche Wohnung, sein Lager, eingerichtet. Gewöhnlich befindet es sich an einer Stelle, welche von außen schwer zugänglich ist, unter Baumwurzeln, unter Mauern und dergleichen und meist weit entfernt von dem täglichen Jagdgebiete. Mit letzterem, in welchem die täglich sich vermehrenden Nahrungsröhren mannigfaltig sich verzweigen und kreuzen, ist die Wohnung durch eine lange, meist ziemlich gerade Laufröhre verbunden. Außer diesen Röhren werden noch eigenthümliche Gänge in der Fortpflanzungszeit angelegt. Die eigentliche Behausung zeichnet sich an der Oberfläche meist durch einen gewölbten Erdhaufen von auffalender Größe aus. Sie besteht im Innern aus einer rundlichen, reichlich acht Centim. weiten Kammer, welche zum Lagerplatze dient, und aus zwei kreisförmigen Gängen, von denen der größere, in gleicher Höhe mit der Kammer, dieselbe ringsum in einer Entfernung von ungefähr 16 bis 25 Centim. einschließt, und der kleinere, etwas oberhalb der Kammer, mit dem größeren ziemlich gleichartig verläuft. Aus der Kammer gehen gewöhnlich drei Röhren schräg nach oben in die kleinere Kreisröhre und aus dieser, ohne Ausnahme abwechselnd mit den vorhergehenden Verbindungsröhren, fünf bis sechs Röhren schräg abwärts in die größere Kreisröhre; von letzterer ausstrecken sich strahlenförmige und ziemlich wagerechte nach außen, und ebenfalls wieder abwechselnd mit den zuletzt genannten Verbindungsröhren etwa acht bis zehn einfache oder verzweigte Gänge nach allen Richtungen hin, die aber in einiger Entfernung meist bogenförmig nach der gemeinsamen Laufröhre umbiegen. Auch aus der Kammer abwärts führt eine Sicherheitsröhre in einem wieder ansteigenden Bogen in diese Laufröhre. Die Wände der Kammer und der zu der Wohnung gehörigen Röhren sind sehr dicht, fest zusammengestampft und glatt gedrückt. Die Kammer selbst ist zum Lager ausgepolstert mit weichen Blättern von Gräsern, meist jungen Getreidepflänzchen, Laub, Moos, Stroh, Mist oder zarten Wurzeln, welche der Maulwurf größtentheils von der Oberfläche der Erde herbeiführt. Kommt ihm Gefahr von oben, so schiebt er das weiche Lagerpolster zur Seite und fällt nach unten, sieht er sich von unten oder von der Seite bedroht, so bleiben ihm die Verbindungsröhren zu der kleineren Kreisröhre theilweise offen. Die Wohnung bietet ihm zu Schlaf und Ruhe unter allen Umständen Sicherheit dar und ist deshalb auch sein gewöhnlicher Aufenthalt, wenn er nicht auf Nahrung ausgeht. Sie liegt 30 bis 60 Centim. unter der Erdoberfläche. Die Laufröhre ist weiter als die Körperdicke, so daß das Thier schnell und bequem vorwärts kommen kann; auch in ihr sind die Wände durch Zusammenpressen und Festdrücken von auffallender Festigkeit und Dichtigkeit. Aeußerlich zeichnet sie sich nicht wie die übrigen Gänge durch aufgeworfene Haufen aus, indem bei der Entfernung die Erde nur zur Seite gepreßt wird. Sie dient bloß zu einer möglichst raschen und bequemen Verbindung mit dem [258] täglichen Jagdgebiete und wird nicht selten von anderen unterirdischen Thieren, Spitzmäusen, Mäusen und Kröten, benutzt, welche sich aber sehr zu hüten haben, dem Maulwurf in ihr zu begegnen. Von außen kann man sie daran erkennen, daß die Gewächse über ihr verdorren und der Boden über ihr sich etwas senkt. Solche Laufröhren sind nicht selten 30 bis 50 Meter lang. Das Jagdgebiet liegt meist weit von der Wohnung ab und wird tagtäglich Sommer und Winter in den verschiedensten Richtungen durchwühlt und durchstampft. Die Gänge in ihm sind bloß für den zeitweiligen Besuch zum Aufsuchen der Nahrung gegraben und werden nicht befestigt, so daß die Erde von Strecke zu Strecke haufenweise an die Oberfläche der Erde geworfen wird und auf diese Weise die Richtung der Röhren bezeichnet. Die Maulwürfe besuchen ihr Jagdgebiet gewöhnlich dreimal des Tages, morgens früh, mittags und abends. Sie haben daher in der Regel sechsmal täglich von ihrer Wohnung aus und wieder zurück die Laufröhre zu durchlaufen und können bei dieser Gelegenheit, sobald gedachtes Rohr aufgefunden ist, mit Sicherheit in Zeit von wenigen Stunden gefangen werden.«

Das Innere der Baue steht nie unmittelbar mit der äußeren Luft in Verbindung; doch dringt diese zwischen den Schollen der aufgeworfenen Haufen in hinreichender Menge ein, um dem Thiere den nöthigen Sauerstoff zuzuführen. Außer der Luft zur Athmung bedarf der Maulwurf aber auch Wasser zum Trinken, und deshalb errichtet er sich stets besondere Gänge, welche zu nahen Pfützen oder Bächen führen, oder gräbt, wo solche ihm mangeln, besondere Schächte, worin sich dann Regenwasser sammelt. Ein alter Maulwurfsfänger hat häufig an der untersten Stelle tiefer Röhren ein senkrechtes Loch gefunden, welches den Brunnen bildet, aus dem der Maulwurf trinkt. »Manche dieser Löcher«, beschreibt er, »sind von beträchtlicher Größe. Sie waren oft anscheinlich trocken; allein wenn ich ein wenig Erde hineinwarf, überzeugte ich mich, daß sie Wasser enthielten. In diesen Röhren kann der Maulwurf sicher hinab- und heraufrutschen. Bei nassem Wetter sind alle seine Brunnen bis an den Rand gefüllt und ebenso in manchen Arten von Boden auch bei trockner Witterung. Wie sehr der Maulwurf des Wassers benöthigt ist, ergibt sich übrigens aus dem Umstande, daß man bei anhaltender Trockenheit in einer Röhre, welche nach dem Loche oder Wasserbehälter führt, ihrer sehr viele fangen kann.«

Das Graben selbst wird dem Maulwurfe sehr leicht. Mit Hülfe seiner starken Nackenmuskeln und der gewaltigen Schaufelhände, mit denen er sich an einem bestimmten Orte festhält, bohrt er die Schnauze in den lockeren Boden ein, zerscharrt um sich herum die Erdschollen mit den Vorderpfoten und wirft sie mit außerordentlicher Schnelligkeit hinter sich. Durch die Schließfähigkeit seiner Ohren ist er vor dem Eindringen von Sand und Erde in dieselben vollkommen geschützt. Die aufgescharrte Erde läßt er in seinem eben gemachten Gange so lange hinter sich liegen, bis die Menge ihm unbequem wird. Dann versucht er an die Oberfläche zu kommen und wirft die Erde nach und nach der Schnauze heraus. Dabei ist er fast immer mit einer 12 bis 15 Centim. hohen Schicht lockerer Erde überdeckt. In leichtem Boden gräbt er mit einer wirklich verwunderungswürdigen Schnelligkeit. Oken hat einen Maulwurf ein Vierteljahr lang in einer Kiste mit Sand gehabt und beobachtet, daß sich das Thier fast ebenso schnell, wie ein Fisch durch das Wasser gleitet, durch den Sand wühlt, die Schnauze voran, dann die Tatzen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachschiebend. Noch schneller bewegt sich der Maulwurf in den Laufgängen, wie man durch sehr hübsche Beobachtungen nachgewiesen hat.

Ueberhaupt sind die Bewegungen des Thieres schneller, als man glauben möchte. Nicht bloß in den Gängen, sondern auch auf der Oberfläche des Bodens, wo er gar nicht zu Hause ist, läuft er verhältnismäßig sehr rasch, so daß ihn ein Mann kaum einholen kann. In den Gängen aber soll er so rasch gehen wie ein trabendes Pferd. Auch im Wasser ist er, wie bemerkt, sehr zu Hause, und man kennt Beispiele, daß er nicht bloß breite Flüsse, sondern sogar Meeresarme durchschwommen hat. So erzählt Bruce, daß mehrere Maulwürfe an einem Juniabend bei Edinburg gegen zweihundert Meter weit durch das Meer nach einer Insel geschwommen sind, um sich daselbst anzusiedeln. [259] Nicht selten kommt es vor, daß der Wühler über breite Flüsse setzt, und Augenzeugen haben ihn dabei in sehr lebhafter Bewegung gesehen. Auch in großen Teichen bemerkt man ihn zuweilen; er schwimmt hier, den Rüssel sorgfältig in die Höhe gehalten, scheinbar ohne alle Noth und zwar mit der Schnelligkeit einer Wasserratte. Da er nun noch außerdem unter dem Bette selbst großer Flüsse sich durchwühlt und dann am anderen Ufer lustig weitergräbt, gibt es für seine Verbreitung eigentlich kein Hindernis, und mit der Zeit findet er jedes gut gelegene Oertchen sicher auf. So hat man, wie Tschudi sagt, öfters gefragt, wie der Maulwurf auf die Hochebene des Ursernthales komme, welche doch stundenweit von Felsen und Flühen, von einem Schneegebirgskranze und den Schrecken des Schöllenengrundes umgeben ist. »Unseres Erachtens«, bemerkt der genannte Forscher, »darf man sich nicht denken, es habe irgend einmal ein keckes von dem Instinkt geleitetes Maulwurfspaar die stundenweite Wanderung aus den Matten des unteren Reußthales unternommen und sich dann, in der Höhe bleibend, angesiedelt. Die Einwanderung bedurfte vielleicht Jahrhunderte, bis das neue Kanaan gefunden war. Sie ging unregelmäßig, langsam, ruckweise von unten über die Grasplätzchen und erdreichen Stellen der Felsenmauern nach oben, mit vielen Unterbrechungen, Rückzügen, Seitenmärschen, im Winter oft auf den nackten Steinen unter der Schneedecke fort, und so gelangte das erste Paar wahrscheinlich von den Seitenbergen her in das Thal, in dessen duftigen Gründen es sich rasch genug vermehren konnte.«

Die Hauptnahrung des Maulwurfs besteht in Regenwürmern und Kerbthierlarven, welche unter der Erde leben. Namentlich der Regenwürmer halber legt er seine großen und ausgedehnten Baue an, wie man sich sehr leicht überzeugen kann, wenn man einen Pfahl in lockeres Erdreich stößt und an ihm rüttelt. Die Würmer wissen, daß sie an dem Maulwurfe einen Feind haben. Sobald sie die Bewegung verspüren, kommen sie von allen Seiten eilfertig aus der Erde hervor und versuchen, auf der Oberfläche sich zu retten, ganz offenbar, weil sie glauben, daß die Erschütterung von einem wühlenden Maulwurfe herrührte. Außer diesen Würmern und Larven frißt dieser noch Käfer, namentlich Mai- und Mistkäfer, Maulwurfsgrillen und alle übrigen Kerbthiere, welche er erlangen kann, wie ihm auch Schnecken und Asseln besonders zu behagen scheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch hilft ihm die Thiere aufspüren, und er folgt ihnen in größeren oder kleineren Tiefen, je nachdem sie selbst höher oder niedriger gehen. Aber er betreibt nicht bloß in seinen Bauen die Jagd, sondern holt sich auch ab und zu von der Oberfläche, ja wie man sagt, sogar aus dem Wasser eine Mahlzeit. Die Spitzmaus oder die Wühlmaus, der Frosch, die Eidechse oder Blindschleiche und Natter, welche sich in seinen Bau verirren, sind verloren. »Ich habe«, sagt Blasius, »mehrere Male im Freien beobachtet, daß ein Frosch von einem Maulwurfe überlistet und an den Hinterbeinen unter die Erde gezogen wurde, bei welcher unfreiwilligen Versenkung das unglückliche Opfer ein lautes, klägliches Geschrei ausstieß.« Lenz erfuhr, daß er ebenso auch mit den Schlangen verfährt.

Der Hunger des Maulwurfs ist unstillbar. Er bedarf täglich so viel an Nahrung, als sein eignes Körpergewicht beträgt, und hält es nicht über zwölf Stunden ohne Fraß aus. Flourens, welcher überhaupt wissen wollte, was das Thier am liebsten fräße, setzte zwei Maulwürfe in ein Gefäß mit Erde und legte eine Meerrettigwurzel vor. Am anderen Tage fand er die Wurzel unversehrt, von einem Maulwurfe aber bloß die Haut, das übrige, selbst die Knochen aufgefressen. Er that sodann den lebenden in ein leeres Gefäß. Das Thier sah schon wieder sehr unruhig und hungrig aus. Nun brachte der Beobachter einen Sperling mit ausgerupften Schwungfedern zu dem Maulwurfe. Dieser näherte sich dem Vogel augenblicklich, bekam aber einige Schnabelhiebe, wich zwei- bis dreimal zurück, stürzte sich dann plötzlich auf den Spatz, riß ihm den Unterleib auf, erweiterte die Oeffnung mit den Tatzen und hatte in kurzer Zeit die Hälfte unter der Haut mit einer Art von Wuth aufgefressen. Flourens setzte nunmehr ein Glas Wasser in das Gefängnis. Als der Maulwurf es bemerkte, stellte er sich aufrecht mit den Vordertatzen auf das Glas und trank mit großer Begierde, dann fraß er nochmals von dem Sperlinge, und jetzt war er vollständig gesättigt. Es wurde ihm nun Fleisch und Wasser weggenommen; er war aber schon sehr bald wieder hungrig, höchst unruhig und schwach, und der Rüssel schnüffelte beständig umher. Kaum kam ein neuer lebender Sperling hinzu, so fuhr er auf ihn los, biß ihm den Bauch auf, fraß die Hälfte, trank wieder gierig, sah sehr strotzend aus und wurde vollkommen ruhig. Am anderen Tage hatte er das übrige bis auf den umgestülpten Balg aufgefressen und war schon wieder hungrig. Er fraß sogleich einen Frosch, welcher aber auch bloß bis Nachmittag anhielt. Da gab man ihm eine Kröte; sobald er an sie stieß, blähte er sich auf und wandte wiederholt die Schnauze ab, als wenn er einen unüberwindlichen Ekel empfände, fraß sie auch nicht. Am anderen Tage war er Hungers gestorben, ohne die Kröte oder etwas von einer Möhre, Kohl oder Salat angerührt zu haben. Drei andere Maulwürfe, welche Flourens bloß zu Wurzeln und Blättern gesperrt hatte, starben sämmtlich vor Hunger. Diejenigen, welche mit lebendigen Sperlingen, Fröschen oder mit Rindfleisch und Kellerasseln genährt wurden, lebten lange. Einmal setzte der Beobachter ihrer zehn in ein Zimmer ohne alle Nahrung. Einige Stunden später begann der Stärkere den Schwächeren zu verfolgen; am anderen Tage war dieser aufgefressen, und so ging es fort, bis zuletzt nur noch zwei übrig blieben, von denen ebenfalls der eine den anderen aufgefressen haben würde, wäre beiden nicht Nahrung gereicht worden.

Oken fütterte seinen Gefangenen mit geschnittenem Fleische und zwar mit rohem wie mit gekochtem, so wie es gerade zur Hand war. Als dieser Forscher einen zweiten Gefangenen zu dem ersten brachte, entstand augenblicklich Krieg; beide gingen sofort auf einander los, packten sich mit den Kiefern und bissen sich minutenlang gegenseitig. Hierauf fing der Neuling an zu fliehen, der Alte suchte ihn überall und fuhr dabei blitzschnell durch den Sand. Oken machte nun dem Verfolgten in einem Zuckerglase eine Art von Nest zurecht und stellte es während der Nacht in den Kasten. Am anderen Morgen lag der Schützling aber doch todt im Sande. Wahrscheinlich war er aus dem Glase gekommen und von dem früheren Eigner des Gefängnisses erbissen worden, und zwar jedenfalls nicht aus Hunger, sondern aus angeborener Böswilligkeit. Der schwache Unterkiefer war entzweigebissen. Am anderen Tage war auch der Alte verendet, nicht an einer Verwundung, sondern, wie es schien, in Folge von Uebereiferung und Erschöpfung im Kampfe.

Lenz nahm einen frischen und unversehrt gefangenen Maulwurf und ließ ihn in ein Kistchen, dessen Boden bloß 5 Centim. hoch mit Erde bedeckt war, damit er hier, weil er keine unterirdischen Gänge bauen konnte, sich die meiste Zeit frei zeigen mußte. Schon in der zweiten Stunde seiner Gefangenschaft fraß er Regenwürmer in großer Menge. Er nahm sie, wie er es auch bei anderem Futter thut, beim Fressen zwischen die Vorderpfoten und strich, während er mit den Zähnen zog, durch die Bewegung der Pfoten den anliegenden Schmutz zurück. Pflanzennahrung der verschiedensten Art, auch Brod und Semmel, verschmähte er stets, dagegen fraß er Schnecken, Käfer, Maden, Raupen, Schmetterlingspuppen und Fleisch von Vögeln und Säugethieren. Am achten Tage legte ihm Lenz eine große Blindschleiche vor. Augenblicklich war er da, gab ihr einen Biß und verschwand, weil sie sich stark bewegte, unter der Erde. Gleich darauf erschien er wieder, biß nochmals zu und zog sich von neuem in die Tiefe zurück. Dies trieb er wohl sechs Minuten lang; endlich wurde er kühner, packte fest zu und nagte, konnte aber nur mit großer Mühe die zähe Haut durchbeißen. Nachdem er jedoch erst ein Loch gemacht hatte, wurde er äußerst kühn, fraß immer tiefer hinein, arbeitete gewaltig mit den Vorderpfoten, um das Loch zu erweitern, zog zuerst Leber und Gedärme hervor und ließ schließlich nichts übrig als den Kopf, die Rückenwirbel, einige Hautstücken und den Schwanz. Dies war am Morgen geschehen. Mittags fraß er noch eine große Gartenschnecke, deren Gehäuse zerschmettert worden war, und nachmittags verzehrte er drei Schmetterlingspuppen. Um fünf Uhr hatte er bereits wieder Hunger und erhielt nun eine etwa 80 Centim. lange Ringelnatter. Mit dieser verfuhr er gerade so wie mit der Blindschleiche, und da sie aus der Kiste nicht entkommen konnte, erreichte er sie endlich und fraß so emsig, daß am nächsten Morgen nichts mehr übrig war als der Kopf, die Haut, das Gerippe und der Schwanz. Einer Kreuzotter gegenüber, welche ihn unfehlbar getödtet haben würde, wurde sein Muth nicht auf die Probe gestellt; denn er kam durch einen Zufall früher ums Leben. Doch glaubt Lenz, daß er unter der Erde, wo er entschieden muthiger als in der Gefangenschaft und in Gegenwart von Menschen ist, auch wohl eine Kreuzotter angreifen dürfte, wenn diese zum Winterschlafe einen seiner Gänge bezieht und hier von ihm ihrer Erstarrung angetroffen wird.

Recht deutlich kann man sich angefangenen Maulwürfen von der Schärfe ihrer Sinne überzeugen. Ich brachte einen Mull in eine Kiste, welche etwa 16 Centim. hoch mit Erde bedeckt war. Er wühlte sich sofort in die Tiefe. Nun drückte ich die Erde fest und legte fein geschnittenes, rohes Fleisch in eine Ecke. Schon nach wenig Minuten hob sich hier die Erde, die feine, höchst biegsame Schnauze brach durch, und das Fleisch wurde verzehrt. Der Geruch befähigt ihn, die Nahrung zu entdecken, ohne sie zu sehen oder zu berühren, und führt ihn erfolgreich durch seine verwickelten, unterirdischen Gänge. Alle Maulwurfsfänger wissen, wie scharf dieser Sinn ist, und nehmen deshalb, wenn sie Fallen stellen, gern einen todten Maulwurf zur Hand, mit dem sie die Rasenstücke oder Fallen abreiben, welche sie vorher in ihrer Hand gehabt haben. Die spitzige, äußerst bewegliche Nase dient ihm zugleich als Tastwerkzeug. Dies sieht man hauptsächlich dann, wenn der Mull zufällig auf die Oberfläche der Erde gekommen ist und hier eine Stelle erspähen will, welche ihm zu raschem Eingraben geeignet scheint. Er rennt eilig hin und her und untersucht tastend überall den Grund, bevor er seine gewaltigen Grabwerkzeuge in Thätigkeit setzt. Auch während er eifrig gräbt, ist diese Nase immer sein Vorläufer nach jeder Richtung hin. Das Gehör ist vortrefflich. Wahrscheinlich wird es besonders benutzt, um Gefahren zu entgehen; denn der Maulwurf vernimmt nicht bloß die leiseste Erschütterung der Erde, sondern hört auch jedes ihm bedenklich erscheinende Geräusch mit aller Sicherheit und sucht sich dann so schnell als möglich auf und davon zu machen. Daß der Geschmack hinter diesem Sinne zurücksteht, geht schon aus der Vielartigkeit der Nahrung und aus der Eier hervor, mit welcher er frißt. Er gibt sich keine Mühe, erst zu untersuchen, wie eine Sache schmeckt, sondern beginnt gleich herzhaft zu fressen, scheint auch zu zeigen, daß ihm so ziemlich alles Genießbare gleich sei. Deshalb ist jedoch noch nicht abzuleugnen, daß auch sein Geschmackssinn rege ist, nur freilich in einem weit untergeordneteren Grade als die vorher genannten Sinne. Hinsichtlich des Gesichtes will ich hier nur an die bereits in der Einleitung angeführten hochdichterischen Worte unseres Rückert erinnern; übrigens weiß man, daß der Maulwurf sich nach diesem Sinne richtet, wenn er schwimmend Ströme übersetzt, welche ihm zum Unterwühlen zu breit sind. Sobald er sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, zu schwimmen, legt er augenblicklich die das Auge umgebenden Haare auseinander und zeigt die kleinen, dunkelglänzenden Kügelchen, welche er jetzt weit hervorgedrückt hat, um sie besser benutzen zu können.

Schon aus dem bis jetzt Mitgetheilten ist hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältnis zu seiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubthier ist. Dem entsprechen auch seine geistigen Eigenschaften. Er ist wild, außerordentlich wüthend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig, und lebt eigentlich mit keinem einzigen Geschöpfe im Frieden, außer mit seinem Weibchen, mit diesem aber auch bloß während der Paarungszeit, und so lange die Jungen klein sind. Während des übrigen Jahres duldet er kein anderes lebendes Wesen in seiner Nähe, am allerwenigsten einen Mitbewohner in seinem Baue, ganz gleichgültig, welcher Art dieser sein möge. Falls überlegene Feinde, wie Wiesel oder Kreuzotter, seine Gänge befahren, und zwar in der Absicht, auf ihn Jagd zu machen, muß er freilich unterliegen, wenn er auf diese ungebetenen Gäste trifft; mit ihm gleich kräftigen oder schwächeren Thieren aber kämpft er auf Leben und Tod. Nicht einmal mit anderen seiner Art, seien sie nun von demselben Geschlecht wie er oder nicht, lebt er in Freundschaft. Zwei Maulwürfe, die sich außer der Paarungszeit treffen, beginnen augenblicklich einen Zweikampf miteinander, welcher in den meisten Fällen den Tod des einen, in sehr vielen anderen Fällen aber auch den Tod beider herbeiführt. Am eifersüchtigsten und wüthendsten kämpfen erklärlicherweise zwei Maulwürfe desselben Geschlechts miteinander, und der Ausgang solcher Gefechte ist dann auch sehr zweifelhaft. Der eine unterliegt, verendet und wird von dem anderen sofort aufgefressen. So ist es sehr begreiflich, daß jeder Maulwurf für sich allein einen Bau bewohnt sich hier auf eigne Faust beschäftigt und vergnügt, entweder mit Graben und Fressen oder mit Schlafen und Ausruhen. Fast alle Landleute, welche ihre Betrachtungen über das Thier angestellt haben, sind darin einig, daß der Maulwurf drei Stunden »wie ein Pferd« arbeite und dann drei Stunden schlafe, hierauf wieder dieselbe Zeit zur Jagd verwende und die nächstfolgenden drei Stunden wieder dem Schlafe widme u.s.f.

Maulwurf (Brehms Tierleben)

Ein anderes Leben beginnt um die Paarungszeit. Jetzt verlassen die liebebedürftigen Männchen und Weibchen zur Nachtzeit häufig ihren Bau und streifen über der Erde umher, um andere Maulwurfspaläste aufzusuchen und hier Besuche abzustatten. Es ist erwiesen, daß es weit mehr Männchen als Weibchen gibt, und daher treffen denn auch gewöhnlich ein Paar verliebte Männchen eher zusammen als ein Maulwurf mit einer Maulwürfin. So oft dies geschieht, entspinnt sich ein wüthender Kampf und zwar ebensowohl über als unter der Erde oder hier und dort nacheinander, bis schließlich der eine sich für besiegt ansieht und zu entfliehen versucht. Endlich, vielleicht nach mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen auf und versucht nun, es mit Gewalt oder Güte an sich zu fesseln. Er bezieht also mit seiner Schönen entweder seinen oder ihren Bau und legt hier Röhren an, welche den gewöhnlichen Jagdröhren ähneln, aber zu einem ganz anderen Zwecke bestimmt sind, nämlich um das Weibchen darin einzusperren, wenn sich ein anderer Bewerber für dasselbe findet. Sobald er seine liebe Hälfte derartig in Sicherheit gebracht hat, kehrt er sofort zu dem etwaigen Gegner zurück. Beide erweitern die Röhren, in denen sie sich getroffen haben, zu einem Kampfplatze, und nun wird auf Tod und Leben gefochten. Das eingesperrte Weibchen hat inzwischen sich zu befreien gesucht und, neue Röhren grabend, weiter und weiter entfernt; der Sieger, sei es jetzt der erste oder zweite Bewerber, eilt ihm jedoch nach und bringt es wieder zurück, und nach mancherlei Kämpfen gewöhnen sich die beiden mürrischen Einsiedler auch wirklich aneinander. Jetzt graben sie gemeinschaftlich Sicherheits- und Nahrungsröhren aus, und das Weibchen legt ein Nest für ihre Jungen an, in der Regel da, wo drei oder mehr Gänge in einem Punkte zusammenstoßen, damit bei Gefahr möglichst viele Auswege zur Flucht vorhanden sind. Das Nest ist eine einfache, dicht mit weichen, meist zerbissenen Pflanzentheilen, hauptsächlich mit Laub, Gras, Moos, Stroh, Mist und anderen derartigen Stoffen ausgefütterte Kammer und liegt gewöhnlich in ziemlich weiter Entfernung von dem früher geschilderten Kessel, mit dem es durch die Laufröhre verbunden ist. Nach etwa vierwöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen in dieses Nest drei bis fünf blinde Junge, welche zu den unbehülflichsten von allen Säugern gerechnet werden müssen. Sie sind anfangs nackt und blind und etwa so groß wie eine derbe Bohne. Aber schon in der frühesten Jugend zeigen sie dieselbe Unersättlichkeit wie ihre Eltern und wachsen deshalb sehr schnell heran. Die Mutter gibt die größte Sorgfalt für die Erhaltung ihrer Kinderschar kund und scheut keine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt. Wird sie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, so schleppt sie dieselben im Maule in ein nahes Loch oder in einen Moos-, Mist- oder Laubhaufen usw., und verbirgt sie hier vorläufig so eilig als möglich. Aber auch das Männchen nimmt sich, wie behauptet wird, ihrer an, trägt ihnen Regenwürmer und andere Kerbthiere zu, theilt bei Ueberfluthungen redlich die Gefahr und sucht die Jungen im Maule an einen sicheren Ort zu schaffen. Nach etwa fünf Wochen haben diese ungefähr die halbe Größe der Alten erreicht, liegen jedoch immer noch im Neste und warten, bis eines von den Eltern ihnen Atzung zuträgt, welche sie dann mit unglaublicher Gier in Empfang nehmen und verspeisen. Wird ihre Mutter ihnen weggenommen, so wagen sie sich wohl auch, gepeinigt vom wüthendsten Hunger, in die Laufröhre, wahrscheinlich um nach der Pflegerin zu suchen; werden sie nicht gestört, so gehen sie endlich aus dem Neste heraus und selbst auf die Oberfläche, wo sie sich necken und miteinander balgen. Ihre ersten Versuche im Wühlen sind noch sehr unvollkommen: sie streichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft so dicht, daß sie kaum mit Erde bedeckt sind, und versuchen es nur selten, Haufen aufzuwerfen. Aber die Wühlerei lernt sich mit den Jahren, und im nächsten Frühjahre sind sie schon vollkommen geschult in ihrer Kunst. Ungeachtet man junge Maulwürfe vom April an bis zum August und noch länger findet, darf man doch nicht annehmen, daß das Weibchen zweimal im Jahre wirft, hat vielmehr Ursache zu vermuthen, daß die Paarungs- und demzufolge auch die Wurfzeit in verschiedene Monate fällt.

Der Maulwurf hält keinen Winterschlaf wie mancher andere Kerbthierjäger, sondern ist Sommer und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt den Regenwürmern und Kerbthieren und zieht sich mit ihnen in die Tiefe der Erde oder zur Oberfläche des Bodens empor, gerade so, wie sie steigen oder fallen. Nicht selten sieht man Maulwürfe im frischen Schnee oder in tief gefrorenem Boden ihre Haufen aufwerfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem vereisten Boden machen sie oft große Wanderungen. Glaubwürdige Fänger haben berichtet, daß sie sich sogar Wintervorräthe anlegen sollen: eine große Menge Würmer nämlich, welche theilweise, jedoch nicht lebensgefährlich, verstümmelt würden, und ebenso, daß in strengen Wintern diese Vorrathskammern reicher gespickt wären als in milden usw. Diese Thatsache bedarf der Bestätigung, wie es überhaupt über den Maulwurf noch viel zu beobachten gibt.

Wie, wird man fragen, ist es möglich, ein so versteckt lebendes Thier überhaupt zu beobachten? Darauf muß ich antworten, daß die Naturforscher einen großen Theil ihres Wissens alten, erprobten Maulwurfsfängern verdanken, welche sie auf diese oder jene Eigenschaften des Thieres aufmerksam gemacht haben und geradezu die ersten Lehrmeister geworden sind. Außerdem hat man sehr viel von den gefangenen Maulwürfen gelernt, jede gewonnene Beobachtung, wie es bei der Wissenschaft überhaupt zu geschehen pflegt, auf das sorgfältigste aufbewahrt und so schließlich ein klares Bild bekommen. Von der Art und Weise der Beobachtung will ich bloß ein Beispiel anführen. Lecourt wollte die Schnelligkeit des Maulwurfs in seinen Gängen untersuchen, und wandte zu diesem Zwecke ein ebenso geeignetes als ergötzliches Mittel an. Er steckte eine Menge von Strohhalmen reihenweise in die Laufröhre, so, daß sie von dem dahineilenden Maulwurf berührt und in Erschütterung gebracht werden mußten. An diese Strohhalme befestigte er oben kleine Papierfähnchen und ließ jetzt den in seinem Jagdgebiete beschäftigten Maulwurf durch einen Hornstoß in die Laufröhre schrecken. Da fielen denn die Fähnchen der Reihe nach in demselben Augenblicke ab, in welchem sie der Maulwurf berührte, und der Beobachter mit seinem Gehülfen bekam hierdurch Gelegenheit, die Schnelligkeit des Laufens für eine gewisse Strecke mit aller Sicherheit zu ermitteln. Die Baue kann man sehr leicht kennen lernen, indem man sie einfach ausgräbt; die Art des Wühlens sieht man bei gefangenen Maulwürfen; die ausgewühlten Kampfplätze und Zweikämpfe zwischen liebenden Bewerbern hat man entdeckt, indem man den Lärm des Kampfes vernahm und die Thiere schnell ausgrub usw.

Es läßt sich nicht leugnen, daß der Maulwurf durch Wegfangen der Regenwürmer, Maulwurfsgrillen, Engerlinge und anderer verderblicher Kerbthiere großen Nutzen stiftet, und er wird deshalb an allen Orten, wo man seine aufgeworfenen Haufen leicht wegschaffen kann, immer eines der wohlthätigsten Säugethiere bleiben. Allein ebenso gewiß ist, daß er in Gärten nicht geduldet werden darf, weil er hier durch das Durchwühlen der Erde, aus welcher theure Pflanzen ihre Nahrung ziehen, oder durch das Herauswerfen der letzteren den geordneten Pflanzenstaat wesentlich gefährden kann. Auf Wiesen, in Laubwäldern, in Feldfruchtstücken ist er ein Gast, welcher unbedingt geschützt werden sollte, an anderen Orten verursacht er unsäglichen Aerger und Schaden. Man kennt viele Mittel, um ihn zu vertreiben, thut aber jedenfalls am besten, wenn man letzteres einem alten, erfahrenem Maulwurfsfänger überträgt, da dieser bekanntlich auf jedem Dorfe zu finden ist, und die Kunst, ihn auszurotten, weit besser versteht, als Beschreibungen sie lehren können. Nur ein einziges Mittel will ich angeben, weil dasselbe noch ziemlich unbekannt und von großem Nutzen ist. Wenn man einen Garten oder einen anderen gehegten Platz mit Sicherheit vor dem Maulwurfe schützen will, braucht man weiter nichts zu thun, als ringsum eine Masse klar gehackter Dornen, Scherben oder andere spitze Dinge, etwa bis zu einer Tiefe von 60 Centim. in die Erde einzugraben. Eine solche Schutzmauer hält jeden Maulwurf ab; denn wenn er sie wirklich durchdringen will, verwundet er sich an irgend einer Spitze im Gesicht und geht dann regelmäßig sehr bald an dieser Verwundung zu Grunde.

Außer dem Menschen hat der Maulwurf viele Verfolger. Iltis, Hermelin, Eulen und Falken, Bussard, Raben und Storch lauern ihm beim Aufwerfen auf, das kleine Wiesel verfolgt ihn sogar in seinen Gängen, wo er, wie oben bemerkt, auch der Kreuzotter nicht selten zum Opfer fällt. Pinscher machen sich ein Vergnügen daraus, einem grabenden Maulwurf aufzulauern, ihn mit einem plötzlichen Wurfe aus der Erde zu schleudern und durch wenige Bisse umzubringen. Nur die Füchse, Marder, Igel und die genannten Vögel verzehren ihn, die anderen Feinde tödten ihn und lassen ihn liegen.

Bei uns zu Lande bringt der getödtete Maulwurf fast gar keinen Nutzen. Sein Fell wird höchstens zur Ausfütterung von Blaserohren oder zu Geldbeuteln verwendet. Die Russen verfertigen aus demselben kleine Säckchen, mit denen sie bis nach China Handel treiben.

Der Maulwurf hat ebenfalls zu fabelhaften Geschichten Anlaß gegeben. Die Alten hielten ihn für stumm und blind und schrieben seinem Fette, seinem Blute, seinen Eingeweiden, ja selbst dem Felle wunderbare Heilkräfte zu. Heutigen Tages noch besteht an vielen Orten der Aberglaube, daß man von dem Wechselfieber geheilt werde, wenn man einen Maulwurf auf der flachen Hand sterben lasse, und manche alte Weiber sind fest überzeugt, daß sie Krankheiten durch bloßes Auflegen der Hand heilen könnten, wenn sie diese vorher durch einen auf ihr sterbenden Maulwurf geheiligt hätten.

Ich finde es sehr erklärlich, daß ein Thier, welches in seinem Leben so wenig bekannt ist, dem gewöhnlichen Menschen als wunderbar oder selbst heilig erscheinen muß: denn eben da, wo das Verständnis aufhört, fängt das Wunder an.

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