Das Chamäleon (Chamaeleon vulgaris, Lacerta chamaeleon, Chamaeleon cinereus, mutabilis, carinatus, siculus, africanus, hispanicus, parisiensium) kennzeichnet sich durch den nur zur Hälfte gezähnelten Rückenkamm, den vom Kinne bis zum After verlaufenden Bauchkamm, den dreiseitigen, stumpf pyramidenförmigen Helm auf dem Hinterkopfe, welcher durch die stark vortretende, rückwärts gekrümmte Scheitelleiste gebildet wird, und die gleichartigen kleinen Schuppen des Rumpfes, welche nur auf dem Kopfe sich vergrößern. Ueber seine Färbung wird später noch einiges zu sagen sein; eine allgemein gültige Beschreibung derselben läßt sich nicht geben. Die Länge beträgt 25 bis 30 Centimeter, wovon etwas mehr als die Hälfte auf den Schwanz kommt. Sein Verbreitungskreis erstreckt sich von Südspanien an über einen großen Theil Afrikas und Asiens: es lebt in Andalusien, in allen Ländern Nordafrikas von Marokko an bis Egypten und, nach Tennent, auch auf Ceylon. Grohmann behauptet, es auf Sicilien gefunden zu haben; da jedoch später dort niemand weiter es gesehen, darf auf diese Angabe kein Gewicht gelegt werden.
Alle Chamäleons leben nur in solchen Gegenden, in denen es zeitweilig regnet oder allnächtlich so starker Thau fällt, daß sie eines ihrer zwingendsten Bedürfnisse, Wasser zum Trinken, jederzeit befriedigen können. Aus diesem Grunde bewohnen sie in besonderer Häufigkeit Küstenländer und Inseln. Sie fehlen der Wüste nicht, finden sich in ihr jedoch ausschließlich in denjenigen Theilen, welche noch unter dem Einfluße des Meeres liegen und demgemäß auch eine dürftige Pflanzenwelt ermöglichen. Ein anderweitiges Bedürfnis von ihnen bilden höhere Gewächse, Bäume oder Sträucher, mindestens Buschwerk oder Gestrüpp; denn sie sind vollendete Baumthiere, welche nur ausnahmsweise zum Boden hinabsteigen. Da, wo sie vorkommen, pflegen sie häufig aufzutreten; hier und da kann man unter besonders günstigen Umständen bei einer kurzen Wanderung Dutzende von ihnen wahrnehmen. Man sieht sie, gewöhnlich in kleinen Gesellschaften von drei bis sechs Stücken, auf einem Busche oder einer Baumkrone sitzen, unbeweglich, als wären sie ein dem Aste angewachsener Holzknorren, mit den vier Klammerfüßen und dem Schwanze an einem oder mehreren Zweigen befestigt. Tagelang beschränkt sich ihre Bewegung darauf, sich bald auf dem Aste, welchen sie sich zum Ruheplatze erwählten, niederzudrücken und wieder zu erheben, und erst, wenn besondere Umstände eintreten, verändern sie nicht bloß ihre Stellung, sondern auch ihre Plätze. Das verschrieene Faulthier und jedes andere derjenigen Geschöpfe, welche auf Bäumen leben, bewegt sich mehr und öfter als sie, falls man absieht von Augen und Zunge; denn erstere sind in beständiger Tätigkeit, und letztere wird so oft, als sich Beute findet, hervorgeschnellt. Kein anderes Wirbelthier lauert ebenso beharrlich wie das Chamäleon auf seine Beute; es läßt sich in dieser Hinsicht nur mit den tiefststehenden, dem Felsen gleichsam angewachsenen wirbellosen Thieren vergleichen. Wer so glücklich gewesen ist, das keineswegs leicht zu entdeckende Geschöpf aufzufinden, sieht, wie beide Augen beständig und zwar ruckweise sich drehen und unabhängig von einander nach den verschiedensten Richtungen auslugen. Hat längeres Fasten die sehr rege Freßlust nicht angestachelt, so verweilt das Chamäleon in derselben Stellung, auch wenn es glücklich Kerbthiere gesehen hat, und wartet ruhig, bis sich in entsprechender Entfernung von ihm ein solches auf einem Zweige oder Blatte niederläßt. Sowie dies geschehen, richtet sich der Kopf dem Kerbthiere zu, beide Augen kehren sich mit ihren Spitzen nach vorn, der Mund öffnet sich langsam, die Zunge schießt hervor, leimt die Beute an und wird zurückgezogen; man bemerkt sodann eine rasche, kauende Bewegung der Kiefer, und das Thier erscheint wieder so regungslos wie zuvor. War es aber längere Zeit im Fange unglücklich, so verfolgt es wirklich ein erspähtes Kerbthier auf einige Meter weit, ohne jedoch den Busch, auf welchem es sich gerade befindet, zu verlassen.
Während meines Aufenthaltes in Alexandrien hielt ich einmal einige zwanzig lebende Chamäleons im Zimmer. Sie waren an einem und demselben Tage in meinen Besitz gelangt und hatten sich gleich vom Anfange an in den ihnen angewiesenen Raum getheilt. Auf jedem Vorsprunge, an den Fenstergewänden, auf den Thürgesimsen, auf den in der Ecke stehenden Gewehren und Pfeifenröhren, auf Tischen, Stühlen, Kisten und Kasten saßen sie, jedes so lange als möglich auf einer und derselben Stelle. Durch ein mit Honig gefülltes Gefäß lockte ich Kerbthiere, also besonders Fliegen herbei; so viele von denselben aber auch kamen: der Hunger meiner Gefangenen schien unersättlich zu sein, oder die von ihnen gewählten Hinterhalte waren so ungünstig, daß sie sich wohl oder übel zu größeren Spaziergängen bequemen mußten. Diese Ausflüge brachten ihnen anfangs regelmäßig mehrere Fliegen ein; wenn ich aber das Fenster geschlossen und damit neuen Zuzug verhindert hatte, wurde die Jagd bald schwieriger; denn die Fliegen merkten die Verfolgung und wichen den sich ihnen nahenden Räubern vorsichtig aus. Bei dieser Gelegenheit habe ich die ausdauernde Geduld der Chamäleons bewundern lernen.
Das eine der Thiere, welches sich auf der Stuhllehne festsetzte, entdeckt, nachdem es seine Augen nach allen Richtungen hin hat spielen lassen, endlich auf dem benachbarten Tische eine Fliege. Die Entdeckung wird längere Zeit geprüft und der Fall scheinbar sorgfältig erwogen. Noch dürfte eine schwache Hoffnung vorhanden sein, daß die Fliege sich, zehn Centimeter weit von der Schnauzenspitze entfernt, auf die Stuhllehne setzen könnte. Die erfreuliche Aussicht verwirklicht sich leider nicht. Jetzt kommt dem Chamäleon ein großer Gedanke, und es beeilt sich nach seiner Weise demselben die That folgen zu lassen. Bedächtig löst es den einen Vorderfuß, gemachsam erhebt es ihn ungefähr einen Centimeter über die frühere Standfläche, langsam bringt es ihn vielleicht um zwei Centimeter weiter, und von neuem klammert es ihn fest; einige Augenblicke später löst sich die Schwanzschlinge, die fünfte Hand wird ebenfalls etwas vorgezogen, wiederum befestigt, und nunmehr kann auch das eine Hinterbein aus seiner Lage gebracht werden. Man erwartet natürlich, daß das dem Vorderfuße entgegengesetzte Bein bewegt wird, bemerkt aber bald, daß es dem Chamäleon durchaus nicht darauf ankommt, eine Regel festzuhalten, daß es vielmehr die Beine einer und derselben Seite nach einander, bald die Vorder- und Hinterfüße wechselseitig fürdersetzt. Ein Auge richtet sich fortwährend nach der Fliege, das andere dreht sich noch unablässig, als ob es auch seinerseits auf Jagd ausgehen müsse. Die Fliege bleibt sitzen: es kann also vorwärts gegangen werden. Mit überaus ergötzlicher, jedoch trotzdem qualvoller Langweiligkeit steigt der geduldige Räuber an der Stuhllehne herab, auf dem Sitzbrete vorwärts, klammert sich mit überraschendem Geschick von unten an den Tisch und hilft sich nach unsäglichen Mühen, kletternd und sich weiter haspelnd, bis zum Rande der Platte empor. Beide Augen drehen sich jetzt, so schnell dies überhaupt möglich ist; die Fliege sitzt glücklicherweise immer noch an derselben Stelle, kommt endlich in den Gesichtskreis, und die weitere Bewegung des Chamäleons wird wiederum eine geregelte. Endlich ist es bis in entsprechende Nähe gekommen, schon öffnen sich die Kiefer, der Kolben der Zungenspitze wird bereits sichtbar: da summt die besorgte Fliege davon, und das Chamäleon hat das Nachsehen. Von neuem drehen sich die Augen, lange Zeit vergeblich; endlich dort in der fernen Ecke bleibt wenigstens das eine unbeweglich haften. Richtig, hier sitzt die Fliege wieder, wenn nicht dieselbe, so doch eine andere. Jetzt scheint es, als ob der Aerger über den fehlgeschlagenen Versuch die Schritte beschleunige; denn mit einer wirklich bewundernswürdigen Hast ist das Chamäleon an dem Tische herabgestiegen und schreitet mit weit ausgebreiteten Beinen, den Schwanz als Stütze benutzend, über den flachen Boden dahin, anscheinend mit größter Beschwerde, jedoch noch immer viel schneller, als man erwartet hat. Ein langes Pfeifenrohr bietet eine brauchbare Leiter, und nach einigen Minuten ist die Höhe derselben glücklich erreicht. Wenn das Rohr doch funfzehn Centimeter länger wäre! Als unser Chamäleon am Ende anlangt, bemerkt es nach minutenlangem Besinnen, daß jene funfzehn Centimeter fehlen. Da sitzt die Fliege scheinbar in größter Gemüthsruhe, aber außer Schußweite; regungslos haften beide Augen auf ihr, lange, lange Zeit: die Fliege bleibt auf derselben Stelle und das Chamäleon auch. Möglich, daß sie im Verlaufe der Zeit sich um einige Centimeter nähert, möglich, daß eine zweite herbeikommt. Im entgegengesetzten Falle wird unser Chamäleon so lange in der mühsam gewonnenen Lage verharren, bis die glücklich entdeckte Beute davon geflogen und eine neue anderswo aufgefunden worden ist.
Man hat wiederholt behauptet, daß das Chamäleon, auch wenn es wolle, im Verlaufe eines Tages nur wenige Schritte zurücklegen könne. Dies aber ist, wie aus meinen Beobachtungen hervorgeht, keineswegs der Fall. Wenn es will, kann es schon binnen einer Stunde eine verhältnismäßig bedeutende Strecke durchmessen. Einige Forscher haben die Meinung ausgesprochen, daß es nicht schwimmen könne, weil nicht bloß beide Augen, sondern beide Hirnhälften und infolge dessen auch beide Leibeshälften von einander unabhängig seien. Ich glaube, daß es nicht oft in die Lage kommt, Flüsse zu übersetzen, bezweifle aber, daß es, zufällig in das Wasser gerathen, in dem selben wirklich zu Grunde gehen sollte: es brauchte sich dann nur, wie es oft thut, aufzublasen, um vor dem Untersinken gesichert zu sein.
Von dem Farbenwechsel der Haut macht man sich gewöhnlich eine falsche Vorstellung. Man glaubt, daß das Thier plötzlich die verschiedensten Schattirungen und Abstufungen aller nur denkbaren Farben auf seiner Haut zeige, daß es sein Aussehen unbedingt den Gegenständen anpasse, auf welchen es sich gerade befinde, und dem entsprechend im Stande wäre, jede beliebige Färbung anzunehmen, daß es überhaupt willkürlich sich verändern könne. Alles dies ist mehr oder minder unrichtig. Allerdings sieht das Thier in der Regel grünlich aus, dem Blattwerke ähnlich; es vermag seine Färbung jedoch keineswegs immer derjenigen eines jeden beliebigen Gegenstandes, auf welchen man es setzen könnte, anzupassen. In dieser Färbung kommen vor die Uebergänge von Orange durch Gelbgrün bis Blaugrün und die Schattirungen und Uebergänge jeder dieser Farben durch Grau oder Graubraun in Schwarz, Weiß, Fleischfarben, Rostbraun, Veilchenblau und Blaugrau, außerdem noch Schillerfarben, welche durch die über der Oberhaut liegenden dünnen, platten, sechseckigen Zellen hervorgebracht werden. Alle Farbenveränderungen nun geschehen mit einer gewissen Regelmäßigkeit, entweder infolge äußerer Einflüsse oder aber infolge von Gemüthsbewegungen oder Aeußerungen des Gemeingefühls: Hunger, Durst, Bedürfnis nach Ruhe, Sättigung, Wollust usw.; aber sie geschehen nicht bei allen Stücken in gleicher Weise oder Folge. Nicht alle Theile des Leibes sind dem Wechsel unterworfen: ein vom Kinne zum After verlaufender Streifen und die Innenseite der Hände und Füße verändern sich niemals. Die Innenseite der Arme und Schenkel unterliegen auch nur geringen Veränderungen. Van der Hoeven hat sehr genaue Beobachtungen über den Wechsel angestellt und die Chamäleons in verschiedenen Farben malen lassen. Auf den Seiten bemerkt man zwei breite, helle Längsstreifen und dazwischen vom Kopfe bis zum Schwanze und vom Rücken bis zum Bauche verlaufende dunkle, runde Tüpfel, welche mehr als die anderen Stellen dem Wechsel unterworfen sind. Morgens, wenn sich das Thier ruhig hält, ist die Haut gewöhnlich gelblich, und die zwei Streifen sehen röthlich aus; auch bemerkt man die Tupfen wenig oder nicht. Später am Tage hat sich die Haut noch wenig verändert, die Streifen aber sind weißlich und die Tupfen dunkelgrün geworden; außerdem treten längs des Rückgrates dunklere Schatten hervor. Nimmt man das Thier am Morgen in die Hände, so erscheinen die grünen Flecken ebenfalls. Im Zustande der Reizung wird die Haut grünlich, der Bauch bläulich, die Streifung weißlich, die Tüpfelung schwarz. Manchmal sieht das Thier röthlichbraun aus; die Streifen sind heller, die Tupfen und Schatten fast gänzlich verschwunden. Hiermit ist der Wechsel jedoch noch keineswegs erschöpft. Ich beobachtete, daß zwei Chamäleons während der Begattung eine milchweiße Färbung annahmen und ebenso, daß sie, wenn man sie ärgerte, fast ganz schwarz wurden; andere Forscher sahen solche, welche blaßroth und purpurfarben und veilchenfarben getüpfelt waren. Im allgemeinen sind Färbung und Zeichnung um so lebhafter, je gesünder und erregter das Thier. Aber auch diese Regel ist nicht ohne Ausnahme. Daß Licht und Wärme auf die Verfärbung wesentlichen Einfluß haben, läßt sich durch Versuche nachweisen. »Ist einem daran gelegen, die Farbe des Chamäleons schnell sich ändern zu sehen«, sagt Lenz, »so braucht man es nur, wenn es an einem kühlen Orte sitzt, rasch mit der Hand oder sonst zu erwärmen.« Man bedarf jedoch nicht einmal der Wärme: schon schwaches Licht genügt, um eine Veränderung hervorzubringen. Nähert man sich dem schlafenden Chamäleon nachts mit einem Lichte und hält dasselbe in einer Entfernung von sechs bis zehn Centimeter vor die eine Seite, so bemerkt man, daß auf der gelblich unbefleckten Haut nach einigen Minuten hellbraune Flecke erscheinen, allmählich dunkler und endlich fast schwarz werden; nach Entfernung des Lichtes verschwinden sie allmählich wieder. Bringt man ein gefangenes Chamäleon aus einem dunklen Raume in die Sonne, so dunkelt seine Haut innerhalb weniger Minuten. Den außerordentlichen Einfluß des Lichtes, gleichzeitig aber auch die Unabhängigkeit der beiden Körperhälften von einander sieht man, wenn man es nur von einer Seite beleuchtet oder erwärmt; dann verändert sich diese, nicht aber die andere mit; und wenn das Thier geschlafen hat und gereizt wird, kann es wirklich geschehen, daß es auf einer Seite erwacht, auf der andern Seite aber schlafend bleibt. Anderweitige Reize, beispielsweise Bespritzen mit Wasser, bewirken eine Veränderung der Färbung, insbesondere dann, wenn den Thieren längere Zeit Wasser gefehlt hatte. Aus alldem geht hervor, daß die Farbenveränderung vom Einflusse der Nerven abhängig ist und erst infolge einer Reizung der letzteren entsteht.
Mit seinesgleichen verträgt sich das Chamäleon nicht besser als die meisten übrigen Kriechthiere. Ist seine Gleichgültigkeit gegen alles, was nicht Beute heißt, erst einmal einer gewissen Erregung gewichen, so geschieht es gar nicht selten, daß zwei sich gegenseitig erbosen, wüthend über einander herfallen und sich mit dem immerhin kräftigen Gebisse zu verletzen suchen. Unter mehreren, auf einen kleineren Raum beschränkten Chamäleons fehlt es selten an Gelegenheit zu Streit und Kampf. Ein bequemer Sitzplatz kann den Neid oder doch den Aerger eines minder bevorzugten Genossen erregen und drohende Geberden und wirkliche Angriffe veranlassen; viel ernster jedoch gestaltet sich die Sache, wenn der Paarungstrieb erwacht. Jetzt bekunden sie nicht allein Erregungen der Eifersucht, sondern machen sich wirklich die Weibchen streitig, fallen wüthend über einander her, und beißen sich gegenseitig so heftig, als sie vermögen. Mit anderen Klassenverwandten leben sie im tiefsten Frieden, richtiger vielleicht in gar keinem Verhältnisse, weil sie sich bloß um diejenigen Thiere kümmern, welche ihnen verderblich werden oder zur Nahrung dienen können. Wenn ihnen ein Feind oder auch ein harmloser Vogel naht, pflegen sie sich zuerst aufzublasen, so daß ihr Leib im Querdurchschnitt fast kreisrund wird, und dann fauchend zu zischen. Ergreift man sie mit der Hand, so packen sie wohl auch zu und quetschen mit ihrem Gebisse die Haut ein wenig, immer aber viel zu schwach, als daß sie irgend welche Verletzung hervorrufen könnten. Dabei spielt ihre Haut selbstverständlich in sehr verschiedenen Färbungen, und die Gestalt wird durch das Aufblasen eine ganz andere: alle Rippen treten hervor, und das Thier gewinnt im buchstäblichen Sinne des Wortes eine gewisse Durchsichtigkeit, welche so weit gehen kann, daß man im Stande ist, Zweige oder die Sprossen eines Käfigs als dunkle Streifen durch den Leib hindurch wahrzunehmen.
Wie die meisten Kriechthiere vermag das Chamäleon wochen-, vielleicht monatelang ohne Schaden zu hungern, nicht aber auch ebenso lange zu dursten. Ich erhielt einmal im Sommer von Alexandrien aus eine zahlreiche Gesellschaft dieser Thiere, welche nur vierzehn Tage unterwegs gewesen waren. Ueber ein Drittel der vorher hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes geprüften und als vollkommen kräftig befundenen Chamäleons lagen todt am Boden des entsprechend eingerichteten Versandkäfigs, andere ließen sich widerstandslos angreifen, und alle trugen ein und dasselbe Kleid: ihre Haut zeigte ein gleichmäßiges, grauliches Strohgelb, ohne deutliche Abzeichnungen, ohne Lebhaftigkeit der Färbung. Meine Voraussetzung, daß die gestorbenen Thiere verhungert, die schwachen dem Verhungern nahe, die übrigen mindestens sehr hungrig seien, bestätigte sich nicht. Wohl richteten sich fast aller Augen nach der mit krabbelndem Gewürm, Mehlwürmer und Raupen beschickten Tafel sowie nach herbeigelockten Fliegen: aber kein einziger meiner Pfleglinge fraß, kein einziger versuchte auch nur, Beute zu gewinnen. Versuchsweise ließ ich jetzt einen künstlich erzeugten Sprühregen auf sie herniederrieseln. Zauberischer, belebender, als diese Labung sich erwies, wirkt nicht das erste Gewitter nach langer Dürre, erquickender nicht der erste Trunk, welcher dem verdurstenden Menschen wird. Jeder Tropfen, welcher auf die lederfarbene Haut fiel, gab ihr an der befeuchteten Stelle ihre Frische wieder, und wie Nebelgewölk vor der Sonne zerflockte, zerriß, verschwand das Kleid gezwungener Entbehrung, um dem Gewande der Ueppigkeit zu weichen. Aber nicht bloß die verwelkte Haut erfrischte sich durch das belebende Naß: auch die Zunge leckte begierig die einzelnen Tropfen auf. Und als diese mehr und mehr abgefallen waren von den Blättern, faßten die verschmachteten Thiere letztere beiderseitig mit den harten Lippen, saugten förmlich an ihnen und suchten ein anderes Blatt, wenn das erstere abgeleckt und abgesaugt war. Endlich hatten sich alle an dem nach solchen Wahrnehmungen ihnen wiederholt gespendeten Trunke erlabt, und nunmehr erregten die krabbelnden Mehlwürmer, die honiglüsternen Fliegen gebührende Theilnahme. Aus den blätterdürren Leibern der Chamäleons waren wohlgerundete geworden, in die geknickten Beine Kraft und Strammheit, in die matten Augen Beweglichkeit gekommen: jetzt bewiesen die Chamäleons, daß sie nach längerem Fasten nicht allein begierig fressen, sondern auch hinsichtlich des Nahrungsverbrauches geradezu erstaunliche Mahlzeiten halten können. Nach meinen bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen hatte ich sie für mäßige Geschöpfe gehalten: ich wußte, daß sie im Freien nur von kleinen und schwächlichen Kerbthieren, insbesondere Fliegen, Schmetterlingen, Käfern, Heuschrecken, Raupen, Spinnen, Asseln, vielleicht auch Würmern sich ernähren; ich vergegenwärtigte mir, daß sie geduldig abwarten müssen, bis irgendwelche Beute ihnen sich bietet; ich hatte endlich gelesen, daß sie niemals große Kerbthiere und immer nur eines von ihnen gleichzeitig ergreifen könnten: jetzt sollte ich fast von alledem das Gegentheil erfahren. An den Zweigen kletterten die Thiere auf und nieder; mit den Wickelschwänzen umschlangen sie sich gegenseitig, wenn es an Raum fehlte; um die besseren Plätze stritten sie sich mit drohenden Geberden; alle Winkel der senk-und wagerechten Ebene durchspäheten die von einander unabhängigen Augen. Dutzende solcher Augen zielten nach einer und derselben Beute; die von dem einen Zungenpfeile gefehlte Fliege fiel einem zweiten, dritten, zehnten gewißlich zum Opfer. Ziemlich große, mit Mehlwürmern gefüllte Schüsseln leerten sich im Umsehen; der Inhalt einer geräumigen Schachtel, welchen ein raupender Gärtner gespendet, war nach vierundzwanzig Stunden in den Magen meiner vierzig Chamäleons geborgen, und noch immer schaueten sich die rollenden Augen nach fernerer Beute um: meine Gefangenen erschienen mir gefräßiger als irgend ein anderes mir bekanntes Kriechthier.
Wie das Chamäleon eigentlich verfährt, um sich einer Beute zu versichern, habe ich mit Sicherheit nicht erkunden können. Es sieht aus, als leime es das ins Auge gefaßte Kerbthier an den Kolben der blitzschnell hervorschießenden und ebenso rasch wieder verschwindenden Zunge an; es will aber auch wiederum scheinen, als ob es den Kolben wie eine Greifzange zu verwenden wisse. So viel habe ich unzählige Male gesehen, daß ein von dem Zungenkolben getroffenes Kerbthier fast ausnahmslos verloren ist. Nach dem mit Mehlwürmern angefüllten Freßnäpfchen eröffneten meine Chamäleons ein wahres Kreuzfeuer von Schüssen, und niemals zog sich eine Zunge ohne Beute zurück; ja, sehr oft hingen zwei oder drei Mehlwürmer an dem Zungenkolben, ohne daß einer von ihnen beim Einziehen abgestreift worden wäre. Die Sicherheit der Schnellschüsse erregte aller Verwunderung.
Aeltere Forscher haben angegeben, daß die Chamäleons lebendige Junge zur Welt bringen sollen; meine und anderer Beobachtungen beweisen das Gegentheil. Das Eierlegen ist wiederholt beobachtet worden, wenn auch, soviel mir bekannt, nur angefangenen Thieren. »An einem meiner Chamäleons«, erzählt Vallisnieri, »bemerkte ich eines Tages, daß es sehr unruhig wurde und endlich von dem Gezweige, mit welchem sein Käfig ausgeschmückt worden war, langsam mit aller ihm angeborenen Faulheit zum Boden herabstieg, hier unstät umherlief, endlich in einem Winkel des Käfigs, in welchem weder Sand noch Staub, sondern nur harte Erde lag, sich festsetzte und mit einem Vorderfuße zu scharren begann. Das harte Erdreich setzte ihm so vielen Widerstand entgegen, daß es zwei Tage nach einander ununterbrochen arbeiten mußte, um das zuerst gebildete Loch in eine Grube von zehn Centimeter Durchmesser und funfzehn Centimeter Tiefe zu erweitern. In diese Grube kletterte es hinab und legte nun seine Eier, mehr als dreißig, wie ich mich überzeugen konnte. Nachdem dieses Geschäft und zwar mit größter Sorgfalt ausgeführt worden war, scharrte es die Grube mit einem Hinterfuße wieder zu, genau so, wie Katzen thun, wenn sie ihren Koth bedecken wollen. Aber damit noch nicht zufrieden, brachte es noch trockene Blätter, Stroh und dürres Reisig herbei und bildete aus ihnen eine Art von Decke über dem entstandenen Hügel.« Die Eier der Chamäleons sind rundlich und gleichmäßig weißlichgrau; ihre Schale ist kalkig, aber sehr porös. Wie lange ihre Entwickelung währt, ist zur Zeit noch unbekannt. Nach meinen Erfahrungen sterben viele, auch die kräftigsten und gesundesten Weibchen vor, während oder nach dem Eierlegen dahin.
»Ein gesehenes Chamäleon ist ein verlorenes Chamäleon«, so behauptet ein wälsches Sprichwort und mit vollstem Rechte; denn die trotz aller Veränderung wenig auffallende Farbe ist sein bester Schutz gegen das zahllose Heer von Feinden, welches ihm nachstellt. Nicht bloß alle kleinen, vierfüßigen Raubthiere und die meisten Raubvögel, sondern auch Raben und Hornvögel, Reiher, Störche und endlich die größeren Schlangen, vielleicht selbst Warane und andere Kriechthiere müssen als Feinde der harmlosen Geschöpfe bezeichnet werden. Der Mensch widmet ihnen überall eine größere Aufmerksamkeit, als ihnen gut ist. Nirgends wohl hält man sie für giftig oder gefährlich, und überall fällt die absonderliche Gestalt so ins Auge, daß man sich bemüht des Thieres habhaft zu werden. Der Fang geschieht gewöhnlich in rohester Weise. Man reißt die Chamäleons, welche man ergreifen kann, gewaltsam von den Zweigen ab oder versucht, die, welche zu hoch sitzen, mit Steinwürfen zu Boden zu schleudern. Erst, wenn man den Leuten die größte Sorgfalt anempfiehlt, erhält man unverletzte Stücke; die Mehrzahl der erbeuteten geht infolge der erlittenen Mißhandlungen nach wenigen Tagen, spätestens nach wenigen Wochen zu Grunde.
Anfänglich zeigen sich die Gefangenen sehr reizbar, fauchen und blasen, wenn man sich ihnen nähert, versuchen selbst zu beißen, wollen mit einem Worte von dem Pfleger nichts wissen; bald aber ändert sich ihr Benehmen: sie haben sich an den Menschen gewöhnt und lassen sich nun sehr viel gefallen. Bei zweckmäßiger Behandlung halten sie sich monatelang in der Gefangenschaft. Vor allem anderen verlangen sie gleichmäßige Wärme. Der Anfang der späteren Herbsttage ist für sie Beginn des Misbehagens. Sie hören auf zu fressen, welken und sterben dahin. Am besten halten sie sich in Gewächshäusern, deren gleichmäßige Wärme ihnen selbst eine längere Fastenzeit überstehen hilft. An genügender Nahrung darf es ihnen niemals fehlen: sie verlangen, wie aus vorstehendem ersichtlich geworden sein dürfte, eine erhebliche Menge von Fliegen, Mehlwürmern, Spinnen, Heuschrecken und dergleichen. Niemals gehen sie ein todtes Kerbthier an, auch wenn es noch so lecker aussehen sollte: was sie verschlingen sollen, muß lebendig sein. Jameson erzählt zwar, daß sein Gärtner ein Chamäleon mit Kellerasseln und Regenwürmern während des Winters gestopft habe; so leicht zu behandelnde Stücke dürften aber sehr selten sein: die meisten verhungern lieber, als daß sie in ungewöhnlicher Weise Nahrung zu sich nehmen. Für Liebhaber, welche nicht in der Lage sind, ihren Thieren ein gleichmäßig warmes Zimmer anzuweisen, empfiehlt sich das von Lenz beobachtete Verfahren, das gefangene Chamäleon in ein gewärmtes, weiches Bettchen zu legen, dieses in einer Schüssel unterzubringen und letztere bei heftigem Frostwetter nachts mit Hülfe eines Lämpchens zu heizen.
In Südspanien hält man das Chamäleon keineswegs des Vergnügens halber im Zimmer, vielmehr deshalb, um sich seine Thätigkeit zu Nutze zu machen. Man errichtet ihm einen Sitzplatz, hängt an demselben ein Gefäß mit Honig auf und führt dadurch die lästigen Fliegen einem aufmerksamen und unermüdlichen Kammerjäger zu. Mein Bruder schreibt mir, daß man fast in allen Kaufläden Sevillas diesen beschuppten Haussklaven sieht.
Ueber wenige Kriechthiere ist soviel gefabelt worden, als über die Haftzeher oder Gekos, eigenthümlich gestaltete, nächtlich lebende Schuppenechsen, welche in allen Erdtheilen gefunden werden. Sie waren es, welche die Alten mit dem Namen »Stellio« bezeichneten und zwar, wie Ovid uns mittheilt, wegen der kleinen, sternförmigen Flecken auf dem Rücken. Aristoteles berichtet, daß der Stellio sich in Fenstern, Kammern und Gräbern aufhalte, an den Wänden umherklettere, oft auf den Tisch herab und ins Essen falle, in den Krippen schlafe, den Eseln in die Nase krieche und sie am Fressen verhindere, durch seinen Biß vergifte, während der vier kalten Monate des Jahres verborgen liege und nichts fresse, im Früh- und Spätjahre aber sich häute und dann die Haut aufzehre: »auß verbunst«, drückt sich Geßner aus, »damit sömliche herliche artzney für die fallend sucht, den menschen entroubet werde, von dannen bey den Juristen jr nam Stellionat genommen, so yenen einem etwas durch betrug vnd list entroubet vnd entzogen wirdt. Doch soll dises thier ein nattürliche feyndtschafft haben wider den Scorpion, also daß sy zu schräcken vnd kalten schweyß auch durch sein gesicht bewegt werden söllend. Auß vrsach man dise thier in öl beitzt, welches ein bewärte artzney ist denen so von dem Scorpion sind gestochen worden.« Plinius versichert, daß der Geko ein sehr gefährliches Mittel liefere, indem er, im Weine ertränkt oder in Salbe getödtet, bei denen, welche Wein oder Salbe benutzten, Sommerflecken hervorbringe. »Manche reichen derartige Salbe hübschen Mädchen in der böswilligen Absicht, deren Schönheit zu verderben.« Glücklicherweise gibt es ein Gegenmittel: Eidotter, Honig und Laugensalz, welches die schädliche Wirkung wieder aufhebt. Nach Ansicht desselben Naturforschers ist der Biß des Geko in Griechenland tödtlich, in Sicilien dagegen ungefährlich.
Bis in die neueste Zeit werden ähnliche Geschichten erzählt und wieder erzählt, auch wohl heutigentages noch den Gläubigen aufgetischt. Von einem indischen Haftzeher berichtet der alte Bontius, dem wir übrigens manche gute Mittheilung verdanken, entsetzliche Dinge. »Sein Biß ist so giftig, daß er in wenigen Stunden den Tod nach sich zieht, wenn der gebissene Theil nicht sogleich abgehauen oder gebrannt wird. Das habe ich selbst bei einem Matrosen erfahren, welcher zu Batavia im Krankenhause lag. Er bekam bloß dadurch, daß ihm eine solche Eidechse über die Brust lief, eine Blase wie von siedendem Wasser. Bei der Eröffnung derselben floß gelbe, stinkende Jauche aus. Das Fleisch darunter war nußfarbig, ging auch zwei Finger dick in Brand über und fiel ab zu unserem großen Verwundern und Entsetzen. Diese Eidechse hat so scharfe Zähne, daß sie Eindrücke in den Stahl macht. Ihr Rachen ist roth wie ein glühender Ofen. Zum Schrecken der Einwohner treibt sie sich oft in den Schlafzimmern umher, so daß die Leute genöthigt sind, ihre Hütte ganz abzubrechen, damit die Thiere weiter wandern müssen. Die Javaner vergiften mit ihrem Blute und Geifer ihre Waffen; ruchlose Giftmischer, deren es hier zu Lande viele gibt, hängen sie mit dem Schwanze auf und fangen den kleberigen und gelben Geifer, den sie aus Zorn immer ausfließen lassen, in einem irdenen Geschirre auf und lassen ihn dann an der Sonne eintrocknen, ernähren daher auch beständig solche scheusliche Thiere. Selbst ihr Harn zieht Blasen.« Hasselquist behauptet, daß der in Egypten lebende Haftzeher Gift aus den Furchen der Zehenscheiben ausschwitzt, versichert auch, zwei Weiber und ein Mädchen gesehen zu haben, welche von einer solchen Schuppenechse vergifteten Käse gegessen hatten und dem Tode nahe waren. Ein Geistlicher, welcher das böse Thier fangen wollte, bekam beim Berühren Blasen, welche brannten, als ob er Nesseln angegriffen hätte. Wer von der Speise ißt, über welche ein solches Thier gelaufen, wird aussätzig usw. Aehnliche Märchen läßt sich Pöppig in Peru aufbinden. Ein dort vorkommender Geko soll ebenfalls so sehr giftig sein, daß schon seine Berührung gefährlich ist. Das Gift sitzt auf den Zehenflächen, und seine Wirkung ist zwar nicht so schnell, allein unfehlbar ebenso tödtlich wie die des Schlangengiftes. Die Indianer wissen dies so wohl, daß sie nach dem Abhauen der Füße die Thiere furchtlos in die Hand nehmen. Dieser Haftzeher sucht glücklicherweise den Menschen nicht auf, und die Gefahr besteht nur darin, daß er, wenn er herabfällt oder unerwartet beim Aufheben von Gegenständen in dunklen Winkeln ergriffen wird, vergiftet. Da der genannte Reisende bei Vergrößerung mit einer guten Lupe am todten Thiere die Schuppen trocken sah und bei Zergliederung der darunter liegenden Theile, »soviel deren Gefährlichkeit sie zuließ«, weder Drüsen, noch Giftblasen bemerken konnte, hält er es für wahrscheinlich, daß das Gift nach Willkür ausfließt. Heiße Oelreibungen und Aetzen, faselt er, dürfen wohl das passende Mittel sein, der Wirkung zu begegnen; denn diese kann, wie stark das Gift auch sein möge, der des Schlangengif tes, welches durch Verwundung ins Blut gebracht wird, unmöglich gleich sein. Schinz meint, vorstehende Angabe eines so ausgezeichneten Naturforschers, wie Pöppig ist, aufnehmen zu müssen, ohne jedoch dafür eintreten zu wollen. Ich hege über den »ausgezeichneten Naturforscher« andere Ansichten als Schinz; denn für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß Pöppig ebenso wenig einen Geko untersucht als einen Kondor gemessen, vielmehr unverantwortlicherweise den Bericht über die Zergliederung des Thieres einfach erfunden hat. Aehnliche Schauergeschichten, wie sie der spätere Professor der Thierkunde der Leipziger Hochschule mittheilt, kann man in anderen Theilen Amerikas, in Afrika, Indien und selbst in Südeuropa vernehmen. »Wenn ein Geko«, so erzählten Indianer und Farbige den Gebrüdern Schomburgk, »von der Decke oder den Balken des Daches auf die bloße Haut eines Menschen fällt, so lösen sich die Zehenscheiben, welche das Gift enthalten, und dringen in das Fleisch ein, wodurch eine Geschwulst hervorgerufen wird, welche schnellen Tod im Gefolge hat.« Daher scheuen denn auch jene Leute die Haftzeher ebenso wie die giftigsten Schlangen. In Südeuropa schwört jedermann auf deren Giftigkeit. »Es will wenig sagen«, bemerkt Lucian Bonaparte, »daß man sie beschuldigt, die Speisen mit ihren Füßen zu verderben; man lügt ihnen auch nach, daß sie das Blut von dem, über dessen Brust sie laufen, augenblicklich gerinnen machen. Mit dieser furchtbaren Lehre warnen die Mütter täglich ihre Kinder.« Kurz, das Mißtrauen, der Abscheu gegen die Haftzeher sind allgemein – und doch gänzlich ungerechtfertigt! Wir werden sehen, daß unsere Thiere vollkommen unschädliche und harmlose Schuppenechsen sind und einzig und allein infolge ihres unschönen Aeußeren und ihrer nächtlichen Lebensweise unter so bösem Leumund leiden müssen.
Fitzinger erhob die Familie der Haftzeher zu einer besonderen Ordnung; wir sehen in ihnen eine Unterordnung (Ascalabotae) der Schuppenechsen überhaupt und lassen uns durch Günther belehren, daß sie sich von ihren Verwandten durch die an beiden Seiten eingehöhlten Wirbel, den unvollständigen Augenbrauen- und Schläfenbogen, sowie das paarige Scheitelbein unterscheiden, mit den meisten dagegen das Säulchen gemein haben. Wagler meint, daß sie nicht bloß in ihrer allgemeinen Körpergestalt, sondern auch in der Bildung ihrer Augen, Nasenlöcher, Ohren usw. Krokodilen ähnlich seien und kleine Krokodile genannt werden könnten, welche auf trockenem Lande leben und Seitenzähne haben: zum Herausfinden einer derartigen Verwandtschaft gehört jedoch rege Einbildungskraft. Eher noch dürfte behauptet werden, daß sie an Molche erinnern, obgleich die Unterschiede, welche zwischen beiden Gruppen stehen, schwerlich verkannt werden mögen.