Ordnung: | Paarhufer (Artiodactyla) |
Familie: | Hornträger (Bovidae) |
Unterfamilie: | Bovinae |
Tribus: | Rinder (Bovini) |
Gattung: | Afrikanische Büffel (Syncerus) |
Art: | Rotbüffel (Syncerus nanus) |
Der Rotbüffel ist der kleinste Vertreter der afrikanischen Büffel (Syncerus). Er erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 180 bis 220 cm, zuzüglich eines rund 60 bis 90 cm langen Schwanzes, und eine Schulterhöhe von 100 bis 130 cm. Das Körpergewicht der Tiere beträgt 265 bis 320 kg. Dadurch wirkt der Rotbüffel weniger massig als sein Verwandter, der Kaffernbüffel (Syncerus caffer). Individuen aus Westafrika sind im Durchschnitt etwas größer als solche aus Zentralafrika. Der Sexualdimorphismus erscheint weniger ausgeprägt als bei den anderen, eher offene Landschaften bewohnenden Vertretern von Syncerus. Das Fell besitzt eine vielfältige Schattierung, die von rötlich bis bräunlich reicht, teilweise treten schwarze Markierungen an den Beinen und an der Schulter auf. Es kommen gelegentlich aber auch vollständig schwarz gefärbte Individuen vor. Der Kopf ist robust, das Maul breit und die Nase nackt und feucht. Die Hörner sind kürzer als bei den anderen afrikanischen Büffeln, zudem zeigen sie nicht die typische seitliche Abwärtsbiegung. Vielmehr ragen die Hörner beim Rotbüffel schräg nach hinten auf, etwa in Fortsetzung der Stirnlinie. Sie sind dabei leicht nach außen gekrümmt, so dass sie eine Art Halbmond bilden. Die Länge der Hörner über die Krümmung gemessen ist größer als ihre Spannweite. Bei zentralafrikanischen Tieren erreichen sie eine Länge von 41 bis 69,0 cm bei einer Spannweite von 34,1 bis 65,5 cm. Bei westafrikanischen Tieren ist die Diskrepanz weniger deutlich entwickelt. Hier variiert die Hornlänge von 34,5 bis 72 cm, die Spannweite liegt zwischen 35,0 und 63,5 cm. Abweichend von den anderen afrikanischen Büffeln sind an der Hornbasis keine besonderen Verdickungen ausgebildet. Die langen und sehr prominenten Ohren fallen zusätzlich durch kräftige Fransen an der inneren Längsseite auf. Die Ohrmuschel ist außerdem dicht mit Haaren bewachsen, zwei Streifen aus langen, weißlichen Haaren verlaufen über die Ohrmuschel bis zu Ohrwurzel. Der Schwanz endet in einem auffälligen Quaste. Wie beim Kaffernbüffel fehlen Drüsen zum Absetzen von Sekreten.
Der Schädel erreicht eine Gesamtlänge von 39,4 bis 49,2 cm und eine Breite am Warzenfortsatz des Schläfenbeins von 13,7 bis 27,6 cm. Wie bei den anderen afrikanischen Büffeln fehlt die Voraugengrube (Fossa praeorbitalis) und die Siebgrube (Fossa ethmoidalis). Das Gebiss besitzt die typische Anzahl der Zähne der Hornträger und weist somit folgende Zahnformel auf: {displaystyle {frac {0.0.3.3}{3.1.3.3}}} {frac {0.0.3.3}{3.1.3.3}}. Die Backenzähne sind hochkronig (hypsodont) und mit scharfen Zahnschmelzleisten ausgestattet.
Der Rotbüffel kommt in Zentral- und Westafrika vor, sein Verbreitungsgebiet ist mehr oder weniger zweigeteilt. Der Hauptteil reicht vom südlichen Nigeria, dem südlichen und zentralen Kamerun und dem Süden der Zentralafrikanischen Republik über weite Teile des Kongobeckens, einzelne Bestände im westlichen und zentralen Angola sind isoliert vom Hauptverbreitungsgebiet. Zuzüglich leben einzelne Populationen auf den Inseln von São Tomé und Príncipe, auf der Insel Bioko ist der Rotbüffel heute allerdings ausgestorben. Vom Hauptteil des Verbreitungsgebietes abgetrennt erstreckt sich das zweite Vorkommen entlang der Küste des weiteren westlichen Afrikas etwa von Guinea-Bissau bis ins südwestliche Ghana, möglicherweise sind die Tiere dort aber ebenfalls ausgestorben. Prinzipiell bewohnt der Rotbüffel die tropischen Regenwälder des Tieflandes. Die Gebiete zeichnen sich durch einen jährlichen Niederschlag von wenigstens 1500 mm aus. Dort bevorzugen die Tiere offene, grasreiche Areale wie Lichtungen, Wasserläufe oder anthropogene Waldöffnungen wie etwa Verbindungsstraßen. Sie sind dabei sowohl in den Regenwald-Savannen-Übergangszonen als auch in primären und sekundären Wäldern anzutreffen. Wälder mit geschlossenem Kronendach werden häufig gemieden. Nach Untersuchungen in den Küstengebieten des westlichen Gabuns gehören auch Gebüschlandschaften zum genutzten Habitat, dagegen sind Rotbüffel dort nicht in primären Wäldern anzutreffen. Im Dzanga-Ndoki-Nationalpark in der Zentralafrikanischen Republik halten sich die Herden häufig auf Lichtungen oder in Waldgebieten mit hohen Bäumen, aber nicht geschlossenem Kronendach auf. Die Populationsdichte ist aufgrund der Lebensweise in Wäldern schwer zu bestimmen, wird aber als eher gering angenommen. In den Küstengebieten Gabuns liegt sie in Sekundärwäldern mit Übergang zu offeneren Gebieten bei 0,43 bis 0,9 Individuen je Quadratkilometern, kann aber wie im Réserve de Faune du Petit Loango auf bis zu 1,75 Tiere je Quadratkilometer ansteigen. Im Campo-Ma’an-Nationalpark im südlichen Kamerun schwankt sie zwischen 0,01 Individuen auf einer vergleichbar großen Fläche in dichten Wäldern und 0,4 im Übergang zu offeneren Gebieten wie an Verbindungsstraßen. Mit bis zu 7,4 Tieren auf einem Quadratkilometer ist die Individuendichte in mosaikartigen Regenwald-Savannen-Gebieten im Lopé-Okanda-Schutzgebiet in Gabun dagegen vergleichsweise hoch, sie nimmt aber in den umliegenden Wäldern wieder stark ab und beträgt hier nur 0,4 Tiere auf einem Quadratkilometer.
Allgemein ist die Lebensweise des Rotbüffels schwerer zu dokumentieren als die seiner Verwandten in den offenen Savannen. Wie diese lebt der Rotbüffel in Herden, die mit 3 bis 25 Individuen aber deutlich kleiner sind als die der Offenlandarten. Während einer länger andauernden Untersuchung im Zeitraum von 2002 bis 2004 im Dzanga-Ndoki-Nationalpark in der Zentralafrikanischen Republik wurde eine einzelne Herde beobachtet, die anfangs 16 Individuen umfasste, zwei Jahre später durch Geburten auf 24 angewachsen war. Bei einer anderen Studie in einem annähernd gleichen Zeitraum in einem 72 km² Areal im Lopé-Okanda-Schutzgebiet in Gabun wurden insgesamt 342 Rotbüffel dokumentiert, die 18 verschiedenen Herden mit Größen von 3 bis 24 Individuen angehörten. Die gesamtdurchschnittliche Herdengröße lag dabei bei 12 Tieren, wobei frühere Analysen in der gleichen Region nur 5,8 Tiere je Herde ermittelten. In der Regel setzt sich eine Herde aus mehreren Kühen mit ihren Jungtieren und einem oder zwei Bullen zusammen. An Rast- oder Ruheplätzen auf Lichtungen nimmt in der Regel der Bulle eine zentrale Position ein, während Kühe und Kälber eher im mittleren bis peripheren Bereich innerhalb der Herde zu finden sind, die genaue Lokalisierung eines Individuums in einer Herde hängt zumeist vom Alter und Geschlecht ab. Bei einer Rast in waldreicheren Gebieten streut die Herde weiter auseinander, was möglicherweise mit dem dichten Baum- und Buschstand zusammenhängt, die individuelle Position eines Tieres ist so schwerer zu bestimmen. Männliche Tiere sind selten auch allein anzutreffen, sie formen aber im Gegensatz beispielsweise zum Kaffernbüffel niemals Junggesellengruppen. Es wird angenommen, dass die eher geringe Gruppengröße als Fortpflanzungsvorteil in dichten Wäldern dient. Die Gruppengröße ist in der Regel stabil. Allerdings kommt es im Verlauf des Jahres teilweise zur Aufsplittung von vor allem größeren Herden. Diese daraus hervorgehenden Untergruppen bestehen aus wenigstens einem Weibchen und mehreren Jungtieren mit im Minimum 3 Individuen und vereinen sich zumeist nach nur wenigen Tage wieder mit der Hauptgruppe. Sehr selten verlassen Herdenmitglieder ihre angestammte Gruppe vollständig und wechseln zu einer anderen über. Während der Zwei-Jahres-Studie im Lopé-Okanda-Schutzgebiet schloss sich lediglich ein weibliches Tier einer neuen, in diesem Fall kleineren Herde an. Das Phänomen tritt damit wesentlich seltener auf als beim Kaffernbüffel.
Die einzelnen Herden unterhalten Aktionsräume, die deutlich kleiner sind als bei den Büffeln der Savannen und Offenlande. Da die Bullen abweichend von den anderen afrikanischen Rindern in der Herde leben, deckt sich deren Revier vollständig mit dem der Herde. Im Dzanga-Ndoki-Nationalpark wurde der Aktionsraum für eine Herde mit 8 km² ermittelt, im Lopé-Okanda-Schutzgebiet variierten die Größen bei den 18 beobachteten Herden von 2,3 bis 7,64 km². Die Aktionsräume von benachbarten Herden überlappen sich dabei nicht. Ähnlich wie die Herde bleiben die Territorien relativ stabil und nehmen die gleiche Region mit den gleichen Rast- und Fressplätzen über mehrere Jahre ein. Sie schließen verschiedene Vegetationstypen ein, die von Wäldern über offene Landschaften wie Lichtungen und Savannenfragmente bis hin zu Feuchtgebieten wie Sümpfe oder Flussauen reichen und zumeist fleckenhaft verteilt sind. Wälder bedecken dabei weniger als 50 % der Fläche, der Anteil an offenen Bereichen nimmt mit der Herdengröße zu. Innerhalb der Aktionsräume nutzen die Tiere die verschiedenen Habitate recht unterschiedlich. Lichtungen und Savannenbereiche dienen zur Nahrungsaufnahme, während Wälder als Schutz gesucht und Feuchtgebiete zur Abkühlung genutzt werden. Die Weidegebiete liegen häufig nur wenige hundert Meter auseinander, sie werden von der Herde in einen Rotationssystem aufgesucht. Aufgrund dieser kurzen Distanzen legt die Herde täglich nur kurze Wegstrecken von 500 bis 1000 m zurück, die längste beobachtete Wanderung innerhalb eines Tages überbrückte etwa 4000 m. Es gibt eine gewisse jahreszeitliche Bevorzugung bestimmter Gebiete wie wasserreiche Landschaften in der Trockenzeit oder Wälder in der Regenzeit, ansonsten gibt es nur wenige Unterschiede in der jährlichen Nutzung.
Der Rotbüffel folgt den gleichen allgemeinen Aktivitätsmustern, die auch bei anderen Hornträgern feststellbar sind. So werden Phasen der Nahrungsaufnahme von solchen der Ruhe und des Wiederkäuen abgelöst. Beides findet sowohl tagsüber wie auch nachts statt, tagsüber verbringt der Rotbüffel etwa 38 % mit Ruhe und mehr als 30 % mit der Nahrungsaufnahme. Im Lopé-Okanda-Schutzgebiet fressen die Tiere überwiegend vormittags zwischen 09:30 und 12:00 Uhr. Auffällig ist, dass Kühe durchschnittlich länger weiden als Bullen. Die größte Hitze des Tages verbringen die Tiere mit Ruhe. Hierbei gehören unter anderem Schlammbäder zum Komfortverhalten. Interaktionen innerhalb der Herde beschränken sich häufig zwischen den Alttieren und ihren Nachwuchs. Submissives Verhalten wurde bisher nur selten beobachtet. Es besteht darin, dass das unterwürfige Tier seinen Kopf zwischen die Hinterbeine des dominanten steckt, ähnlich wie es beim Kaffernbüffel belegt ist.
Über die Ernährung des Rotbüffels liegen nur wenige, spezifische Informationen vor, sein überwiegendes Vorkommen in den tropischen Regenwäldern lässt annehmen, dass Gräser als Nahrungspflanzen nicht ganz so dominant sind wie bei seinen Verwandten in den offenen Savannen. Im Campo-Ma’an-Nationalpark im südlichen Kamerun besteht die Hauptnahrung des Rotbüffels zu 43 % aus Süßgräsern, allein 15,1 % der Menge an aufgenommenen Gräsern wird durch Vertreter von Leptochloa gedeckt, weniger häufig durch solche von Chrysochloa, Otochloa oder Setaria. Neben Süßgräsern spielen mit rund 21 % Commelinagewächse wie etwa Palisota eine wichtige Rolle. Der Rest, knapp 33 %, umfasst überwiegend Kreuzblütler, Hülsenfrüchtler, Hanfgewächse, Weinrebengewächse und andere Zweikeimblättrige sowie Moose. Eine ähnliche Zusammensetzung der Nahrung zeigen Untersuchungen im Lopé-Okanda-Schutzgebiet in Gabun. Hier ernähren sich die Rotbüffel überwiegend von Süß- und Riedgräsern, während Pfeilwurzgewächse und Zweikeimblättrige den übrigen Teil ausmachen. Dabei sind jahreszeitliche Unterschiede feststellbar, da der prozentuale Anteil der Gräser mit rund 87 % in der Trockenzeit und rund 97 % in der Regenzeit deutlich variiert. Unter den Süßgräsern konnten unter anderem Leersia und Schizachyrium identifiziert werden. Die Studien zeigen auf, dass der Rotbüffel überwiegend an offenen Stellen wie Lichtungen weidet und Grasnahrung weitgehend bevorzugt. Ein Tier muss täglich etwa 6,5 kg Nahrung zu sich nehmen. Wie seine Offenlandverwandten ist der Rotbüffel ein sehr effizienter Graser, der mit einem breiten Maul und mobiler Zunge erhebliche Mengen auf einmal vertilgen kann.
Die Fortpflanzung des Rotbüffel wurde kaum untersucht, sie dürfte aber weitgehend den Charakteristiken bei den Büffeln der Offenlandschaften entsprechen. Während der Zwei-Jahres-Studie im Lopé-Okanda-Schutzgebiet wurde nur ein Paarungsakt beobachtet, der im August stattfand. Die Geburt des einzelnen Jungtiers trat dann im folgenden Juli ein, was eine Tragzeit von etwa 11 Monaten annehmen lässt. Für die Geburt entfernt sich das Muttertier von der Herde und kehrt wenige Tage später zurück, wenn das Kalb laufen kann. Neugeborene Kälber im gleichen Gebiet wurden vom August bis Dezember und vom März bis April registriert, womit die Fortpflanzung höchstwahrscheinlich nur wenig oder kaum jahreszeitlich gebunden ist. Von sechs Kälbern während der Zwei-Jahres-Studie im Lopé-Okanda-Schutzgebiet starben insgesamt vier noch vor dem vierten Monat, was einer Sterblichkeit von etwa 67 % entspricht. Während der anderen länger andauernden Untersuchung im Dzanga-Ndoki-Nationalpark wuchs eine Herde innerhalb von zwei Jahren durch acht Geburten von 16 auf 24 Individuen an. Jungtiere haben generell ein dichteres und rötlicheres Fell als Alttiere. Das Kalb verbleibt zumeist zwei Jahre beim Muttertier, der Zeitraum zwischen zwei Geburten kann mit wenigstens 16 Monaten angenommen werden. Die Lebenserwartung in freier Wildbahn beträgt etwa 18 bis 20 Jahre, das Höchstalter eines Rotbüffels in menschlicher Obhut betrug etwa 28 Jahre.