Das Alpaka in Brehms Tierleben

Alpaka (Brehms Tierleben)

Die dritte Form der Gruppe, der Paco oder die Alpaka (Auchenia Paco) ist kleiner als das Lama und gleicht im Körperbau dem Schafe, hat aber einen längern Hals und einen zierlichen Kopf; sein Vließ ist sehr lang und ausnehmend weich, an einigen Stellen, z.B. an den Seiten des Rumpfes, erreicht er eine Länge von zehn bis zwölf Centimeter. Die Färbung ist meistens ganz weiß oder schwarz; es gibt aber ebenfalls buntscheckige.
»Die Pacos«, sagt Tschudi, »werden in große Herden gehalten, welche das ganze Jahr auf den Hochebenen weiden; nur zur Schur treibt man sie nach den Hütten. Es gibt vielleicht kein widerspensti geres Thier als dieses Lama. Wenn eins von der Herde getrennt wird, wirft es sich auf die Erde und ist weder durch Schmeicheln, noch durch Schläge zu bewegen, wieder aufzustehen. Es erleidet lieber die heftigsten Züchtigungen und selbst den qualvollsten Tod, als daß es folge. Einzelne können bloß fortgeschafft werden, indem man sie den Herden von Lamas und Schafen beigesellt. Die Indianer verfertigen aus der Wolle des Paco und Lama schon seit uralten Zeiten wollene Decken und Mäntel.«

Wie Acosta angibt, nennen die Indianer die gröbere Wolle Hanaska, die feinere Cumbi. Aus dieser verfertigen sie Tischdecken und andere schätzbare Dinge mit viel Kunst, welche sich durch ihre lange Dauer und ihren schönen Glanz besonders auszeichnen. Die Inkas von Peru hatten große Meister im Weben. Die geschicktesten wohnten am Titicacasee. Sie färbten die grobe und feine Wolle in sehr frischen und zarten Farben mit vielerlei Kräutern. Gegenwärtig verstehen sie bloß noch warme Decken und Mäntel zu weben; aber die Wolle wird jetzt vielfach nach Europa übergeführt, und seit Titus Salt in Bradford eine eigne Art der Spinnerei und Weberei dieser Wolle erfunden hat, betreibt man beides ins großartige.

Wiederholt hat man versucht, Alpakas bei uns einzubürgern, bis jetzt jedoch wenig Erfolg gehabt; im Gegentheile, die Versuche sind ohne Ausnahme kläglich gescheitert. Ein gewisser Thompson züchtete im Auftrage des Grafen Derby in Knowsley eine größere Herde Alpakas, und englische Forscher sahen bereits das schottische Hochland mit den nützlichen Wollträgern bevölkert; in der Neuzeit ist es jedoch sehr still geworden über diesen Gegenstand. Aehnlich wie in Europa scheint es in Australien ergangen zu sein, obgleich man dort die Versuche in größerem Maßstabe betrieb. Laut Tschudi setzte die Regierung von Neusüdwales vor einigen Jahren eine bedeutende Belohnung für die Einführung einer bestimmten Anzahl von Alpakas aus. Der Engländer Leeds wagte das nichts weniger als leichte Unternehmen; denn die bolivianische und peruanische Regierung hatten die Ausfuhr lebender Alpakas auf das strengste verboten und ließen Leeds, dessen Vorhaben bekannt geworden war, scharf beobachten. Trotz aller Hindernisse und nach manchen fruchtlosen und kostspieligen Versuchen gelang es endlich dem unternehmenden Manne, dreihundert Alpakas lebend nach Australien zu bringen. Fünf Jahre später, nachdem die Regierung etwa 15.000 Pfund Sterling ausgegeben hatte, waren von den Thieren kaum noch ein Dutzend am Leben, und ihre Abkömmlinge, gegen vierthalbhundert an der Zahl, befanden sich in möglichst unvortheilhaftem Zustande. Man beschloß daher, die Herde baldthunlichst zu verkaufen oder ihrer auf irgend eine andere Art loszuwerden, um so mehr, als ihr Unterhalt bedeutende Unkosten verursachte.

Tschudi bezweifelt, daß in Europa Einbürgerungsversuche im großen günstig ausfallen würden, weil Alpakas freie Weide nicht entbehren können. Daß sich in den südlichen Hochgebirgen unseres Erdtheiles Stellen finden, welche alle Bedingungen für das Wohlsein der Thiere gewähren, scheint mir nicht unmöglich; doch glaube auch ich nicht an einen durchschlagenden Erfolg einer hier ins Werk gesetzten Einführung, ganz abgesehen davon, daß solche Stellen durch eingewohnte Herdenthiere wahrscheinlich besser ausgenutzt werden dürften als durch Alpakas, welche nur mit äußersten Widerstreben unter das Joch des Menschen sich beugen. Im übrigen erfüllen diese Thiere viele Anforderungen, welche wir an nutzbringende Hausthiere stellen. Sie sind dauerhaft, ziemlich anspruchslos, pflanzen sich in rascher Folge fort, da das Weibchen nur elf Monate trächtig geht, und liefern außer der vortrefflichen Wolle, von welcher der Centner schon an der Westküste mit etwa dreihundert Mark unseres Geldes bezahlt wird, höchst schmackhaftes Fleisch. Zum Lasttragen verwendet man sie in ihrer Heimat nicht, sondern züchtet sie ausschließlich der Wolle und des Fleisches wegen. Um erstere zu gewinnen, werden die Herden jährlich zusammengetrieben und dann geschoren, was bei ihrem störrischen Wesen keine leichte Aufgabe ist; hierauf läßt man sie wieder frei und gestattet ihnen, ein halbwildes Leben zu führen, so wie ihnen dies am besten zusagt.

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