Portrait: Zweifingerfaultier

Überordnung: Nebengelenktiere (Xenarthra)
Ordnung: Zahnarme (Pilosa)
Unterordnung: Faultiere (Folivora)
Familie: Megalonychidae
Gattung: Zweifinger-Faultiere (Choloepus)
Art: (Eigentliches) Zweifingerfaultier (Choloepus didactylus)

 

Zweifingerfaultier (Bergzoo Halle)

Zweifingerfaultier (Bergzoo Halle)

Das Zweifingerfaultier erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 54 bis 88 cm, der äußerst kurze und kaum bewegliche Schwanz wird zwischen 0,9 und 2 cm lang. Das Gewicht variiert von 6,5 bis 11,8 kg. Damit ist das Zweifingerfaultier etwas größer als das Hoffmann-Zweifingerfaultier. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern fallen nur gering aus, so sind die Weibchen etwas größer als die Männchen. Der Kopf ist allgemein klein, im Gegensatz zu den Dreifinger-Faultieren aber länger. Er besitzt allgemein ein gerundetes Profil. Die Ohren sind klein, rund 2,8 cm lang und äußerlich nicht sichtbar. Das Fell weist nur eine einzige Lage auf, das Deckhaar mit bis zu 17 cm langen Haaren. Es ist meist graubraun gefärbt, wobei die Bauchseite häufig heller erscheint als die Rückenseite. Das Gesicht ist hellbraun und unbehaart und weist eine ledrige Textur auf. Je nach Lichteinfall, vor allem in der Regenzeit, schimmert das Fell leicht grünlich. Das geht auf eine Symbiose mit Algen zurück, die im Fell leben, wobei diese Symbiose teilweise der Tarnung vor Fressfeinden dient. Der Scheitel des Fells liegt nicht wie bei anderen Säugetieren auf dem Rücken, sondern wie bei den anderen Faultieren auf dem Bauch. Dies sorgt dafür, dass das Regenwasser besser abfließen kann. Die Gliedmaßen sind ausgesprochen lang und enden vorn in zwei, hinten dagegen in drei Strahlen. Diese sind etwa gleich lang und tragen lange, gebogene Krallen. Die Hinterfußlänge beträgt bis zu 14,8 cm.

Der Schädel wird zwischen 10 und 17 cm lang. An den Jochbeinen beträgt die Breite 7,3 cm, hinter den Augen aber nur 3,6 cm. Der Jochbogen ist nicht vollständig ausgebildet. Er weist am vorderen Ansatz aber einen zusätzlichen, nach unten weisenden Knochenfortsatz auf. Das Gebiss weicht wie bei allen Faultieren von dem für Säugetiere typischen ab. Je Kieferast sind oben fünf und unten vier Zähne ausgebildet, insgesamt also 18. Die hinteren erscheinen molarenartig, der jeweils vorderste ist konisch spitz und ähnelt dadurch dem Eckzahn, zudem ist er von den hinteren Zähnen durch ein größeres Diastema getrennt. Er überragt die hinteren Zähne deutlich. Schneidezähne sind nicht ausgebildet. Die obere Zahnreihe erreicht eine Länge von 4,5 cm.

Der Sehsinn des Eigentlichen Zweifingerfaultiers ist schlecht entwickelt und nur für kurze Distanzen bis 4 m ausgelegt. Lautäußerungen sind nur wenige bekannt. Jungtiere rufen ihre Mutter, wenn sie voneinander getrennt werden. Die ausgestoßenen Töne erreichen dabei niedrige Frequenzen von etwa 1,4 kHz. Bei erwachsenen Tieren konnte bisher lediglich ein Zischen dokumentiert werden.

Zweifingerfaultier (Tierpark Hellabrunn)

Zweifingerfaultier (Tierpark Hellabrunn)

Das Verbreitungsgebiet des Eigentlichen Zweifingerfaultiers umfasst das nördliche Südamerika von Kolumbien, dem östlichen Ecuador und Peru über Venezuela südlich des Orinoco, Guayana, Suriname und Französisch-Guayana bis nach Brasilien nördlich des Amazonas. Die südlichste Verbreitungsgrenze im westlichen Amazonasgebiet ist nicht vollständig geklärt, gelegentlich finden Sichtungen des Zweifingergürteltiers auch weit südlich des Amazonas statt. Vor allem im westlichen Amazonasgebiet kommt es teilweise zu Überschneidungen mit dem Verbreitungsgebiet des Hoffmann-Zweifingerfaultiers. Am häufigsten ist die Art in den feuchten tropischen Regenwäldern des Tieflandes des Amazonasbeckens anzutreffen, sie kommt aber auch bis in Höhen von 2438 m vor. Der Lebensraum wird durch einen hohen Niederschlag von mehr als 2000 mm jährlich und kurzen Trockenzeiten charakterisiert. Das gesamte Verbreitungsgebiet wird mit rund 4,2 Millionen Quadratkilometern angegeben. Die Populationsdichte schwankt dabei. Am Fluss Sinnamary in Französisch-Guayana beträgt sie etwa 0,9 Individuen je Quadratkilometer, kann aber auch auf bis zu 4,5 ansteigen. In der Region um Manaus liegt sie bei 0,13 Individuen je Hektar und bei Mamirauá im brasilianischen Bundesstaat Amazonas steigt sie auf 0,88 Individuen auf einer vergleichbaren Flächengröße an.

Die Lebensweise des Zweifingerfaultiers ist nur unzureichend erforscht, die meisten Daten beruhen auf Beobachtungen an Tieren in Gefangenschaft und nicht an wildlebenden. Es ist dämmerungs- und nachtaktiv und lebt einzelgängerisch, Sozialgemeinschaften sind nur zwischen Mutter- und Jungtier bekannt. Gelegentlich wurde aggressives Verhalten zwischen männlichen Individuen beobachtet, das mitunter tödlich endet. Dabei werden sowohl die scharfen Krallen, als auch die eckzahnähnlichen Vorderzähne eingesetzt. Fast sein ganzes Leben lang hält sich die Faultierart in den Baumkronen des Regenwaldes auf, etwa 24 bis 30 m über dem Erdboden. Mit den stark gebogenen Krallen klammert sich das Eigentliche Zweifingerfaultier kopfunter an Ästen fest, eine Position, die möglicherweise Balanceprobleme bei schwingenden Ästen mindert und energiesparend ist. Während der Ruhe liegt es mit dem unteren Rückenteil auf einem Ast und hält sich mit eins bis drei Gliedmaßen fest. Die Ruhephase nimmt fast 75 % der Tagesdauer ein, davon werden mehr als die Hälfte schlafend verbracht. Die Bewegungen sind allgemein langsam, nur rund 0,5 bis 0,6 km pro Stunde und maximal 1,6 km pro Stunde. Die Baumkronen werden meist nur zum Standortwechsel verlassen, häufig erfolgt dieser aber auch über das Geäst oder mit Hilfe herabhängender Lianen. Am Boden ist die Faultierart eher unbeholfen und bewegt sich dort auf den Ellenbogen und Unterarmen fort. Aufgrund des niedrigen Stoffwechsels muss das Eigentliche Zweifingerfaultier nur alle 3,4 bis 4,6 Tage defäkieren, was am Boden oder nahe der Stammbasis erfolgt. Dabei klettert es mit dem Kopf nach unten den Stamm hinab. Im Gegensatz zu den Dreifinger-Faultieren wird der Kot nicht vergraben. Dieser sammelt sich so häufig als kleiner Hügel um den Baum.

Über die Ernährungsweise des Eigentlichen Zweifingerfaultiers in freier Wildbahn ist aufgrund der nachtaktiven Lebensweise kaum etwas bekannt. Es ist aber wie sein Verwandter, das Hoffmann-Zweifingerfaultier, ein überwiegender Pflanzenfresser. Neben Blättern, Früchten, Hülsenfrüchten, Knospen und Blüten gehören auch Insekten, Eier, Nestlinge und kleine Wirbeltiere zum Speiseplan. Insgesamt ist die verzehrte Nahrungspalette des Hoffmann-Zweifingerfaultiers wesentlich vielfältiger als bei den Dreifinger-Faultieren, was auch für das Eigentliche Zweifingerfaultier angenommen werden kann.

Zweifingerfaultier (Tiergarten Schönbrunn)

Zweifingerfaultier (Tiergarten Schönbrunn)

Die Fortpflanzung des Eigentlichen Zweifingerfaultiers ist wenig erforscht. Die Weibchen werden mit etwa drei Jahren, die Männchen erst mit etwa viereinhalb Jahren geschlechtsreif. Die Paarungszeit ist ganzjährig, der Östrus findet alle 32 Tage statt. Nach einer Tragzeit von zehn Monaten bringt das Weibchen ein Junges zur Welt, die Geburt dauert etwa 35 Minuten. Das Geburtsgewicht beträgt rund 360 g bei einer Gesamtlänge von 21 bis 25 cm. Das Neugeborene hat geöffnete Augen und ein etwas dunkleres Fell als erwachsene Tiere. Es ist teilweise befähigt zu klettern und besteigt den Bauch der Mutter selbstständig (Nestflüchter). Die ersten neun bis zehn Lebensmonate verbringt das Jungtier auf dem Bauch des Muttertiers, dieses beschützt das Junge äußerst aktiv. Das Jungtier fängt bereits mit vier bis fünf Wochen an, feste Nahrung zu sich zu nehmen, deren Anteil sich nach und nach steigert. Nach drei bis fünf Monaten, wenn das Junge etwa 15 % des Gewichtes eines ausgewachsenen Tieres erreicht hat, erfolgt die Entwöhnung. Mit zweieinhalb Jahren sind die Tiere ausgewachsen. Der Abstand zwischen zwei Geburten liegt bei 16 Monaten.

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