Ordnung: | Raubtiere (Carnivora) |
Überfamilie: | Katzenartige (Feloidea) |
Familie: | Katzen (Felidae) |
Unterfamilie: | Kleinkatzen (Felinae) |
Gattung: | Echte Katzen (Felis) |
Art: | Wildkatze (Felis silvestris) |
Unterart: | Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) |
Im Erscheinungsbild ist die Europäische Wildkatze massiger und kraftvoller als die Hauskatze. Ausgewachsene männliche Wildkatzen weisen eine Gesamtlänge von 83 bis 97 cm und ein Gewicht von 3,0 bis 6,5 kg, weibliche eine Gesamtlänge von 73 bis 94 cm und ein Gewicht von 2,3 bis 4,9 kg auf. Der Schwanz ist dick und relativ kurz, weist eine typische Dreier-Ringelung auf und endet stumpf. Die Augen liegen weit auseinander. An der Sohle befindet sich ein kleiner, schwarzer Fleck. Das Fell an der Innenseite der Schenkel ist rötlich. Die Fellzeichnung der Wildkatze wirkt sehr verwaschen und ist nicht kontrastreich. Auf dem Rücken befindet sich ein typischer, durchgehender schwarzer Strich. Weiteres Erscheinungsmerkmal ist der helle Nasenspiegel (rosa).
Europäische Wildkatzen leben vorwiegend in Wäldern. Große Populationen kommen in Laubwäldern oder Mischwäldern vor, die von Menschen nicht gestört werden. Sie leben auch entlang von Küsten, am Rand von Sumpfgebieten, in Auwäldern und in der mediterranen Macchie. Sie meiden Gebiete mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Seit den 1920er-Jahren erholen sich die Populationen in Belgien, Tschechien und der Slowakei, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Großbritannien wieder, nachdem sie seit dem späten 18. Jahrhundert nahezu ausgerottet waren. Auf Korsika, Sardinien, Kreta, den Balearen und einigen kleineren Inseln im Mittelmeer gibt es ebenfalls Populationen.
Die deutsche Population wurde im Jahr 2000 auf 1700 bis 5000 Individuen geschätzt. In den 2000er-Jahren sind Wildkatzen aus den Vogesen in den Schwarzwald, den Pfälzerwald und weitere Gebiete im südlichen Baden-Württemberg eingewandert. Wildkatzen gibt es im Nationalpark Hainich, im Thüringer Wald, im Harz, im Hunsrück, in der Eifel, im Siebengebirge und auch im Saarland. In Nordhessen sind die Populationen heute ebenfalls wieder im Wachstum begriffen. Die Populationen sollen mit naturbelassenen Waldkorridoren verbunden werden oder sind es bereits.
In der Schweiz wurde die Katze im 18. und 19. Jahrhundert stark dezimiert oder, wie im Mittelland, ganz ausgerottet. Insbesondere im Schweizer Jura ist sie wieder präsent, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) 2011 angab. Eine im Auftrag des Bafu zwischen 2008 und 2010 durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass 2011 in der Schweiz schätzungsweise 450 bis 900 Wildkatzen auf einer Fläche von rund 600 Quadratkilometern leben. Das Untersuchungsgebiet konzentrierte sich auf den Schweizer Jura, da alle Wildkatzen, die in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen werden konnten, aus diesem Gebiet stammen. Allerdings ist der Grad der Hybridisierung von Bedeutung für die Einstufung der Gefährdung der Wildkatze. Denn wenn der sich ausbreitende Wildkatzenbestand in der Schweiz sich zu sehr mit Hauskatzen vermischt (wie dies zum Beispiel in Ungarn und Schottland der Fall ist), besteht die Gefahr, dass die Wildkatzen allmählich genetisch verschwinden.
In Österreich waren Wildkatzen ehemals im Alpenvorland Nord-, Ost- und Südösterreichs verbreitet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Populationen stark dezimiert und seither nur wenige Exemplare nachgewiesen. Sie gelten in Österreich als ausgestorben, ausgerottet oder verschollen. Derzeit gibt es keinen Hinweis auf eine ansässige reproduzierende Population in Österreich. Allerdings verdichten sich in den letzten Jahren die Meldungen über Sichtungen südlich der Donau.
Auf der Iberischen Halbinsel existieren kleine Bestände, etwa in der portugiesischen Reserva Natural Serra da Malcata. Auch im Kaukasus gibt es noch isolierte Wildkatzenbestände, die man früher für eine eigenständige Unterart der Wildkatze hielt, heute aber aufgrund molekulargenetischer Erkenntnisse Felis silvestris silvestris zurechnet.
Heute wird die Wildkatze vor allem durch Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft bedroht. Sie lebt ausschließlich in ruhigen und intakten Wäldern mit Altholzbestand. Nur im naturnahen Wald findet die Wildkatze alte Baumhöhlen, Fuchs- oder Dachsbaue, die sie für die Aufzucht der Jungen benötigt. Nur in ruhigen Wäldern kann die scheue Wildkatze ungestört jagen. Sie gilt oft als Zielart, an der gut festzustellen ist, ob ein Wald wirklich naturnah ist.
In letzter Zeit konnten sich die Bestände etwas erholen, vor allem, da die Art in vielen Staaten nicht mehr gejagt werden darf. Dennoch kommt die Wildkatze im westlichen Europa nur noch im nördlichen Schottland, in Teilen Spaniens und im Osten Frankreichs in etwas größeren Beständen vor. Im südöstlichen Europa hingegen sind die Bestände der Europäischen Wildkatze noch etwas umfangreicher. Die bisher vorherrschende Meinung war, die Katzenbestände seien, da bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Raubtiere verschrien, stark bejagt und deshalb vielerorts ausgerottet worden. Neuere veterinär-historische Untersuchungen lassen diese Darstellung zweifelhaft erscheinen, da die Bestände zeitgleich auch in Gebieten mit Totalschutz, wie etwa in Hessen, abnahmen. Pathologische Untersuchungsberichte verendet aufgefundener Wildkatzen aus der Zeit von 1850 bis 1920 lassen für den Rückgang der Wildkatze ein epidemisches Ereignis wahrscheinlich erscheinen.
Im Pleistozän war die Waldkatze weit über Europa verbreitet. Erst mit dem Rückzug des Eises wurde sie zum Waldtier.
Europäische Wildkatzen sind extrem scheu und meiden menschliche Nähe. Wie die meisten Katzenarten führen sie ein vornehmlich einzelgängerisches Leben und sind meist ortstreu. Sie sind Pirschjäger, die ihre Beute unbemerkt anschleichen und durch einen Überraschungsangriff mit einem Sprung fassen. Wildkatzen wagen sich nur in Ausnahmefällen auf freies Gelände ohne Deckung. Deshalb werden zum Beispiel in Thüringen ihre Verbreitungsgebiete mit naturbelassenen Waldkorridoren verbunden, um die Art wieder stabil anzusiedeln. Sie sind vielerorts tagaktiv, neigen in dichter besiedelten Gegenden aber auch zur Nachtaktivität. Ihr außergewöhnlich gutes Sehvermögen bei Dunkelheit befähigt sie dazu.
Ihre sehr hoch entwickelten Sinnesorgane, die zum Beispiel beim Geruchssinn dem des Hundes überlegen sind, und ihre als sehr hoch eingestufte Intelligenz lassen sie natürliche Gefahren frühzeitig erkennen. Mit 18 einziehbaren langen und kräftigen Krallen und ihrem sehr kräftigen Raubtiergebiss hat sie für ein Tier ihrer Größe eine sehr starke Bewaffnung. Zudem hat sie äußerst kurze Reaktionszeiten und ist dabei auch noch körperlich stark, aber dennoch sehr beweglich, was jedoch fast alle Katzenarten auszeichnet. Dies alles macht sie zu einer äußerst gefährlichen und erfolgreichen Jägerin auf Kleinwild.
Die Größe ihres Reviers richtet sich nach dem Angebot an Beutetieren und kann deshalb je nach Gegend sehr unterschiedlich sein. Ist der Lebensraum optimal, benötigt sie zwei bis drei Quadratkilometer, unter schwierigen Jagdbedingungen kann der Lebensraum auch neun und mehr Quadratkilometer umfassen. Männchen beanspruchen in der Regel größere Reviere als weibliche Tiere.
Die Paarungszeit der Europäischen Wildkatze ist in den Monaten Januar bis März. Die Tragzeit beträgt ca. neun Wochen, das Weibchen bringt in einem sicheren Versteck meistens zwei bis vier Junge zur Welt. Mit etwa sechs bis acht Monaten suchen sich die Jungtiere ein eigenes Wohngebiet. Die Sterblichkeit der jungen Wildkatzen ist hoch. Unter optimalen Bedingungen werden sie zwölf bis fünfzehn Jahre alt.
Verwilderte Hauskatzen bleiben in unmittelbarer Nachbarschaft menschlicher Siedlungen, Wildkatzen hingegen meiden die Nähe zum Menschen. Dies führt auch dazu, dass es praktisch nicht zu Mischlingen kommt. In ländlichen Gegenden können sich die Streifgebiete von Hauskatzen und Wildkatzen jedoch überlappen, aber auch das führt nur in den seltensten Fällen zu einer Vermischung der Arten, deren Nachkommen real offensichtlich nicht zu überlebensfähigen Mischlingen führen. Der Unterschied dieser völlig selbstständigen Arten der Kleinkatzen ist in der Natur offensichtlich größer, als es die optische Ähnlichkeit vortäuscht.
Wildkatzen gelten als einzige Katzen als absolut nicht zähmbar. Auch in Gefangenschaft geborene Tiere können nicht an den Menschen gewöhnt werden und lassen sich niemals freiwillig von ihm berühren. Gefangene oder in Gefangenschaft geborene Tiere brauchen große Gehege mit Verstecken. Bekommen sie diese, lassen sie sich vom Menschen beobachten, wenn der Mensch ihnen dabei nicht zu nahe kommt. Wildkatzen müssen sich vor den Menschen sicher fühlen, um sich zu zeigen. In Gefangenschaft aufgewachsene Tiere tolerieren die Nähe zum Menschen und kommen ihnen bekannten Menschen durchaus nahe. Bei der Fütterung ist es nicht ungewöhnlich, wenn sie ihnen zugeworfenes Futter in ca. zwei Meter Abstand fangen oder erbeuten. Sie kommen dabei auch völlig aus ihrer Deckung heraus, verschwinden aber sofort wieder dahin, wenn sie das Futter ergattert haben. Eine direkte Berührung durch den Menschen hingegen wird niemals erlaubt und führt immer sofort zu Abwehrreaktionen.
Freilebende Tiere meiden den Menschen und kehren niemals an Verstecke zurück, die Menschen entdeckt haben. Bilder freilebender Tiere gelangen erstmals in den 1950er-Jahren und sind auch heute noch extrem selten. Ein Nachweis der Existenz von Wildkatzen in einem Revier gelingt häufig nur indirekt.
Untersuchungen des Mageninhalts haben ergeben, dass Wildkatzen sich zu 80 % von Kleinsäugetieren (Wühlmäuse, Ratten usw.) ernähren. Nur gelegentlich greifen sie auf andere Tiere wie Vögel, Kaninchen, Eichhörnchen, Eidechsen, Fische, Frösche und Insekten zurück. Selten werden Hasen und Rehkitze erbeutet, nur extrem selten, anders als früher behauptet, (kranke oder geschwächte) Frischlinge oder Hirschkälber. Aas und pflanzliche Kost werden nur in Notzeiten genommen.