Oliver Pötzsch: Das Mädchen und der Totengräber (Rezension)

Wien 1894: Totengräber Augustin Rothmayer wird von Inspektor Leopold von Herzfeldt um einen ungewöhnlichen Gefallen gebeten: Der kauzige Totengräber vom Wiener Zentralfriedhof, der jede Spielart des Todes kennt, soll ihm alles über das Konservieren von Verstorbenen erzählen. Es geht um Leopolds neuen Fall: Im Kunsthistorischen Museum wurde ein Sarkophag mit einer Leiche gefunden. Doch es handelt sich nicht um eine jahrtausendealte Mumie. Der Tote ist ein berühmter Professor für Ägyptologie, dessen Leichnam erst vor Kurzem nach altem Ritus präpariert wurde. Schnell wird spekuliert, der Professor sei einem uralten Fluch zum Opfer gefallen. Doch weder Rothmayer noch von Herzfeldt glauben an eine übersinnliche Erklärung. Sie sind sich sicher: Es war Mord!
DAS MÄDCHEN UND DER TOTENGRÄBER ist der zweite Teil der Leopold von Herzfeldt-Reihe. Das Buch des Totengräbers habe ich hier besprochen, einfach aus dem Grund, da es keinen Tierbezug gab, welcher eine Rezension auf dem beutelwolf-Blog gerechtfertigt hätte. Diesmal ist es anders, obwohl die Fortsetzung so einiges zu bieten hat und noch besser ist als der Vorgänger, der ja schon ein Highlight war. Der namensgebende Totengräber (und das Mädchen) kommen zwar etwas kurz, aber dafür hat es die Handlung in sich: Da werden Stricher die Genitalien entfernt (lebend? betäubt? oder hoffentlich schon tot), ein Mumienfluch treibt sein Unwesen und alles führt in die höchsten Kreise, was Inspektor von Herzfeldt vor eine echte Herausforderung stellt. Wien und sein Naturhistorisches Museum in Verbindung mit ägyptischen Mumien sorgt schon für eine gespenstische Atmosphäre, die Oliver Pötsch meisterhaft umzusetzen vermag. Sein Wien und seine Charaktere sind authentisch und stellen auf eine gewisse Art wahre Originale dar. Schade, dass Augustin Rothmayer für meinen Geschmack etwas zu kurz kommt und vielleicht bekommt die dicke Elli auch mal eine größere Rolle). Man muss den Vorgänger nicht kennen, aber natürlich verpasst man dabei einen wirklich spannenden Thriller, der neben einigen ernsten Untertönen (die Stellung der Frau in der Gesellschaft, der Antisemitismus in der Gesellschaft, bzw. der Rassismus im allgemeinen) durchaus auch einige humoristische Szenen aufweist. Und in dieser Tradition wird die Reihe auch fortgesetzt.
Bisher verschwiegen habe ich den Tierbezug, der in DAS MÄDCHEN UND DER TOTENGRÄBER sehr präsent ist. Einer der Hauptschauplätze ist der Tierpark am Schüttel (im Roman als Tiergarten am Prater bezeichnet), den es tatsächlich gab. Sein damaliger Direktor, der Zoologe Friedrich Karl Auer spielt in dem Roman, neben einem Kurator, einer Völkerschau und diversen Tieren, eine größere Rolle, weshalb ich es durchaus vertreten kann, die Rezension hier zu veröffentlichen.
Wer mehr über den Tiergarten erfahren will darf gerne weiterlesen, alle anderen sollten zu dem empfehlenswerten Buch von Oliver Pötsch greifen.

Eingang des Tiergarten am Schüttel

Auf Anregung der Grafen August Breuner und Johann Wilczek wurde von einer privaten Vereinigung, der Wiener Tiergarten-Gesellschaft, der Tiergarten am Schüttel geschaffen und am 25. Mai 1863 eröffnet. Mehr als drei Jahre später, am 1. September 1866 wurde er wegen Unrentabilität geschlossen. Man wagte am 1. Mai 1868 eine Wiedereröffnung statt, diesmal versuchte man die Bevölkerung durch festliche Veranstaltungen anzulocken, aber das zögerte eine erneute Schließung nur hinaus. 1893 wurde der Tiergarten zum letztes Mal zum Leben erweckt, diesmal unter der Leitung von Friedrich Carl Knauer. Gezeigt wurden hauptsächlich ethnographische Schaustellungen, sogenannte Völkerschauen. Trotzdem wurde der Tiergarten 1901 endgültig geschlossen.

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2 Antworten zu Oliver Pötzsch: Das Mädchen und der Totengräber (Rezension)

  1. Rainer mair sagt:

    Irgendwann werden leider die immer gleichen dramaturgischen kniffe und Wendungen langweilig.
    Jedes buch von oliver poetzsch läuft nach dem gleichen Schema ab.
    Er bleibt aber trotzdem einer meiner lieblingsautoren, auch wenn ich mich immer öfter zum weiterkesen „zwingen“ muss.

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