Neue aus Wissenschaft und Naturschutz

26.05.2025, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Megalodon: Die abwechslungsreiche Diät des Riesenzahn-Hais
Der größte Hai, der jemals lebte – Otodus megalodon –, hat entgegen verbreiteter Annahmen Meerestiere verschiedener Stufen der Nahrungspyramide gefressen. Dies hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. Die Wissenschaftler*innen analysierten dazu das chemische Element Zink in zahlreichen fossilen Megalodon-Zähnen, die vor allem in gleich alten Gesteinsschichten in Sigmaringen und Passau gefunden worden waren, und verglichen sie mit fossilen Zähnen anderer Fundorte und Zähnen heutiger Tiere.
Der Megalodon war der größte Raubfisch, den die Erdgeschichte je sah: Mit bis zu 24 Metern war der Otodus megalodon länger als ein Lkw mit Anhänger, seine knapp 100 Tonnen Gewicht machten ihn mehr als doppelt so schwer. Das große Maul war mit handgroßen, dreieckigen Zähnen bestückt und konnte mit der Kraft einer hydraulischen Industriepresse zubeißen. Vor 20 bis 3 Millionen Jahren durchpflügte er die Weltmeere, immer wieder auf der Suche nach Beute, denn gewaltig wie seine Dimensionen war wohl sein Kalorienbedarf: Schätzungen zufolge benötigte er rund 100.000 Kilokalorien pro Tag. Die nahm er – so eine verbreitete wissenschaftliche Annahme – überwiegend in Form von Walen zu sich.
Das tat er zumindest dann, wenn er Wale bekommen konnte, meint Dr. Jeremy McCormack vom Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität. Denn der Megalodon hatte ein deutlich breiteres Beutespektrum als bisher vermutet, fand der Geowissenschaftler gemeinsam mit Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA heraus. Dazu untersuchten die Forschenden fossile Megalodon-Zähne – nahezu das einzige, was von dem Knorpelfisch übriggeblieben ist und dem Hai seinen Namen gab: Megalodon lässt sich mit „Großzahn“ übersetzen.
Aus den fossilen Zähnen extrahierten die Forschenden das Element Zink, das in verschieden schweren Atomvarianten (Isotopen) auftritt. Zink wird mit der Nahrung aufgenommen, wobei in Muskeln und Organen weniger des schwereren Isotops Zink-66 als des leichteren Isotops Zink-64 gespeichert wird. Fisch fressende Fische können demnach deutlich weniger Zink-66 in ihrem Gewebe einbauen, und wer wiederum sie als Beute erlegt, baut noch weniger Zink-66 ein. Otodus megalodon und sein Artverwandter Otodus chubutensis hatten daher an der Spitze der Nahrungskette das niedrigste Verhältnis von Zink-66 zu Zink-64.
„Da wir nicht wissen, wie das Verhältnis der beiden Zink-Isotope an der Basis der Nahrungspyramide aussah, haben wir die Zähne verschiedener prähistorischer und heutiger Hai-Arten miteinander und mit weiteren Tierarten verglichen und konnten so einen Eindruck von den Räuber-Beute-Beziehungen vor 18 Millionen Jahren erhalten“, erläutert McCormack. Die großen Zähne stammten dabei überwiegend aus Fossilienlagerstätten in Sigmaringen und Passau – dort erstreckte sich vor 18 Millionen Jahren entlang der Alpen ein mit weniger als 200 Metern Tiefe verhältnismäßig flacher Meeresarm, in dem sich neben dem Megalodon verschiedene andere Haiarten tummelten.
McCormack erklärt: „Meerbrassen, die sich von Muscheln, Schnecken und Krebsen ernährten, bildeten die niedrigste Stufe der von uns untersuchten Nahrungskette. Dann folgen zunächst kleinere Haiarten wie Requiemhaie sowie Ahnen unserer heutigen Wale, Delfine und weiterer Walarten. Größere Haie wie beispielsweise Sandtigerhaie standen noch weiter oben in der Nahrungspyramide, und die Spitze besetzen große Haie wie Araloselachus cuspidatus und die Otodus-Haie, zu denen Megalodon zählt.“ Scharf abgrenzen von den unteren Stufen der Pyramide lassen sich die Otodus-Haie jedoch nicht, hebt McCormack hervor: „Megalodon war durchaus flexibel genug, um sich von Meeressäugern und großen Fischen zu ernähren – je nach Verfügbarkeit sowohl von der Spitze der Nahrungspyramide als auch von den unteren Stufen.“
Die Vorstellung von einer strikt auf Meeressäuger spezialisierte Ernährungsweise von Otodus-Haien müsse daher revidiert werden, so der Paläontologe: „Unsere Untersuchung zeichnet von Megalodon eher das Bild eines ökologisch vielseitigen Generalisten.“ Vergleiche zwischen den Fossilien von Sigmaringen und Passau etwa hätten etwa gezeigt, dass die Passauer Individuen mehr Beutetiere aus tieferen Etagen der Nahrungspyramide gefressen hätten, was auch auf regionale Unterschiede im Beutespektrum oder zeitlich bedingte Änderungen der Beuteverfügbarkeit hinweise.
Sehr zufrieden ist McCormack mit den übergreifenden Ergebnissen des recht neuen Zink-Analyseverfahrens der Zähne, das nicht nur bei prähistorischen Hai- und Walarten schlüssige Ergebnisse lieferte, sondern auch bei Pflanzen fressenden Ur-Nashörnern und sogar heutigen Haiarten. McCormack: „Die Bestimmung des Verhältnis der Zinkisotope hat sich erneut als wertvolles Instrument für paläoökologische Rekonstruktionen bewährt.“
„Diese Methode kann uns viele weitere spannende Einblicke in die Lebensweise prähistorischer Tiere geben und Hinweise geben, wie sich die Meeresgemeinschaften im Laufe der geologischen Zeit verändert haben. Vor allem aber hat sie uns gezeigt, dass auch ‚Superfresser‘ nicht vor dem Aussterben gefeit sind“, fügt Kenshu Shimada, Paläobiologe an der DePaul University in Chicago und Mitautor der neuen Studie hinzu. Frühere Studien, darunter eine unter der Leitung von McCormack, hatten gezeigt, dass zumindest teilweise das Auftreten des modernen Weißen Hais für das Aussterben von Otodus megalodon verantwortlich ist.
Originalpublikation:
Jeremy McCormack, Iris Feichtinger, Benjamin T. Fuller, Klervia Jaouen, Michael L. Griffiths, Nicolas Bourgon, Harry Maisch IV, Martin A. Becker, Jürgen Pollerspöck, Oliver Hampe, Gertrud E. Rössner, Alexandre Assemat, Wolfgang Müller, Kenshu Shimada: Miocene marine vertebrate trophic ecology reveals megatooth sharks as opportunistic supercarnivores. Earth and Planetary Science Letters (2025) https://doi.org/10.1016/j.epsl.2025.119392

27.05.2025, Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN)
Sind Ziegen hilfsbereit? Neue FBN-Studie liefert Hinweise auf prosoziales Verhalten bei Nutztieren
Können Ziegen einander helfen? Eine neue Studie des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen von der Veterinärmedizinischen Universität Wien legt nahe, dass Ziegen prosoziale Verhaltensweisen zeigen – also bereit sind, anderen ohne direkten Eigennutzen zu helfen. Dies könnte einen wichtigen Beitrag zum Verständnis sozialer Kognition bei Nutztieren leisten.
In der im Fachjournal Royal Society Open Science veröffentlichten Studie entwickelten die Forscher:innen ein neuartiges Versuchsdesign – die sogenannte „Fake Apple Tree“-Apparatur, die vom natürlichen Kletterverhalten der Ziegen inspiriert ist. In dieser Versuchsanordnung kann eine Ziege durch Besteigen eines Podests eine Vorrichtung, den Ast des Baumes, auslösen, die einen Futterspender nach unten bewegt.
Die Ergebnisse zeigen: Ziegen interagierten signifikant häufiger mit dem Gerät, wenn es Futter für ihre Artgenossen enthielt. Zudem verharrten sie länger in der Position, in der sie nur dem Artgenossen den Zugang zum Futter ermöglichten – ohne selbst danach zu greifen. Ein solches Verhalten gilt auch bei anderen Tierarten als Hinweis auf prosoziale Motivation.
Was bedeuten diese Ergebnisse?
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ziegen durchaus in der Lage sind, anderen zu helfen, selbst wenn sie selbst nicht direkt davon profitieren. Die Ergebnisse erweitern das bisher limitierte Feld der untersuchten Arten hinsichtlich prosozialen Verhaltens und zeigen, dass auch Nutztiere Prosozialität zeigen. Zwar zeigten nicht alle Ziegen einheitlich prosoziale Tendenzen, doch die Variation zwischen den Individuen bietet spannende Ansatzpunkte für weiterführende Untersuchungen.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass prosoziale Tendenzen auch bei Nutztieren wie Ziegen auftreten, wenn man die Versuchsbedingungen an deren natürliche Verhaltensweisen anpasst. Durch die Entwicklung der ‚Fake Apple Tree‘ – Apparatur konnten wir zeigen, dass solche maßgeschneiderten Testdesigns entscheidend sein könnten, um soziale Motivationen zuverlässig zu erfassen. Dieser Ansatz bietet spannende Perspektiven, künftig prosoziales Verhalten auch bei anderen Tierarten näher zu untersuchen“, erklärt Dr. Jan Langbein, von der Arbeitsgruppe Verhalten und Tierwohl am FBN.
Warum ausgerechnet Ziegen?
Ziegen leben in sogenannten Fission-Fusion-Gesellschaften – dynamischen Sozialstrukturen, in denen sich Gruppen regelmäßig auflösen und neu zusammensetzen. Solche Systeme erfordern eine hohe soziale Anpassungsfähigkeit und bieten ideale Voraussetzungen, um Fragen nach Empathie, Kooperation und sozialem Lernen zu untersuchen. Die aktuellen Studien ergänzen die bisherige Forschung der Arbeitsgruppe „Verhalten und Tierwohl“ am FBN zu Aspekten von Lernen und Kognition von Nutztieren am Modelltier Ziege.
Originalpublikation:
Pahl A, Rault J-L, McGetrick J, Nawroth C, Langbein J. 2025 Do goats exhibit prosocial motivation? Insights from a novel food-giving paradigm. R. Soc. Open Sci. 12: 250556.
https://doi.org/10.1098/rsos.250556

27.05.2025, Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) e. V.
Fünf Jahre Bartgeier-Fieber: „Generl“ und „Luisa“ bereichern die deutsche Alpenwelt
LBV und Nationalpark Berchtesgaden wildern junge Bartgeier aus
Geier in Felsnische per Live-Webcam beobachten

Das bundesweit bekannte Bartgeier-Projekt des bayerischen Naturschutzverbands LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und des Nationalparks Berchtesgaden geht in das fünfte Jahr. Heute wurden die zwei jungen Bartgeier-Damen „Generl“ und „Luisa“ in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Die aktuell noch flugunfähigen Vögel werden in den kommenden Wochen ihre Muskulatur trainieren, um dann zu ihren ersten Flügen aufzubrechen. Seit 2021 konnten somit bereits zehn Bartgeier in die Natur des Nationalparks entlassen werden. 140 Jahre nachdem der Mensch sie ausgerottet hat, fliegen die gefährdeten Giganten nun wieder durch die Lüfte der deutschen Alpen. Das Gemeinschaftsprojekt zielt darauf ab, die zentraleuropäische, alpine Population dieser seltenen Vogelart entscheidend zu unterstützen und sie vor allem in den Ostalpen wiederanzusiedeln.
Beim offiziellen Festakt, bei dem Bartgeier-Fans aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen der Alpenregionen versammelt waren, gratulierte Dr. Christian Barth, Amtschef im Bayerischen Umweltministerium: „Mit diesen herausragenden Artenschutz- und Wiederansiedlungsprojekt bringen wir nicht nur eine einst heimische Tierart in die Bayerischen Alpen zurück. Wir stellen auch natürliche Prozesse im Ökosystem wieder her und begeistern unzählige Menschen für Natur und Artenvielfalt. Ein solches Projekt verdient unsere Anerkennung und Unterstützung“, so Dr. Barth. Das Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) durch Zuwendungen für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (LNPR) gefördert.
In den vier ersten Projektjahren wurden bereits fünf Bartgeier-Weibchen und drei Männchen wiederangesiedelt. „Wir sind sehr stolz, mittlerweile zehn Bartgeier erfolgreich im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert zu haben. Diese noch vor wenigen Jahren extrem seltene Vogelart kann nun regelmäßig bei uns in der Region gesichtet werden“, sagt der Leiter des Nationalparks Berchtesgaden Dr. Roland Baier. Die diesjährigen Bartgeier-Damen haben beide am 25. Februar das Licht der Welt erblickt. „Luisa“ stammt aus der Richard-Faust-Bartgeier-Zuchtstation im österreichischen Haringsee, während „Generl“ im Zoo Ostrava in Tschechien geboren und von Ammeneltern im Schweizer Natur- und Tierpark Goldau großgezogen wurde.
Als „Lämmergeier“ sagte man dem Bartgeier früher nach, es auf Vieh, Wild und kleine Kinder abgesehen zu haben. Deshalb wurde er verfolgt und im gesamten Alpenraum zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet. „Dank des gemeinsamen Wiederansiedelungsprojekts von LBV und Nationalpark ist der Bartgeier in seine einstige Heimat rund um den Watzmann zurückgekehrt. Nicht wie einst mit Aberglauben und Vorurteilen verbunden, sondern mit öffentlicher Begeisterung und großem nationalen sowie internationalem Interesse“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Vikar Daniel Jägers der Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Bad Reichenhall-Berchtesgaden sowie Pfarrer Herwig Hoffmann, Leiter des Pfarrverbandes Ramsau-Unterstein, segneten das Bartgeier-Team für einen sicheren Aufstieg in die Felsnische.
Namen für die neuen Bartgeier
Der österreichische Bartgeier erhielt den Namen „Luisa“. Er wurde von einer Familie aus dem Landkreis Starnberg vergeben, die langjährige und großzügige Förderer des LBV sind. Der in Tschechien geborene Junggeier trägt nun den Namen „Generl“, nach der Ramsauer Bergsteigerin Eugenie „Generl“ Buhl, der Witwe des Weltklasse-Alpinisten und Nanga Parbat-Erstbesteigers Hermann Buhl. Die Bergwacht Ramsau hat den Namen zu Ehren von Generl Buhl vergeben, die kürzlich im Alter von 100 Jahren verstorben war.
Aufstieg in die Auswilderungsnische
Nach dem Festakt setzten die Nationalpark- und LBV-Mitarbeitenden die beiden noch nicht flugfähigen Junggeier in Tragekisten und trugen sie den Berg zur Auswilderungsnische hinauf. „Nach dem geglückten Aufstieg haben wir die beiden Geier in Nester aus Fichtenzweigen und Schafwolle gesetzt. Anschließend haben wir den Vögeln die GPS-Sender angelegt, sie noch einmal untersucht und in der Nähe erstes Futter aus Rehknochen platziert. Direkt danach haben wir uns zurückgezogen, um den Geiern eine gute Eingewöhnung in ihre neue Heimat zu ermöglichen“, erklärt LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.
In der 1.300 Meter hoch gelegenen Felsnische werden die 88 Tage alten Bartgeier von nun an ohne menschlichen Kontakt weiter aufwachsen und ihre Flügel trainieren. In den kommenden Monaten werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vögel rund um die Uhr von einem nahegelegenen Beobachtungsplatz aus sowie mithilfe in der Auswilderungsnische installierter Infrarotkameras und eines Livestreams überwachen. „Die durchgehende Beobachtung ermöglicht uns, Unregelmäßigkeiten sofort zu erkennen. So können wir den beiden Vögeln einen optimalen Schutz bieten“, sagt Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel. Das Auslegen von Futter ohne direkten menschlichen Kontakt erfolgt je nach Bedarf im Abstand von mehreren Tagen. Der selbständige erste Ausflug der beiden Vögel dürfte nach ausgiebigen Flugübungen in etwa drei bis vier Wochen stattfinden.
Bartgeierprojekt zeigt Wirkung: Wildvögel und Rückkehrer im Alpenraum
Die ersten der in den Vorjahren ausgewilderten Bartgeier sind von ihren langen, und für die Art typischen Wanderungen bereits in die Region des Nationalparks zurückgekehrt. Ob Nepomuk, Recka oder Bavaria: Immer wieder werden die imposanten Vögel gesichtet. Selbst wild geschlüpfte Bartgeier aus dem Alpenraum werden mittlerweile regelmäßig in den Berchtesgadener Alpen nachgewiesen. „Wir erwarten in den nächsten Jahren die Bildung von ersten Brutpaaren und die Hoffnung wächst, dass in absehbarer Zeit das erste Bartgeierküken seit über 140 Jahren in Bayern schlüpfen könnte“, so Toni Wegscheider.
Live-Webcam in Felsnische
Wie sich die beiden Bartgeier entwickeln und wie sie ihre ersten Flugübungen machen, kann jede und jeder im Internet mitverfolgen. Über die weltweit einzige Bartgeier-Live-Webcam werden die Geschehnisse in der Auswilderungsnische auf unter www.lbv.de/bartgeier-webcam sowie unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de übertragen. In den darauffolgenden Monaten und Jahren kann auch der weitere Lebensweg der beiden Vögel mitverfolgt werden. Dank der GPS-Sender auf den Rücken der Vögel können Interessierte auf einer Karte unter www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen beobachten, wo die Bartgeier künftig unterwegs sind.

28.05.2025, Universität Greifswald
Neuer Krankheitserreger bedroht Fledermäuse
Ein Pilz, zwei Arten, Millionen tote Fledermäuse: Eine Studie, die am 28.05.2025 in der Fachzeitschrift Nature publiziert wird, hat mehr als 5000 Proben eines Pilzes analysiert, der für das größte dokumentierte Säugetiersterben durch einen Krankheitserreger verantwortlich ist. Ein internationales Team von Forschenden, unter Federführung einer Doktorandin der Universität Greifswald, hat in Zusammenarbeit mit Partnern aus Frankreich, Bulgarien, Finnland und der Ukraine und mehreren hundert freiwilligen Helfer*innen die Studie durchgeführt.
Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Risiken menschlicher Eingriffe in sensible Ökosysteme und machen deutlich: Höhlenforschung braucht strengere Biosicherheitsstandards – denn sollte eine zweite Pilzart nach Nordamerika gelangen, werden noch viel drastischere Todesraten erwartet.
Krankheiten treffen nicht nur Menschen: 2006 – 2007 wurde in einer Höhle im US-amerikanischen Staat New York ein unerklärliches Massensterben von Fledermäusen beobachtet. Die Tiere wiesen einen weißen Staub auf der Nase auf, der durch den damals unbekannten Pilz Pseudogymnoascus destructans verursacht wurde. Diese Pilzkrankheit, die sogenannte Weißnasenkrankheit, breitete sich in den folgenden Jahren rasch in Nordamerika aus. Sie dezimierte die überwinternden Fledermaus-Populationen mit jährlichen Sterblichkeitsraten von über 90 Prozent und verursachte den Tod von mehreren Millionen Fledermäusen. Die Forschenden fanden heraus, dass der Pilz ursprünglich aus Eurasien stammte. Dort koexistierte er mit Fledermäusen, ohne ein Massensterben zu verursachen. Seine versehentliche Einschleppung in Nordamerika löste allerdings eine der verheerendsten Epidemien aus, die jemals bei wild lebenden Säugetieren dokumentiert wurde.
Fast 20 Jahre lang glaubte man, dass die Geschichte dieses Krankheitserregers relativ einfach sei: ein einziger Erreger, ein identifizierter geografischer Ursprung (Europa) und gut verstandene Verbreitungsmechanismen. Doch neue genetische Daten offenbaren eine weitaus komplexere Geschichte und stellen unsere Gewissheit über den Ursprung, die Vielfalt und die evolutionäre Dynamik dieses pathogenen Pilzes infrage.
Nicht eine, sondern zwei Pilzarten verursachen die Krankheit
Bis vor kurzem galt Pseudogymnoascus destructans als der einzige Erreger der Weißnasenkrankheit. Die jüngst in Nature open access publizierte Studie, die auf der Analyse von 5479 Proben aus 27 Ländern und drei Kontinenten (Europa, Asien und Nordamerika) beruht, macht jedoch deutlich, dass es zwei verschiedene Pilzarten gibt, die die Krankheit verursachen können.
Allerdings wurde bislang nur eine der beiden Arten nach Nordamerika eingeschleppt. „Diese Entdeckung eröffnet neue Einblicke in die Entwicklung von Virulenz und in die Art und Weise, wie diese Krankheitserreger mit ihren Wirten in verschiedenen geografischen Kontexten interagieren“, sagt Dr. Nicola Fischer, Erstautorin der Arbeit. Sie schrieb ihre Doktorarbeit zu diesem Thema an der Universität Greifswald und der Universität Montpellier in Frankreich. „Wir dachten, wir kennen unseren Feind, aber jetzt entdecken wir, dass er doppelt so groß und potenziell komplexer ist als zunächst angenommen“, fasst Dr. Nicola Fischer zusammen.
Fledermäuse erheblich bedroht, sollte die zweite Pilzart nach Nordamerika gelangen
Die Entdeckung eines zweiten pathogenen Pilzes, der die Weißnasenkrankheit auslösen kann und eine andere Wirtsspezialisierung als die ursprünglich beschriebene Art aufweist, stellt ein erhebliches Risiko für den Schutz und die Erhaltung von Fledermäusen dar. Obwohl die zweite Art derzeit nicht in Nordamerika vorkommt, könnte ihre Einführung dort Fledermausarten bedrohen, die bisher noch nicht von der ersten Art betroffen waren. Darüber hinaus könnten selbst Fledermausarten, die sich allmählich von der Exposition gegenüber dem ersten Pathogen erholen, vor neuen Herausforderungen stehen, sollte sich die zweite Art ausbreiten.
Ursprung der Einschleppung nach Nordamerika geklärt
Durch die genetische Analyse von mehr als 5400 Proben, die in Eurasien und Nordamerika gesammelt wurden, identifiziert die Studie das Ursprungsgebiet, die für den nordamerikanischen Ausbruch der Weißnasenkrankheit verantwortlich ist: die Region Podillia in der Ukraine. Dieses Gebiet, das einige der größten Höhlensysteme der Welt beherbergt, ist seit dem Ende der Sowjetunion ein beliebtes Ziel für internationale, insbesondere nordamerikanische, Höhlenforschende.
Die Ergebnisse legen nahe, dass die zufällige Einschleppung des Pilzes nach Nordamerika – wahrscheinlich über den Austausch mit Forschenden aus dem Bundesstaat New York, wo die Krankheit erstmals nachgewiesen wurde – auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen ist. „Diese Arbeit beendet fast zwei Jahrzehnte andauernde Spekulationen über den Ursprung der Weißnasenkrankheit und veranschaulicht eindrucksvoll, welche Auswirkungen ein einzelnes Translokationsereignis auf Wildtiere haben kann“, so Dr. Sébastien Puechmaille, Koordinator der Studie an der Universität Montpellier.
Gefahr aus der Dunkelheit: Biosicherheit bei der Höhlenforschung zur Prävention von Krankheiten zentral
Diese Entdeckung verdeutlicht die großen Risiken, welche Höhlenforschungsaktivitäten für die Verbreitung von Krankheitserregern darstellen, und unterstreicht die Dringlichkeit einer besseren Kenntnis der „biologischen Verschmutzung“ im Zusammenhang mit menschlichen Reisen. „Die Verhinderung des unbeabsichtigten Transports von pathogenen Pilzen wie Pseudogymnoascus destructans muss zu einer Priorität in den Strategien zum Artenschutz und zum Gesundheitsmanagement werden, sowohl für die Tierwelt als auch für den Menschen“, sagt Dr. Sébastien Puechmaille. Die systematische und rigorose Reinigung der Höhlenforschungsausrüstung bietet sich als wesentliche Maßnahme an: Studien zeigen, dass sie das Vorhandensein lebensfähiger Pilzsporen drastisch reduziert und so die Ausbreitung des Pilzes, der die Weißnasenkrankheit verursacht, einschränkt.
Freiwillige im Zentrum wissenschaftlicher Entdeckungen
Diese Studie wäre ohne eine außergewöhnliche Mobilisierung freiwilliger Helfer nicht möglich gewesen. Die Forschenden konnten einen außergewöhnlichen Datensatz auswerten, da sie in der gesamten nördlichen Hemisphäre über 360 Freiwillige – vor allem Chiropterologen – an der Beprobung beteiligten.
„Dieses Projekt zeigt die Stärke der partizipativen Wissenschaft. Gut ausgebildete Freiwillige im richtigen Netzwerk können dazu beitragen, Daten von außergewöhnlicher Qualität in Größenordnungen zu generieren, die sonst unmöglich zu erreichen sind“, schließt Dr. Sébastien Puechmaille.
Publikation: Nicola M. Fischer, Sebastien J. Puechmaille et al: Two distinct host-specialized fungal species cause white-nose disease in bats (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09060-5.

28.05.2025, Universität Duisburg-Essen
Artenvielfalt durch Baukunst: Biber schaffen Lebensräume
Wo Biber bauen, steigt die Zahl wasserlebender Tierarten. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der Aquatischen Ökologie der Universität Duisburg-Essen. Die Wissenschaftler:innen verglichen Auen-Abschnitte mit und ohne Biber-Aktivität und fanden in Lebensräumen mit Dämmen deutlich mehr Arten als in unveränderten Bachabschnitten. Die Fachzeitschrift Freshwater Biology berichtet.
Die Biber sind zurück in Deutschland und verändern durch ihre Bauaktivitäten Bäche und ihre Auen grundlegend. Ein Team der Abteilung Aquatische Ökologie an der Universität Duisburg-Essen (UDE) untersuchte nun, wie sich die Tätigkeiten des größten einheimischen Nagetieres auf die Biodiversität der Umgebung auswirken. Die Wissenschaftler:innen verglichen dazu die Artenvielfalt dreier Biberreviere in der Eifel mit drei in der Nähe gelegenen Auen-Abschnitten, die nicht vom Nager verändert wurden.
Die Ergebnisse sind eindeutig: In den Biberrevieren erhöhte sich die Zahl der wasserlebenden wirbellosen Tiere um den Faktor 4,5; die Zahl der Arten verdreifachte sich fast. „Dabei ist auffällig“, so Dr. Sara Schloemer, Erstautorin der Studie, „dass in Biberrevieren keine Arten verschwinden. Im Gegenteil, es kommen über 140 dazu.“ Die von Naturschützer:innen manchmal geäußerte Sorge, der Biber würde freifließende, stark strömende Bachabschnitte in seinen Revieren zerstören, ist daher unbegründet. „Tatsächlich schafft er zusätzliche, faszinierende Lebensräume: Teiche, Dämme, versumpfte Zonen – ohne dass freifließende Abschnitte ganz verschwinden“, so Prof. Daniel Hering, Letztautor der Studie. Vor allem die Biberdämme selbst beherbergen eine ganz eigene Lebensgemeinschaft, die sich sonst nirgendwo findet. Biber könnend daher dazu beitragen, kostenfrei naturnahe und diverse Bachauen zu schaffen.
Ursprünglich in Gesamtdeutschland verbreitet, lebte der Biber aufgrund intensiver Verfolgung in der Mitte des letzten Jahrhunderts nur noch auf einem kleinen Bereich an der Mittelelbe. Heute schätzt der Bund für Umwelt und Naturschutz NRW seine Zahl wieder auf 1.500 bis 2.000 Tiere allein in Nordrhein-Westfalen.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1111/fwb.70046

28.05.2025, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Wenn der Wald kein Zuhause mehr ist – Waldfledermäuse suchen Zuflucht in Siedlungen
Viele heimische Fledermausarten sind Waldbewohner, so auch der Kleinabendsegler. Weil sie in forstlich genutzten Kulturen aber immer seltener Höhlen in alten Bäumen als Quartiere nutzen können, müssen sie auf Quartiere in Siedlungen ausweichen. Mit hochauflösenden GPS-Daten von Fledermäusen konnte ein Team unter der Leitung von Forschenden des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) so detailliert wie nie zuvor untersuchen, wie Kleinabendsegler ihre Lebensräume nutzen und welche Tagesquartiere sie aufsuchen. Sie fanden heraus, dass Kleinabendsegler vermehrt Unterschlupf in Altbaumbeständen von Siedlungen und in alten Gebäuden wie Dorfkirchen finden.
In der Publikation, die im „Journal of Environmental Management“ veröffentlicht wurde, fordert das Team stärkere Anstrengungen zum Erhalt von Fledermausquartieren in Siedlungen sowie eine ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft, die alte Bäume schützt und strukturreiche Wälder fördert.
Mit über 1.400 Arten weltweit sind Fledermäuse eine enorm artenreiche Säugetiergruppe. Viele heimische Arten wie der Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) sind klassische Waldbewohner, die auf Baumhöhlen und strukturreiche Wälder angewiesen sind. Das Forschungsteam zeigt mit seiner Studie nun, wie stark die heutzutage praktizierte Forstwirtschaft den Lebensraum dieser Tiere verändert – und wie wichtig gezielte Maßnahmen zum Erhalt ihrer Quartiere sind. Da in forstlich genutzten Kulturen alte Bäume mit geeigneten Quartierhöhlen oft fehlen, müssen Kleinabendsegler zunehmend auf Quartiere in Siedlungen ausweichen. Dort suchen sie alternative Unterschlupfe im Gemäuer alter Dorfkirchen und im alten Baumbestand von Parkanlagen oder Alleen.
Europäische Wälder werden seit Langem intensiv bewirtschaftet, was negative Folgen für viele spezialisierte Arten wie den Kleinabendsegler haben kann. Prof. Christian Voigt vom Leibniz-IZW und der Universität Potsdam erläutert die Hintergründe zur neuen Studie im Osten Deutschlands: „Wir stellten uns die Frage, wie der Kleinabensegler als typischer Waldbewohner auf die Intensivierung der Waldbewirtschaftung reagiert. Diese europäische Fledermausart ist auf strukturreiche Laubwälder mit vielen Spechthöhlen angewiesen, die sie allerdings in den altbaumarmen Kiefern-Monokulturen des Untersuchungsgebietes kaum noch findet.“ Der Kleinabendsegler ist zwar in Deutschland weit verbreitet, seine exakten Bestandsgrößen sind aber unbekannt.
Eichenwälder bevorzugt – Fichtenwälder gemieden: Erste detaillierte Einblicke in die Habitatnutzung des Kleinabendseglers
Für die Studie stattete das Forschungsteam 32 ausgewachsene Kleinabendsegler in Brandenburg mit miniaturisierten GPS-Loggern (Global Positioning System) aus. Dadurch konnten detaillierte Bewegungsdaten der Tiere gewonnen werden, die deren Nahrungssuche, Tagesruhe und Transferflüge präzise abbilden. „Dank der enorm hohen Auflösung der Bewegungsdaten der Fledermäuse konnten wir diese erstmals mit hochaufgelösten Landschaftsdaten vergleichen und somit die Analysen bis auf die Ebene einzelner Waldbaumarten sowie kleinräumiger Strukturen wie Feldgehölze, Hecken oder Baumreihen durchführen“, erklärt Wildtierbiologin Dr. Carolin Scholz vom Leibniz-IZW. „Einen derart detaillierten Einblick in die Lebensraumwahl des Kleinabendseglers gab es bislang nicht. Diese so gewonnenen Daten sind entscheidend, um die ökologischen Anforderungen der Art zukünftig besser zu berücksichtigen.“
Die Auswertung des Teams zeigt deutlich: Der Kleinabendsegler bevorzugt strukturreiche Eichenwälder als Lebensraum und meidet bestimmte Nadelwälder, darunter Fichtenwälder. Alte Bäume, insbesondere Eichen, spielen eine zentrale Rolle bei der Lebensraumwahl des Kleinabendseglers. Die Daten belegen überraschenderweise auch die Nutzung von Siedlungsräumen durch den Kleinabensegler. Fledermausexperte Dipl.-Biol. Uwe Hoffmeister vom natura Büro für zoologische und botanische Fachgutachten erläutert: „Mithilfe von GPS-Telemetrie konnten wir zeigen, dass der Kleinabendsegler zwar eichenreiche Waldstandorte bevorzugt, jedoch zunehmend auch Ortskerne und die Nähe historischer Dorfkirchen aufsucht. Wir vermuten, dass dies eine Reaktion auf den Mangel an geeigneten Tagesquartieren in forstlich genutzten Wäldern ist – die Tiere sind wohl gezwungen, auf alternative Lebensräume in Siedlungen auszuweichen, weil ihnen im Wald ihre ursprünglichen Quartiere verloren gegangen sind.“
Nachhaltige Forstwirtschaft und Erhalt alter Bäume auch in Siedlungen nötig
Neben dem Erhalt dieser alternativen Siedlungsquartiere sollte eine ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft praktiziert werden, die den Erhalt alter Bäume und strukturreiche Laub- und Mischwälder fördert. Nur so können Waldfledermäusen wie der Kleinabendsegler auch langfristig in den forstlich genutzten Wäldern überleben, so die Autorinnen und Autoren. Maßnahmen wie eine schonende Holzentnahme, längere Wachstumszeiten der Bäume vor der Ernte und das Fördern von Wäldern mit unterschiedlich alten Bäumen können die strukturelle Vielfalt deutlich erhöhen, ohne den wirtschaftlichen Nutzen der Forstwirtschaft grundsätzlich infrage zu stellen. Darüber hinaus sollte das Grün in unseren Siedlungen stärker als Rückzugsraum für Wildtiere wie Fledermäuse begriffen werden. „Alte und höhlenreiche Bäume sollten nicht nur in Forstplantagen, sondern auch im Siedlungsbereich für Wildtiere wie den Kleinabendsegler erhalten bleiben“, schließt Voigt.
Windkraftanlagen im Wald als zusätzliche Gefahr
Da Kleinabendsegler regelmäßig an Windkraftanlagen zu Tode kommen, könnte der Ausbau der Windenergienutzung im Wald die Bestandsentwicklung dieser Art negativ beeinflussen. Windenergieanlagen scheinen den Kleinabendsegler sogar anzulocken. Voigt erklärt: „Möglicherweise verwechselt der Kleinabendsegler in der Dämmerung die Silhouette der Anlagen mit großen Bäumen und fliegt sie auf der Suche nach Quartieren gezielt an. Da die Tiere in einer Höhe fliegen, in der sich auch die Rotorblätter der Windkraftanlagen bewegen, könnte das Kollisionsrisiko für die Fledermäuse deutlich erhöht sein.“ Es sei daher dringend geboten, die Lebensraumansprüche und das Bewegungsverhalten dieser hochmobilen Art besser zu berücksichtigen. Die vorliegende Studie liefert nun Daten, die es Forstwirten, Landschaftsökologen und Naturschutzbehörden ermöglichen, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Tiere einzuleiten. Neue Windenergieanlagen sollten beispielsweise nicht in der Nähe strukturreicher Laubwälder oder in der Nähe von Fledermausquartieren errichtet werden.
Originalpublikation:
Scholz C, Grabow M, Reusch C, Korn M, Hoffmeister U, Voigt CC (2025): Oak woodlands and urban green spaces: Landscape management for a forest-affiliated bat, the Leisler’s bat (Nyctalus leisleri). Journal of Environmental Management, Volume 387, July 2025, 125753. DOI: 10.1016/j.jenvman.2025.125753

30.05.2025, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Neue Studie zeigt Schlüsselrolle von Fledermäusen bei der artübergreifenden Verbreitung von Morbilliviren
Fledermäuse in den Tropen Amerikas sind ein Reservoir für Morbilliviren – eine Gattung von RNA-Viren, zu denen auch das menschliche Masernvirus gehört. Ihre Rolle bei der Ausbreitung dieser Viren auf andere Säugetierarten ist unklar. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des DZIF hat nun die Ausbreitung von Morbilliviren in Fledermäusen und Affen in Brasilien und Costa Rica untersucht und dabei neue Virusarten und Wirtswechsel von Fledermäusen auf andere Säugetierarten entdeckt. In der Studie fordern die Wissenschaftler:innen eine verstärkte Überwachung und experimentelle Risikobewertungen für reservoirgebundene Morbilliviren.
Morbilliviren sind hochansteckende Viren, die bei Menschen und Tieren schwere Krankheiten auslösen. Prominente Beispiele sind Masern beim Menschen, Staupe bei Fleischfressern und Rinderpest. Obwohl die Rinderpest erfolgreich ausgerottet wurde, stellen andere Morbilliviren nach wie vor eine erhebliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit und den Viehbestand dar. Trotz ihrer weiten Verbreitung unter verschiedenen Säugetierarten ist wenig über ihre Hauptwirte, ihre geografische Verbreitung und ihr Potenzial, auf neue Arten überzuspringen, bekannt.
Die Evolution von Morbilliviren in Fledermausarten der amerikanischen Tropen
Im Rahmen einer kürzlich in Nature Microbiology veröffentlichten Studie wurden mehr als 1.600 Fledermäuse aus Brasilien und Costa Rica untersucht. Die Forschenden fanden Hinweise auf eine Infektion mit bisher unbekannten Morbilliviren bei mehreren Fledermausarten, darunter auch Vampirfledermäuse, deren blutsaugendes Verhalten den Kontakt mit anderen Tieren begünstigt. Bei mehr als einem Drittel der untersuchten Vampirfledermäuse konnten Antikörper gegen ein neu entdecktes Vampirfledermaus-Morbillivirus nachgewiesen werden. Dies deutet darauf hin, dass solche Infektionen weit verbreitet sind und normalerweise nicht tödlich verlaufen.
Eng mit Fledermaus-Morbilliviren verwandte Morbilliviren bei Affen gefunden: Gefahr für den Menschen?
Morbilliviren wurden auch bei wilden Affen gefunden, die in Brasilien starben. Es gibt zwar keinen Beweis dafür, dass die Viren die Todesfälle verursacht haben, aber eine genetische Analyse ergab eine enge Verwandtschaft mit Morbilliviren von Fledermäusen. Labortests zeigten, dass die Affenmorbilliviren im Gegensatz zu den Fledermausmorbilliviren denselben Zellrezeptor wie das Masernvirus nutzen können. Dies weist auf ein potenzielles Übertragungsrisiko auf den Menschen hin. Glücklicherweise zeigte sich in weiteren Tests, dass Antikörper, die durch frühere Masern- oder Staupe-Infektionen gebildet wurden, Fledermaus-Morbilliviren neutralisieren können. Dies deutet auf eine gewisse Kreuzimmunität hin, die die Entwicklung von Impfstoffen erleichtern könnte.
„Obwohl Morbilliviren in Affen offenbar den menschlichen Masernrezeptor nutzen können, ist es noch zu früh, um festzustellen, ob sie eine Gefahr für den Menschen darstellen“, sagt Dr. Wendy K. Jo, Postdoktorandin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Erstautorin der Studie. „Diese Studie macht jedoch deutlich, wie wichtig die Überwachung solcher Viren bei Wildtieren ist.“
Artübergreifende Übertragung ist häufiger als erwartet
Evolutionsbiologische Analysen der Studie deuten darauf hin, dass Fledermaus-Morbilliviren sowie solche von Fleischfressern und Huftieren in der Vergangenheit mehrfach Artgrenzen überschritten haben. Dazu gehört die Übertragung von Fledermäusen auf Schweine und Affen. Es wird angenommen, dass ähnliche Wirtswechsel, an denen Fledermäuse beteiligt waren, in der jüngeren Vergangenheit zu neu auftretenden Krankheiten beim Menschen geführt haben, wie etwa SARS und Ebola.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Morbilliviren bei Fledermäusen häufiger und vielfältiger sind als bisher angenommen – und dass sie in seltenen Fällen auf andere Tiere überspringen können“, sagt Prof. Jan Felix Drexler von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Studienleiter und Wissenschaftler im Forschungsbereich „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ am DZIF. „Dies ist kein Grund zur Panik, sondern ein klarer Aufruf zur Wachsamkeit.“
Die Forscherinnen und Forscher plädieren für eine verstärkte Überwachung von Erregern in Wildtieren, für gezielte Risikobewertungen und langfristig für die Entwicklung von Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Impfstoffen, für Mensch und Tier.
Originalpublikation:
Jo KW et al., Ecology and evolutionary trajectories of morbilliviruses in neotropical bats, Nat Microbiol, May 27 2025, https://doi.org/10.1038/s41564-025-02005-8

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