Let’s talk about … Meereskrokodile

Steneosaurus bollensis (© N. Tamura)

Die Thalattosuchia sind eine ausgestorbene Gruppe überwiegend marin lebender Krokodilartiger des Mesozoikums (sogenannte Meereskrokodile). Ein Teil der Thalattosuchia entwickelte, wie eine Vielzahl anderer Meeresreptilien ihrer Zeit, verschiedene Anpassungen an ein dauerhaftes Leben im Meer, darunter eine Schwanzflosse oder zu Paddeln umgebildete Gliedmaßen.
Thalattosuchia waren eine an das Leben im Meer angepasste Gruppe von Krokodilartigen und zeigten als solche verschiedene Anpassungen wie einen hydrodynamischen Körper, Flossen und Salzdrüsen.
Die Thalattosuchia werden dabei zum Großteil in zwei Überfamilien unterteilt. Die Teleosauroidea, die äußerlich am ehesten den heutigen Gavialen oder Panzerkrokodilen ähnelten und die Metriorhynchoidea, welche sich im Lauf der Evolution zunehmend an eine rein pelagische Lebensweise anpassten und mit den später ausgeprägten Paddeln und Schwanzflossen eher Ichthyosauriern oder Mosasauriern glichen.

Thalattosuchia konnten je nach Art Körperlängen von eineinhalb bis etwa sieben Metern erreichen.
Der Schädel glich bei den meisten Teleosauroideen und frühen Metriorhynchoideen dem heutiger Krokodile. Die Schnauze war bei den meisten Thalattosuchia verlängert, bei einigen Gattungen wie Plagiophthalmosuchus war sie in Relation sogar länger als bei dem heutigen Gangesgavial. Bei einigen Metriorhynchiden wie Geosaurus oder Dakosaurus war sie hingegen deutlich verkürzt. Eine deutlich strukturierte Oberfläche der meisten Schädelknochen fehlt.
Die Augen waren bei den Metriorhynchoideen seitlich am Schädel angeordnet. Zusätzlich hatte diese Gruppe für Krokodilartige untypisch Skleralringe. Das obere Schläfenfenster war bei den Thalattosuchia im Vergleich zu den meisten heutigen Krokodilen deutlich vergrößert und das Schädeldach hinter den Augen nicht abgeflacht. Weitere charakteristische Merkmale des Schädels lassen sich unter anderem in den spezifischen Proportionen der Knochen, den auffallenden Gruben und Furchen im Oberkieferknochen und anhand von Besonderheiten der Neuroanatomie finden.
Die Zähne waren wie bei vielen anderen Krokodilartigen meist kegelförmig. Dennoch lassen sich je nach Ernährungsweise teils deutliche Unterschiede zwischen den Arten erkennen (siehe auch Ernährung und Fressfeinde). Mutmaßlich spezialisierte Fischfresser wie Pelagosaurus oder Aeolodon hatten grazile und spitz zulaufende Zähne. Machimosaurus und nah verwandte Gattungen hingegen verfügten über kurze, kräftige Zähne mit einer stumpfen Spitze, vermutlich um größere und schwer zu fressende Tiere wie Schildkröten zu erbeuten. Arten aus der Unterfamilie Geosaurinae besaßen ziphodonte Zähne als Anpassung an eine hyperkarnivore Ernährung.
Der Schultergürtel der Teleosauroideen glich im Grunde dem der heutigen Krokodile. Bei den Metriorhynchiden war er insgesamt schwächer ausgebildet. Das Rabenbein war fächerförmig. Die Vorderbeine waren kürzer als die Hinterbeinde und erreichten bei den meisten Thalattosuchia 20 bis 35 % der Rumpflänge. Form und Ausrichtung der Armknochen unterschieden sich von denen ihrer modernen Verwandten. Besonders deutlich ist das bei den Metriorhynchiden zu sehen, die ihre vorderen Gliedmaßen zu Paddeln umgewandelt haben. Ähnlich den Ichthyosauriern und Plesiosauriern waren ihre Oberarmknochen kurz und stämmig. Elle, Speiche und Handwurzel bestanden aus plattenförmigen Knochen. Ähnliches trifft auf den vordersten Finger als Vorderrand des Paddels zu, während die restlichen Finger weniger spezialisiert waren.
Der Beckengürtel der Teleosauroideen glich ebenfalls weitestgehend dem der heutigen Krokodile. Metriorhynchiden wiederum haben ihre Beckenknochen reduziert wie es sich zum Beispiel auch bei den ausgestorbenen Sauropterygiern beobachten lässt. Die Hinterbeine (ausschließlich der Zehen) der Metriorhynchoidea und „fortschrittlichen“ Teleosauroideen erreichten weniger als 50 % der Rumpflänge. Der Oberschenkelknochen hatte eine leichte S-Form. Bei den Neothalattosuchia war er außerdem deutlich länger als das Schienbein. Der für Archosaurier typische Vierter Trochanter wurde zurückgebildet. Die Mittelfußknochen der Metriorhynchoideen waren nicht länger als ihre Zehen.

Metriorhynchus superciliosus (© N. Tamura)

Metriorhynchiden hatten insgesamt sieben Halswirbel (Atlas und Axis ausgenommen). Bei den meisten anderen Thalattosuchia war die Anzahl höher. Arten des Tribus Rhacheosaurini hatten zusätzlich ihre Rumpfwirbelsäule verlängert, sodass die Zahl an Wirbeln vor der Beckenregion 25 betrug. Die meisten Thalattosuchia besaßen zwei Kreuzwirbel. Nur bei dem Tribus Machimosaurini hatte sich der vorderste Schwanzwirbel in einen dritten Kreuzwirbel umgewandelt. Der Schwanz konnte bei Metriorhynchiden die Hälfte der Gesamtlänge des Tieres erreichen. Besonders Rhacheosaurini hatten 50 oder mehr Schwanzwirbel. Bei Teleosauroideen war die Anzahl der Schwanzwirbel deutlich geringer.
Die Rumpfwirbel der Metriorhynchoideen lassen sich durch eine andere Ausrichtung der Rippenfortsätze von den Rumpfwirbeln anderer Thalattosuchia unterscheiden. Die Rippen der Kreuzwirbel waren bei Metriorhynchiden ungewöhnlich stark nach unten gerichtet.

Während sie bei den frühesten Thalattosuchia und den Teleosauroideen fehlte, hatte sich bei den Metiorhynchoidea bereits früh eine Schwanzflosse entwickelt. Diese war hypokerk, die knöcherne Stütze wurde also durch die nach unten gebogene Wirbelsäule gebildet. Ähnliches ist von Ichthyosauriern und Mosasauriern bekannt. Der knöcherne Teil der Flosse war zusätzlich versteift. Die Dornfortsätze waren deutlich vergrößert und entgegen dem Knick der Flosse gerichtet, auch die Chevronknochen waren, vermutlich als Ansatzstelle für eine kräftige Muskulatur, vergrößert.
Die Überreste des oberen weichteiligen Teils der Schwanzflosse sind aktuell nur von Rhacheosaurus und einem weiteren unbenannten Exemplar bekannt.
Es gibt Hinweise, dass sich selbst nahe verwandte Arten anhand ihrer Schwanzflosse voneinander unterscheiden lassen.

Die Haut der Teleosauroideen glich weitestgehend der der heutigen Krokodile. Die nachgewiesenen rauen, quadratischen Schuppen könnten mit einer aquatischen Lebensweise in Verbindung stehen. Auch verfügten sie, wie alle anderen bekannten Krokodilartige, über mehrere Reihen von Hautknochenplatten (Osteoderme) entlang ihres Körpers. Im Gegensatz zu den meisten heutigen Krokodilen waren diese auch auf der Bauchseite ausgeprägt. An den Gliedmaßen fehlten sie stattdessen.
Bei den Metriorhynchidae dagegen war die Haut glatt und schuppenlos. Während Osteoderme bei den frühesten Metriorhynchoideen wie Pelagosaurus oder Magyarosuchus noch vorkamen, waren sie spätestens bei den echten Metriorhynchiden komplett verschwunden. Die Haut der Metriorhynchiden weist große Ähnlichkeiten mit den bekannten Hautfunden von Ichthyosauriern und Plesiosauriern auf. Das stellt wahrscheinlich eine konvergente Evolution als Anpassung an eine vollmarine Lebensweise dar.
Bei dem wahrscheinlich pelagisch lebenden Teleosauriden Bathysuchus konnte mittlerweile ebenfalls eine Reduktion des Hautknochenpanzers nachgewiesen werden.

Thalattosuchia gehörten zu den ersten ausgestorbenen Reptilien, die wissenschaftlich bearbeitet wurden, wahrscheinlich waren sie sogar von allen fossilen Krokodilartigen die ersten, die in einer wissenschaftlichen Abhandlung vorgestellt wurden. Die ältesten bearbeiteten Reste wurden 1748 oder 1758 in den Unterjuraschichten des englischen Whitby entdeckt. Es herrschte nach der Entdeckung noch Uneinigkeit, ob es sich bei den Fossilien tatsächlich um einen Verwandten der heutigen Krokodile oder gar um einen fossilen Wal handeln würde. Das Exemplar lässt sich mittlerweile der Gattung Macrospondylus zuordnen. Ein weiteres Individuum aus der Nähe von Bad Boll, das später als Holotypus für Macrospondylus fungieren sollte, wurde tatsächlich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Johann Georg Gmelin erworben und an das Königliche Naturhistorische Museum in Dresden gespendet.

In den nachfolgenden Jahrzehnten wurden weitere Fossilien von Thalattosuchiern vor allem in den Gebieten von Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien entdeckt. Der erste, der zwei neue Arten anhand von Thalattosuchiafossilien benannte, war Samuel Thomas von Soemmering in 1814 bzw. 1816, namentlich Crocodilus priscus (heute Aeolodon) und Lacerta gigantea (heute Geosaurus), beide aus einem Kalksteinbruch bei Daiting Insgesamt lässt sich in 1820-50ern ein „Goldrausch“ in der Systematik der Thalattosuchia ausmachen. In diese Zeit fällt unter anderem die Benennung der heute (teilweise) noch anerkannten Gattungen Teleosaurus, Steneosaurus, Mystriosaurus, Pelagosaurus, Metriorhynchus und Rhacheosaurus. Erst mit der Arbeit von Jacques-Amand und Eugène Eudes-Deslongchamps hat sich die Einteilung der Thalattosuchia etwas stabilisiert.
Tatsächlich hat sich das heutige Verständnis der Thalattosuchia, bestehend aus den Hauptzweigen Teleosauroidea und Metriorhynchoidea (siehe Unterkapitel Innere Systematik) erst recht spät entwickelt. Oftmals wurden beide nicht als direkte Verwandte gesehen. Besonders die rein aquatischen Metriorhynchiden wurden wiederholt abseits der eigentlichen Krokodile gestellt und finden sich in Einteilungen des 19. Jahrhunderts vermehrt bei den Dinosauriern oder Mosasauriern und anderen Schuppenkriechtieren. Richard Lydekker war in den späten 1880ern der erste, der „Teleosaurinen“ und „Metriorhynchinen“ in eine direkte Verbindung setzte.

Dakosaurus maximus (© N. Tamura)

Der Name Thalattosuchia wurde zuerst 1901 von Eberhard Fraas eingeführt. Nach Fraas umfassten die Thalattosuchia lediglich die Familie Metriorhynchidae, zusammengesetzt aus den Gattungen Metriorhynchus, Dakosaurus und Geosaurus. Fraas begründete die Einführung eines neuen übergeordneten Taxons mit den besonderen Anpassungen im Körperbau der Metriorhynchiden, die sie als spezialisierte Hochseeformen auszeichneten. Auch sah Fraas seine Thalattosuchia innerhalb der Krokodile als eine eigenständige Linie ohne heutige Nachkommen. Das steht im Kontrast zu einigen vorherigen Ansichten, die Metriorhynchiden in die Stammlinie der Gaviale stellten,wie es bereits früh auch für die Teleosauroideen angenommen wurde.
Die Metriorhynchiden (zu dieser Zeit manchmal auch „Geosauridae“ genannt) wurden in den nachfolgenden Jahrzehnten meist als einzige Mitglieder der Thalattosuchia gesehen oder schlicht als synonym mit diesen behandelt.
Léonard Ginsburg war 1970 der erste, der die Thalattosuchia als eine Unterordnung bestehend aus Teleosauridae und Metriorhynchidae bezeichnete. Nachfolgende Autoren folgten diesem Schema.

 

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