Josef R. Reichholf: Stadtnatur (Rezension)

Prof. Dr. Josef H. Reichholf, Evolutionsbiologe, war bis April 2010 Leiter der Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung München und Professor für Ökologie und Naturschutz an der Technischen Universität München. Er war zudem viele Jahre lang Mitglied der Kommission für Ökologie der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) und des Vorstands/Präsidiums des World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland.
Reichholfs Publikationen haben verschiedentlich öffentliche Kontroversen ausgelöst.
Die Philosophin Anna Leuschner bezeichnete Reichholf als Klimaskeptiker, der „ohne Umschweife die Unsicherheiten in der Klimaforschung gegen die Glaubwürdigkeit der Prognosen“ ausspiele. Das Internetportal Klima-Lügendetektor warf ihm Falschaussagen vor, nachdem er in einem Gastkommentar in der Tageszeitung Die Welt behauptet hatte, die globale Erwärmung sei – im Widerspruch zu den Aussagen der Klimamodelle, die eine Erwärmung vorhergesagt hatten – seit anderthalb Jahrzehnten zum Stillstand gekommen. Tatsächlich gab es diesen Stillstand nie, und die drei vorangegangenen Jahre 2014, 2015 und 2016 waren jeweils die wärmsten seit Beginn der Messungen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warf ihm vor, in seinen Veröffentlichungen mit „falschen und irreführenden Klimakurven“ zu arbeiten und somit gegen die Regeln der „guten wissenschaftlichen Praxis“ zu verstoßen. Er ignoriere die im IPCC-Bericht dokumentierten Rekonstruktionen der Klimaentwicklung im letzten Jahrtausend und die aktuellen Forschungen in der Biologie zu den Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Tier- und Pflanzenarten. Reichholf nannte Rahmstorfs Angriffe ungerechtfertigt und unterstellte ihm ein unseriöses Vorgehen aus politischen Motiven. Die These, eine Erwärmung schade dem Artenreichtum, sei angesichts der Befunde in den Eiszeiten völlig abstrus.
Anlässlich der Veröffentlichung des Buches Stabile Ungleichgewichte und eines begleitenden Essays warf Wolfgang Cramer, Professor für Globale Ökologie an der Universität Potsdam und später Forschungsdirektor am CNRS, Reichholf vor, er rechtfertige mit seiner These anthropogene Fehlentwicklungen als biologische Notwendigkeit. Reichholf stelle Raubzüge und Kriege als „menschliche Ungleichgewichte“ dar und verleihe ihnen damit einen ungerechtfertigten Platz im Ökosystem.
Im November 2016 stellte Reichholf die These auf, dass die zu dieser Zeit unter Wild- und Nutzgeflügelbeständen grassierende Vogelgrippe H5N8 nicht, wie vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) angenommen, über Wildenten aus Asien eingeschleppt worden sei. Wahrscheinlicher sei, dass das Virus aus der Intensivtierhaltung stamme und über deren Futter und Erzeugnisse verbreitet werde; die tot aufgefundenen Wildvögel seien eher an Botulismus und schleichender Bleivergiftung durch Schrotkugeln verendet. Reichholfs Thesen wurden von vielen Tier- und Umweltschutzverbänden übernommen, z. B. von NABU und Provieh. Das FLI entgegnete im März 2017, es gebe „keinen Zweifel an der Feststellung, dass das Virus mit Zugvögeln aus Asien nach Europa gekommen ist“.

»Die gängige These, dass die ›böse Stadt das gute Land frisst‹, ist nicht mehr haltbar!«
Josef H. Reichholf
Ob Wildschweine in Berlin oder Wanderfalken in Köln – viele Wildtiere haben den urbanen Lebensraum längst für sich entdeckt. In einem Umland der Monotonie, geschaffen durch die moderne Land- und Forstwirtschaft, sind Städte zu Inseln der Vielfalt geworden. Ihre Natur ist inzwischen bunter und vor allem weniger
bedroht als auf dem Land – solange wir die weitere Verdichtung unserer Städte verhindern.
Josef H. Reichholf spricht Klartext, räumt mit gängigen Mythen auf und argumentiert gegen Nachverdichtung sowie eine pauschale Verteufelung fremder Arten. Zugleich zeichnet er ein liebevolles Bild von Waldkäuzen, Siebenschläfern & Co. und öffnet uns so die Augen für unsere tierischen Mitbewohner.

Ob Wildschweine in Berlin oder Wanderfalken in Köln, ganz zu schweigen von Füchsen und Waschbären – viele Wildtiere haben den urbanen Lebensraum längst für sich entdeckt und genießen die Vorzüge dieser. Moderne Land- und Forstwirtschaft machen das Landleben gefährlich (bis unmöglich) und die Ansichten von Stadt- und Landmenschen weichen auch voneinander ab, was sich auch auf die Tierliebe auswirkt. Diesen Konflikt nimmt Joseph H. Reichholf in Stadtnatur unter die Lupe. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und räumt mit gängigen Mythen auf. Gespickt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und eigenen Anekdoten zeigt Reichholf die Natur in der Stadt, hauptsächlich in München, aber auch außerhalb dieser kleinen Weltstadt. Natürlich wird auch dem Thema der Biodiversität und den Bioinvasoren Raum geboten und alles was vielleicht von anderen verteufelt wird (man denke an den nicht heimischen Schmetterlingsflieder) könnte für andere (Wildbienen und Schmetterlinge) durchaus nutzen haben. Und die Biodiversität nimmt in den Städten zu.
STADTNATUR ist ein interessantes Thema, zu dem Prof. Josef Reichholf auch einiges zu sagen hat, was er auch auf angenehme Art und Weise macht, aber … vielleicht versucht er auf wenigen Seiten (keine 200) zu viele Themen abzuhandeln, und so habe ich den Eindruck, dass, sieht man von einigen provokanten Gedankenspielen ab, interessante Themen oberflächlich abgehandelt werden und immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Dabei könnte er es besser, wie man beispielsweise an STADT, LAND, FUCHS sieht, ein Buch, das ein ähnliches Thema behandelt. Ich hatte nicht das Gefühl, das meinem Wissen über die Natur in er Stadt viel neues hinzugefügt wurde. Vielleicht sehen es Leser, die neu in diesem interessanten Thema sind, anders.

(Rezensionsexemplar)

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