Starten wir mit einem Ausflug in die Kindheit … in der Schule durften (manchmal muss man auch sagen mussten) wir Filme im Unterricht sehen, die extra für Bildungszwecke. Meiner Erinnerung nach waren diese nicht vergleichbar mit den Dokus, die man im TV zu sehen bekam, aber eine ist doch hängengeblieben (nicht vollständig, aber immerhin soweit, dass ich mich an manche Dinge noch nach Jahrzehnten erinnern kann). Darin ging es um Erik Zimen und seine Forschung.
Erik Zimen (* 12. Mai 1941 in Berlin; † 19. Mai 2003 in Grillenöd bei Haarbach, Niederbayern) war ein schwedischer Verhaltensforscher, der insbesondere über die Haustierwerdung und die Verhaltensgenetik der Wölfe und der Haushunde arbeitete. Im Nationalpark Bayerischer Wald und in den Abruzzen betreute er Forschungsprojekte mit Wölfen. Populär wurde Erik Zimen als Buchautor und Dokumentarfilmer.
Er galt als der bedeutendste Wolfsexperte und als einer der kenntnisreichsten Kynologen Deutschlands.
Er studierte in Zürich Zoologie und Ethnologie und promovierte beim Haustierexperten Professor Wolf Herre am Institut für Haustierkunde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel über das Verhalten von Pudeln und Wölfen (Vergleichende Verhaltensbeobachtungen an Wölfen und Königspudeln, Diss. 1970). Zeitweise verantwortete er auch den „Haustiergarten“ des Instituts. Schon für seine Doktorarbeit, begonnen Anfang 1967, verpaarte Zimen Wölfe und Königspudel, da er auch das Verhalten von deren Nachkommen – den sogenannten Puwos – untersuchen wollte. Untersucht wurde in Kiel zudem das Verhalten der nachfolgenden Generation aus der Verpaarung der Puwos untereinander. Zimen und seine erste Frau Dagmar lebten damals „einige Jahre lang inmitten eines Wolfsrudels und einer Pudelgruppe“. Als Ergebnis seiner Studien hielt Zimen u. a. fest, dass das Verhalten der Hunde keinesfalls als „ein negativer Ausfall artspezifischen Verhaltens“ der Wölfe gedeutet werden dürfe. Es sei vielmehr sehr wahrscheinlich, dass die Domestikation des Wolfes „eine neue Qualität“ des Verhaltens beim Haushund hervorgebracht habe. Er vermutete, dass die Stammform der heutigen Hunde weniger menschenscheu gewesen sei als die heutigen Wölfe, aber scheuer als unsere Hunde: „Heute kennen wir nur die beiden Extremformen der Entwicklung: den wilden Wolf und den zahmen Hund.“ Die relativ leichte Formbarkeit des Verhaltensmerkmals Zutraulichkeit–Scheuheit „war demnach nicht nur die Voraussetzung dafür, dass der Wolf bis heute trotz aller Verfolgung überleben konnte, sondern auch dafür, dass er einst zum Hund wurde“.
Puwos (Pudelvater, Wolfsmutter) und Wopus (Wolfsmutter, Pudelvater) wurden in den 1960er Jahren durch Erik Zimen bekannt, der an ihnen die Evolution des Verhaltens von Wolf und Haushund studierte. Dabei ließen sich Pudel und Wolf leicht aneinander gewöhnen und es kam auch zur Verpaarung, wenn die Gattenwahl völlig freigestellt war (wenn mehrere Wölfe und Pudel zusammenlebten). Auch die umgekehrte Verpaarung Wopus war mehrfach erfolgreich, wobei dies schwieriger war, da Wolfsrüden nicht permanent paarungsbereit sind und Hündinnen daher zur Zeit der Wolfsbrunst läufig sein mussten.
Besonderes Interesse galt dabei der F1-Generation[A 1] und der F2-Generation, die durch Verpaarung von Puwos untereinander entstand.
Puwos werden außerhalb der akademischen Forschung nicht gezüchtet und daher normalerweise auch nicht als Haustiere gehalten. Erik Zimen berichtete, dass keines der Exemplare, die an Privatpersonen weitergegeben wurden, Probleme bereitet hätte.
Ob es heute noch Puwos oder Wopus gibt weiß ich nicht.
Es gibt aber weit mehr als Wolfs/Pudel-Hybride.
Ebenfalls im Zuge der Untersuchungen am Kieler Institut für Haustierkunde wurden nicht nur innerartliche Verpaarungen von Hunden vorgenommen, wie sie die von Wolf und Haushund sind, sondern es wurden auch nah verwandte Hunde (Caniden) gekreuzt. Kojoten und Haushunde; wilde Nachkommen werden als Coy Dogs bezeichnet, die in Kiel, bei denen wiederum Pudel die Partner waren, wurden Puko bzw. Kopu genannt. Kreuzungen aus Goldschakalin und Pudelrüde wurden Puscha genannt.
Pucoys (auch Puko) sind experimentelle Kreuzungen von Pudelrüden (männliches Tier) und Kojotenfähen (weibliches Tier), also von Caniden zweier Arten. Mit Kojotenvater und Pudelmutter werden sie auch als Kopu bezeichnet.
Kreuzungen wurden ab den 1960er Jahren unter Leitung von Wolf Herre am Institut für Haustierkunde der Universität Kiel durchgeführt und untersucht. Die Verpaarungen waren nur möglich, indem die Tiere allein aufgezogen wurden, andernfalls wichen sie einander aus.
Die Nachkommen waren nur begrenzt fruchtbar. Verpaarungen von Kojotenrüden mit Pudelweibchen wurden in Kanada durchgeführt. Sie sind schwieriger zu erreichen, da die Kojotenrüden zunächst mit der Hitze der Hündin nichts anzufangen wissen, wogegen Pudelrüden ständig deckbereit sind. Später gelangen entsprechende Kreuzungen auch in Kiel.
Verpaarungen von Haushunden und Kojoten kommen auch unter natürlichen Bedingungen vor, wenn Kojoten in menschliche Siedlungen vordringen. (Es kommt auch vor, dass Haushunde von Kojoten getötet werden.) Die Nachkommen werden Coy Dogs genannt. Dorit Feddersen-Petersen schreibt in Hundepsychologie, dass Coy Dogs die Kojotenbestände nicht gefährden würden, da sie der Kojotenpopulation gegenüber im Nachteil und weniger anpassungsfähig wären.
Die Mitglieder der Gattung Canis können sich potenziell untereinander fortpflanzen. Bei Wölfen und Haushunden und Kojoten und Haushunden ist das keine Seltenheit, auch Dingos paaren sich mit Haushunden. Es wird jedoch angenommen, dass Cuon, Lupulella und Lycaon sich weder untereinander noch mit Canis fortpflanzen können. Die Gattung Lupulella (Streifenschakal und Schabrackenchakal) könnte sich theoretisch untereinander fortpflanzen und fruchtbare Nachkommen zeugen. Eine Untersuchung der mütterlichen mitochondrialen DNA des Schabrackenschakals konnte jedoch keine Hinweise auf Genotypen seines wahrscheinlichsten Partneres, des Streifenschakals, finden. Dies deutet darauf hin, dass sich männliche Schabrackenschakalenicht mit ihrer Schwesterart fortgepflanzt haben.
Wenn die Unterschiede in Anzahl und Anordnung der Chromosomen zu groß sind, wird eine Hybridisierung immer unwahrscheinlicher. Andere Mitglieder der größeren Hundefamilie (Canidae), wie etwa südamerikanische Hundeartige, Echte Füchse, Löffelhunde oder Marderhunde, die sich vor 7 bis 10 Millionen Jahren abspalteten, sind weniger eng mit den wolfsähnlichen Hundeartigen verwandt, besitzen weniger Chromosomen und können sich nicht mit ihnen kreuzen.
2021 wurde in Vacaria City, Rio Grande do Sul, Brasilien, ein weiblicher Hund mit ungewöhnlichen phänotypischen Merkmalen gefunden. DNA-Analysen ergaben, dass es sich um einen Hybriden aus Pampasfuchs und Haushund handelte. Dieses Tier, das als „Dogxim“ oder „Graxorra“ bezeichnet wurde, ist der erste dokumentierte Fall einer Hybridisierung zwischen diesen beiden Arten.
Das Tier zeigte Verhaltensweisen, die sowohl von Fuchs als auch von Hund stammten. Ein Team von Genetikern unter der Leitung von Thales Renato Ochotorena de Freitas und Rafael Kretschmer gab 2023 bekannt, dass es sich genetisch um einen eigenständigen Hybriden handele, der „den ersten dokumentierten Fall einer Hybridisierung zwischen diesen beiden Arten [Pampasfuchs und Haushund] darstellt“.
Sie wurde als erster dokumentierter „Fuchs“-Hund-Hybrid weltweit bekannt.
Dogxim wurde im Tierpflegezentrum Mantenedouro in São Bras gehalten. Als die Wissenschaftler im September 2023 neue Fotos des Canidentiers anforderten, teilten die Pfleger mit, dass es sechs Monate zuvor gestorben war. Die brasilianische Regierung leitete daraufhin eine Untersuchung zur Todesursache ein.
Die Todesursache ist bis heute nicht abschließend geklärt.
Zum Thema Hybridisierung von Wild- und Haushunden ist aber noch nicht alles gesagt …
Mischlinge zwischen Haushunden und Wölfen, Dingos und Kojoten sind auch in der Natur möglich. Mischlinge zwischen anderen Arten der Hundefamilie und Haushunden eher unwahrscheinlich (und theoretisch unmöglich, zumindest solange, bis ein entsprechender Hybrid gefunden wird).



