Der Rothund in Brehms Tierleben (Archiv)

(Erstveröffentlichung am 8. Januar 2018)

Rothund (Zoo Magdeburg)

Rothund (Zoo Magdeburg)

Gray zerfällt die Familie und so auch die Wölfe in viele Unterabtheilungen, denen er den Rang von Sippen beilegt. Unter ihnen stellt er eine Gruppe obenan, welche er Urhunde (Cuon) nennt und wegen ihres, aus nur 40 Zähnen bestehenden Gebisses in einer besonderen Sippe vereinigt. Die hierher gehörigen Arten mögen hundeartige Wölfe genannt werden. Ihr Kopf ist verhältnismäßig breit, die Schnauze kurz, das aufrecht stehende Ohr hoch, unten breit, oben zugespitzt, der Augenstern rund, der Leib kräftig, in den Weichen eingezogen, der Schwanz buschig und hängend, das Bein stämmig, die langbehaarte Pfote kräftig. Im Verhältnis zu ihrer mäßigen Größe sind alle hierher zu zählenden Arten oder, was keineswegs undenkbar, nach Murie’s Untersuchungen sogar als kaum zweifelhaft angenommen werden muß, Spielarten einer und derselben Art, sehr jagdlustige und jagdtüchtige Thiere.
Alle als Cuon bezeichneten Arten gehören heute einer einzigen an, dem Rothund.

Kolsum (Canis dukhunensis)
Oberst Sykes beschrieb einen längst bekannten Wildhund Indiens, den Kolsum oder Dole (Canis dukhunensis, Cuon dukhunensis, Canis dhola), in welchem er den Stammvater aller Haushunde zu erkennen meinte. Das Thier, welches, nach seiner Angabe, größere Aehnlichkeit mit dem Windspiele als mit dem Wolfe oder Schakal haben soll, besitzt ungefähr die Verhältnisse eines mittelgroßen Windhundes, bei 1,2 Meter Gesammt- und 20 Centim. Schwanzlänge, 45 bis 50 Centim. Höhe am Widerrist, und ist bekleidet mit einem gleichmäßig dichten, aus ziemlich kurzen, nur an der Ruthe verlängerten Haaren bestehenden Pelze von schön braunrother, unterseits lichterer, auf der Schnauze, den Ohren, an den Füßen und der Schwanzspitze dunklerer Färbung.
Der Kolsum bewohnt Indien, insbesondere Dekan, die Gebirge Nilgiri, Balaghat, Hyderabad und die östlich der Küste Coromandel gelegenen Waldgegenden; in anderen Theilen des großen Reiches scheint er nicht vorzukommen. Auch in Gegenden, welche er bevorzugt, ist er nicht eben eine häufige Erscheinung; viele Besucher Indiens haben ihn daher als ein fabelhaftes Wesen, als ein Märchen der Eingeborenen angesehen. Als ein sehr scheues Thier hält er sich fern von dem Menschen und seinen Wohnungen, dafür jene dunklen Rohrwaldungen vorziehend, welche uns unter dem Namen von Dschungeln bekannt sind, jene Dickichte, welche sich über Hunderte von Meilen ausdehnen und dem Menschen nur hier und da Zutritt gestatten.
In seinen Sitten und Gewohnheiten zeigt der Kolsum viel eigenthümliches. Er schlägt sich wie seine Sippschaftsverwandten in stärkere oder schwächere Meuten, deren durchschnittliche Anzahl aber doch fünfzig bis sechszig sein soll, jagt, abweichend von den anderen Hunden, ganz still oder läßt wenigstens nur in großen Zwischenräumen seine Stimme ertönen. Diese ist kein Bellen, sondern eher ein ängstliches Wimmern, welches dem Geheule des Haushundes ähnelt. Alle Berichte stimmen überein, daß er ein außerordentlich geschickter Jäger ist. Williamson, welcher ihn mehrmals bei der Verfolgung einer Beute beobachtet hat, glaubt, daß kein einziges Thier bei einer längeren Jagd diesem Urhunde entkommen könne. Hinsichtlich der Jagd ähnelt er im ganzen dem Wolfe, unterscheidet sich von ihm aber durch seinen ungewöhnlichen Muth und sein freundschaftliches Zusammenhalten. Sobald die Meute ein Thier aufgestöbert hat, jagt sie ihm mit der größten Ausdauer nach, theilt sich auch wohl, um ihm den Weg nach allen Seiten hin abzuschneiden. Dann packt es der eine an der Kehle, reißt es nieder, und alle stürzen über den Leichnam her und fressen ihn in wenigen Minuten auf. Mit Ausnahme des Elefanten und des Nashorn soll es, wie man sagt, kaum ein einziges indisches Thier geben, welches mit dem Kolsum es aufnehmen könne. Der wüthende Eber fällt ihm zum Opfer, trotz seines gewaltigen Gewehres, der schnellfüßige Hirsch ist nicht im Stande, ihm zu entrinnen. Am besten soll noch der Leopard daran sein, weil die Meute des Kolsum ihm nicht in die Zweige folgen kann, welche er augenblicklich aufsucht, sowie er sich angegriffen sieht; wird ihm aber sein Zufluchtsort in den Baumkronen abgeschnitten, so ist auch er ein Kind des Todes, trotz aller Gegenwehr. Man versichert, daß es der Meute vollkommen gleichgültig sei, wenn ihre muthigsten Genossen bei einem Angriffe auf ein gefährliches Thier, wie es der Tiger oder der Bär ist, gelichtet würden: es können zehn und mehr unter den Tatzenschlägen des Tigers verbluten oder an der Bärenbrust erdrückt werden, die übrigen verlieren den Muth nicht, sondern stürzen sich immer von neuem mit solcher Kühnheit und solchem Geschick auf ihren Gegner, daß sie ihn zuletzt doch ermüden und dann sicher noch erwürgen. Diesen blutigen Kämpfen zwischen größeren Raubthieren und dem Kolsum schreibt man die Seltenheit des Thieres zu; außerdem dürfte diese Hundeart, so glaubt man, in einer Weise sich vermehren, daß es in Indien bald gar keine Jagd mehr geben würde.
Den Menschen soll unser Wildhund niemals angreifen, ihm vielmehr, so lange er kann, ängstlich aus dem Wege gehen; wird er aber angegriffen, dann beweist er seinen Muth auch dem Menschen gegenüber und ist kein zu verachtender Gegner.

Buansu (Brehms Tierleben)

Buansu (Brehms Tierleben)

Buansu (Canis primaevus)
Ebenso wie in Kolsum glaubte man auch in dem Buansu oder Buansua, Ramhun der Bewohner Kaschmirs (Canis primaevus, Cuon primaevus, Canis himalayanus), den wilden Urhund zu finden. In Gestalt, Färbung, Wesen und Sitten hat er die größte Aehnlichkeit mit jenem. Seine Gesammtlänge wird zu 1,5 Meter, die Schwanzlänge zu 35, die Höhe am Widerriste zu 53 Centim. angegeben; der ziemlich lange und dichte Pelz ist ebenfalls dunkel rostroth, auf dem Rücken schwarz gesprenkelt, weil hier die einzelnen, an der Wurzel lichten Haare schwarz und rostroth geringelt sind, unterseits röthlichgelb, der Schwanz an der Wurzel blaßrostfarben, an der Spitze schwarz, die Iris rothbraun.
Der Buansu ist ebenso scheu und hält sich ebenso zurückgezogen wie der Kolsum. Die dichtesten und unzugänglichsten Wälder und andere Dickichte, mit welchen die so reiche Pflanzenwelt den dortigen Boden deckt, zieht er jedem anderen Aufenthalt vor. »Obschon nicht eben selten im Höhengürtel des westlichen Himalaya«, sagt Adams, »wird der Ramhun doch selten gesehen. So listig und spitzbübisch ist sein Auftreten, daß selbst eingeborene, mit dem von ihm angerichteten Verheerungen wohl vertraute Jäger ihn niemals zu Gesicht bekommen haben. In den Pinjalbergen bin ich seinen Spuren meilenweit gefolgt, habe auch Lager gefunden, in denen wenige Stunden vorher ganze Meuten gelegen hatten, niemals aber war ich so glücklich, mit ihnen zusammenzutreffen. Wie es scheint, liegen sie über Tages in Löchern oder Höhlen und jagen nur in den frühen Morgen- und Abendstunden. Die Erzählungen der Eingeborenen sind sehr verschieden und oft sich widersprechend.« Bekannt ist etwa das Nachstehende:
Der Buansu jagt ebenfalls in Meuten, unterscheidet sich aber bei seiner Jagd von dem vorigen hauptsächlich dadurch, daß er ununterbrochen Laute von sich gibt, während er läuft, und zwar stößt er ein sonderbares Gebrüll aus, welches von der Stimme des Haushundes ganz verschieden ist und ebenso wenig etwas gemein hat mit dem langen Geheule der Wölfe, des Schakals oder des Fuchses. Die Anzahl der Mitglieder einer Meute ist nicht groß, sondern beträgt höchstens acht bis zwölf. Nach allen Beobachtungen wird das jagende Thier durch seinen vorzüglichen Geruch geleitet; wenigstens folgt es der Nase entschieden mehr als dem Auge. Wie gesagt wird, theilt der Buansu mit dem Hiänenhunde, welchen wir später kennen lernen werden, die Lust, gefährliche Raubthiere anzugreifen und zu tödten oder wenigstens zu vertreiben, fällt aber lieber Hirsche, Steinböcke, Schafe und Ziegen an und ist deshalb ein höchstverhaßter Besucher der Gehöfte und Hürden. Ein Freund von Adams sah eine Meute unseres Urhundes ein Rudel Hirsche eifrigst verfolgen, und Eingeborene Kaschmirs erzählten, daß das Raubthier überhaupt nur wenige größere Vierfüßler verschone.
Jung eingefangene Buansus werden sehr zahm, zeigen bald große Anhänglichkeit an ihren Pfleger, und lassen sich, wenn dieser es versteht, zu trefflichen Jagdgehülfen abrichten. Leider scheint der Buansu bloß seinem Herrn unterthan sein zu wollen: er ist für andere Jäger nicht nur unbrauchbar, sondern wegen seines scharfen Gebisses sogar gefährlich.

Adjag (Canis sumatrensis)
Wahrscheinlich stimmt der Urhund der Sundainseln und Japans, dort Andjingadjag, hier Jamainu genannt (Canis sumatrensis oder Cuon rutilans, hadophylax und hippophylax), mit einer der beiden beschriebenen festländischen Arten überein; möglicherweise bildet er eine selbständige Art: bestimmtes dürfte erst zu sagen sein, wenn man Kolsum, Buansu und Adjag oder Jamainu lebend nebeneinander gesehen und verglichen haben wird. In der Größe und Färbung scheint sich der letztgenannte wenig von den beschriebenen Verwandten zu unterscheiden; im Gebisse aller drei lassen sich, nach mündlichen Mittheilungen Hensels und den Angaben Murie’s, durchgreifende Unterschiede nicht nachweisen. Auch der Adjag steht dem Wolfe an Stärke merklich nach und trägt einen gelblichfuchsrothen, unten lichteren Pelz.
Die großen Sundainseln und Japan bilden die Heimat des Adjag; auf ersteren kommt er bis zu tausend Meter unbedingter Höhe über dem Meere vor. »Als ich«, schildert Junghuhn, »am 14. Mai 1846 aus dem Küstengebüsche des Tandjung-Sodong hervortrat und über das breite Sandgestade hinsah, bis zur jenseitigen Landzunge Pangarok oder Schildkrötenkrieg, glaubte ich ein Schlachtfeld vor mir zu erblicken. Hunderte von Gerippen der ungeheuer großen Schildkröten lagen auf dem Sande umher zerstreut. Einige schon in der Sonne gebleichte bestanden nur aus glatten Knochen, andere waren zum Theil noch von faulenden, stinkenden Eingeweiden erfüllt und wieder andere noch frisch und blutend: aber alle lagen auf dem Rücken. Hier ist der Ort, wo die Schildkröten auf ihrer nächtlichen Wanderung vom Saume des Meeres bis zu den Dünen und von da zurück zum Meere von den Wildhunden angefallen werden. Diese kommen in Trupps  von zwanzig bis dreißig Stücken, packen die Schildkröte an allen zugänglichen Theilen ihres umpanzerten Leibes, zerren an den Füßen, am Kopfe, am After, und wissen durch ihre vereinigte Kraft das Thier, ungeachtet seiner ungeheueren Größe, umzuwälzen, so daß es auf den Rücken zu liegen kommt. Dann fangen sie an allen Enden an zu nagen, reißen die Bauchschilder auf und halten an den Eingeweiden, dem Fleische und den Eiern ihr blutiges Mahl. Viele Schildkröten entfliehen ihrer Wuth und erreichen, oft die zerrenden Hunde hinter sich herschleppend, glücklich das Meer. Auch eine erlangte Beute verzehren die Hunde nicht immer in Ruhe. In manchen Nächten geschieht es, daß der Herr der Wildnis, der Königstiger, aus dem Walde hervorbricht, einen Augenblick stille hält, stutzt, mit funkelnden Augen den Strand überspäht, dann leise heranschleicht und endlich mit einem Satze, unter dumpfschnaufendem Geknurre unter die Hunde springt, welche nun nach allen Seiten auseinander stieben und in wilder Flucht dem Walde zueilen. Ein abgebrochener, mehr pfeifender als knurrender Laut begleitet ihren Abzug. So führen sie in Wahrheit einen Kampf mit Bewohnern des Weltmeeres an einem Orte, außerordentlich wüst und schauervoll, welcher niemals von Javanen besucht wird, dem Wanderer aber, welcher die Wildnis durchirrt, schon aus der Ferne erkenntlich ist an der Menge von Raubvögeln, welche hoch in der Luft darüber kreisen.«
Aber auch in bevölkerten Gegenden, bis hoch ins Gebirge hinauf, betreibt der Adjag seine wilde Jagd. Wie Junghuhn im Jahre 1844 erfuhr, durchzieht er zuweilen in Meuten von einem Dutzend und darüber die halbbebauten Gauen eines Höhengürtels von ungefähr tausend Meter über dem Meere, überfällt nachts Ziegen und selbst Pferde, welche man auf der Weide gelassen oder in der Nähe der Dörfer im Freien an einen Pfahl gebunden hat, greift sie gemeinschaftlich und gleichzeitig an, beißt sich am After und den Geschlechtstheilen fest, reißt ihnen die Augen aus und die weichen Theile des Bauches auf und weiß sie so zu bewältigen. Nach Versicherung der Javanen vergehen nach solchem Ueberfalle Jahre, in denen keine Spur von den wüsten Gästen bemerkt wird, ein Beweis, daß sie wie unser Wolf weit im Lande umherschweifen.
Ich sah einen Adjag im Thiergarten von Amsterdam, wohin er von Cheribon gebracht worden war. In mancher Hinsicht ähnelt er dem zahmen Hunde. Er läuft, sitzt, liegt zusammengekauert wie dieser,
»Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
Er wedelt – alles Hundebrauch«. –
Aber der erste Blick auf ihn genügt, um in ihm ein von unserem Hunde durchaus verschiedenes Thier zu erkennen. Allerdings läßt sich nicht so leicht beschreiben, worin der Unterschied liegt; allein der vergleichende Blick eines Naturkundigen, welcher lebende Thiere zu beobachten gewohnt ist, will meiner Ansicht nach mehr sagen, als etwaige Maßunterschiede oder ein kleines Höckerchen mehr oder weniger auf einem beliebigen Zahne. Dem Adjag schaut der Wildhund so klar aus dem Gesichte heraus, daß man gar nicht zweifeln kann, weß Geistes Kind man vor sich hat. Kein einziger Haushund hat einen solchen Gesichtsausdruck wie irgend ein wilder; selbst der Hund der Eskimo’s ist, wenn man ihm ins Gesicht schaut, vom Wolfe zu unterscheiden: der Adjag aber sieht so wild aus wie nur irgend einer seiner freilebenden Verwandten.
Der Gefangene in Amsterdam wurde nur mit Fleisch gefüttert; andere Stoffe rührte er nicht an. Gegen seine Wärter zeigte er nicht die geringste Anhänglichkeit. Er lebte in Feindschaft mit Menschen und Thieren. Bei Tage schlief er fast immer, nachts war er lebendig und raste oft wie unsinnig im Käfige umher. Mehr habe ich leider nicht erfahren können.

Alpenhund (Brehms Tierleben)

Alpenhund (Brehms Tierleben)

Alpenhund (Canis alpinus)
Als Vierter im Bunde tritt in den Gebirgsländern Ost-und Mittelasiens der Alpenhund oder Alpenwolf, Subri der Sojoten und Burjäten, Dscherkul der Tungusen (Canis alpinus, Cuon alpinus) auf. Giebel verurtheilt ihn zu einer Spielart unseres Wolfes, mit welchem er schon wegen der merklich geringeren Größe und abweichenden Behaarung und Färbung kaum verglichen werden kann; Gray findet durch Vergleichung seines und des Schädels vom Buansu, daß er mit diesem große Aehnlichkeit hat; Murie will ihn höchstens als sibirische Abart der südasiatischen Urhunde gelten lassen.
Ein schönes Stück des Berliner Museums ähnelt einem sehr großen zottigen Schäferhunde, hat breiten Kopf mit abgestumpfter Schnauze, mäßig großen Augen und mittelhohen, oben abgerundeten, außen und innen dicht behaarten Ohren, kräftige Glieder und langen, bis zum Boden herabreichenden Schwanz, ist 1,3 Meter lang, wovon der Schwanz 35 Centim. wegnimmt, und 45 Centim. hoch; der Pelz sehr lang, straff und hart, das zwischen den Grannen stehende Wollhaar dicht, weich und lang, die Fahne außerordentlich weich und buschig, das Haar der Oberseite an der Wurzel dunkel röthlichgrau, in der Mitte rostroth, an der Spitze schwarz oder weiß, wodurch hier eine fahlroströthliche Färbung hervorgebracht wird, während die Unter- und Innenseite sowie der Pfotentheil der Läufe blaßisabellgelb aussehen. Abgegrenzte Farbenfelder bemerkt man nur am Vordertheile der Beine, wo das allgemeine Rostfahlroth oder Rostfahlgelb der Oberseite neben dem Lichtisabellgelb der Unterseite als länglicher Flecken sich zeigt. Der Schwanz ist merklich dunkler als der Oberkörper, etwa fahlgrau. Das Ohr trägt außen röthlichgelbe, innen weißliche Behaarung.
Ueber Verbreitung und Sitten des Thieres berichtet Radde. Der Alpenwolf tritt in den Gebirgen, denen die östlichen Quellzuströme des Jenisei entspringen, strichweise häufig auf, wird aber ebensowohl von den Burjäten und Sojoten wie von den russischen Jägern nicht gejagt, sondern nur beiläufig erbeutet. Mehr der geringe Werth seines groben Pelzes als die Furcht vor ihm ist Ursache, daß man ihm nicht besonders nachstellt. Sein Vorkommen scheint an gewisse Oertlichkeiten geknüpft zu sein, an solche, welche zu den wildesten Gebirgsgegenden gehören und von den Hirschen besonders gerne als Standorte gewählt werden. So ist er im Jagdgebiete der Karagassen westlich vom mittleren Okalaufe noch in Trupps von zehn bis fünfzehn Stücken vorhanden und geht dort den Hirschen, ganz besonders den Hirschkühen und Kälbern nach. Vereinzelter lebt er im Gebiete der Sojoten, namentlich am schwarzen Irkut, wo er vornehmlich an Steinböcke sich hält. Im oberen Irkutthale hatte er im Jahre 1859 die Hirsche dergestalt versprengt, daß die Jagden auf sie erfolglos blieben. Im südlichen Apfelge birge erkundigte sich Radde vergeblich nach ihm, erfuhr dagegen in den Hochsteppen Dauriens, daß der Dscherkul hier zuweilen vorkomme. In den Gebirgen des unteren Amur ist er häufig.
Von den Jägern im Amurthale wird der Alpenwolf gefürchtet. Die von ihm gebildeten Meuten umzingeln ihre Beute und fällen sie sicher. Dem Jäger, welcher diese Raubthiere in größerer Anzahl antrifft, bleibt nichts übrig, als sich auf einen Baum zu flüchten. Hirsche und Steinböcke werden von den Alpenhunden zu Felsabstürzen getrieben, angeschossene Stücke verfolgt und sehr bald niedergerissen. Angesichts der Beute lassen sie einen pfeifend zischenden Laut vernehmen und stürzen sich so gierig auf den Fraß, daß man sich ihnen sehr gut nähern kann. Ein Radde bekannter Birar-Tunguse erlegte von vier Alpenhunden, welche ihm einen eben angeschossenen Hirsch streitig machten, drei nach einander, ohne daß die überlebenden durch das Zusammenstürzen der getödteten bei ihrer Mahlzeit sich hätten stören lassen. Von den kundigen Eingeborenen werden sie übrigens als sehr schlaue und schnelle Thiere geschildert. Starke, alte Männchen führen die Meute, und zwar nehmen gewöhnlich ihrer mehrere die Spitze. Erfahrene Jagdhunde folgen der Spur ihrer Verwandten nicht, kehren vielmehr wie nach erkannter Tigerspur furchtsam, mit gesträubtem Rückenhaare, zum Herrn zurück.
Das Fleisch wird von den Birar-Tungusen nicht gegessen, das Fell von den russischen Kaufleuten nicht begehrt. Von Radde verlangte man freilich sechs bis zehn Rubel, aber nur, weil man merkte, wie viel ihm an einem vollständigen Balge gelegen war.

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