Der Nymphensittich in Brehms Tierleben

Nymphensittich (Brehms Tierleben)

Zu den von dem Gesammtgepräge der Familie am meisten abweichenden Arten zählt der Keilschwanzkakadu, die »Corella« oder der »Kakadupapagei« der Ansiedler Neuhollands (Callipsittacus Novae-Hollandiae, Psittacus, Paleornis, Nymphicus, Callopsitta und Platycercus Novae Hollandiae, Leptolophus auricomus,) Vertreter einer besonderen wohl begründeten Sippe, deren Kennzeichen die folgenden sind. Der Schnabel ist schwächer als jener der Kakadus, diesem jedoch ganz ähnlich, der Fuß kurzläufig und schwachzehig, der Fittig auffallend lang und spitzig, in ihm die zweite Schwinge am längsten, die Flügelspitze ungewöhnlich lang, der Schwanz, in welchem die beiden mittelsten Federn die anderen ansehnlich überragen, stark keilförmig, das Gefieder sehr weich, die Färbung nach dem Geschlechte verschieden. Die Corella kommt einer unserer größten Drosseln ungefähr gleich, erscheint aber des langen Schwanzes halber größer. Das Gefieder ist sehr bunt und ansprechend gezeichnet, die Hauptfärbung ein dunkles Olivengraubraun, welches unterseits in Grau übergeht; Oberkopf, Zügel und Backen sind blaß strohgelb, die Haubenfedern ebenso, an der Spitze aber grau; ein runder Fleck in der Ohrgegend ist safranroth, nach hinten weißlich gerandet; die schiefergrauen Handschwingen haben dunkelbraune Innenfahnen und Spitzen, die Armschwingen, mit Ausnahme der letzteren, einfarbig braunschwarz, weiße Außen- aber braunschwarze Innenfahnen und Enden; die Oberflügeldeckfedern sind braunschwarz, die unteren wie die Schwingen unterseits schwarz, die Steuerfedern, mit Ausnahme der beiden mittelsten grauen, aschgrau, innen am Rande und unterseits schwarz, die oberen Schwanzdecken aschgrau, die unteren etwas düsterer. Der Augenring ist tiefbraun, der nackte Augenkreis grau, der Schnabel grauschwärzlich, an der Wurzel bräunlich, die Wachshaut grau, der Fuß graubraun. Das Weibchen unterscheidet sich von dem Männchen durch die hellere Oberseite und die blaßröthlich graubraune Unterseite, den blaß strohgelben Ohrfleck, die schmutzig graugelbe Färbung des Kopfes und der Haube, die Schwingen, welche innen mit vier oder fünf runden, blaßgelben Flecken gezeichnet sind, und die Steuerfedern, deren äußerstes Paar jederseits blaßgelb, marmorartig schwarz in die Quere gebändert ist, während die übrigen auf der ganzen Unterseite mehr oder minder deutliche Querflecke zeigen. Der junge Vogel ähnelt dem Weibchen, ist schmutzig braun, unterseits gilblich überflogen, hat schmutzigbraune Haubenfedern und einen je nach dem Geschlechte dunkleren oder helleren, stets aber schmutziggelben Ohrfleck.

Gould, dem wir die erste Lebensbeschreibung der Corella verdanken, fand den schönen Vogel in namhafter Menge im Inneren Australiens. An den Küsten ist er seltener; mindestens zeigen sich im Verhältnisse zu den tausenden, welche man in den inneren Flächen sieht, nur sehr wenige auf den Ebenen zwischen dem großen Gebirgszuge und der See. Im Osten Australiens scheint er häufiger zu sein als im Westen: im Sommer brütet er aller Orten in den Ebenen des oberen Hunter oder am Peel und anderen nördlich strömenden Flüssen, wo sich die geeigneten Bäume finden. Nach der Brutzeit versammelt er sich in unermeßlichen Flügen, welche den Boden auf große Strecken hin bedecken oder sich zu hunderten auf abgestorbene Zweige der Gummibäume am Wasser niederlassen. Im September treten diese Scharen eine Wanderung an und erscheinen dann auf den Brutplätzen; im Februar und März ziehen sie wieder nach Norden hinauf. Sie verzehren Grassämereien, wie die meisten Verwandten, können aber das Wasser nicht entbehren und müssen sich deshalb immer in der Nähe der Ströme aufhalten; daher nisten sie auch nur in den Waldungen längs der Flußufer. Sie sind sehr beweglich, laufen geschickt auf dem Boden umher, klettern gut und fliegen zwar gemächlich, aber leicht, oft weithin in einem Zuge. Vor dem Menschen scheuen sie sich wenig oder nicht; vom Boden aufgescheucht, wenden sie sich einem der nächsten Bäume zu und lassen sich hier auf den dürren Zweigen nieder. Wenn die Gefahr vorüber zu sein scheint, kommen sie wieder auf den Boden herab. Sie sind durchaus nicht scheu und werden deshalb häufig erlegt und gefangen, ebensowohl ihres schmackhaften Fleisches wegen als ihrer Anmuth und Liebenswürdigkeit im Käfige halber. Die fünf bis sechs weißen Eier, welche ein Gelege bilden, sind ungefähr zwei Centimeter lang.

Durch Herrn Engelhart, einen sehr aufmerksamen Beobachter, welcher ein halbes Menschenalter in Australien verlebt hat, erhielt ich ergänzende Mittheilungen, welche ich, obgleich sie bereits in den »Gefangenen Vögeln« veröffentlicht wurden, hier wiederholen zu müssen glaube. »Die Corella«, so schreibt mir der genannte, ist sehr unstät in ihren Wanderungen. Oft vergehen drei bis vier Jahre, bevor sie in Südaustralien die angebauten Gegenden wieder einmal mit ihrem Besuche beehrt. Es geschieht dies stets nach einem guten Winter und nassem Frühlinge. Dann weiß sie gewiß, daß auch für die Weizen gewachsen ist, daß das Känguru- und wilde Kanariengras reichen Samen für ihre Jungen liefern wird. Um die Zeit, wenn der Weizen abgeblüht hat und die Aehren sich füllen, künden betäubendes Geschrei und durchdringende, auf weithin vernehmbare Locktöne ihre Ankunft an, und unmittelbar darauf bemerkt man, daß sie sich inmitten der Landgüter niedergelassen hat, ohne in Bezug auf den Wohnbaum besonders wählerisch zu sein. In manchem Jahre erscheinen unschätzbare Scharen, welche auf weite Strecken hin den Boden oder die gewaltigen Rothgummibäume buchstäblich bedecken.

»Unser Vogel erfreut sich einer ungleich größeren Beachtung als irgend ein anderer seiner Ordnung, den Wellensittich nicht ausgeschlossen. Baut er in der Nähe der Landhäuser seine Nester, welche er, kunstlos genug, mit seinem Schnabel aus dem mürben Holze herausarbeitet, am liebsten da, wo ein ausgefaultes Astloch ihm einigen Vorsprung gewährte, so wird sein Thun und Treiben von der lieben Jugend sicherlich scharf bewacht, bis endlich der lang ersehnte Tag anbricht, an welchem die Nester ausgehoben werden können. Dann ist der Jubel groß allüberall. Jeder Landwirt hat fortan sein Pärchen Kakadupapageien, und jeder bemüht sich nach Kräften, die gelehrigen Vögel abzurichten, sie zahm und zutraulich zu machen, sie das Nachspeisen eines Liedes zu lehren, was alles nur wenig Anstrengung und Mühewaltung erfordert. Auch bringt man jetzt hunderte und tausende von Jungen zur Stadt, um sie hier zu verkaufen, und ist zufrieden, wenn man für das Stück einen Preis von zwei bis dritthalb Mark unseres Geldes erzielt. Trotz der eifrigen Nachstellung, welche der brütenden Corella droht, gelingt es mancher jungen Brut, allen Verfolgungen zu entgehen, und dann vereinigen sich bald mehrere Familien zu zahlreichen Trupps. Allerliebst sieht eine solche Gesellschaft aus, wenn sie mit hoch aufgerichteter Haube in langen Reihen auf den Nesten der hohen Bäume scheinbar athemlos dasitzt, besorgt auf den nahenden Fußtritt achtend, um dann plötzlich eiligen Fluges das weite zu suchen. Die erste Brut der Corella fällt wie die so vieler Vögel Südaustraliens in den Oktober, den dortigen Frühling; die zweite findet kurz vor Weihnachten oder noch etwas später statt. Jedes Gelege zählt sechs bis acht weiße Eier, aus denen meist dieselbe Anzahl von Jungen schlüpft, so daß eine Familie aus acht bis zehn Stücken zu bestehen pflegt. Die Jungen werden noch lange nach dem Ausfliegen von den Alten gefüttert, wie ich dies einst beobachten konnte, als sich Corellas dicht vor meinem Fenster angesiedelt hatten. Sie arbeiten bereits eifrig an dem Neste für die zweite Brut, fütterten jedoch trotzdem die halb erwachsenen der ersten noch fort.

Mit Beginn der Regenzeit verläßt auch dieser Papagei den Süden Australiens und bricht in ungeheuren Scharen nach dem Norden des Festlandes auf.«

Von allen australischen Papageien kommt die Corella nächst dem Wellensittich am häufigsten auf unseren Thiermarkt. Sie dauert bei geeigneter Pflege besser aus als jeder andere Papagei, pflanzt sich auch ohne besondere Umstände im Käfige fort. Anspruchslos wie nur irgend einer ihrer Ordnungsgenossen begnügt sie sich mit Körnerfutter, Hafer, Hirse, Glanz und Hanf, Grünzeug aller Art, geschnittenen und zerriebenen Möhren, gewöhnt sich auch wohl, wenn man sie mehr als üblich gezähmt hat und im Zimmer hält, an die Speisen, welche auf den Tisch kommen und würde jeden Vogelfreund entzücken, könnte sie es über sich gewinnen, mit ihrem durchdringenden, gellenden Geschrei die Ohren weniger zu beleidigen, als sie dies zu thun pflegt.

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