Der Ig-Nobelpreis

Auf den Ig-Nobelpries bin ich erstmals Ende der 1990er Jahre aufmerksam geworden. Regelmäßig wurde dort im Laborjournal berichtet. Auf gewisser Weise witzig, aber dann doch wieder zum Nachdenken anregend und … es waren keine Spinner (Ausnahmen bestätigen die Regel), welche den Preis bekamen:
Der Ig-Nobelpreis (englischsprachiges Wortspiel: ignoble „unwürdig, schmachvoll, schändlich“), gelegentlich als Anti-Nobelpreis bezeichnet, ist eine satirische Auszeichnung, um wissenschaftliche Leistungen zu ehren, die „Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen“ (to honor achievements that first make people laugh, and then make them think). Vergeben wird der Preis von der in Cambridge (USA) erscheinenden Zeitschrift Annals of Improbable Research. Die erste Preisverleihung fand 1991 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) statt, seit 2012 wurden die Preise an der Harvard-Universität überreicht, zuletzt wieder am MIT.
Bedingung für eine Nominierung ist, dass die Entdeckung erst zum Lachen und dann zum Nachdenken führen soll. Außerdem muss das Forschungsthema neuartig sein. Niemand darf vorher eine ähnliche wissenschaftliche Arbeit abgeliefert haben.
Die Preise werden von einer Jury, dem Ig Nobel Board of Governors, verliehen. Sie setzt sich nach Angaben der ausrichtenden Zeitschrift Annals of Improbable Research aus Nobel- und Ig-Nobelpreisträgern, wissenschaftlichen Autoren, Sportlern, Trägern öffentlicher Ämter (public officials) und anderen bekannteren oder weniger bekannten Personen (other individuals of greater or lesser eminence) zusammen. Traditionell wird außerdem am letzten Tag ein zufälliger Passant für die Entscheidungsfindung zugeladen.
Verliehen werden die Preise jeweils im frühen Herbst, in der Regel kurz vor der Bekanntgabe der Empfänger des Nobelpreises.

Zu den Empfängern des ersten Ig-Nobelpreises gehörte u. a. Erich von Däniken. Robert Klark Graham bekam den Preis für seinen Aufbau des „Repository for Germinal Choice“ (deutsch sinngemäß Repositorium für Keimwahl), eine Samenbank, die Spenden nur von Nobelpreisträgern und Olympiateilnehmern akzeptiert.
Wirklich witzig fand ich die Literaturpreisträger 1992 und 1993:
1992
Juri Strutschkow vom Institut für organische Verbindungen in Moskau für seine 948 wissenschaftlichen Arbeiten, die er von 1981 bis 1990 publiziert hat …
1993
E. Topol, R. Califf, F. Van de Werf, P. W. Armstrong et al. An International Randomized Trial Comparing Four Thrombolytic Strategies for Acute Myocardial Infarction. In: The New England Journal of Medicine. Band 329, Nr. 10, 2. September 1993, S. 673–682.
Eric Topol, Robert M. Califf, Frans Van de Werf, Paul W. Armstrong und ihre 972 Koautoren bekamen den Preis für das Veröffentlichen eines medizinischen Forschungspapiers, das hundertmal mehr Autoren als Seiten hat. Ich will gar nicht wissen wie lange die Entstehung des Papers gedauert hat und wie die Zusammenarbeit war. Manchmal gibt es regelrechte „Kämpfe“ wer wo an welcher Stelle der Autorenschaft steht… Bei über 972 Autoren stelle ich mir das sehr mühsam vor …

Im Bereich Biologie gab es auch ein paar, die sich mit Tieren auseinandersetzen (deswegen erwähne ich den Preis überhaupt):
1993
Leslie P. Williams, Jr. und Kenneth W. Newell für ihre bahnbrechende Studie Salmonellen­ausscheidung bei Schweinen auf Vergnügungsfahrt.
1994
Robert A. Lopez für seine Experimente über die Entfernung von Ohrmilben von Katzen, deren Einführung in sein eigenes Ohr und die darauf folgende Beobachtung der Ergebnisse.
1996
Chonosuke Okamura für die Entdeckung der Fossilien von Dinosauriern, Pferden, Drachen, Prinzessinnen und über tausend anderer ausgestorbener „Mini-Spezies“, die allesamt nur wenige Millimeter groß sind.
1997
Mark Hostetler von der University of Florida für sein lehrreiches Buch „That Gunk on Your Car„, das bei der Bestimmung verschiedener Insekten­rückstände auf Windschutz­scheiben hilft.
1998
Peter Fong für seinen Beitrag zur Lebensfreude von Muscheln, indem er ihnen Antidepressiva verabreichte.
2000
Richard Wassersug für seinen Bericht aus erster Hand Über die vergleichbare Schmackhaftigkeit von einigen Trockenzeit-Kaulquappen in Costa Rica.
Chris Niswander für die Erfindung von PawSense, einer Software, die erkennt, wenn eine Katze über die Tastatur läuft.
2002
Norma E. Bubier, Charles G. M. Paxton, Phil Bowers und D. Charles Deeming für ihren Bericht Das Balzverhalten des Straußes gegenüber Menschen unter ländlichen Bedingungen in Großbritannien.
Eduardo Segura für die Entwicklung einer Waschmaschine für Hunde und Katzen.
2003
C. W. Moeliker für den ersten wissenschaftlich dokumentierten Fall von homosexueller Nekrophilie bei der Stockente (Anas platyrhynchos).
Stefano Ghirlanda, Liselotte Jansson und Magnus Enquist für ihren Bericht Hühner bevorzugen schöne Menschen.
2004
Ben Wilson, Lawrence Dill, Robert Batty, Magnus Whalberg und Hakan Westerberg für das Aufzeigen, dass Heringe offenbar mittels Fürzen miteinander kommunizieren.
2005
Benjamin Smith, die Parfümhersteller Firmenich (Genf), ChemComm Enterprises, (Archamps, Frankreich), Craig Williams, Michael Tyler, Brian Williams und Yoji Hayasaka für die Untersuchung der Gerüche von 131 verschiedenen Froscharten unter Stress.
2006
Bart Knols, das National Institute for Medical Research in Ifakara, Tansania und der Internationalen Atomenergie­organisation in Wien, sowie Ruurd de Jong für den Nachweis, dass Malaria übertragende weibliche Moskitos (Anopheles gambiae) von Limburger Käse in gleicher Weise angezogen werden wie vom Geruch menschlicher Füße.
Wasmia Al-Houty und Faten Al-Mussalam für den Beweis, dass Mistkäfer Feinschmecker sind.
Ivan R. Schwab, Davis und Philip R.A. May d. Ä. für die Beantwortung der wichtigen Frage, warum Spechte keine Kopfschmerzen bekommen.
2007
Johanna van Bronswijk für die Ausführung einer Volkszählung aller Milben, Insekten, Spinnen, Farne und Pilze, die (so der Titel der Studie) „unsere Betten“ bewohnen
Patricia V. Agostino, Santiago A. Plano und Diego A. Golombek für die Entdeckung, dass Viagra Hamstern hilft, sich von einem Jetlag zu erholen.
2008
Astolfo Gomes de Mello Araujo und Jose Carlos Marcelino für ihren experimentellen Beweis, dass Gürteltiere archäologische Fundstätten durcheinander bringen können.
Marie-Christine Cadiergues, Christel Joubert und Michel Franc für die Entdeckung, dass Hundeflöhe höher springen als Flöhe, die auf Katzen leben. (Marie-Christine Cadiergues, Christel Joubert, Michel Franc: A Comparison of Jump Performances of the Dog Flea, Ctenocephalides canis
2009
Fumiaki Taguchi, Song Guofu und Zhang Guanglei für die Demonstration, dass die Masse von Küchenabfällen unter der Verwendung von Bakterien aus dem Kot von Großen Pandas um mehr als 90 % reduziert werden kann.
Catherine Douglas und Peter Rowlinson für den Nachweis, dass Kühe mit individuellen Namen im Schnitt jährlich um 250 Liter mehr Milch liefern als Kühe ohne Namen.
2010
Libiao Zhang, Min Tan, Guangjian Zhu, Jianping Ye, Tiyu Hong, Shanyi Zhou und Shuyi Zhang und Gareth Jones für die wissenschaftliche Dokumentation von Oralverkehr bei Fruchtfledermäusen.
Karina Acevedo-Whitehouse, Agnes Rocha-Gosselin und Diane Gendron für die Perfektionierung einer Methode, mit Hilfe eines ferngesteuerten Helikopters Wal-Rotz zu sammeln.
2011
Daryll Gwynne und David Rentz für die Entdeckung, dass sich Männchen der Art Julodimorpha bakewelli (eine Prachtkäferart) in Australien nur mit braunen Bierflaschen paaren wollen. Sie halten sie für über­dimensionierte Weibchen und lassen von ihnen nicht mehr ab, bis sie tot umfallen.

Anna Wilkinson, Natalie Sebanz, Isabella Mandl und Ludwig Huber für Keine Hinweise auf ansteckendes Gähnen bei der Köhlerschildkröte Geochelone carbonaria.
2012
Frans de Waal und Jennifer Pokorny für ihren Nachweis, dass Schimpansen ihre Artgenossen auch an Fotos ihres Hinterteils erkennen können.
2013
Brian Crandall und Peter Stahl, die tote Spitzmäuse kochten, ungekaut schluckten und anhand ihrer eigenen Exkremente nachwiesen, welche Knochen sich im menschlichen Verdauungssystem auflösen und welche nicht.
Marie Dacke, Emily Baird, Marcus Byrne, Clarke Scholtz und Eric Warrant für ein Experiment, das zeigte, dass verirrte Mistkäfer sich auf dem Weg nach Hause an der Milchstraße orientieren können.

2014
Eigil Reimers, Sindre Eftestøl für die Untersuchung der Reaktion von Rentieren auf Menschen, die sich als Eisbären tarnen.
Vlastimil Hart, Petra Nováková, Erich Pascal Malkemper, Sabine Begall, Vladimír Hanzal, Miloš Ježek, Tomáš Kušta, Veronika Němcová, Jana Adámková, Kateřina Benediktová, Jaroslav Červený und Hynek Burda für ihren gründlich durchgeführten Nachweis, dass sich Hunde beim Urinieren und Stuhl­entleeren bevorzugt entlang des Magnetfelds der Erde ausrichten.
Jaroslav Flegr, Jan Havlíček, Jitka Hanušova-Lindova, David Hanauer, Naren Ramakrishnan, Lisa Seyfried für ihre Untersuchung, ob der Besitz einer Katze schädlich fürs Gemüt ist
2015
Bruno Grossi, Omar Larach, Mauricio Canals, Rodrigo A. Vasquez und Jose Iriarte-Diaz für ihre Beobachtung, dass Hühner in einer ähnlichen Weise wie Dinosaurier gehen, wenn ihnen ein beschwerter Stab am Hinterteil befestigt wird.
Justin O. Schmidt für seine mühevolle Erstellung des Schmidt Sting Pain Index, welcher die relativen Schmerzen nach dem Stich verschiedener Insektenarten beschreibt
Michael L. Smith für seine sorgfältige Arbeit mit Honigbienen, bei der er sich wiederholt an 25 verschiedenen Körperstellen stechen ließ, um herauszufinden, welche Stichstellen am wenigsten schmerzhaft (Kopf, Spitze des mittleren Zehs, Oberarm) und welche am schmerzhaftesten sind (Nasenloch, Oberlippe und Penisschaft).
2016
Charles Foster für sein Leben in der Wildnis als Dachs, Otter, Wild, Fuchs und Vogel zu verschiedenen Zeiten
Thomas Thwaites für die Erstellung prothetischer Verlängerung seiner Gliedmaßen, die es ihm erlaubten, sich zu bewegen wie Ziegen und auf Hügeln mit diesen herumzuwandern.
Fredrik Sjöberg für seine dreibändige autobiographische Arbeit über das Vergnügen beim Sammeln von toten Fliegen und von solchen, die noch nicht tot sind.
Gábor Horváth, Miklós Blahó, György Kriska, Ramón Hegedüs, Balázs Gerics, Róbert Farkas, Susanne Åkesson, Péter Malik und Hansruedi Wildermuth für die Entdeckung, warum weißhaarige Pferde die bremsenbeständigsten Pferde sind, und für die Entdeckung, warum Libellen verhängnisvoll von schwarzen Grabsteinen angezogen werden.
2017
Kazunori Yoshizawa, Rodrigo Ferreira, Yoshitaka Kamimura und Charles Lienhard für ihre Entdeckung eines weiblichen Penis‘ und einer männlichen Vagina bei einem Höhleninsekt (Neotrogla)
Fernanda Ito, Enrico Bernard und Rodrigo Torres für die erste wissenschaftliche Untersuchung zur Bedeutung von Menschenblut in der Ernährung des Kammzahnvampirs
Marc-Antoine Fardin für die Anwendung der Strömungsmechanik zur Erforschung der Frage, ob eine Katze sowohl ein Festkörper als auch eine Flüssigkeit sein kann
2018
Tomas Persson, Gabriela-Alina Sauciuc und Elainie Madsen für den Nachweis, dass Schimpansen im Zoo genauso oft und genauso gut Menschen imitieren wie umgekehrt.
Paul Becher, Sebastien Lebreton, Erika Wallin, Erik Hedenstrom, Felipe Borrero-Echeverry, Marie Bengtsson, Volker Jörger und Peter Witzgall für den Nachweis, dass Weinkenner zuverlässig eine einzelne Fliege im Weinglas riechen können
2019
Ling-Jun Kong, Herbert Crepaz, Agnieszka Górecka, Aleksandra Urbanek, Rainer Dumke und Tomasz Paterek für die Entdeckung, dass tote magnetisierte Kakerlaken sich anders verhalten als lebende magnetisierte Kakerlaken.
Patricia Yang, Alexander Lee, Miles Chan, Alynn Martin, Ashley Edwards, Scott Carver und David Hu für Untersuchungen zu der Frage, wie und warum Wombats würfelförmigen Kot absetzen.
2020
Stephan Reber, Takeshi Nishimura, Judith Janisch, Mark Robertson, Tecumseh Fitch für ihr Experiment, bei dem sie ein China-Alligator-Weibchen dazu brachten, in einer luftdichten Kammer, die mit Helium angereicherte Luft enthielt, zu brüllen
Ivan Maksymov, Andriy Pototsky für den experimentellen Nachweis, was mit der Form eines lebenden Regenwurms geschieht, wenn man diesen mit hoher Frequenz in Schwingung versetzt
Richard Vetter für das Sammeln von Beweisen, dass viele Insektenkundler (Entomologen) Angst vor Spinnen haben, weil diese keine Insekten sind
2021
Susanne Schötz, Robert Eklund für ihre Arbeiten zur Kommunikation zwischen Katzen und Menschen.
John Mulrennan, Jr., Roger Grothaus, Charles Hammond, Jay Lamdin für ihre Arbeit A New Method of Cockroach Control on Submarines (Ein neues Verfahren zur Kakerlakenbekämpfung auf U-Booten).
Robin Radcliffe, Mark Jago, Peter Morkel, Estelle Morkel, Pierre du Preez, Piet Beytell, Birgit Kotting, Bakker Manuel, Jan Hendrik du Preez, Michele Miller, Julia Felippe, Stephen Parry, Robin Gleed für die experimentelle Bestimmung, ob sich Nashörner sicherer über Kopf transportieren lassen.
2022
Solimary García-Hernández und Glauco Machado für die Untersuchung, ob und wie Verstopfung die Paarungsaussichten von Skorpionen beeinflusst.
Frank Fish, Zhi-Ming Yuan, Minglu Chen, Laibing Jia, Chunyan Ji, Atilla Incecik für den Versuch zu verstehen, wie es Entenküken gelingt, in Formation zu schwimmen.
Magnus Gens für die Entwicklung eines Elch-Crashtest-Dummys
2024
B. F. Skinner für seine Experimente zur Verwendung lebender Tauben in Raketen, um letztere zu lenken (Friedenspreis)
James C. Liao für den Nachweis und die Erklärung der Schwimmfähigkeit toter Forellen
Ryo Okabe et al für die Entdeckung, dass viele Säugetiere durch den Anus atmen können
Tess Heeremans, Antoine Deblais, Daniel Bonn und Sander Woutersen für den Einsatz von Chromatographie, um betrunkene von nüchternen Würmern zu trennen
Fordyce Ely und William E. Petersen für das Explodierenlassen einer Tüte neben einer Katze, die auf dem Rücken einer Kuh steht, um herauszufinden, wann und wie diese ihre Milch gibt.

Manches ist wirklich witzig, manches unglaublich und anderes ist heute gar nicht so lächerlich wie es erscheinen mag. Ein Preis, der ernster ist als es den Anschein weckt… wobei der Friedenspreis durchaus ironische Züge aufweist…
2021 bekamen Ethan Beseris, Steven Naleway, David Carrier für ihren Test der Hypothese, dass sich Bärte bei Menschen entwickelt haben, weil sie ihre Träger vor Schlägen ins Gesicht schützen.
2020 bekamen die Regierungen von Indien und Pakistan den Preis für die gegenseitigen Klingelstreiche ihrer Diplomaten mitten in der Nacht… diese Bilder bekommt man nicht so leicht aus dem Kopf…
Aber wie gesagt … nicht nur (wenn überhaupt) Idioten bekommen den Preis, einige renommierte Wissenschaftler (und andere) durften sich über den Preis freuen.
Bis zu seinem Tod im Dezember 2018 fungierte Roy Glauber jahrelang als Besenmeister, der während der Zeremonie die Bühne von unzähligen Papierfliegern befreit, mit denen die Preisträger beworfen werden. 2005 konnte Glauber dieses Amt nicht ausüben, weil er mit dem Physik-Nobelpreis (für seinen Beitrag zur quantenmechanischen Theorie der optischen Kohärenz) ausgezeichnet wurde. Tja, so kann’s gehen.
Mehr zu den Ig-Nobelpreisen gibt es hier.

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