Der Beutelwolf in Brehms Tierleben (Archiv)

(Erstveröffentlichung am 13. Dezember 2011)

Damals … als der Beutelwolf noch lebte …
Ein Eintrag aus Brehms Tierleben:

Beutelwolf (Brehms Tierleben)

Beutelwolf (Brehms Tierleben)

Der Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus), der einzige jetzt lebende Vertreter einer besondern Sippe, trägt seinen Namen nicht mit Unrecht; denn er scheint in der That ein wilder Hund zu sein. Sein gestreckter Leib, die Gestalt des Kopfes, die stark abgesetzte Schnauze, die aufrechtstehenden Ohren und die Augen sowie der aufrechtgetragene Schwanz erinnern an letztem; nur sind die Glieder verhältnismäßig kurz, und das Gebiß weicht wesentlich von dem der Hunde ab.

Der Beutelwolf ist das größte aller fleischfressenden Beutelthiere. Seine Leibeslänge beträgt über 1 Meter, die Länge des Schwanzes 50 Centim., alte Männchen sollen, wie man behauptet, noch merklich größer werden und im ganzen etwa 1,9 Meter in der Länge messen. Der kurze, locker anliegende Pelz ist graubraun, auf dem Rücken zwölf? bis vierzehnmal quergestreift. Der Gesichtsausdruck des Thieres ist ein ganz anderer als beim Hunde, und namentlich das weiter gespaltene Maul sowie das größere Auge fallen auf.

Der Beutelwolf bewohnt Tasmanien. In den ersten Tagen der europäischen Ansiedlung fand er sich sehr häufig, zum größten Nachtheile und Aerger der Viehzüchter, deren Schafherden und Geflügelbeständen er fleißig Besuche abstattete. In der Folge vertrieb ihn das Feuergewehr mehr und mehr, und gegenwärtig ist er in das Innere zurückgedrängt worden. Felsspalten in dunklen, dem Menschen fast unzugänglichen Schluchten, natürliche oder selbstgegrabene tiefe Höhlen bilden seine Zufluchtsorte während des Tages, und von hier aus unternimmt er seine Raubzüge. Er ist ein nächtliches Thier und scheut das helle Licht im hohen Grade. Die außerordentliche Empfindlichkeit seiner Augen gegen die Tageshelle verräth das unaufhörliche Zucken der Nickhaut: keine Eule kann das Auge sorgsamer vor dem widerwärtigen Glanze des Lichtes zu schützen suchen als er. Wahrscheinlich wegen dieser Empfindlichkeit ist er bei Tage langsam und ungeschickt, bei Nacht dagegen munter, rege und sogar wild und gefährlich. Wenn er auch nicht der wildeste alle Raubbeutler ist, übertrifft er doch seine sämmtlichen Familienverwandten an Stärke und Kühnheit und verdient schon aus diesem Grunde seinen Namen. Er ist wirklich ein Wolf und richtet im Verhältnisse zu seiner Größe ebensoviel Schaden an wie sein nördlicher Namensvetter.

Seine Nahrung besteht aus allen kleineren Thieren, welche er erlangen und überwältigen kann, und zwar aus Wirbelthieren ebensowohl wie aus wirbellosen. Aber der Beutelwolf unternimmt auch schwierige Jagden. Auf den grasreichen Ebenen und in den niedrigen, parkähnlichen Waldungen verfolgt er das schnelle Buschkänguru und in den Flüssen und Tümpeln das Schnabelthier, trotz dessen Schwimmund Tauchfertigkeit.

Ueber das Gefangenleben des Beutelwolfes ist wenig zu berichten. Wie seine ganze Verwandtschaft dumm und geistlos, vermag er kaum mehr als flüchtige Theilnahme zu erregen. Frisch gefangene sollen sich im Anfange sehr trotzig und widerspenstig geberden. Bei langer Gefangenschaft legt sich wie die Beweglichkeit so auch das wilde Wesen angesichts eines Menschen; doch befreunden sich Beutelwölfe
niemals wirklich mit ihrem Wärter, lernen denselben nur mangelhaft kennen und kaum von anderen Leuten unterscheiden, verhalten sich ihm gegenüber auch vollkommen gleichgültig und gerathen höchstens angesichts des ihnen dargereichten Fleisches einigermaßen in Aufregung. Im übrigen laufen sie stundenlang in ihrem Käfige umher, ohne um die Außenwelt sich viel zu kümmern, oder liegen ruhend und schlafend ebenso theilnahmlos auf einer und derselben Stelle.

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