Brad Fox: Das Leuchten am Meeresgrund (Rezension)

Sommer 1934. Die Meeresbiologin Gloria Hollister sitzt an Bord eines Schiffes in der Nähe der Atlantikinsel Nonsuch, mit einer Hand presst sie einen Hörer ans Ohr, mit der anderen schreibt sie fieberhaft in ein Notizbuch. Die Telefonleitung reicht über 900 m tief ins Meer hinab. Dort unten baumelt an einem Stahlseil eine Tauchkugel, in der William Beebe zusammengekauert sitzt. Durch winzige Bullaugen blickt er in die fremde Unterwasserwelt. Aufgeregt beschreibt er fantastische Kreaturen und wundersame Licht- und Farbeffekte.
Brad Fox verknüpft Wissenschaftsgeschichte mit dem Bericht der ersten Tiefsee-Expedition und der ganz persönlichen Geschichte ihrer Teilnehmer. Er stützt sich dabei auf die Logbücher der Expedition – und lässt uns so teilhaben an der Begegnung mit dem Unbekannten.

Charles William Beebe (* 29. Juli 1877 in New York City; † 4. Juni 1962 in Arima, Trinidad) war ein amerikanischer Ornithologe, Ichthyologe, Tiefseeforscher und Ökologe. Für sein Werk wurde er unter anderem mit der John-Burroughs-Medaille und der Daniel Giraud Elliot Medal ausgezeichnet.
Jahrelang war er für den New York Zoological Park, der heute als Bronx Zoo bekannt ist, tätig; zuletzt als Kurator der Vogelabteilung.
Beebe wurde als Sohn eines Papierhändlers geboren. Durch sein Interesse für die Biologie und zahlreiche Besuche im Naturhistorischen Museum von New York gewann er die Freundschaft des dortigen Direktors, Henry Fairfield Osborn. Nach einer naturwissenschaftlichen Ausbildung an der Columbia-Universität (ohne akademischen Abschluss) arbeitete er ab 1899 an der ornithologischen Abteilung des New York Zoological Parks. Dort machte er sich bald einen Namen als begabter Vogelpfleger. 1913 übernahm Beebe die Leitung der neu gegründeten Abteilung für Tropenforschung. Für diese gründete er 1916 die erste Tropenforschungsstation in Britisch-Guayana. Später folgte eine weitere auf den Bermudas. Bei seiner ersten Expedition auf die Galápagos-Inseln 1923 bestieg er einen aktiven Vulkan und erlitt Vergiftungen durch die ausströmenden Gase. Um diese Zeit begann er auch mit dem Helmtauchen, um die Tierwelt der Meere auch in ihrem natürlichen Lebensraum erforschen zu können.
Zusammen mit Otis Barton entwickelte er die Bathysphere, eine Tauchkugel, mit der sie am 15. August 1934 die damalige Rekordtiefe von 923 m erreichten. Die Zusammenarbeit zwischen Beebe und Barton war nicht von Dauer; die beiden gingen bald wieder eigene Wege. Der Tiefenrekord wurde 1948 (ohne Beteiligung Beebes) von Barton in seiner neu konstruierten Tauchkugel Benthoscope mit 1.370 m überboten. (1960 erreichte Jacques Piccard die größtmögliche Meerestiefe, fast 11.000 m, ebenfalls in einer Stahlkugel, allerdings mit eigenem Auftriebs-Körper, dem Tauchboot „Trieste“.)
Im Jahr 1944 begegnete Beebe erstmals Rachel Carson, die das Nachwort für eines seiner Bücher verfasste. Er ermutigte sie, auch selbst Forschungen und Tauchfahrten zu unternehmen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Da die Forschungsstation auf den Bermudas im Zweiten Weltkrieg in einen Luftwaffenstützpunkt umgewandelt worden war, gründete Beebe unter Verwendung seiner Bücherhonorare einen neuen Stützpunkt in Trinidad.
In DAS LEUCHTEN AM MEERESGRUND errichtet Brad Fox ein literarisches Denkmal für Beebe, erinnert aber auch an in Vergessenheit geratene Wissenschaftler (wie die Meeresbiologin Gloria Hollister, ohne die vermutlich niemand von den Entdeckungen Beebes während seiner ersten (und auch aus heutiger Sicht sehr spektakulären) Tauchexpedition erfahren hätte. Allerdings bietet Fox zum einen mehr als die erste Tauchexpedition, denn auch Rachel Carsons Begegnung mit Beebe bleibt nicht unerwähnt. Und so wechseln sich Fakten mit Fiktion (bzw. dem legitimen Ausschmücken tatsächlicher Begebenheiten und künstlerischen Freiheiten, um die Bedeutsamkeit zu verdeutlichen. Allerdings ist der Schreibstil des Autors gewöhnungsbedürftig und ich gebe zu, dass ich mich sehr schwer getan habe und teilweise den Faden verloren habe. Fox schreibt nicht chronologisch, er greift voraus, dann wechselt er in den Zeiten vor und zurück. Ich hätte mir eine bessere und verständlichere Chronologie gewünscht, denn aus Sicht der modernen Zeit muss man sich die Gefahren und die Erfahrungen der ersten Tauchgänge erst einmal vor Augen führen.

Bathysphere (ETH-Bibliothek; Leo Wehrli)

Und so eine Bathysphäre mag auf den ersten Blick schon sehr „primitiv“ wirken:
Es handelte sich um eine hohle Stahlkugel mit Bohrungen für Quarzglas-Fenster, die Einstiegsluke und die Kabelzuführung, die an einem Stahlseil aufgehängt wurde. Der Einstieg befand sich an der Rückseite, die dortige Luke wurde nach Anbordgehen der Besatzung von außen mit Flügelbolzen festgeschraubt. Außer batteriebetriebenen Scheinwerfern und einer Telefonverbindung zum Mutterschiff befand sich keinerlei technische Ausrüstung an Bord. Kohlenstoffdioxid wurde durch in einer Schale angesetzten Atemkalk der Atemluft entzogen, umgekehrt wurde Sauerstoff aus einer Druckflasche zugeführt. Bei späteren Tauchgängen wurde die Luftzirkulation zusätzlich durch einen mitgeführten Ventilator angeregt.

Ich hätte mir einen etwas spannenderen Bericht erwartet, der meinen Erwartungen gerecht geworden wäre. Aber die anstrengende Schreibweise von Brad Fox hat mir das nicht leicht gemacht.
Das Buch wurde mit dem National Book Foundation’s Science and Literature Award 2024 ausgezeichnet. Ich kann leider nicht nachvollziehen, warum.

(Rezensionsexemplar)

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