Tschingis Aitmanow: Der Schneeleopard (Rezension)

Die Zeit scheint für beide abgelaufen. Der einst unbezwingbare Schneeleopard Dschaa-Bars fühlt seine Kräfte schwinden und will sich zum Sterben in das kirgisische Hochgebirge zurückziehen. Und Arsen Samantschin, der unabhängige Journalist, wird von der Welle des entfesselten Kommerzes in seiner Heimat überrollt. Die Medien kuschen, Oligarchen und Fanatiker drängen sich vor, und seine große Liebe, die Sopranistin Aidana, feiert als Popstar Triumphe. Das Schicksal führt Arsen und den Schneeleoparden in einer atemberaubenden Wendung zusammen: Arabische Prinzen haben sich zu einer luxuriösen Jagdpartie angekündigt. Arsen soll sie als Dolmetscher begleiten. Aber nicht alle im Dorf wollen hinnehmen, dass es bei diesem Geschäft so wenige Gewinner und so viele Verlierer gibt.
Tschingis (oder Dschingi) wurde 1928 in Kirgisien geboren, arbeitete nach der Ausbildung an einem landwirtschaftlichen Institut zunächst in einer Kolchose. Nach ersten Veröffentlichungen zu Beginn der Fünfzigerjahre besuchte er das Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau und wurde Redakteur einer kirgisischen Literaturzeitschrift, später der Zeitschrift Novyj Mir. In der Zeit der Perestroika war er als parlamentarischer Vertreter (Oberster Sowjet der UdSSR) aktiv, seit Ende 1989 auch als Berater Michail Gorbatschows. 1990 wurde er der letzte sowjetische Botschafter in Luxemburg.
Danach war er bis März 2008 Botschafter für Kirgisistan in Frankreich und den Benelux-Staaten und lebte in Brüssel.
Er starb am 10. Juni 2008 in Nürnberg. DER SCHNEELEOPARD ist sein letzter Roman und der einzige, den ich von ihm gelesen habe. Weltruhm erlangte er allerdings mit der Liebesgeschichte Dshamilja.
DER SCHNEELEOPARD ist ein spannender Roman, in dem kirgisische Mythen mit dem Schicksal von Mensch und Tier verknüpft werden. Philosophisch hintergründig, manchmal melancholisch und zum Nachdenken anregend, stellt er Parallelen zu Jäger und Gejagten dar und verwebt diese zu einem ergreifenden Plädoyer für den Schutz der Natur und seiner Lebewesen. Kein Wunder dass er auf Bitten des Naturschutzbundes Deutschland die Schirmherrschaft der Vereinigung zum Schutz der Schneeleoparden übernommen hatte. Sprachlich auch in der Übersetzung überzeugend, darf als einziger Kritikpunkt die Darstellung des Schneeleoparden gelten, der vor allem in seinen Gefühlen doch sehr menschlich wirkt. Aber vielleichtmuss das in dieser Geschichte auch so sein, damit der Leser den Zugang zu diesen schönen Tieren bekommt und dadurch auch die Beweggründe der Menschen (vielleicht) nachvollziehen (oder verurteilen) kann.
Aitmanow folgt den beiden Erzählsträngen seiner Protagonisten bis er diese am Ende zu einem (durchaus als merkwürdig und etwas konstruiert wirkenden) einzigen verbunden werden. Aber … wer sich für die kirgisische Lebensweise und die Natur der Berge interessiert wird Gefallen an Aitmanows letztem Buch haben.

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