Rot- und Schwarzmilan in Brehms Tierleben

Schwarz- und Rotmilan (Brehms Tierleben)

Die Milane (Milvus) sind mittelgroße, schlank gebaute Raubvögel mit schwachem, verhältnismäßig kleinem, an der Wurzel nur leicht gekrümmtem, jedoch ziemlich langhakigem, zahnlosem, weit gespaltenem Schnabel, kurzen, vorn wenig unter die Fersen hinab befiederten Läufen und mäßig großen, mit schwach gekrümmten Krallen bewaffneten Fängen, verhältnismäßig sehr großen und langen Flügeln, unter deren Schwingen die vierte die längste ist, langem, mehr oder minder gabelförmigem Schwanze und großem, lockerem, abstehendem Gefieder, welches sich dadurch auszeichnet, daß die Kopffedern verlängert und spitzig und auch die der Brust schmal und zugespitzt sind. Die sechs Arten, welche unterschieden worden sind, bewohnen die Alte Welt. (Heute unterscheidet man nur noch drei bzw. vier Arten der Gattung Milvus)

Wohl der ausgezeichnetste aller Milane ist der Königsweih oder Rothmilan, Gabel-, Röthel-, Rüttel-, Hole- und Kürweih, Stein-, Stoß-, Hühner- und Gabelgeier, Gabler, Gabel- und Schwalbenschwanz, Schwimmer, Krümmer, Stert und Tyverl (Milvus regalis, ictinus, ruber und vulgaris, Falco milvus und austriacus, Accipiter milvus, Bild S. 689), nach Auffassung einzelner Vogelkundigen Vertreter einer besonderen Untersippe (Milvus), ein stattlicher Raubvogel von fünfundsechzig bis zweiundsiebzig Centimeter Länge, einhundertundvierzig bis einhundertundfunfzig Centimeter Breite, funfzig Centimeter Fittiglänge und, an den äußersten, längsten Federn gemessen, achtunddreißig Centimeter Schwanzlänge. Von seinen europäischen Verwandten und allen anderen Milanen überhaupt unterscheidet er sich durch seinen etwa zehn Centimeter tief gegabelten Schwanz. Beim alten Männchen sind Kopf und Kehle weiß, alle Federn in der Mitte durch einen schmalen schwarzbraunen Schaftstrich gezeichnet, die Kopffedern hell rostfarben überhaucht, Hinterhals, Nacken und Vorderbrust rostroth, die Rücken- und Schulterfedern in der Mitte schwarzbraun, rostroth eingefaßt, Bauch, Brust und Hosen schön rostroth, durch mäßig breite schwarze Schaftstriche geziert, die Handschwingen schwarz, an der Wurzel weiß, die mittleren schwarz, rostbraun überlaufen und mit dunklen, schmalen Querbinden geschmückt, die kleinen Unterflügeldeckfedern rostroth und schwarz gefleckt, die großen schwarz, rostroth umsäumt, die mittleren Schwanzfedern rostroth, die äußeren schwärzlich, gegen die Spitze hin braun überlaufen, an dieser schmal schmutzigweiß gesäumt, Schwingen und Steuerfedern unterseits weiß, schmal schwärzlich quergebändert. Beim Weibchen ist der Kopf dunkler, der Rücken einfarbiger braun, die Rostfarbe in ganzen lichter, die schwarze Fleckenzeichnung und die weiße Federbesäumung schmäler, letztere auch schmutziger als beim Männchen. Das Auge hat silberfarbene, in hohem Alter blaßgelbe Iris, der Schnabel ist an der Wurzel gelb, bei mittelalten Vögeln bläulich, an der Spitze immer schwarz, die Wachshaut gelb wie der Fuß. Beim jungen Vogel sind alle Farben lichter und trüber als beschrieben, die Schaftstriche minder deutlich ausgedrückt, die Federn meist mit breiten gelben Kanten umsäumt, der Augenstern braun, der Schnabel schwarz, die Wachshaut wie der Fuß blaßgelb.

Ebene Gegenden Europas von Südschweden an bis Spanien und von hier bis Sibirien sind die Heimat des unedlen Raubvogels, welchen Schiller als »König der Lüfte« bezeichnet hat. Innerhalb dieses für einen Milan ausgedehnten Verbreitungsgebietes findet sich der Königsweih keineswegs überall, sondern nur hier und da und nicht immer in solchen Gauen, welche anderen von ihm bewohnten im wesentlichen ähneln. Im südlichen Skandinavien ist er häufiger, als man vermuthen möchte, hier und da sogar gemein, in Dänemark über alle Inseln verbreitet, in Holland und Belgien höchstens auf dem Zuge anzutreffen, in Frankreich, Portugal und Spanien, ebenso in Süd- und Mittelitalien an passenden Orten ständiger Ansiedler, in Griechenland nur durchreisender Wandervogel, in den Donautiefländern überall vorkommender, im ebenen Polen regelmäßiger, in Südrußland gelegentlich auftretender Brutvogel. In Deutschland horstet er im ebenen Thüringen, in der Mark, in Sachsen, Braunschweig, Hannover, Rheinpreußen, Mecklenburg, Pommern, Posen, West- und Ostpreußen geeigneten Ortes wohl überall, wogegen er in Westfalen und Oberschlesien strichweise gänzlich zu fehlen scheint, in Bayern nur die weiten Ebenen bewohnt und im Südwesten Deutschlands durch seinen Verwandten vertreten wird. Gebirgige Gegenden unseres Vaterlandes berührt er nur während seines Zuges. Er erscheint regelmäßig zu Anfang des März und verweilt im Lande bis zu den ersten Tagen des Oktober, bleibt auch wohl in gelinden Wintern einzeln in der Heimat, falls er glaubt, sich hier durch das Leben schlagen zu können. Auf seinen Zügen vereinigt er sich oft zu zahlreichen Flügen von funfzig bis zu zweihundert Stück, und solche Reisegesellschaften scheinen während des ganzen Winters zusammenzuhalten. Bei Toledo beobachteten wir mitten im Winter einen Flug, welcher mindestens achtzig Stück zählte, in inniger Verbindung, bei Tage gemeinschaftlich jagend, nachts ein kleines Wäldchen am Ufer des Tajo zum Schlafplatze erwählend, wogegen zur Sommerszeit in derselben Gegend der Königsweih höchstens paarweise getroffen wird. Seine Wanderung führt ihn durch Nordwestafrika, bis zu den Inseln des Grünen Vorgebirges. Die Straße von Gibraltar kreuzt er jährlich zweimal in größerer Anzahl. Einzelne Wandervögel bleiben wohl auch in der Fremde wohnen und vermehren diejenigen, welche schon von Alters her in den Atlasländern oder auf den Kanarischen Inseln seßhaft sind.

In früheren Zeiten spielte der Königsweih dieselbe Rolle, welche gegenwärtig der Schmarotzermilan übernommen hat. »In den Tagen König Heinrichs des Achten«, sagt Pennant, »schwärmten über die britische Hauptstadt viele Milane umher, welche von den verschiedenen Auswurfsstoffen in den Straßen herbeigezogen worden und so furchtlos waren, daß sie ihre Beute inmitten des größten Getümmels aufhoben. Es war verboten, sie zu tödten.« Der Böhme Schaschek, welcher England im Jahre 1461 besuchte, bemerkt, daß er niemals eine so große Anzahl von Königsweihen gesehen habe als in London, und Belon versichert, zwischen Kairo und London hinsichtlich der hier wie dort wohnenden Milane keinen Unterschied wahrgenommen zu haben. Heutzutage sind die Verhältnisse andere geworden; denn der vormals so häufige Vogel ist in ganz Großbritannien beinahe ausgerottet und nur in Schottland noch hier und da als Brutvogel zu finden.

Der Königsweih ist nichts weniger als ein königlicher Vogel, weil träge, ziemlich schwerfällig und widerlich feig. Sein Flug ist langsam, aber ungemein anhaltend und sanft schwimmend, wird zuweilen Viertelstunden lang durch keinen Flügelschlag unterbrochen und dann nur durch den breiten Schwanz geregelt, hebt den Vogel, scheinbar ohne jegliche Anstrengung, zu ungemessenen, dem menschlichen Auge kaum noch erreichbaren Höhen empor und trägt ihn ein anderes Mal durch weite Strecken, auch dicht über den Boden dahin. Der Gang ist schlecht, mehr ein Hüpfen als ein Schreiten, die Haltung des aufgebäumten Vogels, dadurch bezeichnend, daß er den Hals so viel als möglich einzieht, weshalb der Kopf zwischen den Schultern zu sitzen scheint, und ebenso dadurch, daß er den Schwanz nicht immer gerade herabhängen laßt, sondern meistens ein wenig nach vorn biegt, wodurch die Gestalt, von der Seite gesehen, durch eigenthümlich geknickte Umrißlinien auffällt. Unter den Sinnen steht offenbar das Gesicht obenan, wie schon das schöne Auge, deutlicher aber das Benehmen des in unendlicher Höhe dahinziehenden Vogels beweist, wenn ihm irgend welche Beute winkt oder eine größere Eule sich zeigt; nächstdem dürften Gehör und vielleicht noch Gefühl, Geschmack und Geruch dagegen, mindestens nicht nach unserem Behagen, als entwickelt bezeichnet werden. An Verstand steht er sicherlich hinter keinem einzigen unserer deutschen Falken zurück. Mehr als jeder andere richtet er sein Benehmen den Umständen entsprechend ein, unterscheidet den Jäger mit großer Sicherheit von dem Landmann, meidet Ortschaften, in denen er üble Erfahrungen gemacht hat, und wird in anderen zu einem ebenso dreisten und zudringlichen Bettler wie seine Verwandten. Ein Königsweih, welchen Stölker beobachtete, suchte das ganze Dorf tagtäglich ab und ließ sich mitten zwischen Häusern auf niedrigen Bäumchen nieder. Seiner Zahmheit wegen begann unser Gewährsmann ihn zu füttern und hatte die Genugthuung, daß er das kaum zehn Schritte vor das Haus gelegte Fleisch, namentlich abgebälgte Vogelkörper, davontrug. Als ihm eine Falle gestellt wurde, umkreiste er dieselbe ganz nahe, stieß sein Geschrei aus und strich von dannen. War man auf dem Anstande, so war er nirgends vorhanden und blieb deshalb unbehelligt. Ein anderer besuchte regelmäßig die Brunnen, um hier die Eingeweide von Fischen oder die Abfälle von Fleischern zu holen, kümmerte sich wenig um die Leute, welche zugegen waren, und ließ sich nicht einmal durch ihm geltende Schüsse vertreiben. Anderweitige Beweise seines Verstandes gibt der Königsweih bei dem Horste oder in der Gefangenschaft. Seine Stimme ist wenig anmuthig, langgezogen und lachend meckernd; die Silben »Hihihiää« geben sie ungefähr wieder. Zur Begattungszeit hört man ein eigenthümliches Getriller.

Kleine Säugethiere und noch nicht flugfähige Vögel, Echsen, Schlangen, Frösche und Kröten, Heuschrecken, Käfer und Regenwürmer bilden die Nahrung des Königsweihes. In den Bauergehöften raubt er junge Küchlein weg, dem Gänsehirten macht er Sorgen, den Jäger erbittert er wegen seiner Angriffe auf junge Hasen oder Rebhühner, dem Edelfalken treibt er durch schamloses Betteln die erworbene Beute ab. Aller dieser Sünden ungeachtet gehört er kaum zu den schädlichen Vögeln unseres Vaterlandes. Wenn eine Mäusepest die Felder heimsucht, stellt auch er sich ein, und nunmehr lebt er wochenlang herrlich und in Freuden. Rechnet man ihm die Vertilgung der Mäuse und verderblicher Kerbthiere gebührend an, so muß man zu dem Schlusse kommen, daß ihm ein junges Häschen oder Gänslein wenigstens nicht zu mißgönnen ist. Wäre er minder frech, bettelte er nicht so unverschämt und zwänge er dadurch die Edelfalken nicht, mehr zu rauben, als sie bedürfen: wir würden ihm einen Ehrenplatz unter den natürlichen Wohlfahrtswächtern unserer Felder anweisen. Unter der Jägerei aber gilt es als unbestreitbare Thatsache, daß er der Wildbahn unendlichen Schaden zufügt, und jedermann fühlt sich deshalb berufen, ihn sammt seiner Brut zu zerstören, wo dies immer möglich. In Wahrheit zählt er zu den harmlosesten aller unserer Raubvögel. Der erwähnte Königsweih z.B., welchen Stölker beobachtete, setzte weder die Hühner noch die Tauben des von ihm besuchten Dorfes in Schrecken und zeigte jedenfalls stärkeres Gelüst nach todten als nach lebendigen Vögeln. Auch seine Fischereien, welche er ziemlich regelmäßig betreibt, und denen zu Liebe er eine Strecke von fünfundzwanzig bis dreißig Kilometer zu durchfliegen nicht scheut, sehen gefährlicher aus, als sie in Wirklichkeit sind. Ganz abgesehen davon, daß er nur selten ein von ihm in das Auge gefaßtes Fischlein glücklich erhebt, gilt seine Anstrengung überhaupt mehr den Fröschen als den geschuppten Wasserbewohnern. Nur während der Fortpflanzungszeit wird er im Gehöfte wie in der Wildbahn wirklich schädlich.

Bald nach seiner Ankunft im Frühjahre schreitet der Königsweih zur Fortpflanzung. Falls irgend möglich, bezieht er wiederum den Brutplatz, welchen er im vorigen Jahre innehatte, nicht aber immer auch denselben Horst. Wenn er es haben kann, nimmt er mit einem alten Krähenneste oder Falkenhorste vorlieb; sonst führt er den Bau selbst aus. Nachdem das Paar längere Zeit in herrlichen Flugspielen über dem ausersehenen Walde sich vergnügt, entscheidet es sich endlich für einen bestimmten Baum, in den meisten Fällen einen möglichst hohen, zuweilen aber auch einen in jeder Beziehung ungeeigneten, schwachen, gleichviel, ob für einen Laub- oder Nadelbaum, und beginnt nun entweder in den Wipfelzweigen oder auf einem Seitenaste den etwa einen Meter im Durchmesser haltenden Horst zu errichten. Dieser unterscheidet sich in der Bauart nicht wesentlich von dem eines Bussards oder eines anderen Raubvogels, wohl aber regelmäßig dadurch, daß der Königsweih die Nestmulde mit Lumpen und Papier verschiedener Art auszukleiden beliebt und nicht immer dazu die saubersten Lumpen oder Fetzen erwählt. König-Warthausen versichert, daß die Untersuchung des Horstes zuweilen recht unerquicklich werden könne, weil dieser Milan die benöthigten Zeitungspapiere oft in ekelhaftem Zustande auflese; andere Beobachter erfuhren fast ausnahmslos dasselbe. Selbst die Zeuglappen und Lumpen werden in der Regel nirgends anders als von den Düngerhaufen auf den Feldern zusammengesucht und stehen daher jenen Papierfetzen wenig nach. Einzelne Paare des Königsweihes haben ganze Vogelscheuchen in ihren Horst geschleppt, andere der Wäscherin Vorhänge von den Trockenleinen gestohlen, um mit ihnen die Nestmulde auszupolstern. Die zwei bis drei, in sehr seltenen Fällen auch wohl vier Eier ähneln denen des Mäusebussards in hohem Grade, sind jedoch in der Regel etwas größer. Ihr Längsdurchmesser beträgt neunundfunfzig bis zweiundsechzig, ihr Querdurchmesser fünfundvierzig bis siebenundvierzig Millimeter. Ihre Schale ist feinkörnig, jedoch glanzlos, die Grundfärbung ein schwach ins Grünliche spielendes Weiß, die Zeichnung aus bunten Spitzenflecken und grobem Gekritzel von dunkel rothbrauner Färbung hergestellt. Wie es scheint, brütet nur das Weibchen; wenigstens sieht man, so lange es sitzt, das Männchen eifrig beschäftigt, die Gattin mit der nöthigen Nahrung zu versorgen. Nach einer Brutzeit von etwa vier Wochen entschlüpfen die Jungen, und nunmehr wetteifern beide Eltern, ihnen Nahrung in Hülle und Fülle herbeizuschleppen. Ihre Gefräßigkeit steht der anderer Raubvögel vollkommen gleich, spornt die Alten zu fast ununterbrochener Jagd an und wird Ursache zu den meisten Uebergriffen, welche sie sich gestatten. So lange das Weibchen brütet, sitzt es sehr fest auf den Eiern und fliegt oft erst nach wiederholtem Klopfen vom Horste ab; wenn jedoch die Jungen erst einigermaßen groß geworden sind und der elterlichen Hülfe nicht dringend bedürfen, setzen sich die Alten nicht mehr so rücksichtslos der Gefahr aus, entfliehen vielmehr bei Ankunft eines Menschen rechtzeitig, lassen sich auch durch die hungrigen, schreienden Jungen nicht in den Bereich des Gewehres locken und versuchen höchstens aus sicherer Höhe herab Nahrung auf den Horst zu werfen. Wie verständig sie sich der flüggen Jungen annehmen, erfuhr Stölker; denn als er den aufgefundenen Horst eines Königsweihes ersteigen ließ, wurde das noch im Nest sitzende, kleinste Junge, welches seinen beiden auf die Zweige geflatterten Geschwistern nicht folgen wollte, von den Alten hinausgestoßen und ihm weiter fortgeholfen, so daß bei Ankunft des Besuchers alles glücklich ausgeflogen war.

Unter geeigneter Pflege wird der Königsweih in der Gefangenschaft bald zahm. Ist er beim Einfangen bereits erwachsen, so pflegt er sich, wie Stölker erfuhr, angesichts des Menschen in höchst absonderlicher Weise zu gebaren, indem er sich todt stellt, sich platt auf den Boden legt und sich regungslos verhält, sich wohl auch von einer Sitzstange herabfallen und Flügel und Schwanz schlaff hängen läßt, selbst den Schnabel öffnet und die Zunge hervorstreckt, gestattet, ohne ein Lebenszeichen zu geben, daß man ihn an einem Fange aufhebt, und, wenn man ihn wieder auf den Boden bringt, genau ebenso liegen bleibt, wie man ihn hinlegte. Solch heuchlerisches Spiel treibt er geraume Zeit, verstellt sich aber bald immer seltener, spielt nicht mehr den vollständig, höchstens den Halbtodten, sieht endlich ein, daß alle Täuschung nichts fruchtet, gibt fernere Versuche auf, vertraut mehr und mehr und bethätigt endlich größte Hingebung an den fütternden Gebieter. Von mir gepflegte Vögel dieser Art verfehlten nie, mich zu begrüßen, so bald ich mich von weitem sehen ließ, gleichviel, ob ich ihnen Futter brachte oder nicht, unterschieden mich auf das bestimmteste von anderen Leuten und erkannten mich in jeder Entfernung, selbst im dichtesten Menschenstrome. Genügsam sind die Königsweihen in hohem Grade, mit ihresgleichen und mit anderen Thieren höchst verträglich, daher wohl als liebenswürdige Raubvögel zu bezeichnen. Hinsichtlich ihrer Verträglichkeit kommen jedoch Ausnahmen vor. »Ich hielt«, erzählt Berge, »längere Zeit einen Milan auf einer geräumigen Bühne. Diese mußten später zwei halb erwachsene Katzen mit ihm theilen. Sie erhielten täglich Brod in Milch aufgequellt zur Nahrung. Anfangs schien der Vogel seine Gesellschafter nicht zu beachten; bald aber verjagte er sie stets von ihrem Futtergeschirr, wenn sie fressen wollten, und binnen kurzem steigerten sich diese Aeußerungen des Neides so weit, daß der Königsweih alles Fleisch, welches er erhielt, unberührt ließ und täglich zweimal den mit Brod und Milch gefüllten Katzenteller leerte. Schließlich mußte man die Katzen entfernen, weil man befürchtete, daß sie verhungern würden. Während der ganzen Zeit genoß der Vogel kein Fleisch, duldete aber auch nicht, daß die Katzen dieses zu sich nahmen.« Andere Gefangene zeigten sich liebenswürdiger. »Einer meiner Bekannten«, sagt Lenz, »besaß einen flügellahmen Königsweih und ließ ihn im Garten frei gehen. Dort baute er ein Nest, legte zwei Eier und brütete fleißig. Dies wiederholte der Vogel im nächsten Jahre und nun wurden ihm drei Hühnereier untergelegt. Er brütete drei Küchlein aus, holte sie, so oft sie aus dem Neste liefen, mit dem Schnabel zurück, stopfte sie unter sich und versuchte, sie mit Fleischstückchen zu füttern. Die Thierchen gingen aber leider durch das viele Unterstopfen zu Grunde.« Es ist dies nicht das einzige Beispiele dieser Art. Bezirksförster von Girardi pflegte dreiundzwanzig Jahre lang einen Königsweih, welchen er vor dem Flüggewerden aus dem Horste genommen und vom Anfange an wie andere Raubvögel gehalten hatte. Hamatz kam auf den Ruf seines Herrn wie ein Huhn zur Mahlzeit, oft auch ungerufen in das Zimmer und nahm das ihm gereichte aus der Hand der Hausbewohner, benahm sich aber auch in anderer Hinsicht wie ein Huhn, indem er eine lange Reihe von Jahren hindurch die ihm jedes Jahr untergelegten Hühnereier ausbrütete und die entschlüpften Küchlein mit wahrhaft bewunderungswürdiger Sorgfalt und Treue pflegte. Ein eigener Anblick war es, wenn die jungen Hühnchen ihm das Fleisch aus den Fängen oder aus dem Schnabel wegnahmen und verzehrten. Leider verlor Hamatz, welcher auch als Wetterprofet in hohem Ansehen stand, durch einen Jagdhund auf gewaltsame Weise sein Leben.

In manchen Gegenden unseres Vaterlandes vertritt den Königsweih, an anderen Orten gesellt sich ihm der Milan, Waldgeier oder Hühnerdieb, welcher hier und dort auch den einen oder anderen Namen des Königsweihes trägt (Milvus migrans, ater, niger, aetolius und fuscus, Falco migrans, ater und fuscoater, Accipiter milvus, Hydroictinia atra), nach Kaups Auffassung Vertreter einer besonderen Untersippe, der Wassermilane ( Hydroictinia). Er ist merklich kleiner als der Königsweih. Seine Länge beträgt fünfundfunfzig bis achtundfunfzig, die Breite einhundertundsechsunddreißig bis einhundertundfünfundvierzig, die Fittiglänge vierundvierzig bis siebenundvierzig, die Schwanzlänge sechsundwanzig bis neunundzwanzig Centimeter. Erstere Maße gelten für das Männchen, letztere für das Weibchen. Das Gefieder ist in allen Theilen erheblich dunkler als das des Königsweihes, der Name »schwarzer Milan« im Vergleiche zu »rother Milan« daher nicht gänzlich ungerechtfertigt. Kopf, Nacken, Kinn, Ober- und Unterkehle sind auf weißgrauem Grunde durch schmale, ungleich breite, schwarzbraune Striche längsgezeichnet, die Mantelfedern dunkel erdbraun, lichter gerändert, die der Kropfgegend fahl erdbraun, mit ziemlich breiten, auf beiden Seiten grauweiß gesäumten Schaftstrichen geziert, die der Brust röthlichgrau, die des Bauches und die unteren Schwanzdecken mehr oder weniger rein rostbraun, leicht graulich überflogen und schmal schwarz längsgestrichelt, die Schwingen schwarzbraun mit Kupferglanz, die Oberflügeldecken licht erdgrau, heller gesäumt, die Steuerfedern dunkel erdbraun, mit acht bis zwölf verloschenen, aber regelmäßigen Binden und einen licht fahlgrauen Saum an der Spitze des Schwanzes ausgestattet. Der Augenring ist braungrau, der Schnabel hornschwarz, die Wachshaut gelb, der Fuß orangegelb. Beide Geschlechter unterscheiden sind nicht in der Färbung.

Die jungen Vögel sind am Kopfe und auf der Unterseite röthlichbraun, alle Federn mit licht gelbweißlichen Spitzflecken und dunklen Schaftstrichen gezeichnet, die Manteldeckfedern dunkelbraun, licht fahlgelb gerändert, die Flügeldecken licht erdgrau, in der Mitte dunkelgrau, schwarz geschäftet und bereits licht rostfarbig gerändert, die der Kehle oft rein hell fahlgelb.

Das Verbreitungsgebiet des Milan ist wie das aller seiner Verwandten ziemlich beschränkt. In Mitteldeutschland gehört er zu den seltenen Vögeln; in der Mark, namentlich in der Nähe der Havelseen, in Pommern, Mecklenburg, am Oberrheine und in der unteren Maingegend, zumal in Rheinhessen und Baden, ist er häufiger, in Niederösterreich, Ungarn, den Donautiefländern, einem großen Theile von Rußland und ebenso in Italien und Spanien ein regelmäßig vorkommender, an geeigneten Stellen gemeiner, sogar gesellschaftlich horstender Brutvogel. Bei uns zu Lande Sommergast, welcher im März eintrifft und die Heimat im Oktober wieder verläßt, überwintert er bereits im südlichen Europa; der eine oder der andere seines Geschlechtes reist jedoch auch von hier ab, um in Afrika die rauhe und arme Jahreszeit zu verbringen. Bei dieser Gelegenheit durchstreift er den ganzen letztgenannten Erdtheil und beendet seine Wanderung erst im Süden und Südwesten desselben. Im Damara-und Namakenlande stellt er sich, laut Anderson, frühestens Ende August, gewöhnlich aber im Oktober oder November, ausnahmsweise auch erst im December ein. Anfangs sieht man wenige seiner Art; einige Tage später ist sein Name Legion, so daß man ihn und seine schmarotzenden Verwandten, zu denen er sich gesellt, im Winter als die häufigsten aller Vögel des Landes bezeichnen darf.

Unmittelbar nach seiner Ankunft im Frühjahre begibt sich der Milan auf seinen vorjährigen Horstplatz und beginnt nunmehr sein Sommerleben. Ich danke dem Kronprinzen, Erzherzog Rudolf von Oesterreich, eine so vortreffliche und richtige Schilderung des letzteren, daß ich nichts besseres thun kann, als sie hier wiederzugeben und hier und da einzelne Beobachtungen anderer Forscher einzuschalten. »In Ungarn ist der schwarze Milan ein ziemlich gewöhnlicher Vogel; in Niederösterreich habe ich ihn immer nur in bestimmten Gegenden, hier aber regelmäßig, beobachtet. Seine eigentlichen Aufenthaltsorte sind Wälder, welche an Flüssen, besonders großen Strömen, und in der Nähe von Sümpfen sich erstrecken. Die hohen Bäume sucht er übrigens nur deshalb auf, um auf ihnen zu horsten oder zu schlafen. Im Laufe des Tages zieht er fortwährend über und unter den Gebüschen und längs der Gewässer umher. Sein ganzes Sein und Wesen erfordert eine flache Gegend mit viel Wasser: daher sagen ihm unsere Donauauen besonders zu. Wer ihn kennt, wird ihn sich gewiß nicht im Hügel- oder Mittelgebirge denken können. Man findet ihn hier niemals, weder im Hoch- noch im Waldgebirge, noch auf Hochebenen; er meidet selbst jene Waldungen, welche an ausgedehnte Wiesen und Felder stoßen. Diese scharfe Abgrenzung seines Aufenthaltsortes geht so weit, daß er z.B. in den von dem Donaustrome durchflossenen Auen unter den vielen in diesen Gegenden lebenden Raubthieren das häufigst vorkommende ist, wogegen er eine Meile von hier, in den Vorhölzern des Wiener Waldes, niemals bemerkt wird. Ich bin in der Lage, den Wiener Wald sehr häufig zu durchstreifen, und habe noch nie einen Milan dort erblickt, wogegen der Königsweih alljährlich hier horstet. Ersterer ist ein geselliger Vogel, welcher da, wo er auftritt, stets in erheblicher Anzahl gefunden wird und auch die Gesellschaft anderer Ordnungsverwandten sucht, wogegen letzterer stets einsam in die Waldgebirge oder in den Auen an die stillsten Plätze sich zurückzieht. Die Nähe der Ortschaften meidet er schon in Niederösterreich nicht, noch weniger aber in Ungarn, woselbst er sogar Städte, die Hauptstadt nicht ausgeschlossen, oft besucht und im Inneren derselben längere Zeit sich umhertreibt.

Eigentlich läßt sich der Milan nur während der Paarungs- und Brutzeit leicht beobachten; außerdem verhindert sein flüchtiges, unstetes Leben, ihm zu nahen. Wenn man in die Auen an der Donau eindringt, wird man zuerst über dem niederen Gestrüppe am Rande der Felder einzelne streichende Milane gewahren, welche entweder über die Auen hinaus oder in dieselben zurück auf Raub ausziehen. Je weiter man in die dichteren und höheren Bestände hineinwandert, desto mehr wird man unserem Vogel allent halben begegnen. Besteigt man einen Kahn, um einen einsamen Stromarm zu befahren, so wird man um die hohen Bäume der kleineren, wirr verwachsenen Inseln die Männchen im Frühjahre kreisen sehen, während drinnen die Weibchen auf dem Horste sitzen. Von Zeit zu Zeit sieht man einen Milan nach dem anderen aus den Inseln über den Hauptstrom nach den Auen des anderen Ufers streichen, das Boot oft gar nicht berücksichtigend.

Der Flug dieses Vogels ist außerordentlich schön, besonders wenn er über dem Wasserspiegel größerer Ströme gaukelt, wie er dies Viertelstunden lang zu thun pflegt. Doch gewinnt man erst im Frühjahre zur Paarungszeit die richtige Vorstellung seiner Flugkünste. Angeregt durch das Hochgefühl der Liebe, steigt das Paar hoch in die Lüfte und kreist. Plötzlich läßt sich der eine oder der andere mit schlaff hängenden Flügeln bis knapp über die Wasserfläche fallen, zieht dann pfeilschnell in krummen Linien eine kurze Strecke dahin, fliegt rasch wieder umgekehrt, rüttelt wie der Thurmfalk und führt die wunderbarsten Bewegungen nach allen Richtungen aus.

»Auf den verlassensten Inseln, welche nur selten ein Mensch betritt, hat man den einfach gebauten Horst zu suchen. Er steht tiefer als halbe Baumeshöhe auf den stärksten Bäumen, meist in der Zwisel zwischen dem Stamme und einem dicken Aste. Dünn über einander gelegte Reiser bilden den schleuderischen Bau, außerhalb dessen schon von weitem der gegabelte Stoß des Weibchens zu bemerken ist. In den meisten Fällen bemächtigt sich unser Milan verlassener Reiherhorste, und so kommt es, daß der seinige von dem des Fischreihers oft kaum zu unterscheiden ist. Ich fand weitaus die meisten Horste auf jenen Inseln, auf denen sich Reiher- und Scharbenstände befanden; auf solchen, wo der Bussard, Königsweih und die größeren Falken nisten, bemerkte ich während der Brutzeit unseren Vogel niemals. Die Zeit, in welcher dieser brütet, schwankt erheblich. Ende April besuchte ich Horste, in denen die Weibchen schon sehr fest auf den Eiern saßen, wogegen mehrere andere Paare noch bauten, einige sogar erst Nistplätze suchend umherstrichen. Um die Mitte des Mai waren die meisten Horste von brütenden Weibchen besetzt.

Wer den Milan beobachtet, muß bemerken, daß er die Gesellschaft des Sumpf- und Wassergeflügels in hohem Grade liebt, und es darf wohl als ein Beweis seiner Harmlosigkeit dienen, daß diese Vögel in dem freundlichsten Verhältnisse mit ihm leben. Ich fand einmal einen Horst am Ufer einer großen Insel; hundert Schritte davon waren alle Bäume mit Reihernestern besetzt, zwischen denen man auch die Horste des Thurm- und Baumfalkens bemerkte. Alle Bewohner dieser Ansiedelung strichen im besten Einvernehmen untereinander umher, und der männliche Milan führte seine Flugkünste zwischen den kreisenden Reihern aus. Auf einer anderen Stelle fand ich zwei Milanhorste unter denen der Reiher und Scharben. Der eine war kaum drei Meter über dem Boden auf einem starken Aste erbaut. Ueber ihm hatten auf dem nämlichen Baume vier oder fünf Scharben ihre Nester angelegt. Der zweite stand auf einem dicken Baume ebenfalls niedrig über dem Boden. Kaum einen Meter über ihm befanden sich ebenfalls Fischreiherhorste, und die Weibchen der Reiher und des Milans saßen auf den Eiern, während die Männchen beider Arten nebeneinander auf einem und demselben Aste standen. Beide Milanhorste waren auf den äußersten hohen Bäumen der Insel, der erste am Rande eines sumpfigen Stückes Waldes, der andere am entgegengesetzten Ende am Ufer eines breiten Donauarmes errichtet worden. Auf einer anderen kleinen Insel gegenüber stand noch ein Milanhorst, unweit desselben, aber getrennt durch einen schmalen Arm, horsteten ein Bussard, ein Würgfalk und einige Baumfalken, endlich befand sich hier noch ein großer, in diesem Jahre jedoch unbewohnter Fischadlerhorst. Ich glaube, daß ein Hauptgrund des Zausammenlebens der Reiher und Scharben mit den Milanen die große Freßgier der letzteren und ihre Trägheit im Suchen nach Beute ist. Ihre Lieblingskost bilden Fische, und leicht wird es ihnen, in der Nähe der Reiher ihren Hunger zu stillen, da diese von ihren Horsten herab viele große Fische fallen lassen, deren sich dann andere Schmarotzer bemächtigen. Zwar ist unser Milan ein nicht ungeschickter Fischer, findet es aber bequemer, zu betteln und zu schmarotzen. Auch im Fluge jagt er den großen Wasservögeln und den Fischadlern durch seine Zudringlichkeit Beute ab, ebenso wie sein Verwandter, der Königsweih, im Walde Adlern, Bussarden und Falken beschwerlich fällt und gefangenes Wild zu entlocken weiß. Abgesehen von Fischen, bilden junge Hasen, Hamster, Zisel und Mäuse, vor allem aber Frösche, seine gewöhnliche Nahrung. Dem Hühnerhofe wird er durch unglaubliche Keckheit gefährlich; denn ohne jede Sorge und Rücksicht raubt er in allen Ortschaften die Küchlein und jungen Enten angesichts ihrer Eltern weg, und nur das Feuergewehr kann seinen Raubgelüsten hier steuern. Ich sah einst in einem Dorfe, welches am Rande der Aue in der Ebene liegt, einen Milan regelmäßig jagen, über einem Gehöfte in der Höhe der Rauchfänge nach Thurmfalkenart rudernd nach Beute spähend.«

Hinsichtlich des Fortpflanzungsgeschäftes unseres Milans habe ich hinzuzufügen, daß der Horst ebenso wie der des Königsweihes regelmäßig mit Lumpen, alten Schürzen, Nachtjacken oder zusammengeballten Säugethierhaaren, Werg und ähnlichen Stoffen ausgekleidet wird, sich also leicht von dem aller übrigen einheimischen Raubvögel unterscheiden läßt. Ob der Milanhorst besetzt ist, verräth sich, laut Blasius, gewöhnlich durch die Lumpen oder Wergflocken, welche am Rande des Horstes oder auf den Zweigen in der Nähe des letzteren beim Zutragen hängen geblieben sind. Das Gelege, welches durchgehends zu Ende des April vollzählig zu sein pflegt, besteht aus drei bis vier, denen des Königsweihes täuschend ähnlichen, auf gelblichem oder graulichweißem Grunde braun gemarmelten und dicht gefleckten Eiern. Wie es scheint, brütet nur das Weibchen; wenigstens spricht dafür eine Beobachtung von Preens, welcher, am Horste lauernd, bemerkte, daß ein Milan, also wahrscheinlich das Männchen, aus bedeutender Höhe Fische auf den Horst herabwarf, und zwar zu einer Zeit, als erst zwei Eier gelegt worden waren. Das Weibchen sitzt meist so außerordentlich fest auf dem Horste, daß es sich nur durch einen Schuß aus demselben vertreiben läßt. Eugen von Homeyer und ich haben uns gelegentlich unseres Jagdausfluges mit Kronprinz Rudolf mehrmals vergeblich bemüht, den brütenden Milan durch Klopfen, Rufen Schreien und Lärmen abzutreiben. Entschließt er sich endlich, wegzufliegen, so geschieht dies stets außerordentlich rasch und keineswegs immer nach der freieren Seite hin; der gewandte Flieger stiehlt sich viel mehr mit bemerkenswerthem Geschicke auch zwischen den dichtesten Zweigen fort und erschwert dadurch dem Schützen, sicher zu zielen. Wenn das Weibchen vorher nicht gestört wurde, pflegt es nach kurzer Frist zu dem Horste zurückzukehren, von welchem es gescheucht wurde, wogegen das Männchen oft stundenlang auf sich warten läßt. Behelligt man das Paar fortdauernd und erlegt man endlich das Weibchen, so kann es, wie Preen erfuhr, geschehen, daß das Männchen die Eier vernichtet. Die Jungen entschlüpfen nach ungefähr dreiwöchentlicher Brutzeit den Eiern in einem weißen, vom Hinterkopfe an schwach rostfarbig überflogenen, hinter den Augen bräunlichen, auf den ganzen Oberseiten licht graubraunen Dunenkleide, welches sich, nach Blasius, von dem aller einheimischen Raubvögel auffallend durch bedeutende Länge und Lockerheit auszeichnet, und werden anfänglich mit vorverdautem Fleische, mit Fröschen und Fischen geatzt. »Schwerlich«, sagt Blasius, »gibt es zwei einander so nahestehende Vogelarten, welche in ihrem Gesammtgepräge so sehr von einander abweichen, wie die beiden Milane. Sowie der alte Milan in Flug und Haltung etwas adlerähnliches nicht verleugnen kann, so erinnert er auch im Dunenkleide an den Schreiadler. Noch ehe seine Füße ihn tragen, hält er den Kopf aufrecht, und furchtlos und ruhig sieht er jedem entgegen, welcher ihm sich nähert. Gewöhnlich verläßt er den Horst schon, ehe die Schwanz- und Flügelfedern ihre volle Größe erreicht haben, und kann dann bei Regenwetter auf dem Boden oder auf niederen Bäumen leicht mit der Hand gefangen werden. Der Königsweih dagegen ist anfangs scheu und furchtsam und liegt gewöhnlich lang hingestreckt, den Kopf auf den Boden des Horstes gedrückt. Vollkommen ausgebildet, verläßt er nur zwangsweise den Horst, drückt sich lieber platt nieder und läßt sich noch mit der Hand fangen, wenn er schon volle Flugfertigkeit erreicht hat. Ein einziger Blick auf den mit Jungen besetzten Horst läßt also keinen Zweifel darüber, ob man den schwarzen oder den rothen Milan vor sich hat.« Ersterer verlangt dafür nach dem Ausfliegen noch längere Unterstützung von Seiten seiner Eltern; denn man sieht die Familie mehrere Wochen beisammen und kann bei einigermaßen aufmerksamer Beobachtung leicht gewahren, wie die Alten ihre Jungen nicht bloß in allen Künsten des Fluges, sondern auch in der für ihr späteres Leben wichtigen Fertigkeit zu betteln und zu schmarotzen unterrichten. Erst im Spätsommer vereinzelt sich die Familie, und jedes Glied geht nunmehr selbständig seinen Geschäften nach, bis gegen den Herbst hin die Paare sich zu Trupps und diese zu Schwärmen vereinigen, welche sodann gemeinsam die Winterreise antreten.

Das allgemeine Urtheil bezeichnet den Milan als einen unserer schädlichsten Raubvögel. Ich vermag nicht, dieser Ansicht bedingungslos beizutreten, meine vielmehr, daß der von ihm verursachte Schaden in denjenigen Gegenden, welcher er als Wohnungsorte bevorzugt, nicht so erheblich in das Gewicht fällt. Am meisten schadet er unzweifelhaft dadurch, daß er andere Raubvögel in der widerwärtigsten Weise anbettelt oder so lange belästigt, bis sie ihm die erhobene Beute zuwerfen, sie also zwingt, mehr zu rauben, als sie selbst bedürfen. Er selbst erhebt allerdings, was er erlangen kann, schädigt den Bestand der freilebenden wie der gezähmten Thierwelt aber doch nur in den letzten Tagen seiner Fortpflanzungszeit in erwähnenswerther Weise. Wägt man seine uns nützenden und seine uns schadenden Thaten gewissenhaft ab, so kommt man zu dem Schlusse, daß sich beide ungefähr das Gleichgewicht halten. Schädlicher als der Königsweih ist er gewiß, so schädlich, als man behauptet, sicherlich nicht, mindestens nur in Ausnahmefällen, beispielsweise, wenn einer seines Geschlechtes sich gewöhnt hat, in Dorfschaften auf junges Hausgeflügel zu fahnden. Ein solcher Uebelthäter verleugnet zwar auch im Dorfe die seinem ganzen Geschlechte eigene Feigheit nicht und läßt sich durch eine muthige Gluckhenne zurückschrecken und verscheuchen, erobert sich aber doch immerhin manches Hühnchen oder Entchen. Ein anderer verlegt sich mehr als üblich auf den Fischfang und kann auf dem einen oder anderen Karpfenteiche vielleicht Schaden anrichten; streng genommen ist aber sein Fischfang ebenso unerheblich als seine Jagd auf junge Hasen und anderes Kleinwild oder sein Raub an Hausgeflügel. Mäuse und Frösche bilden neben den Fischen, welche er während der Brutzeit ohnehin meist unter den Reiherhorsten aufliest, seine hauptsächlichste Nahrung: der Schaden also, welchen er verursacht, kann in der That nicht empfindlich genannt werden. Ich meine somit, daß man sein Schuldbuch nicht so schwer belasten darf. Wer wohlwollend verzeiht, wird ihn gewähren lassen und nicht behelligen; wer ihm jeden Raub mißgönnt, ihn verfolgen, wo, wann und wie immer er kann. Zu meinem Bedauern darf ich ihn nicht gänzlich freisprechen; wohl aber erkühne ich mich, bei allen denen, welche der Flug eines so schönen Vogels anzieht und fesselt, wie mich, die Bitte um Gnade auch für ihn einzulegen. Zur Belebung der Gegend trägt er wesentlich bei, und gerade in den so eintönigen Ebenen, welche er bewohnt, ziert er den Himmel, so lange er fliegend sich bewegt.

Der Milan ist, wie Erzherzog Rudolf noch hervorhebt, ein ausgesprochener Feind des Uhu, ohne aber mit der Lebhaftigkeit anderer Falken zu stoßen. »In einem dichten, jungen Holze, welches, durch einen Wasserarm von den Feldern getrennt, am Rande der Aue liegt, setzte ich meinen Uhu auf einen freien Platz und verbarg mich im Gebüsche, um einige daselbst nistende Wiesenweihen zu erlegen. Kaum daß einige der letzteren zu stoßen begannen, erschienen, durch den Lärm herbeigelockt, aus der Höhe auch ein paar Milane und kreisten über dem Uhu. Sie blieben aber stets in derselben Höhe, durch Schrotschuß unerreichbar, stießen nicht, ließen sich ebensowenig durch vergebens abgefeuerte Schüsse zum Aufsteigen in höhere Luftschichten bewegen und verließen nach etwa zehn Minuten den Platz in derselben Richtung, aus welcher sie gekommen waren.«

Im Käfige ist der Milan, wie seine Verwandten, ein angenehmer Vogel. Er macht wenig Ansprüche und ergibt sich bald in den Verlust seiner Freiheit, gewinnt nach kurzer Zeit seinen Pfleger außerordentlich lieb, begrüßt ihn mit fröhlichem Geschrei, wenn er ihn von weitem erblickt, und versucht überhaupt, seine Zuneigung in jeder Weise an den Tag zu legen. Mit anderen Raubvögeln gleicher Größe verträgt er sich vortrefflich. Er ist zu feig, um sie zu überfallen, frißt aber mit der größten Seelenruhe die Leiche desjenigen auf, mit welchem er jahrelang friedlich vereinigt lebte.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert