Klasse: | Vögel (Aves) |
Ordnung: | Flamingos (Phoenicopteriformes) |
Familie: | Flamingos (Phoenicopteridae) |
Gattung: | Phoeniconaias |
Art: | Zwergflamingo (Phoeniconaias minor) |
Der Zwergflamingo ist der kleinste Vertreter der Flamingos. Er erreicht eine Scheitelhöhe von maximal einem Meter, wobei die stelzenartigen Beine und der lange Hals einen großen Teil ausmachen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass bei dieser für Vögel außergewöhnlich großen Scheitelhöhe nur ein Gewicht von maximal zwei Kilogramm erreicht wird. Außer der Größe ist er auch durch andere Merkmale von den sich allgemein stark ähnelnden anderen Flamingos zu unterscheiden, unter anderem ist der dunkle Schnabel verhältnismäßig länger als der anderer Arten. Er ist jedoch wie der anderer Flamingoarten ein Verkehrtschnäbler, da die untere Schnabelhälfte starr ist, während die obere beweglich ist. Die Färbung der Tiere reicht von Weiß mit einem Hauch Rosa bis hin zu Dunkelrosa. Diese Färbung ist nicht genetisch bedingt, sondern wird durch die Carotinoide Canthaxanthin, Phoenicoxanthin und Astaxanthin (Xanthophylle, die aus Salinenkrebsen stammen), hervorgerufen. Die Farbstoffe lagern sich im Gefieder ab und verursachen dort die typische rosa Färbung, welche nachlässt und zum weißen übergeht, falls der Zwergflamingo keine Carotinoide zu sich nimmt. Die Flügel mit den schwarzen Flügelspitzen bedecken die beiden Körperhälften des kahnförmigen Körpers fast vollständig. Dieser kahnförmige Körper hat sich wahrscheinlich entwickelt, um in entenähnlicher Haltung schwimmen zu können. Tatsächlich schwimmen Zwergflamingos deutlich häufiger als andere Arten der Familie. Die Spitzen der Flügel sind schwarz, und Zwergflamingos haben auch wie alle anderen Flamingos keinen stark ausgeprägten Schwanz, wie ihn einige Greifvögel oder Schwalben haben. Die gelben, orangefarbenen oder roten Augen sind verhältnismäßig klein. Die Füße an den schlanken Beinen, die bei Flamingos im Verhältnis zur Körpergroße die längsten Vögelbeine der Welt sind, haben drei Zehen, die nach vorne zeigen, und einen, der nach hinten zeigt. Die drei vorderen Zehen sind durch Schwimmhäute verbunden, welche das Laufen auf flachem, schlammigen Untergrund stark erleichtern. Auch beim Schwimmen sind diese Schwimmhäute hilfreich.
Zwergflamingos kommen nur an wenigen Orten außerhalb Afrikas vor: An einigen Salzseen in Pakistan und Indien.
Der größte Teil der Zwergflamingo-Population leben fast ausschließlich in Süd- und Ost-Zentral-Afrika. Der Großteil des Bestandes ist auf das Ostafrikanische Grabensystem Rift Valley zentriert, doch sie finden sich auch an anderen Orten und an vier separaten Orten: In Mauretanien, in Senegal, in Botswana und in Namibia.
Zwergflamingos leben vorrangig an seichten Salz- und Sodaseen, wo kaum andere Tiere leben. Sie ziehen je nach Bedingungen und Jahreszeit zwischen verschiedenen Salzseen her, etwa den südäthiopischen Salzseen, den kenianischen Nakuru-, Turkana-, Bogoria- und Magadisalzseen, den südlichen Seen im ostafrikanischen Grabenbruch bis hin zu den Salzseen in Namibia und Botswana. Zwergflamingos haben zahlreiche Anpassungen an diesen extremen Lebensraum entwickelt, den außer ihnen und ein paar anderen Flamingos kaum ein anderes großes Lebewesen gut zu nutzen weiß. Eine der wichtigsten Anpassungen daran sind die nackten Beine: Sie widerstehen dem ätzenden Wasser und sind lang genug, um die Flamingos weit über der Salzlauge zu halten. Tatsächlich vertragen Zwergflamingos große Mengen gelöster Chemikalien in ihrem Gewässer und überdies noch Wassertemperaturen von 70 °C, was aufgrund der tektonisch aktiven Lage vieler Flamingogewässer eine zwingende Anpassung ist, und auch direkt über dem See können Temperaturen von 50 °C erreicht werden. Hieraus schließen einige Zoologen, dass die urgeschichtlichen Flamingos (soweit deren erste Vertreter den heutigen glichen) sich seit 30 Millionen Jahren praktisch unverändert halten konnten, da sie sich schon früh an diese extremen Bedingungen angepasst und keine echte Konkurrenz hatten.
An einem Großteil der Orte, wo Zwergflamingos leben, finden sich auch Rosaflamingos. Die verschiedenen Arten leben dicht nebeneinander, machen sich jedoch keine Konkurrenz um Nahrung. Die Ursache hierfür sind zwei Gründe: Einerseits suchen Rosaflamingos ihre Nahrung in den schlammigen Gründen der Salzseen, anders als Zwergflamingos, die ihre Nahrung aus den Oberflächengewässern filtern. Außerdem sind die Filterschnäbel anders gebaut: Die des Zwergflamingos sind extrem fein, um das Cyanobakterium Spirulina platensis überhaupt aus dem Wasser filtern zu können. Artemia salina kommt hingegen selbst durch die „groben“ Borsten, die anfangs aufgestellt sind, nicht durch. Zwergflamingos haben sich aber auf solch „große“ Beutetiere spezialisiert, Spirulina platensis kommt selbst durch die feinen Lamellen, die später aufgestellt werden, durch, wogegen Artemia salina in diesen Lamellen hängen bleibt. So machen sich der Zwergflamingo und der Rosaflamingo keine Konkurrenz, obwohl sie direkt nebeneinander nach Nahrung suchen.
Die Brutkolonien der Zwergflamingos umfassen zum Teil mehr als 1 Million Vögel und gehören somit zu den größten Vogelansammlungen der Welt. Flamingos, auch der Zwergflamingo, gehören zu den geselligsten Vögeln der Welt, und sogar die Balz (Werbung der Männchen um die Weibchen) findet in Gruppen statt.
Zwergflamingos bilden große Schwärme, die nomadisch umherziehen. Dieses Zugverhalten ist bis heute nicht geklärt. Die Tiere ziehen wohl wegen stark variierender Bestände von Spirulina platensis nachts zwischen den Seen umher, denn meist haben die Organismen, von denen sich die Zwergflamingos ernähren, eine kurze Blütezeit, in der sie in Massen auftreten, um dann wieder stark abzunehmen. Dann sind die Zwergflamingos gezwungen, zu einem anderen See mit Organismenblüte zu ziehen. Einmal aufgesuchte Seen werden oft jahrelang nicht mehr besucht. Wichtige Faktoren in diesem Zugverhalten sind vielleicht auch noch die Tektonik, Trockenzeiten, Regenzeiten, Hochwasser, Dürren und wohl weitere andere Faktoren.
Die Geschlechtsreife tritt beim Zwergflamingo mit fünf bis sechs Jahren ein. Die Vögel leben monogam, die Paarbildung hält meist über mehrere Jahre. Zwergflamingos brüten in zum Teil riesigen Kolonien in der Nähe der Gewässer, in der sie ihre Nahrung finden. Die Nester bestehen überwiegend aus schlammiger Erde, die zu trichterartigen Bauten aufgeschichtet ist. Die oben liegene Mulde ist so vor Überflutung geschützt. Das Gelege besteht aus nur einem Ei, das über einen Zeitraum von etwa 30 Tagen von beiden Elternteilen ausgebrütet wird.
Das geschlüpfte Küken verfügt anfangs über ein weißliches Dunenkleid. Der Jungvogel wird, ähnlich wie bei den Tauben, mit einer Kropfmilch von beiden Elternteilen gefüttert. Diese breiartige Flüssigkeit wird im Bereich des Vormagens und der Speiseröhre produziert. Bereits nach rund zehn Tagen verläßt der Jungvogel das Nest. Innerhalb der Kolonie finden sich die Jungvögel in großen „Krippen“ zusammen und werden gemeinschaftlich betreut. Gefüttert werden sie weiterhin von ihren Eltern, die ihr Jungtier über das Geschrei wiedererkennen.
Mit 35 bis 40 Tagen nimmt der Jungvogel bereits neben der Kropfmilch selbständig Nahrung zu sich. Die Flugfähigkeit wird mit etwa 75 bis 80 Tagen erreicht. Zu diesem Zeitpunkt ist auch ihr Filterapparat voll entwickelt und sie ernähren sich selbständig, ohne auf die Kropfmilch angewiesen zu sein. Ihr Gefieder weist eine graubraune bis rosabraune Färbung auf. Die adulte Ausfärbung stellt sich mit etwa drei bis vier Jahren ein.