Ordnung: | Raubtiere (Carnivora) |
Überfamilie: | Hundeartige (Canoidea) |
Familie: | Kleinbären (Procyonidae) |
Gattung: | Waschbären (Procyon) |
Art: | (Nordameriknaischer) Waschbär (Procyon lotor) |
Der Nordamerikanische Waschbär ist in weiten Teilen Nordamerikas verbreitet. Sein Verbreitungsgebiet umfasst neben Kanada, die USA und Mexiko auch Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist er als Neozoon auch auf dem europäischen Festland, dem Kaukasus und Japan vertreten, nachdem er dort aus Gehegen entkommen ist oder ausgesetzt wurde.
Seine Körperlänge liegt zwischen 41 und 71 Zentimetern, nicht eingerechnet der zwischen 19,2 und 40,5 Zentimeter lange buschige Schwanz, der normalerweise aber nicht deutlich länger als 25 Zentimeter ist. Die Schulterhöhe liegt zwischen 22,8 und 30,4 Zentimetern. Das Körpergewicht erwachsener Waschbären differiert je nach Verbreitungsgebiet und Jahreszeit zwischen 1,8 und 13,6 Kilogramm, wobei übliche Werte zwischen 3,6 und 9,0 Kilogramm liegen. Die kleinsten Individuen sind an der Südküste Floridas anzutreffen, die größten gemäß der Bergmannschen Regel an der nördlichen Grenze des Verbreitungsgebiets. Männliche Exemplare sind in der Regel 15 bis 20 Prozent schwerer als Weibchen. Zu Winteranfang können Waschbären aufgrund des angefressenen Winterspecks mehr als doppelt so viel wiegen wie im Frühling. Der schwerste in freier Natur lebende Waschbär wog 28,4 Kilogramm, was das mit Abstand höchste je gemessene Gewicht eines Kleinbären darstellt.
Die charakteristische Gesichtszeichnung des Waschbären mit der schwarz gefärbten Gesichtsmaske rund um die Augen, die sich scharf vom umgebenden weißen Fell absetzt, ähnelt der des Marderhundes. Auch die leicht abgerundeten Ohren werden von weißem Fell umrandet. Es wird angenommen, dass Waschbären den Gesichtsausdruck und die Körperhaltung gegenüberstehender Artgenossen aufgrund der markanten Gesichtszeichnung in Zusammenspiel mit dem hell-dunkel gestreiften Schwanz schneller erfassen können. Die dunkle Maske könnte auch Blendeffekte reduzieren und dadurch die Nachtsicht verbessern. Am restlichen Körper ist das lange und wasserabweisende Oberfell in verschiedenen Grau- und, in geringerem Umfang, Brauntönen gefärbt. Waschbären mit sehr dunkel gefärbtem Fell sind vor allem in der deutschen Population vertreten, da sich in der Gründerpopulation einzelne Tiere mit derartiger Fellzeichnung befanden. Das dichte Unterfell, das fast 90 Prozent der Gesamtzahl an Haaren ausmacht, schützt die Tiere vor Kälte und besteht aus 2,0 bis 3,0 Zentimeter langen Haaren.
Waschbären, die im Allgemeinen als Sohlengänger eingestuft werden, können sich auf ihre Hinterbeine stellen und Objekte mit ihren Vorderpfoten untersuchen. Weil Waschbären im Verhältnis zu ihrem gedrungenen Rumpf nur über kurze Beine verfügen, sind sie nicht dazu in der Lage, schnell zu rennen oder weit zu springen. Ihre Spitzengeschwindigkeit über kurze Strecken beträgt 16 bis 24 Kilometer pro Stunde. Waschbären können mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,8 Kilometern pro Stunde schwimmen und mehrere Stunden im Wasser ausharren. Um einen Baum mit dem Kopf voraus hinunter zu klettern, eine ungewöhnliche Fähigkeit für ein Säugetier dieser Größe, verdrehen Waschbären ihre Hinterpfoten bis diese nach hinten zeigen. Waschbären können zur Regulation ihrer Körperwärme sowohl Schwitzen als auch Hecheln. Ihr Gebiss mit der Zahnformel 3142/3142 setzt sich aus 40 Zähnen zusammen, welche an ihre Lebensweise als Allesfresser angepasst sind. Weder ist die Kaufläche der Backenzähne so breit wie die reiner Pflanzenfresser, noch sind die Schneidezähne so scharf und spitz wie die reiner Fleischfresser. Der Penisknochen der Rüden ist etwa zehn Zentimeter lang und am vorderen Ende stark gebogen. Sieben der 13 bekannten Lautäußerungen werden in der Kommunikation zwischen Mutter und Jungtieren verwendet, darunter das vogelhafte Zwitschern von Neugeborenen.
Der Waschbär besiedelt eine Anzahl unterschiedlicher Lebensräume. Sowohl trockene und feuchte Wälder in der Ebene und im Gebirge als auch Savannen, Sumpfgebiete und subtropische bis tropische Regen- sowie Sekundärwälder werden besiedelt. Als Kulturfolger ist der Waschbär auch in der Nähe des Menschen anzutreffen. Als Unterschlupf dienen Erdbauten, Baumhöhlen, umgestürzte hohle Bäume, in der Nähe des Menschen werden auch stadtnahe Unterschlüpfe genutzt.
Fünf ausschließlich auf kleinen zentralamerikanischen und karibischen Inseln vorkommende Waschbärarten wurden nach ihrer Entdeckung zumeist als eigenständige Arten angesehen: Bahamas-Waschbär, Guadeloupe-Waschbär, Tres-Marias-Waschbär, Cozumel-Waschbär, Barbados-Waschbär. In den Jahren 1999, 2003 und 2005 durchgeführte morphologische und genetische Studien führten jedoch dazu, dass alle diese sogenannten Inselwaschbären mit Ausnahme des Cozumel-Waschbären als Unterarten des (nordamerikanischen) Waschbären aufgelistet wurden.
Insgesamt sind 19 Unterarten bekannt.
Nordamerikanische Waschbären sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Sie leben in der Regel einzelgängerisch. Je nach Lebensraum kann es in der kalten Jahreszeit zu einem Winterschlaf kommen. Dabei verringert sich ihr Stoffwechsel nur wenig. Im Herbst haben sich die Waschbären einen dicken Winterspeck angefressen, um die Winterruhe körperlich zu überstehen. Zumeist verringert sich ihr Gewicht während des Winterschlafes um 40 bis 50 Prozent. Die Winterruhe erfolgt in der Regel in Erdbauten oder an anderen geschützten Plätzen.
Kurz nach der Winterruhe beginnt die Paarungszeit. Die Geschlechter treffen sich nur während dieser Zeit. Spätestens mit der Geburt des Nachwuchses trennen sich die Geschlechter. Der Nachwuchs wird ausschließlich vom Weibchen aufgezogen.
Waschbären sind territorial und sesshaft. Sie wandern aber nicht mehr umher als sie nahrungstechnisch müssen. Die Reviere umfassen in der Regel eine Größe von 10 bis 100 Hektar. Nur selten sind die Reviere auch deutlich größer. Die Reviere der Männchen sind größer als die der Weibchen und überlappen sich mit denen. In nahrungsreichen Habitaten kann es zu einer Dichte von 30 bis 50 Tieren pro Quadratkilometer kommen. Noch höher ist die Dichte in der Nähe menschlicher Siedlungen. Hier sind Nordamerikanische Waschbären aufgrund der Nahrungsvielfalt und -fülle besonders reichlich anzutreffen. Wie Hunde und Füchse, so können auch Waschbären an Tollwut erkranken.
Nordamerikanische Waschbären sind Allesfresser und nehmen sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung zu sich. Beeren, Obst, Sämereien, Wurzeln und Knollen, Körnern aller Art, Waldfrüchten, Wirbellose wie Insekten und kleine Wirbeltiere gehören dabei zur bevorzugten Nahrung. Auch Vogel- und Reptilieneier, Fische, Krebstiere und Schnecken stehen weit oben auf der Speisekarte. Bei Gelegenheit wird aber auch Aas nicht verschmäht. Das Nahrungsspektrum unterscheidet sich je nach Vorkommen und Jahreszeit zum Teil sehr stark.
Nordamerikanische Waschbären erreichen die Geschlechtsreife mit einem bis zwei Jahren. Männchen benötigen in der Regel zwei Jahre. Die Geschlechter treffen sich nur während der Paarungszeit. Die Reviere der Weibchen überlagern sich dabei mit den deutlich größeren Revieren der Männchen. Die Lebensweise der Waschbären kann als polygam bezeichnet werden, da ein Männchen zumeist mehrere Weibchen in seinem Revier begattet. In einer Saison bringt ein Weibchen lediglich einen Wurf zur Welt. Die Paarungszeit erstreckt sich in den meisten Verbreitungsgebieten über das Frühjahr, von Februar bis in den Frühsommer.
Nach einer Tragezeit von rund 65 Tagen bringt ein Weibchen in ihrem Unterschlupf drei bis vier, selten auch bis sechs Jungtiere zur Welt. Die Jungtiere sind bei der Geburt nackt und blind. Mit rund drei Wochen öffnen sie erstmals ihre Augen. Die Säugezeit erstreckt sich meist über 70 bis 75 Tage. Sind die Jungtiere selbständig genug, so folgen sie der Mutter auf ihren Fresswanderungen. Erst im Frühjahr nach ihrer Geburt verlassen die Jungtiere die Mutter und suchen sich ein eigenes Revier. Der Vater hat mit der Aufzucht und Versorgung des Nachwuchses nichts zu tun. Die Lebenserwartung in Freiheit liegt bei 12 bis 15 Jahren. Jedoch wird dieses Alter nur unter günstigen Umständen erreicht. In Gefangenschaft kann ein Waschbär durchaus ein Alter von über 20 Jahren erreichen.