Unterklasse: | Höhere Säugetiere (Eutheria) |
Überordnung: | Laurasiatheria |
Ordnung: | Unpaarhufer (Perissodactyla) |
Familie: | Pferde (Equidae) |
Gattung: | Pferde (Equus) |
Art: | Kiang (Equus kiang) |
Der Kiang oder Tibet-Wildesel stellt den größten Vertreter der wildlebenden Esel dar und erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 182 bis 214 cm (zuzüglich eines 32 bis 45 cm langen Schwanzes), eine Schulterhöhe von 132 bis 142 cm und ein Gewicht von 250 bis 400 kg. Dabei sind weibliche Tiere mit einem Gewicht von 250 bis 300 kg durchschnittlich kleiner. Generell zeichnet er sich durch einen großen Kopf und im Vergleich zum Asiatischen Esel (Equus hemionus) schmaleren und kürzeren Rumpf aus, die Gliedmaßen sind sehr lang. Weitere Unterschiede sind die kürzeren Ohren, die längere Mähne, die bis zu 18 cm lange Haare aufweist, und die breiteren Hufe, die jenen der Wildpferde ähneln.[1] Das Fell ist an der Oberseite im Sommer hellrot gefärbt, das lange, dichte Winterfell ist bräunlicher. Dabei erreichen die Haare des Winterfells 35 bis 46 mm Länge und sind damit mehr als doppelt so lang wie die des Sommerfells. Am Rücken haben sie einen auffallenden schwarzen Streifen (Aalstrich), der im Winter bis zu 75 mm, im Sommer nur bis zu 65 mm breit ist. Die Unterseite ist weiß, wobei sich die weiße Färbung an manchen Stellen bis zum Rückenstreifen erstrecken kann. In der Regel grenzt sie sich jedoch an den Flanken mondsichelförmig von der dunkleren Oberseite ab. Auch die Beine, die Kehle und die Schnauze können weiß gefärbt sein. Die vordere Schnauzenpartie ist manchmal auch braun gefärbt. Charakteristisch sind auch die bis zu 22 cm langen Ohren.
Der Schädel wird zwischen 47 und 54 cm lang, wobei die Schnauze selbst relativ kurz und kompakt gestaltet ist. Die Höhe des Schädels beträgt 9,4 cm. Das Hinterhauptsbein ist in der Seitenansicht nach innen gewölbt (konkav) und besitzt einen kräftigen Wulst. Das Nasenbein weist eine schwache Form auf, wird aber bis zu 22 cm lang. Der Naseninnenraum reicht weit nach hinten. Der rund 38 cm lange Unterkiefer ist massiv gebaut mit hohen Gelenkenden. Die Schneidezähne entsprechen denen der anderen Pferdearten, stehen aber im Vergleich zu jenen des Asiatischen Esels deutlich senkrecht im Kieferknochen. Der Eckzahn kann, muss aber nicht ausgebildet sein. Zwischen den vorderen und hinteren Zähnen klafft ein Diastema von bis zu 9 cm Länge. Die Prämolaren und Molaren sind relativ ähnlich aufgebaut mit hohen Zahnkronen (hypsodont) und stark gewundenen Zahnschmelzfalten auf der Kauoberfläche sowie einem ausgeprägten Zahnzementanteil. Markant auf den unteren Molaren ist der Verlauf der hinteren Zahnschmelzfalten, die zwischen zwei deutlichen Vorsprüngen (Metaconid und Metastylid) teilweise deutlich gerundeter verlaufen als bei anderen Eselarten und so den Wildpferden ähneln, welches dort eine U-förmige Einbiegung besitzt. Dieses Merkmal ist aber innerhalb des Kiangs variabel.
Mehrere Laute zur Kommunikation sind beim Kiang bekannt. Aggressive Tiere geben Grunz- und Pfeiflaute von sich. Alarmierte Tiere benutzen ein ausgestoßenes Schnauben, während Kontaktrufe ein schrilles Pfeifen darstellen. Die typischen, von den Wildpferden und dem Asiatischen Esel bekannten Laute sind bisher nicht beobachtet worden.
Der Kiang bewohnt endemisch das gesamte Hochland von Tibet, ein System aus Gebirgen und Hochebenen nördlich des Himalaya. Dabei wird die Ausbreitung nach Süden durch den Himalaya und nach Norden durch die Gebirgszüge des Kunlun und des Arjin Shan eingeschränkt. Die größten Populationen gibt es im Autonomen Gebiet Tibet und in den angrenzenden chinesischen Provinzen Qinghai und Sichuan, welche auch die östlichste Verbreitungsgrenze bilden. Daneben kommen sie auch im nördlichen Indien (Ladakh, Sikkim) und Nepal vor.[6][7] Die Westgrenze des Lebensraumes wird im Khunjerab-Nationalpark in Pakistan erreicht. Lebensräume des Kiangs sind trockene und winterkalte Grasländer, Steppen und Halbwüsten von 2.700 bis über 5.500 m Seehöhe. Diese Landschaften bestehen weitgehend aus Federgrassteppen mit einem nur geringen Buschanteil. Die Populationsdichte ist gering und wird zwischen 0,03 und 0,86 Individuen je km² angegeben, in einzelnen Gebieten können jedoch auch bis zu vier Tiere auf einem Quadratkilometer verweilen.
Der Kiang gehört zu den weniger territorial lebenden Vertretern der heutigen Pferde, ist jedoch weitgehend ein einzelgängerisches Tier. Teilweise kommt es aber zu Gruppenbildungen von im Durchschnitt sieben bis elf Individuen, die sich aus Stuten mit ihren Fohlen sowie aus Jungtieren beiderlei Geschlechts zusammensetzen, die größte Bindungskraft besteht aber zwischen dem Muttertier und dem neugeborenen Fohlen. Gelegentlich sind auch große Herdenverbände mit bis zu 500 Tieren zu beobachten, die aber kaum stabil sind. Männliche Tiere leben überwiegend einzelgängerisch und territorial, wobei die Grenzen und Wege der bis zu 5 km² großen Reviere mit Kot und Urin markiert werden. Die Reviere enthalten Nahrungs- und Rastplätze, die mehrere hundert Meter voneinander entfernt liegen. Die Reviere werden häufig gegen Eindringlinge mit Bissen und Tritten verteidigt, aggressive Tiere zeigen eine aufrechte Kopfhaltung mit zurückgelegten Ohren und einen waagerecht gestellten Schwanz. Auch Stuten mit Fohlen werden aus den Revieren vertrieben. Die Territorien werden aber nicht durchgängig gehalten, teilweise schließen sich die Männchen im Winter zu Junggesellengruppen zusammen.
Als überwiegend tagaktives Tier unternimmt der Kiang ausgeprägte Wanderungen auf der Suche nach Nahrung, die teilweise an Jahreszeiten gebunden sind, aber keinem Zyklus folgen. Im Sommer ziehen die Gruppen häufig in höhere und hügeligere Gebiete, im Herbst und Winter dagegen bevorzugen sie ebenere Areale. Auch Tageswanderungen sind bekannt, die während der Mittagszeit ebenfalls in höher liegende Lebensräume führen. Als guter Schwimmer ist der Kiang befähigt auch Flüsse und andere Gewässer zu durchqueren.
Wie alle Pferde ist der Kiang ein Pflanzenfresser, der sich vorwiegend von Gräsern und anderen bodenwachsenden Pflanzen ernährt. An die harten, kieselsäurehaltigen Gräser ist der Kiang durch seine hochkronigen und zementreichen Backenzähne angepasst. Zu den am häufigsten verwendeten Nahrungspflanzen gehören Süß- und Federgräser, die allein 65 % aller aufgenommenen Pflanzen ausmachen. Weiterhin werden auch Sauergräser und Seggen, aber auch Quecken verzehrt. Vor allem im Winter, wenn nur wenig Gras zur Verfügung steht, verschmäht der Kiang auch die Wurzeln der Spitzkiele nicht. Nur selten werden allerdings weichere Pflanzenteile der Büsche aufgenommen. Zu Zeiten des Nahrungsüberflusses (Juli und August) können sie bis zu 45 Kilogramm an Gewicht zulegen.
Über den Wasserverbrauch beim Kiang ist wenig bekannt. Als Hauptressource stehen Bäche und Seen zur Verfügung, die im Winter aber überwiegend vereist sind. Möglicherweise reguliert die Eselart ihren Wasserbedarf weitgehend über die Vegetation und Schnee, wie es auch von anderen Huftieren in Tibet bekannt ist.
Ein Kiang ist mit drei bis vier Jahren geschlechtsreif. Im Juli und August beginnen die männlichen Tiere, den Stutengruppen zu folgen, sie kämpfen miteinander um das Paarungsvorrecht und versuchen auch, andere Männchen von „ihrer“ Herde zu vertreiben. Hengste werben um Stuten, indem sie ihnen nachlaufen, typisch ist dabei ein gesenkter Kopf mit liegenden Ohren. Die Paarungszeit endet Mitte September.
Nach knapp einjähriger Tragzeit (zehn bis zwölf Monate) bringt die Stute im Juli oder August meist ein einzelnes Jungtier zur Welt. Dieses ist etwa 90 cm hoch und wiegt rund 36 kg. Neugeborene Kiangs sind Nestflüchter, binnen Stunden können sie der Mutter folgen. Mit rund einem Jahr sind sie selbständig, der Entwicklungsprozess eines Jungtieres ist aber bisher wenig untersucht. Nur wenige Zeit nach der Geburt ist das Muttertier wieder empfangsbereit, was manchmal zur Tötung eines Jungtiers durch einen Hengst führen kann. Das Höchstalter eines Tieres liegt bei 20 Jahren in freier Wildbahn, in Gefangenschaft betrug es bis zu 26 Jahre.
Es werden drei Unterarten unterschieden, deren Status allerdings teilweise zweifelhaft ist:
E. k. holdereri Matschie, 1911; östliches Verbreitungsgebiet
E. k. kiang Moorcroft, 1841; westliches Verbreitungsgebiet
E. k. polyodon Hodgson, 1847; südliches Verbreitungsgebiet
Fossilfunde des Kiangs sind relativ selten. Ähnlichkeiten bestehen zum im Pleistozän ausgestorbenen Equus conversidens ebenso wie zum im Übergang vom Plio- zum Pleistozän in Indien und Pakistan nachgewiesenen Equus sivalensis. Diese Übereinstimmungen betreffen vor allem die Größe, Proportionen der Gliedmaßen und die Gebissmorphologie.