Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

28.03.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Jetzt schon auf Grünland die Bodenbrüter und die Junghasen retten! So geht Wildtierschutz auf Wiesen und Weiden
Wer in diesen Tagen mit offenen Ohren an Wiesen und Weiden vorbei spaziert, kann den Gesang der Feld- und Heidelerchen schon hören. Mit etwas Glück lässt sich sogar ein Kiebitz entdecken, der aus seinem Winterquartier zurück ist. Die Bodenbrüter balzen dieser Tage und bald ist Brutzeit. Zeitgleich starten auch die Landwirte ihre arbeitsintensive Frühjahrssaison. Das schwere Gerät rollt auf die landwirtschaftlichen Flächen: Walzen, Striegel und Schleppen sind für Bodenbrüter und junge Hasen im Grünland eine große Gefahr. Gelege werden zerstört und die Hasen oft tödlich verletzt.
Doch jedes zerstörte Gelege der am Boden brütenden Vogelarten ist ein herber Verlust für den Artenschutz. Fast alle Bodenbrüterarten in Deutschland sind gefährdet, da ihre Bestände insbesondere aufgrund der intensiven Landwirtschaft rückläufig sind. So haben Rebhuhn und Kiebitz in den letzten 45 Jahren über 90 Prozent ihres Bestands eingebüßt. Der Wachtelkönig ist auf der Roten Liste der Vögel Deutschlands als „stark gefährdet“ eingestuft, der Große Brachvogel gilt sogar als „vom Aussterben bedroht“. Auch der Feldhase ist eine gefährdete Art.
„Ein wesentlicher Beitrag zum Schutz von Bodenbrütern und Junghasen könnte zukünftig aus den Reihen der Jäger kommen“, sagt Dr. Andreas Kinser, Leiter Natur- und Artenschutz bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Denn sie starten ohnehin Ende April mit der Rehkitzsuche per Drohne und Wärmebildkamera. „Wenn einige Teams schon jetzt das Grünland vor jedem landwirtschaftlichen Arbeitsgang absuchen würden, könnten sie einen wesentlichen Beitrag zum Bodenbrüterschutz leisten und außerdem Tierleid verhindern“, so Kinser.
Eine Umfrage der Deutschen Wildtier Stiftung, der Deutschen Wildtierrettung und des Deutschen Jagdverbands hat gezeigt, dass Rehkitze mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 97 Prozent in einer Wiese gefunden werden können (hier klicken: https://bit.ly/41ErQXC). Dank Drohnentechnik können neben Rehkitzen aber auch Bodenbrüter oder Junghasen sicher aufgespürt werden – je früher im Jahr gesucht wird, desto größer sind die Erfolgschancen. „Auf einem Hektar Suchfläche wurden laut unserer Umfrage im Monat März fast zehnmal so viele Gelege von Bodenbrütern gefunden wie im Monat Mai“, sagt Andreas Kinser.
Wer also Anfang April das Grünland vor jedem landwirtschaftlichen Arbeitsgang absucht, kann die gefundenen Gelege mit Fähnchen markieren und so vor den Maschinen schützen. Junghasen werden behutsam und mit Handschuhen an den Wiesenrand gesetzt und können nach der Mahd von den Retterinnen und Rettern wieder auf die Fläche gebracht werden. Und wer noch keine Drohne hat: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert für Jäger auch in diesem Jahr die Anschaffung von Drohnen zur Jungwildrettung.
Kleine Bodenbrüter-Eierkunde
Manche Bodenbrüter bevorzugen Ackerland, andere Wiesen und Weiden. Die kleinsten Eier legt das Braunkehlchen (1,8 x 1,4 Zentimeter), die größten der Große Brachvogel (4,7 x 6,8 Zentimeter).
Auf Ackerland bebrütet die Feldlerche drei bis fünf hellbraune, dunkel gefleckte Eier (2,2 x 1,7 Zentimeter). Der Kiebitz legt drei bis vier gut getarnte olivgrüne bis braune Eier (4,5 x 3,2 Zentimeter). Zehn bis zwanzig gelblich bis olivfarbene Eier (3,5 x 2,5 Zentimeter) liegen in einem Rebhuhn-Nest.
Auf feuchten Wiesen und Weiden ist die Bekassine zu finden, deren Gelege aus drei bis vier hellbraunen bis olivgrünen, dunkel gefleckten Eiern (4 x 3 Zentimeter) besteht. Der Wachtelkönig legt acht bis zwölf cremefarbene Eier mit rotbraunen Flecken (3,6 x 2,6 Zentimeter).

31.03.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Neues Onlinetool für mehr Artenvielfalt: Deutsche Wildtier Stiftung gibt im digitalen Wildtiergarten Tipps zur naturnahen Gartengestaltung
In vielen Lebensräumen unserer Kulturlandschaft ist die Artenvielfalt stark zurückgegangen. Umso wichtiger sind naturnahe Gärten, die Wildtieren Nahrung und Rückzugsräume bieten. Um Naturfreunde bei der naturnahen Gestaltung ihrer Gärten zu unterstützen, hat die Deutsche Wildtier Stiftung den digitalen Wildtiergarten entwickelt – ein Onlinetool mit vielen hilfreichen Tipps und Informationen.
Die Artenvielfalt in Privat-, Klein-, Schul- und Gemeinschaftsgärten fördern – das ist das Ziel des Kooperationsprojekts „Mehr (G)Artenvielfalt für Brandenburg!“ der Deutschen Wildtier Stiftung und des Landesverbands Brandenburg der Gartenfreunde e.V. Immer mehr Kleingärtner möchten aktiv dazu beitragen, die heimische Tierwelt zu erhalten und zu schützen. Sie alle finden im neuen digitalen Wildtiergarten ab sofort die wichtigsten Informationen zur naturnahen Gartengestaltung – zusammengetragen und aufbereitet von Artenschutzexperten der Deutschen Wildtier Stiftung.
In einem bunten, interaktiven Garten entdeckt man mit jedem Klick spannendes Wildtierwissen und bekommt handfeste Tipps für Wildblumenwiese, Komposthaufen, Wasserstelle oder Trockenbiotop. Liebevoll illustriert und interaktiv lädt der digitale Wildtiergarten zu einem unterhaltsamen Online-Spaziergang ein. An vielen Stellen gibt es weiterführende Links mit ausführlichen Anleitungen. Mithilfe einer Filterfunktion lassen sich gezielt Maßnahmen zur Förderung bestimmter Tiere anzeigen.
„Jeder kann in seinem Garten bereits mit minimalem Aufwand einen wirksamen Beitrag zum Schutz der Wildtiere leisten. Es sind oft die kleinen, einfachen Maßnahmen, die einen großen Unterschied ausmachen“, sagt Alice Kracht, Projektleiterin bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Blühinseln im Rasen anlegen und diese beim Mähen stehen lassen, vertrocknete Staudenstängel möglichst spät entfernen, Zugänge zu Komposthaufen und Wasserstellen schaffen oder in einer „wilden Ecke“ einen Totholzhaufen aufschichten sind nur einige der Tipps, die die neue Website bereithält.
Zwei einfache Botschaften lauten: Je strukturreicher ein Garten ist, desto mehr Leben steckt in ihm. Und die Natur regelt vieles allein – wenn man sie lässt. „Wer die eine oder andere Ecke im Garten sich selbst überlässt, wird beobachten, dass sich dort ganz von selbst Vielfalt entwickelt“, so Kracht. Dabei können schon kleinste Flächen einen bedeutenden Lebensraum für kleinere Wirbeltiere sowie Insekten wie Wildbienen und Schmetterlinge bieten.
Die Deutsche Wildtier Stiftung lädt alle Gartenfreunde ein, Teil dieses spannenden Projekts zu werden und aktiv zum Schutz der Artenvielfalt in Brandenburg – und allen anderen Bundesländern – beizutragen.
Hier geht’s zum Wildtiergarten: Wildtiergarten.de

01.04.2025, Veterinärmedizinische Universität Wien
Klimawandel: Kamele stehen vor ihrem Comeback in Europa
Anders als man vermuten würde, haben Kamele in Europa eine lange Tradition, die bis in die Zeit des antiken Roms zurückreicht. Selbst im Mittelalter hatten Kamele noch ihren fixen Stellenwert – darauf weist eine aktuelle italienisch-französische Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien hin. Aus Sicht der Wissenschafter:innen spricht nun einiges dafür, dass Kamele in Europa in nicht allzu ferner Zukunft ein Comeback feiern könnten. Und zwar nicht nur vor dem Hintergrund des Klimawandels und wegen ihrer Anpassungsfähigkeit an trockene Bedingungen, sondern auch aufgrund ihrer Eigenschaften als Nutztier, etwa zur Milchgewinnung, und aus Rentabilitätsgründen.
In der Vergangenheit spielten Dromedare (Camelus dromedarius) und Trampeltiere (Camelus bactrianus) eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft, der Logistik des Römischen Reichs sowie bei mittelalterlichen Ritualen und hinterließen archäologische und kulturelle Spuren in ganz Europa. Nach einem Rückgang im Mittelalter waren Kamele weitgehend auf exotische Sammlungen beschränkt.
In den letzten Jahrzehnten hat die Kamelzucht jedoch einen Aufschwung erlebt, der in erster Linie auf den Tourismus und die Nachfrage nach Kamelmilch zurückzuführen ist. Schätzungsweise 5.000 bis 6.000 Kamele leben heute in Europa. Trotz ihrer Anpassungsfähigkeit an raue Klimabedingungen und ihrer ernährungsphysiologischen Vorteile stehen die Tierhalter:innen vor Herausforderungen wie „kleine Populationsgrößen, zersplitterte und geografisch weit verstreute Zuchtbemühungen und das Fehlen eines auf Kamele zugeschnittenen Rechtsrahmens“, betont Studien-Co-Autorin Pamela Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni. Hinzu kommen das Fehlen von Zuchtorganisationen, Zuchtregistern und genetischen Bewertungssystemen sowie eine geringe Reproduktionsleistung und ein gegenwärtig schlechtes Reproduktionsmanagement dieser Arten.
Bessere Rahmenbedingungen nötig …
Andererseits haben Fortschritte im Bereich der Genomik neue Möglichkeiten für das genetische Management von Kamelen in Europa geschaffen. Gerade diese Erkenntnisse geben jedoch auch Anlass zur Besorgnis, und zwar über die geringe genetische Vielfalt der in Europa beheimateten Tiere. „Um diese Probleme zu lösen, sind koordinierte internationale Anstrengungen, eine standardisierte Erfassung von Phänotypen und verbesserte Tierschutzrichtlinien erforderlich“, betont Pamela Burger.
… um vielversprechende Potenziale der Kamele zu nützen
Angesichts des Klimawandels und der zunehmenden Wüstenbildung in Europa werden laut Burger die Anpassungsfähigkeit der Kamele an trockene Umgebungen sowie ihre besonderen Verhaltensmerkmale, ihre Milchzusammensetzung und ihre funktionellen Eigenschaften deutlicher zutage treten und auch vermehrt geschätzt werden. Hier sieht Burger ein interessantes Potenzial als nachhaltiges Nutztier: „Zwar wird die Kamelzucht in Europa in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich nicht die Bedeutung der bekannten, großen Nutztierarten erlangen. Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften könnte das Kamel aber interessante Möglichkeiten zur Diversifizierung in der Tierhaltung bieten, und zwar auch aus dem Blickwinkel der Rentabilität.“
Originalpublikation:
Der Artikel „Breeding of Camels in Europe: Between Continuity and Innovation“ von Ahana Maitra, Carlos Iglesias Pastrana, Bernard Faye, Pamela Burger und Elena Ciani wurde in „Applied Sciences“ veröffentlicht.
https://www.mdpi.com/2076-3417/15/3/1644

01.04.2025, Deutsche Wildtier Stiftung
Bester Naturfilm Europas gesucht: Einreichphase für die European Wildlife Film Awards 2026 gestartet
Der am höchsten dotierte Naturfilmwettbewerb Europas geht in die zweite Runde: Ab heute können Naturfilmer und Naturfilmproduzenten ihre Werke für die European Wildlife Film Awards (EWFA) 2026 übermitteln. Eingereicht werden können Dokumentarfilme, die sich mit den Themen Natur, Tier oder Umwelt in Europa befassen und deren Fertigstellung bei Einreichung nicht länger als zwei Jahre zurückliegt. Auf die Gewinner warten Preisgelder in Höhe von insgesamt 47.500 Euro, eine handgefertigte Eulentrophäe aus Holz sowie der Titel „Bester europäischer Naturfilm 2026“. Eine Jury mit Fachleuten aus Naturschutz, Medien, Wissenschaft und Kultur kürt die Gewinner in den Kategorien Tierwelt (dotiert mit 15.000 Euro), Biodiversität (10.000 Euro), Naturschutz (10.000 Euro) und Storytelling (5.000 Euro). Darüber hinaus gibt es einen Publikumspreis (5.000 Euro) sowie einen Preis für den besten Kurzfilm (2.500 Euro). Die Preisverleihung findet im Februar 2026 in der Botschaft der Wildtiere in der Hamburger HafenCity statt.
Die European Wildlife Film Awards sind der einzige europäische Naturfilmpreis und zugleich der höchstdotierte Naturfilmwettbewerb Europas. Die besten der eingereichten Filme laufen nach der Preisverleihung 2026 im Naturfilmkino in der Botschaft der Wildtiere.
Die Einreichfrist endet am 1. Juni 2025. Filmeinreichungen sind unter diesem Link möglich: www.EuropeanWildlifeFilmAwards.eu/de/wettbewerb
Die European Wildlife Film Awards finden zum zweiten Mal statt. Der erste Wettbewerb 2025 war ein großer Erfolg: 245 Filme waren im Rennen um den besten Naturfilm eingereicht worden. Die Preise wurden am 15. Februar 2025 verliehen. Der höchstdotierte Preis in der Kategorie Tierwelt ging an den Regisseur Marko Röhr aus Finnland für seine Dokumentation „Tale of the Sleeping Giants“ (dt.: Die Geschichte der schlafenden Riesen). In der Kategorie Biodiversität konnte sich Jan Haft mit seinem Film „Unsere Wälder – Mut zur Lücke“ durchsetzen. In der Kategorie Naturschutz überzeugte Christian Heynen die Jury mit der Dokumentation „Gute Nachrichten vom Planeten – wie wir Moor, Heide und Wiese schützen“. Der Preis für die beste Story ging nach Irland an die Regisseurin Kathleen Harris für ihren Film „Birdsong“. Bester Kurzfilm wurde „Pepe taucht ab“, gefilmt und produziert von Sven Bohde aus Kiel.

03.04.2025, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Eichenprozessionsspinner: Frühwarnsystem jetzt online
Zur tagesaktuellen Abschätzung und Prognose der Gefahren durch den Eichenprozessionsspinner (EPS, Thaumetopoea processionea L.) sowohl für die Eichenvitalität als auch für die Gesundheit von Mensch und Tier steht das Frühwarnsystem PHENTHAUproc ab sofort bundesweit zur Verfügung. Die kostenfreie, öffentlich zugängliche Web-Applikation liefert flächendeckend Informationen zum Eichenaustrieb und zur EPS-Entwicklung und unterstützt so das Monitoring für die Gefahrenabschätzung und die Planung von regulierenden Gegenmaßnahmen.
Das von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) sowie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) gemeinsam entwickelte und vom Deutschen Wetterdienst (DWD) gehostete Online-Frühwarnsystem „PHENTHAUproc – Phänologiemodellierung von Thaumetopoea processionea“ berechnet modellhaft anhand temperaturbasierter Verfahren tagesaktuell und mit einer Prognose bis sieben Tage im Voraus die phänologische Entwicklung des Eichenprozessionsspinners (EPS) und seiner Wirtsbaumart, der Stieleiche (Quercus robur L.). Die Grundlagen für diese App wurden im Vorhaben ModEPSKlim geschaffen.
Das digitale Informationssystem dient der praktischen Anwendung sowohl im Pflanzenschutz als auch im Gesundheitsschutz für Mensch und Tier. Es besteht aus mehreren Phänologiemodellen für die verschiedenen Entwicklungsstadien des EPS und den Eichenaustrieb. Verfügbar ist eine Gefährdungskarte für ganz Deutschland in einer räumlichen Auflösung von 1×1 km-Pixel mit tagesaktuellen Phänologiedaten und Prognosen anhand der Mess- und Vorhersagedaten des DWD. Zusätzlich sind für jedes Pixel Detailinformationen abrufbar.
Die Modellierung der Larven- und Puppenentwicklung dient im Jahresverlauf zur Abschätzung von potenziellem Kahlfraß durch die Raupen und der steigenden Gesundheitsgefährdung durch die Brennhaare (Setae) der Larven. Neben Anleitungen zum fachgerechten Monitoring des Eichenprozessionsspinners gibt das Online-Tool der Praxis in Abhängigkeit von der phänologischen Entwicklung des EPS und des Wirtsbaums Anhaltspunkte, wann zeitlich treffend präventive oder mechanische Regulierungsmaßnahmen sinnvoll einsetzbar sind.
Das kostenfreie Tool richtet sich an die Praxis in der Forstwirtschaft und Baumpflege, an Waldbesitzende, Behörden, Unternehmen, Freizeiteinrichtungen sowie an die allgemeine Öffentlichkeit. Die Modelle tragen zur Verbesserung des Risikomanagements im Umgang mit dem EPS bei und sind grundsätzlich auch über Deutschland hinaus für das gesamte Verbreitungsgebiet des EPS in Mitteleuropa anwendbar.
Die Entwicklung des Frühwarnsystems PHENTHAUproc bis zur Praxisreife basiert maßgeblich auf Ergebnissen des 2020 abgeschlossenen Forschungsvorhabens ModEPSKlim (Modellgestützte Gefährdungsabschätzung des Eichenprozessionsspinners im Klimawandel). Aus dem Projekt war unter anderem eine Demoversion des Online-Tools hervorgegangen.
Hintergrund:
Das Auftreten des Eichenprozessionsspinners in Mitteleuropa nimmt seit Anfang der 1990er Jahre stark zu. Infolge der Klimaänderung gilt der EPS im Wald sowie auf mit Eichen bewachsenen Grünflächen im ländlichen und urbanen Raum als Dauerschädling mit wechselnder Populationsdichte.
Infolge von Massenvermehrungen des EPS mit wiederholtem Kahlfraß durch die Raupen und anschließendem Befall der dadurch geschwächten Bäume mit Schadorganismen wie Prachtkäfer oder Hallimasch besteht die Gefahr, dass Eichen absterben.
Die Brennhaare der Larven des EPS bergen ernsthafte gesundheitliche Gefahren für Mensch und Tier. Sie können heftige Haut- und Atemwegsreizungen bis zum allergischen Schock verursachen.
Das Forschungsvorhaben ModEPSKlim wurde von 2016 bis 2020 aus dem Waldklimafonds gemeinsam von den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Die Ergebnisse flossen in die Entwicklung des Frühwarnsystems PHENTHAUproc ein. Der Waldklimafonds wurde 2024 eingestellt.
Ein Teil der Daten für die Modellierung wurde 2014 bis 2015 im Rahmen des Projekts „Klimawandel und neue gesundheitliche Risiken: Aufklärung des gesundheitlichen Gefährdungspotentials des Eichenprozessionsspinners: Expositions- und Wirkungsabschätzung“ (Förderkennzeichen 371262203) gewonnen; gefördert vom BMUV über das Umweltbundesamt (UBA).
Weitere Informationen:
Link zum Frühwarnsystem PHENTHAUproc
Halbig, P., Stelzer, A. S., Baier, P., Pennerstorfer, J., Delb, H., & Schopf, A. (2024). PHENTHAUproc–An early warning and decision support system for hazard assessment and control of oak processionary moth (Thaumetopoea processionea). Forest Ecology and Management, 552, 121525.
https://doi.org/10.1016/j.foreco.2023.121525

03.04.2025, Universität Wien
Jodelnde Affen: Die überraschende Stimmlage von Neuweltaffen
Spezielle anatomische Strukturen im Rachenbereich erweitern das Stimmrepertoire von Neuweltaffen erheblich
Eine aktuelle Untersuchung unter der Leitung des Stimmforschers Christian T. Herbst von der Universität Wien und Kolleg*innen der Anglia Ruskin University liefert neue Erkenntnisse über die stimmlichen Fähigkeiten von Neuweltaffen, der Gruppe aller ursprünglichen Primaten des amerikanischen Kontinents: Sie können einen Frequenzsprung erzeugen, der dem menschlichen Jodeln ähnelt, aber einen viel größeren Frequenzbereich abdeckt. Die Ergebnisse wurden aktuell in der Zeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society B veröffentlicht.
Während Menschen die Fähigkeit zu sprechen entwickelt haben, fehlt unseren nächsten Verwandten im Tierreich – Menschenaffen und Affen – diese Fähigkeit. Sie besitzen jedoch spezielle anatomische Strukturen in ihrem Kehlkopf, die Menschen im Laufe der Evolution verloren haben: dünne, leichte Gewebemembranen, die sich an den oberen Rändern ihrer Stimmlippen befinden. Frühere Untersuchungen haben darauf hingedeutet, dass diese Strukturen zur Komplexität der Lautäußerungen der Tiere beitragen, aber ihre genaue Rolle ist weitgehend unklar geblieben – bis es jetzt einem internationalen Forschungsteam gelungen ist, ihre Funktion aufzudecken.
Das Geheimnis des Affenjodelns
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Membranen abrupte Frequenzsprünge ermöglichen und so die Bandbreite und Komplexität der Lautäußerungen von Affen erheblich erweitern. Mithilfe einer Kombination aus Methoden, darunter nicht-invasive In-vivo-Aufnahmen, Ex-vivo-Kehlkopfexperimente und Computermodelle, identifizierten die Forscher*innen zwei unterschiedliche Arten von Stimmlippenschwingungen. Die erste Art, an der nur die Stimmlippen beteiligt sind, erzeugt niederfrequente Töne, die der menschlichen Phonation ähneln. Der zweite Modus, an dem auch die Membranen beteiligt sind, führt zu Schwingungen mit viel höheren Frequenzen, die zu dramatischen Frequenzsprüngen führen, ähnlich wie beim menschlichen Jodeln. In einigen Fällen erstrecken sich diese Verschiebungen über mehr als drei Oktaven – weit über die menschlichen Fähigkeiten hinaus, bei denen Frequenzsprünge normalerweise auf eine einzige Oktave begrenzt sind.
Evolution und Anatomie hinter der Kommunikation von Affen
„Das ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie die Natur die Mittel bereitstellt, um die Lautäußerungen von Tieren zu bereichern, obwohl sie keine Sprache haben. Die Produktion dieser komplexen Lautmuster wird hauptsächlich durch die anatomische Ausprägung des Kehlkopfs der Tiere ermöglicht und erfordert keine komplexe neuronale Steuerung durch das Gehirn“, erklärt Christian T. Herbst, Hauptautor der Studie, vom Institut für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien.
Jacob D. Dunn von der Anglia Ruskin University, Senior-Autor der Studie, fügt hinzu: „Diese Ergebnisse zeigen, wie Affen ein neuartiges evolutionäres Merkmal – die Stimmlippen – nutzen, das es ermöglicht, eine größere Bandbreite an Rufen zu erzeugen, einschließlich dieser ‚Ultra-Jodler‘. Dies könnte besonders wichtig für Primaten sein, die ein komplexes Sozialleben haben und auf verschiedene Arten kommunizieren müssen.“
Die Studie legt außerdem nahe, dass Stimmlippen zwar den Tonumfang erweitern, aber auch zu einer Instabilität der Stimmgebung führen. „Unsere Studie zeigt, dass Stimmlippen den Tonumfang des Affen erweitern, aber auch seine Stimme destabilisieren. Sie könnten im Laufe der menschlichen Evolution verloren gegangen sein, um die Tonhöhenstabilität beim Singen und Sprechen zu fördern“, erklärt Tecumseh Fitch von der Universität Wien, Experte für die Evolution der menschlichen Stimme und Mitautor der Studie. Diese Forschung, die von einem internationalen Team von Wissenschafter*innen aus Österreich, Großbritannien, Japan, Schweden und Bolivien durchgeführt wurde, bietet neue Perspektiven auf die Entwicklung der Stimmproduktionsmechanismen und ihre Rolle in der Kommunikation von Primaten.
An der Studie beteiligte Wissenschafter*innen vom: Department of Behavioral and Cognitive Biology, University of Vienna, Austria; the Department of Animal and Environmental Biology, Faculty of Science & Technology, Anglia Ruskin University, Cambridge, UK; the Department of Mechanical Engineering, Ritsumeikan University, Japan; the Graduate School of Human Sciences, Osaka University, Japan; the Department of Speech, Music and Hearing, School of Electrical Engineering and Computer Science, KTH Royal Institute of Technology, Stockholm, Sweden; and La Senda Verde Wildlife Sanctuary, Bolivia.
Originalpublikation:
Christian T. Herbst, Isao T. Tokuda, Takeshi Nishimura, Sten Ternström, Vicky Ossio, Marcelo Levy, Tecumseh Fitch and Jacob C. Dunn. ‚Monkey yodels’—frequency jumps in new world monkey vocalizations greatly surpass human vocal register transitions. In Philosophical Transactions of the Royal Society B 380: 20240005.
DOI: 10.1098/rstb.2024.0005
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rstb.2024.0005

03.04.2025, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Verhaltensvielfalt bei Tieren durch Rückgang der Artenvielfalt bedroht
Der drastische Rückgang der Artenvielfalt durch menschliche Einflüsse erschwert die Erforschung des Verhaltens von Tieren, wie zum Beispiel des Gebrauchs von Werkzeugen, wie Forschende der University of Victoria und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie herausgefunden haben. Schrumpfende Tierpopulationen machen die Erforschung solcher Verhaltensweisen zunehmend schwieriger und unterstreichen die Dringlichkeit gezielter Schutzbemühungen und -strategien. Handlungsbedarf besteht nicht nur im Interesse der Forschung, sondern auch zur Bewahrung unseres gemeinsamen kulturellen Erbes mit diesen Tierarten.
Unsere Umwelt verändert sich rasant, was zu einem großen Teil auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen ist. Forschungsergebnisse der University of Victoria und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie zeigen, dass der Rückgang der Artenvielfalt nicht nur das Leben der Tiere direkt bedroht, sondern auch die Erforschung ihres Verhaltens, einschließlich des Gebrauchs von Werkzeugen, erschwert.
„Kulturelles Verhalten reicht von Walgesängen bis zum Werkzeuggebrauch bei Primaten“, sagt Ammie Kalan von der University of Victoria. „Diese Anpassungen an sich verändernde Umweltbedingungen kommen nicht nur den Tieren zugute, sondern liefern uns auch wichtige Erkenntnisse über die Ursprünge von Verhalten und Lernen bei verschiedenen Arten. Allerdings stellen die weltweit schrumpfenden Tierpopulationen eine echte Herausforderung für die Wissenschaft und das, was wir noch lernen können, dar“.
Die Fähigkeit, sich an neue Herausforderungen anzupassen, hängt von der Vielfalt kultureller Verhaltensweisen oder der Bandbreite der Verhaltensweisen ab, die Tiere zeigen können. Der Gebrauch von Werkzeugen, ein wichtiger Aspekt solcher Verhaltensanpassungen, hinterlässt physische Spuren im Umfeld der Tiere, die wissenschaftliche Studien erleichtern. Diese materiellen Hinterlassenschaften in Kombination mit beobachtetem Verhalten bieten eine einzigartige Möglichkeit, archäologische Spuren ausgestorbener menschlicher Spezies, von denen nur Steinwerkzeuge als Zeugnisse vergangenen Verhaltens übriggeblieben sind, besser zu interpretieren.
Kulturelles Verhalten von Tieren bewahren
„Nichtmenschliche Primaten haben eine gemeinsame Evolutionsgeschichte mit dem Menschen, und ihre Erforschung kann wichtige Erkenntnisse über unsere eigenen Ursprünge liefern“, sagt Lydia Luncz vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Diese einzigartigen komplexen Lebewesen sind vom Aussterben bedroht, was die Dringlichkeit unterstreicht, sie und ihre Lebensweise zu schützen und zu bewahren.“
Die Erhaltung kultureller Verhaltensweisen könnte durch digitale Technologien unterstützt werden, wie z. B. 3D-Scans, die die Reproduktion physischer Artefakte ermöglichen, die mit dem Verhalten von Tieren in Verbindung stehen, oder die Aufzeichnung und Analyse von Geräuschen und Gesängen verschiedener Arten. Dies sind unschätzbare Ressourcen für zukünftige Forschungs- und Erhaltungsbemühungen. Die Anerkennung des Wertes dieser Tierkulturen kann zudem zu besseren Artenschutzstrategien führen.
Mit den anhaltenden Eingriffen des Menschen in die Umwelt wächst nicht nur die Notwendigkeit, unsere gemeinsame natürliche Welt zu schützen, sondern auch die Vielfalt der Tierkulturen anzuerkennen und zu erhalten. Die Anerkennung dieses gemeinsamen kulturellen Erbes ist nicht nur für die wissenschaftliche Forschung und die Bildungsarbeit von entscheidender Bedeutung, sondern auch, um die miteinander verbundenen Lebensgeschichten und Überlebensstrategien aller Arten, die diesen Planeten teilen, deutlich zu machen.
Originalpublikation:
Ammie K. Kalan and Lydia V. Luncz
Saving the cultural legacy of wild animals
Science, 03 April 2025, https://doi.org/10.1126/science.adj3716

03.04.2025, Universität Zürich
Bonobos kombinieren ihre Rufe nach sprachähnlichen Regeln
Bonobos, unsere nächsten lebenden Verwandten, bilden komplexe Lautfolgen, die menschlichen Wortkombinationen ähneln. Eine neue Studie von Forschenden der Universität Zürich und der Harvard University stellt die lang gehegte Annahme in Frage, was die menschliche Kommunikation einzigartig macht. Sie legt nahe, dass Schlüsselaspekte der Sprache evolutionär weit zurückreichen.
In einer neuen Studie haben Forschende der Universität Zürich und der Harvard University das Stimmverhalten wilder Bonobos im Kokolopori Community Reserve in der Demokratischen Republik Kongo beobachtet. Mit neuartigen linguistischen Methoden zeigen sie erstmals, dass Bonobos ihre Lautäusserungen ähnlich wie Menschen nach dem Prinzip der Kompositionalität zusammensetzen.
Nach diesem Prinzip werden Wörter zu Wortgruppen kombiniert, deren Bedeutung von den einzelnen Wörtern und ihrer Reihenfolge abhängt. Bei einfacher Kompositionalität ergibt sich die Bedeutung aus der Addition der Bestandteile – ein «blonder Tänzer» ist sowohl blond als auch ein Tänzer. Bei komplexerer Kompositionalität beeinflusst ein Element das andere: Ein «schlechter Tänzer» ist nicht einfach ein Tänzer mit einer zusätzlichen Eigenschaft, sondern das Adjektiv verändert die gesamte Bedeutung der Wortgruppe.
Ein Bonobo-Wörterbuch erstellt
In einem ersten Schritt wandten die Forscher eine von Linguisten entwickelte Methode an, um die Bedeutung menschlicher Wörter zu quantifizieren. «Damit konnten wir eine Art Bonobo-Wörterbuch erstellen – eine vollständige Liste der Bonobo-Rufe und ihrer Bedeutungen», sagt Mélissa Berthet, Erstautorin und Postdoktorandin am Institut für Evolutionäre Anthropologie der UZH. «Dies ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Kommunikation anderer Arten, da wir zum ersten Mal die Bedeutung von Lauten im gesamten Lautrepertoire eines Tieres bestimmen.»
Kompositionalität: nicht ausschliesslich menschlich
Nachdem die Forscher die Bedeutung der einzelnen Bonobo-Rufe bestimmt hatten, untersuchten sie deren Kombinationen mit einem weiteren linguistischen Ansatz. «So konnten wir messen, wie die Bedeutung einzelner Rufe mit derjenigen von Rufkombinationen zusammenhängt», erklärt Letztautor Simon Townsend, Professor für Primatenkommunikation an der UZH. Die Forschenden identifizierten zahlreiche Kombinationen, deren Bedeutung sich aus ihren Bestandteilen ergab – ein zentrales Merkmal der Kompositionalität. Einige wiesen sogar überraschende Ähnlichkeiten mit den komplexeren Strukturen der menschlichen Sprache auf. «Das deutet darauf hin, dass die Fähigkeit, Laute auf komplexe Weise zu kombinieren, nicht so einzigartig für den Menschen ist, wie wir dachten», sagt Berthet.
Kompositionalität ist älter als gedacht
Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass sie Hinweise auf die evolutionären Wurzeln der sprachlichen Kompositionalität liefert. «Menschen und Bonobos hatten vor 7 bis 13 Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren und teilen viele Merkmale ihrer Abstammung – wahrscheinlich auch die Kompositionalität ihrer Kommunikation», sagt Co-Autor und Harvard-Professor Martin Surbeck. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass unsere Vorfahren diese Fähigkeit bereits vor mindestens 7 Millionen Jahren besassen – wenn nicht sogar früher », ergänzt Simon Townsend. Die Studie zeigt auch, dass die Fähigkeit, aus kleineren Lauten komplexe Bedeutungen zu bilden, lange vor der menschlichen Sprache existierte. Und sie unterstreicht, dass die stimmliche Kommunikation der Bonobos der menschlichen Sprache ähnlicher ist als bisher angenommen.
Literatur:
Berthet et al., (2025) Extensive Compositionality in the Vocal System of Bonobos, Science, 3 April, 2025. DOI: 10.1126/science.adv1170

Dieser Beitrag wurde unter Wissenschaft/Naturschutz veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert