Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

02.12.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Tierischer Verwandlungskünstler: Der Alpenschneehase ist das Tier des Jahres 2025
Im Sommer ist er graubraun, im Winter schneeweiß. Der Alpenschneehase (Lepus timidus varronis) ist ein faszinierender Gestaltwandler. Jetzt haben ihn die Spenderinnen und Spender der Deutschen Wildtier Stiftung zum Tier des Jahres 2025 gewählt. Drei Tiere aus dem deutschen Alpenraum standen zur Wahl. Am Ende konnte sich der Schneehase klar gegen seine Mitbewerber Alpenmurmeltier und Alpensteinbock durchsetzen.
„Mit der Ernennung des Alpenschneehasen zum Tier des Jahres 2025 möchten wir auf eine faszinierende und extrem seltene Tierart aufmerksam machen und die Grundlage für ihren wirksamen Schutz schaffen“, sagt Prof. Dr. Klaus Hackländer, Wildtierbiologe und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Der Alpenschneehase wird auf der Roten Liste der Säugetiere Deutschlands als „extrem selten“ geführt. Er lebt in Höhenlagen ab 1.300 Metern und zeigt sich nur sehr selten – egal, zu welcher Jahreszeit. Er ist das Chamäleon unter den Hasen und perfekt an den alpinen Lebensraum angepasst. Vor dem Winter weicht sein braunes Haarkleid einem weißen Fell. Dieses dient nicht nur der Tarnung, sondern isoliert auch besonders gut, da die weißen Haare luftgefüllt sind. Doch der alpine Spezialist hat es in Deutschland zunehmend schwer. Als eine an die Kälte angepasste Art macht dem Alpenschneehasen vor allem der Klimawandel zu schaffen, der in den Alpen besonders stark zu spüren ist und für steigende Temperaturen sorgt. Niederschläge verändern sich und die Schneefallgrenze verlagert sich nach oben.
Zudem beeinträchtigen menschliche Aktivitäten wie Ski- und Freizeittourismus die Rückzugsorte des Schneehasen. „Schneehasen brauchen beruhigte alpine Bereiche“, sagt Hackländer. „Die Nähe von uns Menschen führt bei den Tieren zu Stress, der wiederum auf Kosten des Immunsystems und der Kondition geht und die Überlebenschancen verringert.“ Wer in den Bergen unterwegs ist, sollte sich unbedingt an das Wegegebot halten und in den Skigebieten die Pisten und Loipen nicht verlassen. Die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich dafür ein, nach dem Vorbild mancher europäischer Nachbarländer Wildschongebiete in Deutschland auszuweisen, in denen neben der Jagd auch Tourismus und Wintersport begrenzt werden.
Über die Population des Alpenschneehasen in Deutschland liegen kaum Daten vor. Hier will die Deutsche Wildtier Stiftung ansetzen und 2025 mit der systematischen Erfassung des Alpenbewohners beginnen. Ziel ist es, wissenschaftliche Grundlagen zu schaffen, um daraus langfristige Schutzmaßnahmen für den Alpenschneehasen und andere Wildtiere in den Alpen zu entwickeln und den Lebensraum der Alpenschneehasen zu bewahren. Darum bittet die Stiftung um Mithilfe und ruft dazu auf, von Dezember bis Ende Februar 2025 Sichtungen von Alpenschneehasen unter Schneehase@DeutscheWildtierStiftung.de zu melden. Benötigt werden folgende Informationen: Standort in Form von Geodaten, Datum und Uhrzeit, Anzahl der Tiere und nach Möglichkeit ein Fotobeleg. Die Daten werden gesammelt, um daraus Erkenntnisse über die Verbreitung der Schneehasen zu erhalten und Schutzmaßnahmen zu erarbeiten.
Neugierig auf den Alpenschneehasen? Melden Sie sich zum spannenden Webinar am 7. Januar 2025 an: https://www.deutschewildtierstiftung.de/webinar
Mehr über den Alpenschneehasen und die Arbeit der Deutschen Wildtier Stiftung erfahren Sie auf der Website https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/schneehase.
(Der Schneehase im BlogBlog; Der Schneehase in Brehms Tierleben)

04.12.2024, Georg-August-Universität Göttingen
Rettungsinseln für Wildbienen: Die Bedeutung von Steinbrüchen
Ein Forschungsteam der Universität Göttingen, des NABU in Rhede und des Johann Heinrich von Thünen-Instituts in Braunschweig hat die Bedeutung von Kalksteinbrüchen für den Wildbienenschutz untersucht. Dabei stellten sich vielfältige Landschaften mit starker Vernetzung zwischen Steinbrüchen und Magerrasen als besonders wertvoll heraus. Steinbrüche mit viel Gebüsch hatten dagegen eine geringere Artenvielfalt. Gefährdete Bienenarten traten häufiger in großflächigen Steinbrüchen auf. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Journal of Applied Ecology erschienen.
Das Team erfasste Bienen in 19 überwiegend stillgelegten Steinbrüchen im Göttinger Umland mittels Kescherfängen. Dabei konnten die Forschenden 114 Arten identifizieren, darunter 35 gefährdete. Sie untersuchten, welche Eigenschaften der Steinbrüche – wie Größe, Alter, Verbuschung und Blütenreichtum – für Bienen wichtig sind und ob die Struktur der umliegenden Landschaft eine Rolle spielt. Es zeigte sich, dass alte Steinbrüche, die gut mit benachbarten Kalkmagerrasen vernetzt waren, stabilere Bestände an gefährdeten Arten aufwiesen.
„Steinbrüche bieten wertvolle Lebensräume für Wildbienen und andere Tiere und Pflanzen, die auf den selten gewordenen Kalkmagerrasen vorkommen“, erklärt Dr. Felix Kirsch vom Institut für Biodiversität des Thünen-Instituts und Erstautor der Studie. Ferner hob er die Bedeutung großer, alter und blütenreicher Steinbrüche hervor. „Viele Wildbienenarten nisten im Boden und benötigen dafür häufig offene, besonnte Flächen“, so Kirsch. Die geringe Wildbienenanzahl in verbuschten Steinbrüchen erkläre sich durch den Verlust dieser Strukturen.
„Steinbrüche sind deshalb offen zu halten. Das gelingt, indem lokale Naturschutzorganisationen oder Flächeneigentümer zum Beispiel Gehölz entfernen oder die Flächen extensiv beweiden“, erklärt Thomas Alfert vom NABU in Rhede. Auch aktive Abbautätigkeit könne hierbei einen Beitrag leisten. Dr. Annika Haß und Prof. Dr. Catrin Westphal von der Abteilung Funktionelle Agrobiodiversität und Agrarökologie an der Universität Göttingen ergänzen: „Neben diesen Maßnahmen ist eine starke Vernetzung der Steinbrüche mit benachbarten Kalkmagerrasen entscheidend. Dadurch können die Bienen besser zwischen beiden Lebensräumen wechseln. Magerrasen zu erhalten und wiederherzustellen sowie Steinbrüche zu pflegen sind gute Wege, um Wildbienen zu fördern.“
Originalpublikation:
Felix Kirsch et al. Landscape diversity, habitat connectivity, age and size determine the conservation value of limestone quarries for diverse wild bee communities. Journal of Applied Ecology (2024). DOI: https://doi.org/10.1111/1365-2664.14820

05.12.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Der Wolf verliert in Europa seinen strengen Schutzstatus. Wird jetzt zur Jagd geblasen?
Schon lange schwelt ein Streit zwischen vielen Schäfern und Landwirten auf der einen und Tier- und Artenschützern auf der anderen Seite: Dürfen Wölfe abgeschossen werden, wenn sie eine Gefahr für Nutztiere sind? Momentan ist der Wolf in Deutschland laut Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-Richtlinie) der EU als „streng geschützt“ eingestuft. Allerdings dürfen einzelne Wölfe, die nachweislich eine Gefahr für Menschen darstellen oder die durch Nutztierrisse zu ernsten wirtschaftlichen Schäden führen, nach behördlicher Freigabe getötet werden.
Jetzt soll nach einem Antrag der EU der Status des Wolfes in der Berner Konvention, die die Grundlage für die FFH-Richtlinie darstellt, von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabgesetzt werden. Bis zum 7. März 2025 kann von den Unterzeichnerstaaten noch Einspruch gegen den Beschluss eingelegt werden. Geschieht dies nicht, wird der Schutzstatus herabgestuft. Erst dann könnte in Folge die EU ihrerseits auch die FFH-Richtlinie anpassen: Die EU-Kommission würden einen Vorschlag erarbeiten, der dann noch vom EU-Parlament und vom EU-Rat bestätigt werden muss. Nachdem die EU den Antrag bei der Berner Konvention gestellt hat, scheinen diese Schritte nur noch eine Formsache.
Nach Herabsenkung des Schutzstatus des Wolfs in der FFH-Richtlinie können auch die EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Gesetzgebungen anpassen und den Wolf im Jagd- und Naturschutzrecht neu einordnen. Dürfte dann also ungehemmt zur Jagd geblasen werden? „Nein“, sagt Wildtierbiologe Professor Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. „Der Wolf bleibt geschützt, nur nicht mehr streng geschützt.“ Also gibt es kein Halali auf den Wolf, „die Jagd auf ihn ist nur dann möglich, wenn der günstige Erhaltungszustand nicht gefährdet ist, beziehungsweise die Erreichung des günstigen Erhaltungszustands nicht bedroht ist.“
Um das zu gewährleisten, ist ein gutes Wolfsmonitoring nötig. Dessen Ziel ist es unter anderem, belastbare wissenschaftliche Daten zur Verbreitung des Wolfes zu erheben, auf deren Grundlage Empfehlungen ausgesprochen werden können, wie eine konfliktarme Koexistenz von Wolf und Mensch möglich ist. Doch Wolfsmanagement ist mehr als nur Wolfsjagd, sondern beinhaltet auch den Schutz von Nutztieren vor Wolfsübergriffen. Nicht zuletzt ist auch eine Zonierung in Wolfsmanagementzonen sinnvoll: Neben Kernzonen mit optimalem Wolfslebensraum und geringem Konfliktpotential gibt es in einem solchen Konzept auch Freihaltezonen, in denen sich Wölfe aufgrund des hohen Konfliktpotentials nicht etablieren sollen. Dazwischen liegen Randzonen, in denen Wölfe geduldet aber auch reguliert werden.
„Schon weil wir die extensiv genutzten Weiden in Deutschland erhalten wollen, brauchen wir ein Wolfsmanagement, das neben der Wolfsjagd auch den effektiven Herdenschutz umfasst. Denn schließlich trägt die schonende Beweidung von Wiesen und Almen wesentlich zur Erhaltung seltener Pflanzen und Insekten bei“, sagt Hackländer. Gleichzeitig binden derartige Weideflächen mehr CO2 als so manche Wälder und fördern das Tierwohl von Schafen, Ziegen und Rindern.

06.12.2024, Universität Wien
Naturschutz-Paradoxon: Invasive Arten sind in ihrer alten Heimat oft bedroht
Nichtheimische Tiere sind eine Gefahr für die Artenvielfalt, gleichzeitig sind viele in ihren Ursprungsgebieten selbst vom Aussterben bedroht
Vom Menschen eingeführte nichtheimische Arten gehören zu den Haupt-Verursachern des globalen Artenrückgangs – bei 60 Prozent der in den vergangenen Jahrzehnten weltweit ausgestorbenen Arten waren sie mitverantwortlich. Zu den nichtheimischen Säugetieren gehören in Mitteleuropa Arten wie die Wanderratte, das Mufflon oder der Mink. Nun zeigt eine Studie unter Leitung von Biolog*innen der Universität Wien und der La Sapienza Universität in Rom, dass manche dieser von Menschen verbrachten Arten in ihrem Heimatgebiet selbst gefährdet sind. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Conservation Letters erschienen.
Die Globalisierung der Erde trägt dazu bei, dass viele Tier- und Pflanzenarten in neue Weltgegenden eingeführt werden. Invasive Arten können heimische Arten durch Konkurrenz verdrängen, oder sie übertragen neue Krankheiten. Gleichzeitig sind jedoch einige dieser nichtheimischen Arten in ihren heimischen Verbreitungsgebieten vom Aussterben bedroht. Dies schafft ein Naturschutzparadoxon – denn die Frage ist nun, sollen nichtheimische Vorkommen von Arten, die in ihrem Heimatgebiet gefährdet sind, geschützt oder bekämpft werden? Allerdings war bislang nicht bekannt, für wie viele nichtheimische Säugetierarten dieses Paradoxon überhaupt zutrifft. In der neuen Studie haben die Wissenschafter*innen das nun beziffert, um so einer Antwort auf dieses Paradoxon einen Schritt näherzukommen.
Viele nichtheimische Säugetierarten sind im Heimatgebiet gefährdet
Insgesamt sind derzeit 230 nichtheimische Säugetierarten weltweit von Menschen in neue Gegenden eingeführt worden und haben sich dort dauerhaft angesiedelt. „Uns hat nun interessiert, wie viele dieser Arten selbst in ihrem Heimatgebiet bedroht sind“, erläutert Lisa Tedeschi von der La Sapienza Universität und der Universität Wien, die Erstautorin dieser Studie. Die Wissenschafter*innen konnten zeigen, dass 36 der nichtheimischen Säugetierarten in ihrer ursprünglichen Heimat bedroht sind und damit unter dieses Naturschutzparadoxon fallen. „Diese hohe Zahl hat uns sehr überrascht, gingen wir doch davon aus, dass invasive Arten auch im Ursprungsgebiet häufig sind“, erklärt Tedeschi weiter.
Invasion in fremde Gebiete könnte manche Arten gar vom Aussterben bewahren
Eine wichtige im Heimatgebiet bedrohte Säugetierart ist der Schopfmakake, dessen Bestand in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet auf Sulawesi seit 1978 um 85 Prozent zurückgegangen ist, während er sich auf anderen Inseln Indonesiens ausgebreitet hat und sich dort stabile Populationen finden. Das Wildkaninchen ist in Europa bedroht, während es in anderen Weltgegenden wie in Australien sehr große eingeführte Vorkommen hat, die weitaus größer als die europäischen sind. Die meisten der im Heimatgebiet bedrohten Arten stammen aus dem tropischen Asien, was in vielen Fällen eine Folge massiver Regenwaldzerstörung und von Überjagung ist. Daher könnten vom Menschen eingeführte Vorkommen diesen Arten helfen, das Aussterben zu verhindern.
Globalisierung: Naturschutz steht vor schwieriger Aufgabe
Bei der Bewertung des globalen Aussterberisikos werden Vorkommen einer Art, die nicht im Heimatgebiet leben, aktuell nicht berücksichtigt. In der aktuellen Studie konnten die Forscher*innen jedoch zeigen, dass sich die Gefährdungssituation einiger Arten verbessern würde, wenn man in die nichtheimischen Vorkommen mitberücksichtigt. „Für 22 Prozent der analysierten Arten würde sich die das globale Aussterberisiko verringern, wenn auch nichtheimische Vorkommen in die Bewertung einbezogen würden“, erläutert der Biodiversitätsforscher Franz Essl von der Universität Wien, einer der Hauptautor*innen der Studie. Dieses Ergebnis unterstreicht laut den Wissenschafter*innen die erhebliche Bedeutung nichtheimischer Populationen für das Überleben gefährdeter Arten – besonders dann, wenn im Heimatgebiet ein hoher Gefährdungsdruck gegeben ist.
Nichtheimische Populationen dieser Arten in der Gefährdungsbewertung einzurechnen, birgt jedoch auch Risiken – etwa, dass weniger Augenmerk auf den Schutz der gefährdeten Vorkommen im Heimatgebiet gelegt wird. Zudem können nichtheimische Populationen negative Auswirkungen auf andere Arten haben. „Das Hauptaugenmerk muss weiterhin auf dem Schutz von Arten im Heimatgebiet liegen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es in Zukunft mehr Arten geben wird, die in ihren Heimatgebieten vom Aussterben bedroht sind und bessere Überlebenschancen im neuen Verbreitungsgebiet haben. Dies stellt den Naturschutz vor die schwierige Aufgabe, Chancen und Risiken abzuwägen“, zieht Franz Essl ein Fazit. „Auch dies ist ein Fingerabdruck der Globalisierung der Artenverbreitung.“
Originalpublikation:
Tedeschi L., Lenzner B., Schertler A., Biancolini D., Essl F., Rondinini C (2024) Threatened mammals with alien populations: distribution, causes, and conservation. Conservation Letters (2024)
DOI: 10.1111/conl.13069
https://conbio.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/conl.13069

05.12.2024, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Ammenbienen halten Nachwuchs gesund, indem sie Pflanzenschutzmittelrückstände aus dem Futter filtern
JKI-Forschende beschreiben in Current Biology, dass Fungizid-Konzentrationen nach gängiger Feldanwendung unter dem Schwellenwert für potenziell toxikologische Effekte für Bienenvölker liegen. Ergebnisse stammen aus bundesweitem Feldversuch an fünf Standorten.
(Braunschweig) Forschende des Julius Kühn-Instituts (JKI) haben im Projekt NutriBee untersucht, wo und in welcher Konzentration Rückstände von Fungiziden nach der Bekämpfung von Schadpilzen, etwa im Rapsfeld, in Honigbienenvölkern auftreten. Ziel war es herauszufinden, ob es auf dem Weg von der Sammelbiene bis zur Bienenbrut und Honig Faktoren gibt, die eher zu einer Verdünnung oder aber zu einer Aufkonzentration der Rückstände führt. Die Ergebnisse der Studie sind in der Dezemberausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“ erschienen https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982224013629
„In bisherigen Untersuchungen konnte immer nur gezeigt werden, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Bienenprodukten nachweisbar sind. Es wurden jedoch immer nur einzelne Bausteine untersucht, also nur Pollen, nur Honig, nur die Larven, nicht aber alle Stationen entlang des gesamte Transferweges von der korrekten Anwendung des Pflanzenschutzmittels im Feld bis ins Honigbienenvolk“, erklärt Dr. Silvio Erler vom Julius Kühn-Institut. Der Wissenschaftler vom JKI-Institut für Bienenschutz hat den bundesweiten Feldversuch an fünf Standorten koordiniert. Dabei wurde ein gängiges Pflanzenschutzmittel mit den fungiziden Wirkstoffen Boscalid und Pyraclostrobin gemäß der Herstellerangaben und nach Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis ausgebracht. Danach wurden Proben entlang des Transferweges in festgelegten Zeitintervallen gesammelt und ausgewertet; also von Trachtpflanzen im Feld, über Sammelbienen, zum eingelagerten Pollen und Nektar, den Ammenbienen, dem Larvenfuttersaft und schließlich in den Larven selbst. Alle Proben wurden auf Rückstände analysiert.
Es zeigte sich, zum einen, dass die Rückstandskonzentrationen mit der Zeit abnahmen. Zum anderen beobachteten die Forschenden auch eine Abnahme im Transferweg von einer Matrix zur nächsten: In den Raps-Pflanzen (Brassica napus) wurden die höchsten Konzentrationen gemessen, im Larvenfuttersaft und in den Larven selbst konnten nur noch Spuren nachgewiesen werden. „Beeindruckend war für uns vor allem die Filterfunktion, die die Ammenbienen offenbar erfüllen, die die Larven mit Futter versorgen“, erklärt Karoline Wüppenhorst, die ihre Doktorarbeit im NutriBee-Projekt anfertigt. „Unsere Untersuchungen der Ammenbienen und der verschiedenen Futtersäfte für Arbeiterinnen-, Drohnen- und Königinnenlarven lassen vermuten, dass die wenigen Rückstände im Larvenfuttersaft der Arbeiterinnen bzw. Drohnen nicht aus den Drüsensekreten der Ammenbienen stammen, sondern wahrscheinlich von Pollen, der den Futtersäften zugefügt wird“, ergänzt die Doktorandin.
Neben dem Nachweis der zentralen Funktion der Ammenbienen für die Gesundheit des Honigbienenvolkes ist eine weitere wichtige Erkenntnis aus der NutriBee-Studie, dass alle entlang des Transferwegs gemessenen Konzentrationen der Rückstände unter dem Schwellenwert für potenziell toxikologische Effekte lagen, und das für beide Wirkstoffe des genutzten Fungizids in allen Bienenmatrices.
Originalpublikation:
Wueppenhorst et al.; „Nurse honey bees filter fungicide residues to maintain larval health”; 2024, Current Biology 34, 1–8; https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.10.008

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