Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

19.08.2024, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Neue Ursaurierfunde bei Forschungsgrabung am Bromacker
Die diesjährige Grabung an der weltberühmten Fossilfundstelle Bromacker in Thüringen ist beendet und war ein voller Erfolg. Die Erforschung der neu gefundenen Ursaurier-Knochen und Kleinskelette, Spurenfossilien, Urzeitkrebse, Pflanzenabdrücke und Insektenflügel wird weitere Erkenntnisse über das Ökosystem am Bromacker vor 290 Millionen Jahren bringen. Über 2300 Besuchende nutzten die Gelegenheit, sich mit den Forschenden auszutauschen. Beteiligt an dem Projekt sind das Museum für Naturkunde Berlin, die Friedenstein Stiftung Gotha, die Friedrich-Schiller-Universität Jena und der UNESCO Globale Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen.
Der Bromacker gilt als eine der bedeutendsten Fossilfundstellen in Deutschland. Ein internationales Forschungsteam, bestehend aus Expert:innen der Paläontologie, Geologie, geowissenschaftlichen Präparation, des Sammlungsmanagements und der Wissenschaftskommunikation, gräbt jedes Jahr vier Wochen lang am Bromacker, um neue, spektakuläre Funde aus der Urzeit zu bergen. Die Fossilien stammen aus der Zeit des Perm von vor 290 Millionen Jahren, lange bevor es die ersten Dinosaurier gab. Die außergewöhnlich gut erhaltenen Fossilien ermöglichen es, Rückschlüsse auf die Entwicklung früher Landwirbeltiere, Insekten oder Pflanzen in einem urzeitlichen Ökosystem zu ziehen. Eine außerordentlich hohe Funddichte und der oft hervorragende Erhaltungszustand der Fossilien machen den Bromacker zu einer weltweit einzigartigen und bedeutenden Fundstelle. Beteiligt an dem Projekt sind das Museum für Naturkunde Berlin, die Friedenstein Stiftung Gotha, die Friedrich-Schiller-Universität Jena und der UNESCO Globale Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen.
An der diesjährigen Grabung nahmen im Juli bis August knapp 50 Forschende teil und machten einen besonders erwähnenswerten Fund: ein kleines Fragment eines Schädels – ein Kiefer mit langen, dünnen, spitzen Zähnen. Die genaue Bestimmung dieses Fundes steht noch aus. “Die Präparation dieser teilweise nur wenige Millimeter großen Knochen ist eine Herausforderung, auf die ich mich in den nächsten Monaten besonders freue,” sagt Präparatorin Pia Kain. Die Forschenden des Projekts werden nach der Grabung und Präparation die Objekte erneut begutachten, vermessen und erforschen.
Zu den besonders kleinen Fossilfunden gehören auch Muschelschalerkrebse (Conchostraken) und Wurzeln von Pflanzen, die Dr. Anna Pint an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den nächsten Monaten untersuchen möchte: “Conchostraken leben meist nur wenige Wochen in kleinen Pfützen und Tümpeln, wie sie nach Überflutungen von Flüssen zurückbleiben. Daher können sie uns, wenn sie gehäuft in den Gesteinen am Bromacker vorkommen, Überflutungsereignisse in Flusslandschaften der damaligen Zeit anzeigen. Dagegen weisen fossile Reste von Wurzeln auf Bereiche hin, die von Pflanzen besiedelt wurden und daher nur gelegentlich überflutet waren. Wiederkehrende Überflutungsereignisse geben uns Hinweise darauf, wie sich das damalige Klima entwickelt und verändert hat”, so Pint.
Insgesamt wurden dieses Jahr über 350 Funde zu Tage gefördert. Projekt- und Grabungsleiter Prof. Jörg Fröbisch, PhD. vom Museum für Naturkunde Berlin zeigte sich sehr zufrieden mit den Funden. „Die diesjährige Ausgrabung am Bromacker war wieder ein voller Erfolg und hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Die Funde beinhalten zahlreiche und vielfältige Spurenfossilien von Wirbellosen und Wirbeltieren, inklusive Lauf-, Schwimm-, Kratzspuren und Grabgänge”, sagt Fröbisch. “Durch die Entdeckung und Erforschung der gefundenen Ursaurier-Knochen und Kleinskelette, Spurenfossilien, Urzeitkrebse, Pflanzenabdrücke und Insektenflügel versprechen wir uns weitere Erkenntnisse über das gesamte Ökosystem am Bromacker vor 290 Millionen Jahren.“
Über 2300 Besuchende an der Grabungsstätte
Auch in diesem Jahr war die Öffentlichkeit eingeladen, den Forschenden bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Neben 13 ausgebuchten öffentlichen Führungen gab es zwei ganztägige Familienveranstaltungen. Insgesamt kamen über 2300 Besuchende am Bromacker vorbei und nutzten die Gelegenheit, sich mit den Forschenden auszutauschen. Erfreulicherweise wächst die Besucherzahl seit Jahren stetig an. „Wir sind begeistert, wie viele interessierte Menschen hier zu uns an den Bromacker kommen”, sagt Steffen Bock, Wissenschaftskommunikator vom Museum für Naturkunde Berlin. “Der Austausch mit ihnen ist uns sehr wichtig und wir versuchen den Besuchenden einen vertieften Einblick in unsere Arbeit zu geben.“
Bisherige Grabungserfolge
Seit 2020 wurden jährlich über 350 Funde dokumentiert und ein Großteil davon im Zeitraum zwischen den Grabungen bearbeitet und präpariert. Unter den bisher geborgenen Ursaurier-Funden konnten die Expert:innen auch zwei neue Arten früher Landwirbeltiere identifizieren und in diesem Jahr veröffentlichen: Bromerpeton subcolossus und Diadectes dreichgleichenensis.
Dr. Tom Hübner, Kustos der geowissenschaftlichen Sammlung an der Friedenstein Stiftung Gotha, schwärmt von den bisherigen Erfolgen des Projekts: “Inzwischen können wir zeigen, dass der Bromacker in den Bereichen Forschung, Tourismus und Bildung das gleiche Potential für Thüringen hat wie z.B. das Weltnaturerbe Grube Messel für Hessen oder die Himmelsscheibe von Nebra für Sachsen-Anhalt. Diesen Thüringer Schatz für alle Menschen zu erhalten und dauerhaft zu betreiben, ist unser großes Ziel. Wir freuen uns daher sehr, dass wir immer mehr Partner finden, die unsere Begeisterung teilen und uns auf diesem Weg unterstützen wollen.”
Auf dem Projekt eigenen Instagram-Kanal (Bromacker_Chroniken) gibt es weitere Eindrücke und Ergebnisse der letzten Grabungen und den aktuellen Stand der Forschung im Projekt. Zu entdecken ist dies alles auch im BROMACKER Lab der Friedenstein Stiftung in Gotha.

20.08.2024 10:27
Wie kann eine Trendwende zum Schutz der Artenvielfalt erreicht werden? Neues Analysetool gibt Antworten
Melanie Neugart Wissenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
Der Biodiversitätsverlust gilt als globale Krise, denn das Artensterben beeinträchtigt weltweit Ökosystemfunktionen, die auch für Menschen überlebensnotwendig sind. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES fordert daher einen raschen transformativen Wandel, der alle Bereiche der Gesellschaft miteinbezieht. Doch bislang fehlen dafür konkrete Konzepte. Biodiversitätsforscher*innen aus der Autorengruppe Faktencheck Artenvielfalt stellen im Journal „People and Nature“ ein Analysetool vor, mit dem Wissenschaftler*innen erstmals gesellschaftliche Veränderungsprozesse in ihrer Wirkung auf die Artenvielfalt bewerten und konkrete Empfehlungen ableiten können.

Ein erheblicher Anteil aller Tiere und Pflanzen – fast ein Drittel – ist vom Aussterben bedroht. Doch trotz zahlreicher internationaler wie nationaler Appelle und Abkommen für mehr Artenschutz setzt sich der Trend fort. Dabei ist längst klar: Um die Balance der Ökosysteme langfristig zu erhalten, muss dieser Trend nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt werden. Dafür fordert etwa der Weltbiodiversitätsrat IPBES einen umfassenden Wandel, der alle gesellschaftlichen Aspekte einbezieht. „Forderungen nach gesellschaftlichen Veränderungen zum Schutz und zur Steigerung von Biodiversität sind sinnvoll und dringend notwendig, bleiben bislang aber sehr abstrakt“, sagt Marion Mehring vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. Tatsächlich fehle es derzeit noch an konkreten Konzepten und Empfehlungen für einen transformativen Wandel, also für eine Trendwende, die zu einem wirklichen Schutz der Biodiversität führt.
Indirekte Treiber von Biodiversitätsverlust besser verstehen
„Wir wissen noch zu wenig darüber, wie sich gesellschaftliche Veränderungen auf die Biodiversität auswirken. Aber es ist wichtig zu verstehen, welche indirekten Treiber für den Biodiversitätsverlust sich aus übergeordneten gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben“, erklärt Mehring. Welche Rolle spielt zum Beispiel der Strukturwandel oder die Entwicklung einer neuen Technologie? Wie beeinflusst der Wertewandel die Entwicklung der Artenvielfalt? „Bislang fehlen uns Instrumente, die in solchen gesellschaftlichen Prozessen die komplexen Wirkungen auf die Artenvielfalt messen. Doch das ist die Voraussetzung, um eine Trendwende zum Schutz der Biodiversität erreichen zu können“, sagt die Biodiversitätsforscherin, die mit einem Team aus Wissenschaftler*innen dafür nun ein Instrument entwickelt hat. Im jüngst in People and Nature erschienenen Artikel „Multiple ways to bend the curve of biodiversity loss. An analytical framework to support transformative change“ stellt das Autorenteam einen empirischen Ansatz vor, der es Wissenschaftler*innen ermöglicht, die komplexen Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen, die sogenannten indirekten Treiber, und deren Wirkungen auf die biologische Vielfalt zu bewerten.
Aus Erfolgen lernen: Beispiele für den Schutz der Biodiversität
Die Idee dieses Ansatzes ist es, von erfolgreichen Fällen zu lernen, in denen gesellschaftliche Veränderungsprozesse sich bereits positiv auf die Artenvielfalt ausgewirkt haben. Dafür hat das Autorenteam einen umfassenden Fragenkatalog zur Anwendung in der Biodiversitätsforschung entwickelt. Damit lassen sich sowohl gesellschaftliche Veränderungsprozesse selbst – ihre Wurzeln und ihr Kontext – als auch die Auswirkungen dieser Prozesse auf Natur und Gesellschaft erfassen und bewerten. Die Anwendung dieses Fragenkatalogs durch die Autor*innen auf drei Fallstudienregionen in Deutschland zeigt exemplarisch, wie sich relevantes Wissen generieren lässt, um den Prozess eines gesellschaftlichen Wandels so zu lenken, dass die biologische Vielfalt erhalten wird. Ein Fallbeispiel ist der Umbau der Emscher in den 1990er Jahren von einem durch Industrialisierung geprägten Abwasserkanal hin zu einem attraktiven Fluss mit Auen und Erholungsgebieten. „Obwohl es gar nicht das erklärte Ziel war, hat der Emscher-Umbau zu einer erheblichen Zunahme der Arten geführt. Und der entscheidende Erfolgsfaktor für den positiven Nebeneffekt für die Biodiversität war, dass im Zuge des Strukturwandels der Montanregion Synergien für Natur, Landschaft, Wohnen, Kultur und Tourismus gezielt gesteuert wurden“, erläutert Mehring.
Nicht das eine Konzept: Viele unterschiedliche Ansätze führen zur Trendwende
Der Schutz biologischer Vielfalt kann aber auch das erfolgreiche Ergebnis eines gesellschaftlichen Kompromisses sein. So ist das fränkische Trittsteinkonzept von 2006 aus einer konfliktreichen Auseinandersetzung um Schutz oder Nutzung von Waldflächen hervorgegangen. Das Konzept zeichnet sich durch ein Mosaik aus geschützten und forstlich genutzten Flächen aus, die Schutz und Nutzung des Waldes gleichzeitig zulassen. Damit führt es zu einer Zunahme der Artenvielfalt und bietet gleichzeitig einen gesellschaftlichen Mehrwert für den Tourismus.
Das dritte Fallbeispiel des bayerischen Volksbegehrens zur biologischen Vielfalt von 2019 schließlich zeigt, dass auch eine gezielte Priorisierung des Schutzes der biologischen Vielfalt gesellschaftlich breit getragen werden kann. Entscheidend ist, dass Gelegenheitsfenster für den Artenschutz, wie in dem Fall durch eine gesellschaftlich initiierte Petition, genutzt werden. „Die Analyse der drei Fallbeispiele mithilfe des Fragebogens hat uns gezeigt, dass der Erhalt der Artenvielfalt überraschenderweise nicht immer das erklärte Ziel eines Veränderungsprozesses sein muss, sondern dass dieser Effekt durch eine biodiversitätssensible Gestaltung von Prozessen auch als Seiteneffekt auftreten kann. Deutlich wurde auch, dass es nicht das eine Konzept für eine Trendwende zum Erhalt der Artenvielfalt gibt, sondern dass es viele unterschiedliche Ansätze dafür braucht“, schlussfolgert Mehring.
Originalpublikation:
Mehring, Marion/Anna Brietzke/Janina Kleemann/Stefan Knauß/Christian Poßer/Vera Schreiner/Heidi Wittmer/Christian Albert/Christine Fürst/Karsten Grunewald/Michael Kolkmann/Ludwig Lettenmaier/Tanja G.M. Sanders/Christian Schleyer/Josef Settele/Tanja M. Straka/Jennifer Hauck (2024): Multiple ways to bend the curve of biodiversity loss: An analytical framework to support transformative change. People and Nature https://doi.org/10.1002/pan3.10690

20.08.2024, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Versteckt zwischen Korallen: Neue Fischart vor Mauretanien entdeckt
Fisch aus der Familie der Seequappen wurde in 595 Metern Tiefe gefunden. Forschende von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven haben gemeinsam mit einem europäischen Team eine neue Fischart beschrieben. Gaidropsarus mauritanicus ist nur etwa 73 Millimeter lang und lebt in den Kaltwasserkorallenriffen vor der Küste Mauretaniens. In ihrer jetzt im Fachjournal „Journal of Fish Biology“ veröffentlichten Studie erklären die Wissenschaftler*innen, dass der Fisch aus der Familie der Seequappen vermutlich aufgrund seiner geringen Körpergröße und seiner versteckten Lebensweise bislang unentdeckt blieb.
Mehr als ein Viertel der weltweit kommerziell gefangenen Meeresfische gehören zu den Dorschartigen – wirtschaftlich besonders bedeutend sind beispielsweise der Kabeljau, der „Alaska-Seelachs“ oder der Schellfisch. „Zur Ordnung der Gadiformes gehören aber auch sehr viel kleinere, eher unbekannte und kaum erforschte Fischfamilien. So beispielsweise die Seequappen – Gaidropsaridae –, die kaum kommerziellen Wert haben, aber ein bemerkenswertes Verbreitungsgebiet aufweisen“, erklärt Alexander Knorrn, Doktorand bei Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven.
Knorrn hat gemeinsam mit Senckenberg-Forschenden und Kolleg*innen aus Portugal und Spanien im Rahmen seiner Promotion eine neue Art aus der Familie der Seequappen beschrieben. Gesammelt und erstmals gesichtet wurde der etwa 73 Millimeter lange Fisch, der nun als Holotyp der Art dient, vor der Küste Mauretaniens in 595 Metern Tiefe. Dort liegt der weltweit größte Kaltwasserkorallenriff-Komplex, die „Mauretanische Mauer“, die mindestens 580 Kilometer lang und zwischen 80 und 100 Meter hoch ist. „Die Fische wurden außerdem bei acht Tauchgängen mit einem ferngesteuerten Tauchroboter entlang der mauretanischen Küste in einem Bereich zwischen 613 und 416 Metern beobachtet“, ergänzt der Wilhelmshavener Forscher.
Die neue Fischart konnte mit Hilfe einer Kombination verschiedener Merkmale von seinen Artgenossen unterschieden werden – darunter fallen die großen Augen und der Kopf, der ein Viertel der Körperlänge des Tieres einnimmt, verlängerte Bauchflossen sowie die rosa Färbung. Genetische Analysen bestätigen, dass es sich um eine bislang unbeschriebene Art handelt. „Das ist insofern beachtlich, da neue Wirbeltierarten eher selten sind“, so Knorrn.
Gefangen wurde der kleine Fisch mit Hilfe eines Greifers und gemeinsam mit einer Vielzahl lebender Tiefseetiere, darunter Korallen, wie die koloniebildende Steinkoralle Desmophyllum pertusum oder die rote Tiefwassergorgonie Swiftia phaeton, sowie größere Schwammkolonien, Moostierchen, Schlangensterne, Ringelwürmer, Zehnfußkrebse, Schnecken und Muscheln. „Auch die Videoaufnahmen zeigen, dass Gaidropsarus mauritanicus ausschließlich in den Korallen oder in unmittelbarer Nähe lebt und somit eng verbunden mit den dortigen Tiefwasserkorallenriffen lebt“, fügt Knorrn hinzu und weiter: „Eines der Individuen wurde mit weißlich gefärbten Flecken auf der Haut beobachtet. Es war der einzige von uns beobachtete Fisch, der unter einem verzweigten, weißlichen Moostierchen – Celleporina cf. lucida – Schutz sucht.“ Die vermutliche Territorialität der neuen Fischart gepaart mit einer eher versteckten Lebensweise sowie mit der geringen Größe der Tiere, führt das Wissenschaftsteam als Grund an, weshalb die Tiefseeart bislang unentdeckt blieb.
Korallenriffe in den tiefen und kalten Regionen der Weltmeere haben eine enorme Bedeutung als „Kinderstube“, Reproduktionszentrum und Jagdgebiet für räuberische Arten. In ihren Kalkgerüsten finden viele Organismen, wie Fische, Krebse, Muscheln, Schwämme und Schnecken, Schutz und Nahrung. Zudem dienen die Riffe als CO2-Speicher. Doch Kaltwasserkorallen sind gefährdet: Sauerstoffmangel und Versauerung der Ozeane bedrohen die Riffe. Auch die intensive Schleppnetzfischerei setzt den Tiefseekorallen erheblich zu. „Mit der Benennung von Gaidropsarus mauritanicus möchten wir darauf hinweisen, dass Mauretanien über ein einzigartiges, enorm artenreiches marines Ökosystem verfügt, das es dringend zu schützen gilt“, schließt Prof. Dr. André Freiwald, Abteilungsleiter Meeresforschung bei Senckenberg am Meer.
Originalpublikation:
Alexander H. Knorrn, Lydia Beuck, David Barros-García, Lourdes Fernández-Peralta, & André Freiwald (2024): Gaidropsarus mauritanicus (Gadiformes, Gaidropsaridae) a new three- bearded rockling from a deep- water coral ecosystem with a genetically verified biogeographical distribution of the genus and notes to its ecology and behavior. https://doi.org/10.1111/jfb.15859

20.08.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Gefahr aus dem Koffer: Reise-Mitbringsel bedrohen heimische Wildtiere und Pflanzen
Wer gut erholt aus den Sommerferien zurückkehrt, bringt meist schöne Erinnerungen, viele Fotos und vielleicht ein kitschiges Souvenir mit. Die wenigsten Urlauber rechnen damit, dass sie auch gefährliche Mitbringsel im Gepäck haben könnten. Doch schneller als gedacht verbreiten wir Menschen unterwegs und zu Hause Krankheitserreger oder schleppen unbewusst invasive Arten ein, die heimische Wildtiere und Pflanzen gefährden.
So könnten Wanderer, die in Feuchtgebieten unterwegs waren, ungewollt Pilze verbreiten, die für Amphibien lebensbedrohlich sind. Der sogenannte Bsal-Pilz (Batrachochytrium salamandrivorans) und der sogenannte Bd-Pilz (Batrachochytrium dendrobatidis) befallen die Haut von Fröschen und Lurchen und töten die Tiere oft innerhalb weniger Wochen. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen, in den Niederlanden und in Belgien hat der Bsal-Pilz bereits ganze Salamanderpopulationen ausgelöscht. Die Sporen der Pilze können an Schuhen und Taschen, aber auch an Hundefell haften bleiben. „Reiserückkehrer und Wanderer aus betroffenen Gebieten sollten ihre Schuhe desinfizieren, bevor sie wieder in heimischen Wäldern und Parks spazieren gehen – auch wenn sie nur in einem anderen Bundesland waren“, rät Sophia Lansing, Artenschützerin bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Eine aktuelle Karte zur Verbreitung von Bsal finden Sie hier: http://bsaleurope.com/european-distribution/.
Auch die Viren der erstmals 2020 in Deutschland aufgetretenen Afrikanischen Schweinepest (ASP) werden durch Berufskraftfahrer wie auch Reisende verbreitet – meist über achtlos weggeworfene Speiseabfälle entlang von Autobahnen und Bundesstraßen. In Kochschinken etwa kann das Virus – das für den Menschen völlig ungefährlich ist – monatelang überleben. Landen virushaltige Lebensmittelreste auf oder neben überfüllten Mülleimern an Raststätten oder in den dort angrenzenden Wäldern, sind sie ein gefundenes – aber tödliches – Fressen für Wildschweine. Infizierte Tiere sterben innerhalb von zehn Tagen. Zurzeit kommt das Virus vor allem im Dreiländereck Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen vor. Das Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg bittet darum Autofahrer: „Lassen Sie bitte keine Lebensmittel- und Speisereste beim Wandern oder dem Aufenthalt in der Natur zurück. Entsorgen Sie Speisereste am Rast- oder Parkplatz ausschließlich in gut verschließbaren Mülleimern oder nehmen Sie die Reste wieder mit nach Hause.“
Gute klimatische Bedingungen machen es dem Japankäfer derzeit leicht, sich in Deutschland auszubreiten. Er schädigt Blätter und Früchte von mehr als 300 Pflanzenarten – darunter Wein, verschiedene Obstbäume und Rosen. Laut Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig wird die invasive Käferart oft unbemerkt mitgeführt – zum Beispiel in Auto oder Bahn, in oder auf Pflanzen, Blumensträußen, Komposterde oder auch Rollrasen. In Norditalien und der Schweiz verbreitet sich der kaffebohnenkleine Käfer bereits rasant. In Baden-Württemberg wurden erste Tiere nachgewiesen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bittet darum, Verdachtsfälle auf einen Befall dem Pflanzenschutzdienst des jeweiligen Bundeslands zu melden.
Neben unabsichtlich eingeschleppten Arten gibt es auch bewusst eingeführte Mitbringsel, die viel Schaden anrichten können. So sollten Urlauber die Idee, eine hübsche Topfpflanze in den Koffer zu stecken, schnell wieder verwerfen – gleiches gilt für Samen oder Erde. In allen Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen können sich Insekten, Pilze oder Bakterien verbergen. In Holz können Käferlarven stecken und die Blätter exotischer Pflanzen sind möglicherweise Virenträger. Mitgebrachte Pflanzen aus Nicht-EU-Staaten brauchen darum ein Gesundheitszeugnis, das durch die zuständige Pflanzenschutzbehörde des Urlaubslandes ausgestellt wird. Grundsätzlich gelten für die Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen die Bestimmungen der Europäischen Union. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Bußgeld. Es lohnt sich, einen Blick auf die „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ zu werfen. Dort beschreibt die Europäische Union Tier- und Pflanzenarten, die mit ihrer Ausbreitung heimische Arten, Lebensräume oder Ökosysteme schädigen können (nachzulesen hier: https://neobiota.bfn.de/unionsliste/art-4-die-unionsliste.html).

21.08.2024, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Studie: Honigbienen fliegen auf Biolandwirtschaft
Öko-Landwirtschaft und Blühstreifen befördern die Gesundheit von Honigbienen. In deren Nähe wachsen die Völker stärker und sind insgesamt gesünder. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie ein vielfältiges Nahrungsangebot haben und weniger durch Pestizide belastet sind. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Göttingen im „Journal of Applied Ecology“. Das Team wertete Daten von 32 Bienenvölkern an 16 Standorten in Niedersachsen mit verschiedenen Anteilen an Biofeldern, Blühstreifen und naturnahen Landschaften aus.
Etwa die Hälfte der Fläche Deutschlands wird laut Umweltbundesamt landwirtschaftlich genutzt. „Wie Bäuerinnen und Bauern ihr Land bewirtschaften, hat einen großen Einfluss auf die Natur: Intensiv genutzte Äcker, Pflanzenschutzmittel und Monokulturen stellen eine Bedrohung für viele Tier- und Pflanzenarten dar. Das gilt besonders für Bestäuber, zu denen Honigbienen gehören“, sagt der Bienenforscher Prof. Dr. Robert Paxton von der MLU.
Um dem entgegenzuwirken, werden bestimmte Maßnahmen empfohlen: den Anteil der ökologischen Landwirtschaft steigern, mehr Blühstreifen pflanzen und naturnahe Landschaften in der Nähe von Äckern einrichten. „In der Theorie sind diese Maßnahmen alle sinnvoll. Allerdings wissen wir wenig darüber, wie sie sich im Einzelnen auf Insekten, speziell Honigbienen, auswirken“, sagt Paxton weiter.
Deshalb führte das Team aus Halle und Göttingen eine Studie an 16 Standorten in Niedersachsen durch. Jeder davon unterschied sich von den anderen mit Blick auf den Anteil an Biofeldern, Blühstreifen und naturnahen Flächen. An allen Standorten platzierten die Forschenden Honigbienenvölker, die sie für etwa ein Jahr beobachteten. Sie analysierten zum Beispiel das Wachstum der Kolonien und den Befall durch Parasiten. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Varroa-Milbe, die zu den gefährlichsten Honigbienenschädlingen gehört und für Bienen tödliche Viren übertragen kann.
Anschließend wurden die Daten der Bienenvölker miteinander verglichen. „Den größten Effekt hatte die Biolandwirtschaft: Je größer diese Flächenanteile waren, desto geringer war die Belastung durch Parasiten. Deshalb konnten die Völker besser wachsen“, sagt die Erstautorin der Studie Patrycja Pluta von der MLU. Ein Grund dafür könnte sein, dass im Ökolandbau weniger Pestizide und dafür andere Maßnahmen für den Pflanzenschutz zum Einsatz kommen. Auch Blühstreifen hatten für die Honigbienen Vorteile: Die Zahl der Varroa-Milben in Gebieten mit vielen Blühstreifen war geringer. „Das könnte daran liegen, dass ein vielfältiges und reichhaltiges Nahrungsangebot das Immunsystem der Honigbienen stärkt“, sagt Pluta.
Mehrjährige naturnahe Lebensräume hatten dagegen, zumindest für Honigbienen, eher Nachteile: Größere Flächenanteile bedeuteten in der Regel einen größeren Befall mit Varroa-Milben. Und die Flächen sind anders als Blühstreifen nicht darauf ausgelegt, kontinuierliche Nahrungsangebote für Honigbienen und andere Bestäuber zu liefern. „Naturnahe Flächen sind trotzdem ein wichtiges Instrument, um die Artenvielfalt zu fördern, und sie dienen vielen Tieren als Lebensraum. Nur im Fall der Honigbienen ist es eben anders“, so Paxton. Die Erkenntnisse der Studie könnten helfen, das Landschaftsmanagement noch besser auf Bienen und andere Bestäuber auszulegen.
Die Studie wurde gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Originalpublikation:
Studie: Pluta P. et al. Organic farming and annual flower strips reduce parasite prevalence in honey bees and boost colony growth in agricultural landscapes. Journal of Applied Ecology (2024). doi: 10.1111/1365-2664.14723
https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.14723

21.08.2024, Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
Ein neuer Raubdinosaurier mit markanter „Augenbraue“
Paläontologen finden den ersten Raubdinosaurier Kirgisistans. Ein kirgisisch-deutsches Expeditionsteam um SNSB-Forscher Oliver Rauhut hat bei Feldarbeiten nahe der Stadt Taschkömür im südwestlichen Kirgisistan die fossilen Knochen zweier Exemplare einer neuen Raubdinosaurierart gefunden. Der Fund ist einer der bedeutendsten in Zentralasien.
Raubdinosaurier (Theropoden) sind eine der wichtigsten Großgruppen der Dinosaurier, zu denen neben so bekannten Tieren wie Tyrannosaurus oder Allosaurus auch unsere heutigen Vögel gehören. Von ihnen sind aus der Zeit des Erdmittelalters, dem Zeitalter der Dinosaurier, eine Vielfalt von Gruppen bekannt. Ähnlich wie es Löwen heute über-wiegend in Afrika und Tiger nur in Asien gibt, war z.B. der Allosaurus im Jura in Nordamerika und im südwestlichen Europa verbreitet, während in China die ähnlich großen Metriacanthosaurier lebten. Die Region zwischen Zentraleuropa und Ostasien galt noch als Terra incognita, da bisher keine großen jurassischen Theropoden aus dieser riesigen Region bekannt waren.
Ein neuer Fund verbessert nun die Datenlage erheblich: Alpkarakush kyrgyzicus heißt der erste in Kirgisistan gefundene theropode Dinosaurier. Die ersten Knochen des Fossils wurden bereits 2006 vom kirgisischen Paläontologen Aizek Bakirov entdeckt. Der Fundort liegt in den gebirgigen Wüstengebieten nahe der Stadt Taschkömür im Westen Kirgisistans. Die dortigen Ausgrabungen fanden in der Balabansai-Formation statt, deren Sedimente während der mittleren Jurazeit vor ca. 165 Millionen Jahren abgelagert wurden.
Während mehrerer Grabungskampagnen im Zeitraum von 2006 bis 2023 wurden Schädelknochen, Rücken- und Beckenwirbel, Fragmente des Schultergürtels und der Vordergliedmaßen sowie der fast vollständige Beckengürtel und die Hintergliedmaßen eines etwa acht bis neun Meter langen Raubdinosauriers geborgen. Es handelt sich um eine neue Gattung und Art, die bisher unbekannte Merkmale aufweist. Besonders eindrucksvoll ist seine extrem vorstehende „Augenbraue“ am sogenannten Postorbitale, einem Schädelknochen hinter der Augenöffnung, die auf das Vorhandensein eines Horns an dieser Stelle hinweist. Andere einzigartige Merkmale finden sich an den Rückenwirbeln und am Oberschenkelknochen.
Der Vergleich mit zahlreichen anderen Theropoden zeigt, dass die neue Art ebenfalls zu den Metriacanthosauriden gehört, also nahe mit den großen Raubdinosauriern Ostasiens verwandt ist. Die Paläontologen vermuten den Ursprung der Metriacantho-sauriden und anderer wichtiger Theropodengruppen in Südostasien, von dort breiteten sie sich über Zentralasien und Europa auf andere Kontinente aus. „Obwohl die Zugehörigkeit von Alpkarakush zu den Metriacanthosauriden nicht unbedingt eine Überraschung ist, schließt dieser Fund doch eine gewaltige Lücke in unserer Kenntnis der jurassischen Theropoden und führt zu wichtigen neuen Erkenntnissen zur Evolution und Biogeographie dieser Tiere“, so Prof. Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssamm-lung für Paläontologie und Geologie in München (SNSB-BSPG), der Erstautor der Studie.
An derselben Fundstelle wurde auch die Überreste eines zweiten, etwas kleineren Exemplars von Alpkarakush kyrgyzicus gefunden. Untersuchungen des inneren Knochenaufbaus ergaben, dass es sich bei dem großen Exemplar um ein fast erwachsenes, mindestens siebzehn Jahre altes und sicherlich schon geschlechtsreifes Tier handelte, während das kleinere Individuum ein Jungtier ist. Möglicherweise war hier vor 165 Millionen Jahren ein Elterntier mit seinem Jungen unterwegs.
Von allen wichtigen Knochen des Alpkarakush wurden im Rahmen der Arbeit zusätzlich per Photogrammmetrie digitale 3D-Modelle erstellt. „Diese Modelle sind jetzt online verfügbar und erlauben es Forschenden weltweit, sowohl Folgestudien durchzuführen als auch 3D-Drucke anzufertigen“, freut sich Ko-Autor Dr. Oliver Wings, Leiter des Naturkundemuseums Bamberg.
Benannt ist das Fossil nach Alpkarakush, einem riesigen Vogel im mythologischen kirgisischen „Manas“-Epos, der den Helden in kritischen Momenten oft zu Hilfe kommt. Der Artname „kyrgyzicus“ verweist direkt auf die Kirgisische Republik, dem Herkunftsort des neuen Raubsauriers. Alpkarakush kyrgyzicus könnte sogar das erste in Kirgisistan ausgestellte Dinosaurierskelett überhaupt werden: wenn sich genügend Unterstützer finden, ist die Aufstellung des rekonstruierten Skelettes inklusive aller originalen Knochen im Historischen Nationalmuseum in Bishkek geplant.
Die Arbeit ist das Resultat einer Forschungskooperation zwischen dem M.M. Adyshev Institut für Geologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Kirgisischen Republik und zwei Abteilungen der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München und Naturkundemuseum Bamberg) sowie der Friedenstein Stiftung Gotha. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Studie erschien nun in der Fachzeit-schrift Zoological Journal of the Linnean Society.
Originalpublikation:
Oliver W M Rauhut, Aizek A Bakirov, Oliver Wings, Alexandra E Fernandes, Tom R Hübner, A new theropod dinosaur from the Callovian Balabansai Formation of Kyrgyzstan, Zoological Journal of the Linnean Society, Volume 201, Issue 4, August 2024, zlae090, https://doi.org/10.1093/zoolinnean/zlae090

23.08.2024, Universität Zürich
Primatenschmuck sorgt für friedliches Nebeneinander
Laut einer neuen Studie spielen die auffälligen Körpermerkmale von Primaten eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation nicht nur innerhalb von sozialen Gruppen, sondern auch zwischen ihnen. Männchen von Arten mit sich überschneidenden Verbreitungsgebieten stechen oft mit leuchtenden Farben oder aufwendigen Körpermerkmalen hervor. Diese scheinen aggressive Auseinandersetzungen zwischen Gruppen zu verringern, da sie eine schnelle Einschätzung potenzieller Rivalen ermöglichen.
Als Primatenschmuck gelten geschlechtstypische Merkmale, die als aussagekräftige Signale dienen und oft auf die genetische Gesundheit oder körperliche Stärke eines Individuums hinweisen. Diese Unterschiede im Erscheinungsbild von Männchen und Weibchen, die als dimorphe Merkmale bezeichnet werden, äussern sich durch buntes Fell oder auffällige Körpermerkmale. Beispiele dafür sind die Lippenwarze und das bläuliche Gesicht des Goldstumpfnasenaffen, die lebhaften Gesichtszüge des Mandrills mit seiner roten Nase und blauen Haut, die beeindruckende Mähne und der rote Brustfleck des Dscheladapavians oder die auffallend grosse Nase des Nasenaffen.
Eine neue Studie der Universität Zürich (UZH) hat einen faszinierenden Zusammenhang zwischen diesen dimorphen Merkmalen und den Gruppeninteraktionen von Primaten aufgedeckt. Die von Stefan Lüpold vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH in Zusammenarbeit mit Cyril Grueter von der University of Western Australia durchgeführte Studie zeigt, dass die leuchtenden Farben und der ausgefallene Körperschmuck vieler Primatenarten mehr bewirken können als nur Partner anzuziehen oder soziale Hierarchien innerhalb von Gruppen zu etablieren. Diese Merkmale spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation zwischen sozialen Gruppen.
Engere Nachbarschaft, mehr Schmuck
Die Forscher analysierten Daten von 144 Primatenarten, darunter sowohl Affen als auch Menschenaffen (Prosimier und Anthropoide). Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen Schmuck und Revierüberlappung – ein Mass dafür, wie viel Lebensraum Gruppen mit ihren Nachbarn teilen. Laut Stefan Lüpold zeigten die Ergebnisse ein klares Muster: «Arten, die mehr Raum mit ihren Nachbarn teilen, weisen deutlich grössere Unterschiede im Körperschmuck zwischen den Geschlechtern auf. Bei Arten, deren Gruppen regelmässig interagieren, tragen die Männchen eher auffällige Merkmale, die sie von den Weibchen unterscheiden.»
Die Studie ergab auch, dass Begegnungen zwischen den Gruppen bei Arten mit einer grösseren Revierüberlappung weniger aggressiv waren. Zu den Begegnungen, die als konfliktbezogen eingestuft wurden, gehörten Verhaltensweisen wie körperliche Konfrontation, Demonstration von Stärke, Ausweichen, Vertreibung, Wachsamkeit und lautstarke Warnungen. Dies deutet darauf hin, dass Körperschmuck dazu beitragen könnte, Konflikte zwischen Gruppen zu reduzieren, möglicherweise indem er eine schnelle und effiziente Einschätzung von Rivalen aus der Ferne ermöglicht.
Komplexe Welt der tierischen Kommunikation
«Diese Ergebnisse stellen die traditionelle Sichtweise in Frage, dass Primatenschmuck ausschliesslich dem Wettbewerb um Partner innerhalb von Gruppen dienen soll», sagt Lüpold. «Stattdessen unterstreichen sie die Bedeutung des weiteren sozialen Umfeldes und der Interaktionen zwischen und nicht nur innerhalb von Gruppen.» Die Studie wirft neues Licht auf die Evolution des Primatenschmucks und liefert wertvolle Einblicke in die komplexe Welt der tierischen Kommunikation.
Originalpublikation:
Cyril C. Grueter and Stefan Lüpold. The role of between-group signalling in the evolution of primate ornamentation. Evolution Letters. DOI: 10.1093/evlett/qrae045

23.08.2024, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Primatenexperten veröffentlichen Aktionsplan zum Schutz der Languren in Südostasien
Mehr Freilandforschung, bessere Bildung für die lokale Bevölkerung, sanfter Tourismus und tragfähige Netzwerke könnten Überleben der Tiere sichern
Das Überleben von 20 asiatischen Langurenarten zu sichern, ist das Ziel eines internationalen Teams von Primatenexperten und Naturschützern. In ihrem jetzt veröffentlichten Aktionsplan identifizieren sie die wichtigsten Gefährdungsrisiken und zeigen Wege auf, wie ein Aussterben der Arten verhindert werden kann. Lebensraumverlust durch massive Waldrodung, Jagd auf das Fleisch der Tiere, Wilderei für den Haustierhandel und der Klimawandel stellen die größten Probleme für die Tiere dar. Der Aktionsplan empfiehlt neun konkrete Maßnahmen für das nächste Jahrzehnt, um das Aussterben von 20 asiatischen Langurenpopulationen zu verhindern.
31 Forschende aus 23 Institutionen haben unter Federführung von Andie Ang vom Primate Conservation and Singapore Programm at Mandai Nature und Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung einen Fahrplan zur Rettung von 20 bedrohten Langurenarten in Südostasien erstellt. Die Maßnahmen umfassen Hinweise sowohl für lokale als auch internationale Naturschutzorganisationen, Regierungen, Gemeinden, Forschungseinrichtungen, Zoos und Wildtierzentren.
Gefährdungsrisiken
Die massive Waldrodung in Südostasien, ausgelöst durch Holzeinschlag, Anbau von Monokulturen und Waldbrände, wird als Hauptursache für den Lebensraumverlust der in den Baumkronen lebenden Languren identifiziert. Zudem kommt es immer häufiger zu Konflikten zwischen Mensch und Wildtier, wenn sich beide auf immer kleineren Arealen begegnen. Einige Arten werden auch zum Verzehr gejagt, für den Haustierhandel gefangen oder auf den Straßen überfahren. Insgesamt sind über 85 Prozent der asiatischen Languren vom Aussterben bedroht, sie gehören damit zu den am stärksten bedrohten Affengruppen der Welt.
Neun Maßnahmen zum Schutz der Tiere
„Bislang konzentrierten sich Schutzmaßnahmen meist auf einzelne Arten. In unserem Ansatz nehmen wir eine ganze Gattung von Primaten in den Fokus, um so mehr Gehör bei Entscheidungsträgern zu finden“, sagt Christian Roos, Wissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum und einer der Hauptautoren des Aktionsplans.
Languren leben hoch oben in den Bäumen, in teilweise sehr abgeschiedenen Gegenden. Daher sind sie noch weitgehend unerforscht. „Wir brauchen dringend mehr Informationen über diese Tiere, welche Ansprüche sie an ihren Lebensraum haben, wie die Arten miteinander verwandt sind und wie viele Individuen es überhaupt noch gibt“, sagt Christian Roos. „Nur so können wir effektive Schutzmaßnahmen entwickeln und umsetzen.“
Als weitere Maßnahmen werden der Schutz der Lebensräume, Aufforstung und Brandkontrolle genannt, die jedoch aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen und unzureichender Unterstützung auf politischer Ebene schwierig umzusetzen sind. Der Aktionsplan empfiehlt, dass lebensfähige Populationen jeder Langurenart in mindestens zwei großen und gut verwalteten Schutzgebieten geschützt werden, und betont die dringende Notwendigkeit, Wildtierkorridore wiederherzustellen und Präventiv- und Managementmaßnahmen gegen Brandrodung zu verbessern. Mehr Aufklärung und Bildung in der lokalen Bevölkerung, Naturschutztourismus und tragfähige Netzwerke auf lokaler und internationaler Ebene werden als weitere Maßnahmen identifiziert und gefordert. „Ein entscheidender Punkt wird die Finanzierung der Schutzmaßnahmen sein, das ist Punkt acht unseres Maßnahmenkatalogs. Um dies zu unterstützen, haben wir den internationalen Tag der Schlankaffen ausgerufen, er findet am 25. August zum ersten Mal statt“, sagt Christian Roos.
Originalpublikation:
Ang, A., Brandon-Jones, D., Ruppert, N., Lee, Z. H., Affendi, A., Anyie, Y. S., Boonratana, R., Cheyne, S., Chua, A., Hayunieta, Irawan, A., Jerusalinsky, L., Karuniawati, A., Khalid, S., Koh, J., Lee, C., Lhota, S., Lwin, N., Mittermeier, R. A., Nijman, V., Oram, F., Pan, S., Rizaldi, Rowe, N., Ruskhanidar, Rylands, A. B., Segaran, P., Setiawan, A., Taufiq, A., Thant, N. M. L., bin Zaini, M. K. Raghavan, R., & Roos, C. (2024). Asian langurs (Presbytis) Conservation Action Plan 2024-2034. IUCN

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