Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

22.07.2024, Naturhistorisches Museum Wien
Museumssammlungen belegen: Mitteleuropa war vor 15 Millionen Jahren ein globaler Biodiversitätshotspot
Die Sammlungen der Naturhistorischen Museen sind einzigartige Archive der Evolution. Sie erlauben einen Blick weit in die geologische Vergangenheit. Schalen von Meeresschnecken sind besonders häufige Fossilien und eignen sich gut, Klimageschichte und ehemalige Meeresverbreitungen zu rekonstruieren. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Mathias Harzhauser (NHM Wien) hat sich den Meeresschnecken des sog. Paratethys-Meeres gewidmet, das vor 35 bis 11 Millionen Jahren Teile von Mittel- und Südosteuropa bedeckte. Anhand von über 800 Arten fossiler Meeresschnecken von rund hundert Fundpunkten verfolgten die Paläontologen nun die Geschichte des Meeres und stießen auf eine unerwartete Vielfalt.
Das Zusammentreffen mehrerer Faktoren war für einen ungewöhnlich starken Anstieg der Biodiversität verantwortlich. Noch vor 18 Millionen Jahren erstreckte sich ein tiefes, west-ost orientiertes Meer von der Schweiz bis weit nach Russland. Das Meeresleben war in seiner Vielfalt mit der des heutigen Mittelmeeres vergleichbar. Vor etwa 16 Millionen Jahren änderte sich die Landschaft dramatisch. Durch das Herandriften der Afrikanischen Platte wurden die Alpen angehoben und das Meer des Alpenvorlandes trocknete aus. Nun begannen sich die Karpaten als Inselbogen aus dem Meer zu heben. Innerhalb dieses Bogens entstanden zahlreiche kleine Insel. Vor 15 Millionen Jahren hatte sich Zentral- und Osteuropa schließlich in einen etwa 1000 Kilometer breiten, subtropischen Archipel verwandelt, der entfernt an die heutige Karibik erinnert. Diese stark strukturierte Meereslandschaft begünstige die Artenvielfalt. Zusätzlich erreichte das miozäne Klimaoptimum zu dieser Zeit seinen Höhepunkt. Aufgrund der globalen Erwärmung weitete sich der europäische Riffgürtel nach Norden aus und reichte nun etwa bis Eisenstadt. Mit den Riffen kamen auch viele spezialisierte Arten, die als Parasiten von und in den Korallen lebten. Die Korallenstöcke boten viele ökologische Nischen und wirkten als Booster der Vielfalt.
So eröffneten Tektonik und globales Klima ein einzigartiges Zeitfenster für eine boomende Biodiversität. „Damals war die Paratethys, ein Randmeer Eurasiens in der Erdgeschichte, mehr als doppelt so artenreich wie das heutige Mittelmeer, und beherbergte sogar mehr Arten als das heutige Rote Meer. Überboten wird der miozäne Biodiversitäts-Hotspot heute nur von der tropischen Vielfalt rund um die Philippinen“ so der Studienleiter Univ. Prof. Dr. Mathias Harzhauser, Direktor der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM Wien.
Anhand hunderter Fundorte konnten die Paläontologen auch innerhalb des verschwundenen Meeres nach geographischen Mustern suchen. Dabei zeigte sich, dass im heutigen Rumänien der Schwerpunkt des Biodiversitäts-Hotspots lag. Hier entstanden zahlreiche neue Arten.
Die Daten dokumentieren aber auch das Ende des Höhenflugs. Vor 13,8 Millionen Jahren begannen sich in der Antarktis mächtige Eispanzer aufzubauen. Mit der globalen Abkühlung verschwanden auch die Riffe aus Mitteleuropa. Der Kollaps der Ökosysteme führte zum Ausstreben von zwei Dritteln der Arten. Da nun viel Wasser im Eis gebunden war, sank der Meeresspiegel weltweit um 50 Meter ab. Ehemalige Untiefen zerteilten das Meer nun und die Faunen verloren ihre Verbindungen. „In den isolierten Meeresbecken entwickelten sich nun lokal beschränkte Arten, die wiederum Ausgangspunkt für kleinere Diversitäts-Hotspots waren. Die Boom-Phase war aber vorbei“ meint Dr. Thomas A. Neubauer von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München, der als Ko-Autor der Studie für die statistischen Analysen verantwortlich war. Als das Meer vor 12,7 Millionen Jahren durch Gebirgsbildung von den Weltmeeren getrennt wurde, verschwand die subtropische Vielfalt endgültig.
Ermöglicht wurde die Analyse durch die Bearbeitung tausender Funde in der Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien, die durch die Arbeitsgruppe in mehr als zwei Jahrzehnten sukzessive revidiert und in mehr als 20 Monographien publiziert wurden. Erst diese enorm zeitaufwändigen Arbeiten lieferten die Datenbasis für die Analysen, die nun in einem Artikel in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurden.
Originalpublikation:
Harzhauser, M., Landau, B., Mandic, O., Neubauer, T.A. 2024. The Central Paratethys Sea – Rise and demise of a Miocene European marine biodiversity hotspot. Scientific Reports 14, 16288. https://doi.org/10.1038/s41598-024-67370-6

25.07.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Laufen, springen, schwimmen: Auch Wildtiere wären Medaillen-Kandidaten
Von morgen an dreht sich bei den Olympischen Spielen wieder alles um Rekorde: Höher, schneller, weiter! Doch viele menschlichen Bestleistungen sind nichts im Vergleich zu den Fähigkeiten der heimischen Tiere. Wir stellen vor: Team Wildtier-Deutschland!
Sprint: Der Feldhase (Lepus europaeus) ist ein echter Spitzensportler auf dem Acker. Seine Hinterläufe sind extrem lang, deshalb hoppelt er. Das mag ungelenk aussehen, doch auf der Flucht erreichen Feldhasen Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometern pro Stunde -Weltmeister Usain Bolt bringt es auf knapp 45 Kilometer pro Stunde.
Weitsprung: Der Name des Springfroschs (Rana dalmatina) verrät schon seine Lieblingsdisziplin. Dank seiner langen Beine kann er aus dem Stand bis zu zwei Meter weit springen – und das bei einer Körperlänge von gerade einmal sechs bis acht Zentimetern. Ein 1,80 Meter großer Weispringer müsste 45 Meter fliegen, um dieselbe Leistung zu erbringen.
Schwimmen: Dank der Schwimmhäute zwischen den Zehen sowie seines perfekten Schwimmstils würde der Fischotter (Lutra lutra) selbst Weltmeister Pan Zhanle davonziehen, der über 100 Meter Freistil immerhin eine Geschwindigkeit von knapp acht Stundenkilometern erreicht. Dabei braucht der Otter weder Schwimmbrille noch Badehose: Mit bis zu 80.000 Haaren pro Quadratzentimeter hat er das dichteste Fell aller heimischen Wildtiere – und damit den perfekten Schwimmanzug, der ihn elegant und nahezu lautlos durchs Wasser gleiten lässt. Dabei bleibt die Haut des Otters immer trocken und warm – sogar beim Tauchen.
Gewichtheben: Ausgerechnet der Tauwurm (Lumbricus terrestris) alias Regenwurm gehört zu den stärksten Tieren der Welt – jedenfalls, was seine Muskelleistung in Relation zur Größe betrifft. Der kräftige Hautmuskelschlauch, der es dem Wurm ermöglicht, sich kriechend vorwärts zu bewegen, könnte ihn das 60-Fache seines Körpergewichts stemmen lassen. Zum Vergleich: Die olympischen Gewichtheber wuchten das Zwei- bis Dreifache ihres Eigengewichts in die Höhe.
Klettern: Während die Sportkletterer bei den olympischen Spielen höchstens 15 Meter erklimmen und dabei schon richtig ins Schwitzen geraten, ist die Gämse (Rupicapra rupicapra) von Natur aus für das mühelose Überwinden großer Höhenunterschiede ausgerüstet. Dank ihrer spreizbaren Hufe und hartgummiartigen Sohlen kann sie im felsigen Gelände bis zu zwei Meter hohe und sechs Meter weite Sprünge absolvieren und in abschüssigem Gelände bis zu 50 Stundenkilometer schnell sein. Selbst die Kitze können ihrer Mutter schon wenige Stunden nach der Geburt in schwieriges Gelände folgen.

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