28.05.2024, Justus-Liebig-Universität Gießen
Weniger invasive Arten in Naturräumen indigener Bevölkerungen
Nicht heimische Pflanzen und Tiere können Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen – Internationale Studie: Nachhaltige Landnutzung ist ein Schlüssel gegen invasive Arten
Die Verschleppung von Tier- und Pflanzenarten in neue Regionen durch den Menschen nimmt weltweit rasant zu. Manche dieser nicht heimischen Arten, wie zum Beispiel das Grauhörnchen, haben weitreichende Auswirkungen auf die Natur, da sie heimische Arten verdrängen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main hat nun herausgefunden, dass es in Gebieten indigener Bevölkerungen deutlich weniger nicht heimische Arten gibt als in vergleichbaren anderen Naturräumen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“ veröffentlicht.
Tausende Pflanzen- und Tierarten sind mittlerweile in fremden Regionen ansässig, weil sie durch Menschen eingeschleppt wurden. „Einige nicht heimische Arten werden für heimische Arten zum Problem – als Räuber, Konkurrenten um Nahrung und Lebensraum oder Überträger von Krankheiten“, erläutert der Biodiversitätsforscher und Erstautor der Studie Dr. Hanno Seebens vom Institut für Allgemeine und Spezielle Zoologie der JLU. Die Forschenden gingen der Frage nach, ob in Gebieten, die von indigenen Bevölkerungen verwaltet werden, weniger fremde Arten zu finden sind als in vergleichbaren anderen Regionen. Zur indigenen Bevölkerung zählten sie alle Ethnien, die meist schon lange vor der Ankunft der Europäerinnen und Europäer diese Regionen besiedelt haben – also etwa die Native Americans, die Aborigines Australiens oder die Samen in Skandinavien.
Weltweit werden 28 Prozent der Landoberfläche von indigenen Bevölkerungen besiedelt, wobei sich ein Großteil dieser Gebiete in entlegenen Regionen der Erde befindet. Viele dieser Gebiete sind für den Erhalt der Artenvielfalt von enormer Bedeutung, liegen sie doch häufig in Hotspots der Artenvielfalt wie im Amazonas Becken oder in Wildnisgebieten der Arktis. „Auf Gebieten, die von indigenen Bevölkerungen verwaltet werden, fällt der Verlust der Biodiversität deutlich geringer aus, da diese Naturräume nachhaltiger genutzt werden“, so Dr. Aidin Niamir, Mitautor der Studie von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Die Forscherinnen und Forscher haben Millionen von Datenpunkten zur Verbreitung nicht heimischer Pflanzen- und Tierarten analysiert. „Das Ergebnis war eindeutig“, sagt Niamir. „Auf Gebieten indigener Bevölkerungen fanden wir ein Drittel weniger nicht einheimische Arten als in vergleichbaren Gebieten.“ Diesen enormen Unterschied führen die Forschenden vor allem auf geringere Landnutzung, einen höheren Anteil an Wäldern und ein geringeres Verkehrsnetz in indigenen Gebieten zurück.
„Die Ergebnisse zeigen, dass eine nachhaltige Landnutzung enorm dazu beiträgt, die Ausbreitung nicht heimischer Arten zu verhindern“, so Seebens. „Indigene Bevölkerungen nutzen ihre Regionen meist traditionell und nachhaltig. Unsere Studie verdeutlicht, dass der Schutz der Rechte dieser Bevölkerungen auch für den Schutz der Biodiversität essenziell ist – etwa in Gebieten wie der Amazonasregion oder in Südostasien, wo der Raubbau an Wäldern ein massives Problem darstellt.“
Beteiligt an der Studie waren neben dem Forschungsteam aus Gießen und Frankfurt am Main auch Forschende aus Österreich, Ungarn, den USA und Australien.
Originalpublikation:
Seebens H, Niamir A, Essl F, Garnett ST, Kumagai JA, Molnar Z, Saeedi H, Meyerson LA (2024) Biological invasions on Indigenous Peoples’ Lands. Nature Sustainability
https://www.nature.com/articles/s41893-024-01361-3
29.05.2024, Deutsche Wildtier Stiftung
Waldrapp-Wilderei: GPS-Sender mit künstlicher Intelligenz können helfen, Täter zu fassen
Die Waldrappe brüten wieder in Deutschland und Österreich. 51 der vom Aussterben bedrohten Ibisvögel haben sicher die mehr als 800 Flugkilometer lange Strecke aus ihrem Winterquartier in Italien gemeistert. Über 30 Eier liegen bereits in den Nestern in ihren Brutgebieten im baden-württembergischen Überlingen am Bodensee, in Burghausen in Bayern sowie in Kuchl und Rosegg in Österreich. In Überlingen haben einige Tiere erstmals eine natürliche Felsnische als Nistplatz angenommen – ein besonderer Erfolg der Artenschützer des Fördervereins Waldrappteam. Denn es zeigt, dass diese Vogel-Generation bereits ohne menschliche Fürsorge zurechtkommt, während ein Teil der vorherigen Generation noch auf Menschen angewiesen war. Die ersten Jungvögel sind bereits geschlüpft. Aber einige Waldrappe – die übrigens alle einen Namen tragen – werden von den Betreuerinnen und Betreuern des Fördervereins Waldrappteam und von ihren Artgenossen, denn Waldrappe sind sehr soziale Vögel, schmerzlich vermisst. Sie wurden – manche mutmaßlich, manche nachweislich – illegal getötet.
Einer von ihnen war das Waldrappmännchen Enea aus der Überlinger Kolonie: Enea starb im März in Italien auf dem Rückflug zu seinem Brutplatz in der Schweiz. Alle Hinweise deuten darauf hin, dass er abgeschossen wurde. Auch Waldrappmännchen Eugen, Diego und Lenz wurden in Italien getötet. Das wissen die Forscher, weil sie einen Großteil der Tiere per GPS-Sender auf ihrer Reise begleiten. Rund 80 Prozent aller Waldrappe des Fördervereins Waldrappteam tragen mittlerweile High-Tech-GPS-Sender auf ihren Rücken. Die Sender übertragen die Positionen der Vögel in Echtzeit in eine Datenbank; Standort, Flugdaten wie Höhe und Geschwindigkeit, sowie die räumliche Ausrichtung können so regelmäßig abgerufen werden. „GPS ist eines der wichtigsten Instrumente, um die Flugroute der Vögel zu verfolgen und vielleicht so auch Vogeljägern künftig besser auf die Spur zu kommen“, sagt Prof. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Die Stiftung unterstützt das Waldrappteam durch den Kauf von GPS-Sendern.
Übermittelt ein GPS-Sender verdächtige Daten, etwa eine ungewöhnliche Position der Körperachse des Waldrapps, deutet dies darauf hin, dass ein Vogel nicht fliegt oder aufrecht steht, sondern liegt. „Sollten wir merken, dass ein Waldrapp offensichtlich gestorben ist, rufen wir immer die örtliche Polizei und fragen, ob sie den Körper holen können. Nur durch die Polizei können wir einen Kriminalfall verfolgen“, sagt Laura Stefani vom Förderverein Waldrappteam. Es kommt vor, dass die Beamten die Vögel auf Wiesen oder Feldern finden – mit Schrotkugeln in ihren Körpern. Manchmal zeigt der GPS-Sender als letzten Standort die Garage des Täters an. Wenn dieser aber alles abstreitet, liegt die Beweislast bei den Wissenschaftlern. Ein mühsames und oft frustrierendes Geschäft: „Die Täter kamen bislang fast immer davon. In den vergangenen zwölf Jahren haben wir 52 illegale Abschüsse nachweisen können – aber nur ein Wilderer wurde verurteilt“, sagt Stefani.
In Italien hat die illegale Jagd auf Vögel eine lange Tradition. Hotspots liegen in Apulien, Sizilien, Sardinien, an der südlichen tyrrhenischen Küste, im Po-Delta und in den Tälern von Brescia in der Lombardei. „In diesen Gebieten treten 43 Prozent der Fälle auf. Die Abschüsse der Waldrappe sind nur die Spitze des Eisbergs: Bis zu 6 Millionen Vögel, darunter auch Greifvögel oder Störche, werden jedes Jahr in Italien illegal getötet, festgehalten oder gefangen“, so Stefani. Oft werden die Vögel nach dem Abschuss einfach auf einem Feld oder in den Bergen liegen gelassen.
Immerhin: Die technischen Hilfsmittel, die den Artenschützern helfen, der illegalen Tötung geschützter Tiere Grenzen zu setzen, werden immer besser. Das berichteten Experten, die sich kürzlich auf einem Symposium zu Maßnahmen gegen illegale Vogeljagd in Verona, in Norditalien trafen. Es war Teil des Europäischen Projektes LIFE Northern Bald Ibis (LIFE20 NAT/AT/000049 – LIFE NBI). Künftig könnten GPS-Sender mit künstlicher Intelligenz und neuer Technologie bei der Aufklärung helfen. „Würde man beispielsweise einen Sender mit winzigen Kameras oder Mikrofonen ausstatten, die sich automatisch einschalten, sobald ein Vogel in eine gefährliche Situation gerät, könnten Vogeljäger nach einer Tat schneller identifiziert werden“, sagt Laura Stefani. „Neben moderner Technik müssen aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden, um die Wildtierkriminalität strafrechtlich zu verfolgen“, so die Waldrappschützerin. „Jedes Jahr wird darum von uns ein Bericht zur illegalen Tötung der Waldrappe an die italienischen Behörden geschickt, in dem wir dringend um Unterstützung und Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegalen Abschüsse bitten.“ Die Artenschützerin weiß: Nur gemeinsam mit den italienischen Behörden und durch die Aufklärung der italienischen Bevölkerung kann es gelingen, den seltenen Waldrapp zu schützen und die wertvolle Arbeit des Waldrappteams zu unterstützen.
29.05.2024, Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) e. V.
Erstmals zwei Bartgeier-Burschen für Bayern: Wiggerl und Vinzenz erobern die Alpen
LBV und Nationalpark Berchtesgaden wildern zum vierten Mal zwei Bartgeier aus – Geier per Live-Webcam beobachten
Erstmals zwei Bartgeier-Burschen für Bayern: Wiggerl und Vinzenz erobern die Alpen / LBV und Nationalpark Berchtesgaden wildern zum vierten Mal zwei Bartgeier aus – Geier per Live-Webcam beobachten
Die Geier sind wieder los. Zum vierten Mal haben der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und der Nationalpark Berchtesgaden heute zwei junge, noch nicht flugfähige Bartgeier in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Das Besondere in diesem Jahr: Zum ersten Mal konnten zwei Männchen aus dem europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerk für die deutsche Auswilderung zur Verfügung gestellt werden. Bei einem Festakt verkündete der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder feierlich die Namen der beiden Vögel „Wiggerl“ und „Vinzenz“. Seit 2021 konnten nun bereits acht Bartgeier ausgewildert werden. 140 Jahre nachdem der Mensch sie ausgerottet hat, fliegen die gefährdeten Giganten nun wieder durch die Lüfte der deutschen Alpen. Das Gemeinschaftsprojekt ist auf mindestens zehn Jahre angelegt und soll die zentraleuropäische, alpine Population und dabei vor allem die Wiederansiedlung dieser seltenen Vogelart in den Ostalpen entscheidend unterstützen.
In den drei ersten Projektjahren wurden bereits fünf Bartgeier-Damen und ein Männchen ausgewildert. „Wir freuen uns, dass wir nun erstmals gleichzeitig zwei Männchen vom internationalen Bartgeierzuchtprogramm für unsere Auswilderung erhalten haben, nachdem wir bisher fast ausschließlich Weibchen in den Nationalpark entlassen haben. Es ist bemerkenswert, mit welchem Einsatz Naturschützerinnen und Naturschützer aus verschiedenen Ländern sich dafür einsetzen, dass der Bartgeier in Europa wieder heimisch wird“, betont der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Der finnische „Wiggerl“ ist im Zoo von Helsinki geboren und „Vinzenz“ stammt aus der Richard-Faust-Bartgeier-Zuchtstation im österreichischen Haringsee.
Mit Bavaria, dem 2021 ausgewilderten Bartgeier, ist bereits ein Vogel des Projekts ganz in der Nähe des Nationalparks sesshaft geworden. Sie hat dort möglicherweise bereits ein Revier gegründet, in dem fremde Weibchen bald nicht mehr geduldet werden. Potenzielle Brutpartner sind entscheidend für den Erfolg des Wiederansiedlungsprojekts. „Die Projektvögel können auf ihren Flügen durch den europäischen Alpenraum auch andere wildlebende Bartgeier kennenlernen und sich mit ihnen verpaaren. Bartgeier sind erst mit 5 bis 7 Jahren geschlechtsreif. Meist dauert es auch einige Jahre bis eine Brut glückt. Vor 2030 rechnen wir deshalb noch nicht mit Bruterfolg in den deutschen Alpen“, sagt der Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.
Beim offiziellen Festakt, bei dem Bartgeier-Fans aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen der Alpenregionen versammelt waren, gratulierte im Kreis der geladenen Gäste auch der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder. „Die Bewahrung der Schöpfung und der Artenschutz sind unsere Verpflichtung. Die Auswilderung von Bartgeiern ist ein einzigartiges Naturschutzprojekt. Bartgeier sind faszinierende Tiere. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie in den Alpen ausgerottet, heute beläuft sich die Population auf 300 Exemplare. Die Taufe von „Wiggerl“ und „Vinzenz“ war ein ganz besonderer Moment der Freude und Demut. Herzlichen Dank an den LBV und alle Ehrenamtlichen für das großartige Engagement und die Leidenschaft. Komme immer sehr gern in den wunderschönen Nationalpark Berchtesgaden“, sagt Ministerpräsident Dr. Markus Söder.
Bayerische Namen für die neuen Bartgeier
Der finnische Vogel wurde per Luftfracht nach Wien transportiert. Am Vortag der Auswilderung ging es dann gemeinsam mit dem Bartgeier aus der nahegelegenen Zuchtstation Haringsee per Auto weiter nach Berchtesgaden. Heute wurden beide Greifvögel von den Expertinnen und Experten des Nationalparks und des LBV erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der österreichische Bartgeier erhielt den Namen „Vinzenz“. Dieser Name wurde von der Nationalparkverwaltung für die Gemeinde Ramsau vergeben – nach dem Schutzpatron der Nationalparkgemeinde, den sie auch im Wappen trägt. Der in Finnland geborene Junggeier trägt nun den Namen „Wiggerl“, die Koseform von Ludwig. Er wurde von Familie Kainz aus München vergeben, die langjährige und großzügige Spender des LBV sind. Da seit dem Vorjahr bereits eine „Sisi“ in den Alpen segelt, soll sich nun ein „Ludwig“ zu ihr gesellen. Der Name orientiert an der bayerischen Geschichte. So war Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn die Großcousine des Märchenkönigs Ludwig II. von Bayern.
Aufstieg in die Auswilderungsnische
Anschließend setzten die Nationalpark- und LBV-Mitarbeitenden die beiden noch nicht flugfähigen Junggeier in Tragekisten und trugen sie auf Kraxen den Berg zur Auswilderungsnische hinauf. „Nach dem geglückten Aufstieg haben wir unsere beiden neuen Schützlinge in zuvor vorbereitete Nester aus Fichtenzweigen und Schafwolle gesetzt. Anschließend wurden den Vögeln die GPS-Sender angelegt, sie wurden noch einmal untersucht und erstes Futter aus Rehknochen in der Nähe platziert. Direkt danach haben wir uns zurückgezogen, um den beiden Geiern eine gute Eingewöhnung in ihre neue Heimat zu ermöglichen“, erklärt LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.
In der Felsnische auf 1.300 Metern Höhe werden die 88 und 89 Tage alten Bartgeier von nun an ohne menschlichen Kontakt weiter aufwachsen und ihre Flügel trainieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden die Vögel in den kommenden Monaten rund um die Uhr von einem nahegelegenen Beobachtungsplatz aus und durch installierte Infrarotkameras und einen Livestream überwachen. „Die durchgehende Beobachtung ermöglicht uns, Unregelmäßigkeiten sofort zu erkennen. So können wir den beiden Vögeln einen optimalen Schutz bieten“, so Toni Wegscheider. Das Auslegen von Futter ohne direkten menschlichen Kontakt erfolgt je nach Bedarf im Abstand von mehreren Tagen.
Jungfernflug in den nächsten Wochen
Der selbständige erste Ausflug der beiden Vögel dürfte nach ausgiebigen Flugübungen in etwa vier Wochen stattfinden. „Dann sind ihre Flügel stark genug, um mit einer Spannweite von bis zu 2,90 Metern ihre rund fünf Kilo Körpergewicht in die Luft zu heben“, sagt Ulrich Brendel. Danach werden sie noch bis in den Spätsommer in der näheren Umgebung der Felsnische im Nationalpark anzutreffen sein, bevor sie dann endgültig aufbrechen, um den europäischen Alpenraum zu erkunden. Bis dahin legt das Team bei Bedarf weiterhin Nahrung aus und überwacht die Bartgeier.
Live-Webcam in Felsnische
Wie sich die beiden Bartgeier-Jungs entwickeln und wie sie ihre ersten Flugübungen machen, kann jede und jeder im Internet verfolgen. Über die weltweit einzige Bartgeier-Live-Webcam werden die Geschehnisse in der Auswilderungsnische auf der Webseite des LBV unter www.lbv.de/bartgeier-webcam sowie unter www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de übertragen. In den darauffolgenden Monaten und Jahren kann auch der weitere Lebensweg der beiden Vögel mitverfolgt werden. Dank der GPS-Sender auf den Rücken der Vögel können Interessierte auf einer Karte unter www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen beobachten, wo die Bartgeier künftig unterwegs sind.
29.05.2024, Ludwig-Maximilians-Universität München
Biodiversität bei Krabben: Mehr als Arten zählen
LMU-Forschende haben die Panzerformen von Krabben verglichen und ein unerwartet differenziertes Bild gefunden.
Biodiversität wird gerne mit der Anzahl von Arten gleichgesetzt. Dass der Fall wesentlich komplizierter ist, hat nun ein Team von LMU-Zoologen um Professorin Carolin Haug gezeigt. Die Forschenden verglichen die Form von Panzern echter Krabben (Brachyura) und sogenannter „falscher“ Krabben (Anomura), zu denen auch Springkrebse und Einsiedlerkrebse gehören. Dabei zeigte sich, dass „falsche“ Krabben bezüglich ihrer Panzerform, die direkt mit der Lebensweise und damit der ökologischen Rolle der Tiere zusammenhängt, mehr Diversität zeigen als echte Krabben, obwohl diese mehr Arten aufweisen.
„Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Tiere während ihrer Entwicklung betrachtet“, sagt Haug: In ihren Larvenstadien, die im Plankton leben, ist die Diversität der echten Krabben am höchsten. Am niedrigsten ist die Diversität in einem Zwischenstadium, das echte und „falsche“ Krabben durchlaufen und in dem der Übergang vom Plankton zum Bodenleben stattfindet; hier ähneln sie darüber hinaus ihren frühen Vorfahren am meisten. „Insgesamt zeigt unsere Arbeit, dass Biodiversität viel komplexer ist, als man durch das bloße Zählen von Arten erfassen kann“, betont Haug.
Originalpublikation:
Florian Braig, Carolin Haug & Joachim T. Haug: Morphological diversity in true and false crabs reveals the plesiomorphy of the megalopa phase. Scientific Reports 2024
https://doi.org/10.1038/s41598-024-58780-7
29.05.2024, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Pinguinzählung in der Antarktis
Kaiserpinguine gelten als vom Aussterben bedroht. Um die größte aller Pinguinarten zu schützen, gilt es, die Zahl der Tiere genau im Blick zu behalten und zu untersuchen, welche Faktoren die Population beeinflussen. Ein Forschungsteam unter Leitung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat nun eine neue, zuverlässige Methode entwickelt, die die Anzahl der Brutpaare sowie der Küken genau vorhersagen kann und damit ein Frühwarnsystem für das Fortschreiten des Klimawandels im Südlichen Ozean darstellt. Seine Ergebnisse hat das Forschungsteam im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Die Überwachung der weltweiten Population von Kaiserpinguinen ist eine große Herausforderung, denn sie bewohnen abgelegene Gebiete der Antarktis. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Forschende unter anderem Satellitenbilder eingesetzt, um die bedrohte Art zu verfolgen. Obwohl wertvolle Populationsdaten gewonnen wurden, sind die bisherigen Zählungen jedoch inkonsistent und unzuverlässig, denn Satellitenbilder können nur zwischen Oktober und April aufgenommen werden, da sonst – im Polarwinter – nicht genug Tageslicht vorhanden ist, um die Tiere an ihren Brutstätten zu erfassen. Außerdem kann die Anzahl der in einer Kolonie anwesenden Pinguine stark variieren, da die erwachsenen Tiere kommen und gehen und mit herkömmlichen Methoden nicht von Küken unterschieden werden können.
Forschende kombinieren Satellitenbilder und Wissen über Pinguinverhalten
Die neue Schätz-Methode kombiniert nun Satellitenbilder mit detailliertem Wissen über das Brutverhalten von Kaiserpinguinen. „Das bedeutet, die saisonalen Ereignisse und Bedingungen zum Zeitpunkt der Aufnahme der Satellitenbilder zu berücksichtigen“, sagt Daniel Zitterbart, einer der leitenden Autoren der Studie und Wissenschaftler an der FAU und der Woods Hole Oceanographic Institution (USA). „Bei Kaiserpinguinen brüten zum Beispiel nur die Männchen die Eier aus. Die Weibchen sind während des Ausbrütens der Eier – circa 64 Tage – durchgehend im Meer und kommen erst nach dem Schlüpfen der Küken zurück. Außerdem spielt eine Rolle, wie die Pinguine die aktuelle Temperatur wahrnehmen – vergleichbar mit der gefühlten Temperatur beim Menschen, die unter anderem durch Wind oder Sonnenschein beeinflusst wird. Wenn die Tiere sich gegenseitig wärmen, stehen sie dichter und die Kolonie erscheint dadurch kleiner.“
„Kombinieren wir die Informationen aus den Satellitenbildern mit unserem Wissen über das Verhalten der Kaiserpinguine, können wir sehr viel genauer ableiten, wie viele Tiere in einer Kolonie leben“, sagt der Hauptautor der Studie, FAU-Doktorand Alexander Winterl. „Unsere Schätzungen haben wir mit bestehenden Datensätzen verglichen, die über einen Zeitraum von zehn Jahren in zwei Kaiserpinguinkolonien in der Antarktis gesammelt wurden. Dabei sehen wir, dass herkömmliche Methoden Trends nur über Dekaden hinweg messen können, Schwankungen innerhalb eines Jahres oder innerhalb weniger Jahre aber nicht darstellen können.”
Frühwarnsystem für die Gesundheit des Südlichen Ozeans
„Wir brauchen die genauen Populationsdaten nicht nur, um diese Art zu schützen, sondern auch um die Menschen auf die extremen Veränderungen im Südlichen Ozean und die Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam zu machen“, betont Winterl. „Der rasche Rückgang des Eises auf und um die Antarktis bedroht Lebensgrundlage der Tiere. Frühere Modellstudien legen nahe, dass über 90 Prozent der Kaiserpinguinkolonien bis zum Jahr 2100 ohne erhebliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen verschwinden werden.“
„Kaiserpinguine stehen an der Spitze der Nahrungskette. Sie spiegeln wider, wie die unteren Ebenen des marinen Nahrungsnetzes vom Klimawandel betroffen sind“, erläutert Co-Autor Zitterbart. „Diese Forschung hat das Potenzial, den Kaiserpinguin von einer schwer zu untersuchenden Art zu einem Frühwarnsystem für die Gesundheit des Ökosystems im Südlichen Ozean zu machen. Mit dieser neuen Methode ist unser nächstes Ziel, jährliche Satellitenbilder zu verwenden, um genaue Populationszählungen und den Bruterfolg an allen 66 bekannten Kaiserpinguinkolonien zu erhalten.“
Originalpublikation:
DOI: 10.1038/s41467-024-48239-8
29.05.2024, Georg-August-Universität Göttingen
Blütenbesuch- und Pollentransport in Kulturlandschaften
Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat Wildbienen auf Kalkmagerrasen untersucht und dabei sowohl die Blütenbesuchsnetzwerke als auch die Pollentransportnetzwerke analysiert. Dabei zeigte sich, dass nicht alle Besuche der Bienen auf den Blüten automatisch auch mit Pollensammeln verbunden waren. Die Pollendaten verdeutlichten zudem, dass die Interaktionen, die nur auf einzelnen Kalkmagerrasen nachzuweisen waren, bei großer Landschaftsvielfalt zunahmen. Diese Spezialisierung der Netzwerke wird also unterschätzt, wenn nur einfach strukturierte Landschaften untersucht werden und keine Angaben zum Pollentransport vorliegen.
Forschungsteam vergleicht Bestäuber-Netzwerke kleinräumig und auf Landschaftsebene
Das Verständnis der Organisation von Netzwerken zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern bietet eine wichtige Voraussetzung für eine Naturschutz-orientierte Landschaftsplanung. Allerdings ist wenig bekannt, wie die Netzwerke zwischen Pollen und Bienen durch Veränderungen auf Landschaftsebene beeinflusst werden.Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat Wildbienen auf Kalkmagerrasen untersucht und dabei sowohl die Blütenbesuchsnetzwerke als auch die Pollentransportnetzwerke analysiert. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B publiziert.
Bei Untersuchungen an 29 kleinen, fragmentierten Kalkmagerrasen, die zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa zählen, zeigte sich, dass 37 Prozent der Interaktionen zwischen einzelnen Pflanzen- und Wildbienenarten sowohl in Pollentransport- wie auch in Blütenbesuchsnetzwerken auftraten. 28 Prozent der Interaktionen waren ausschließlich in Pollentransportnetzwerken nachzuweisen und 35 Prozent nur in Blütenbesuchsnetzwerken. Werden in der Analyse alle lokalen Netzwerke zusammengefasst, zeigen die Pollentransportdaten, dass der Anteil der auf jedem Kalkmagerrasen einzigartigen Interaktionen mit der Landschaftsvielfalt zunahm.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Spezialisierung der Pflanzen-Bestäuber-Netzwerke auf den Kalkmagerrasen abnimmt, wenn die umgebende Landschaft vielfältig ist. Allerdings wird sie unterschätzt, wenn sie nur auf Informationen über den Blütenbesuch beruht“, kommentiert Dr. Felipe Librán-Embid, der die Untersuchungen im Rahmen seiner Doktorarbeit in der Abteilung Agrarökologie der Göttinger Fakultät für Agrarwissenschaften durchgeführt hat. „Daten zum Pollentransport und auch die Analyse von Metanetzwerken, die über die lokale Sicht auf Netzwerke hinausgehen, sind grundlegend für das Verständnis und das Management von Bestäubern und den von ihnen besuchten Pflanzen in Kulturlandschaften“, ergänzt der Göttinger Agrarökologe Prof. Dr. Teja Tscharntke, der die Arbeit zusammen mit Prof. Dr. Ingo Grass von der Universität Hohenheim betreut hat.
Originalpublikation:
Originalveröffentlichung: Felipe Librán-Embid et al. (2024). Flower-bee vs pollen-bee metanetworks in fragmented landscapes. Proceedings of the Royal Society London B.
https://doi.org/10.1098/rspb.2023.2604