Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

16.10.2021, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Unsichtbare Gämsen zählbar machen
Wildbiologen der LWF nehmen Wildbestände im Bergwald mit genetisch-statistischen Methoden unter die Lupe
Wie viele Wildtiere kommen in einem Gebiet eigentlich vor? So einfach diese Frage auch scheint, so schwierig ist sie zu beantworten. Denn Wildtiere sind heimlich und lassen sich nur schwer zählen. Dies gilt für die meisten Wildarten, auch für die Gams. In Verbindung mit genetischen Untersuchungen und modernen geostatistischen Methoden liefert die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft für die Gams in zwei Alpengebieten erstmals verlässliche Zahlen.
Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat in den letzten Jahren ihre wildökologische Forschung gezielt ausgebaut. Dabei steht insbesondere die Gams im Fokus. Sie ist ein charakteristischer und weit verbreiteter Bewohner der Alpen, wobei der bayerische Alpenbogen zu ihrem nördlichsten Verbreitungsgebiet zählt. Allerdings ist es nicht einfach, die Höhe der Gamsbestände des in weiten Teilen bewaldeten Areals zu erfassen. Im Forschungsvorhaben „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“ gehen die Wildbiologen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft dieser und anderen Fragen rund um die Wildarten Gams, Reh und Rothirsch im Bergwald nach.
Zeitreihen der traditionellen direkten Zählungen können lediglich eine grobe Abschätzung über die Entwicklungen des Gamsbestandes über mehrere Erfassungsjahre hinweg geben. Dazu werden die Gämsen nach festgelegten Protokollen zu möglichst einheitlichen Zählterminen und Witterungsbedingungen in gut einsehbaren Bereichen erfasst. Abgesicherte Zahlen zum tatsächlich anwesenden Bestand der Gämsen in einem Gebiet können sie jedoch nicht liefern, da sich Gämsen auch in schlecht einsehbaren, bewaldeten Bereichen aufhalten und dort gar nicht erfasst werden können. Wie hoch die Dunkelziffer der nicht erfassten Tiere ist, kann jedoch zwischen den Lebensräumen stark variieren.
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“ wollten es die Wissenschaftler der LWF genau wissen und haben den Gamsbestand in zwei ausgewählten Bereichen in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen (Projektgebiet Karwendel), Traunstein und Rosenheim (Projektgebiet Chiemgau), mit genetischen Methoden und innovativer Statistik unter die Lupe genommen.
Dazu liefen die Forscher etwa 125 km2 ab und sammelten „Losung“ (Kot) der Gams, aber auch von Reh und Rotwild. An den Hinterlassenschaften der Tiere haften nämlich Zellen der Darmwand an, aus denen der genetische Fingerabdruck eines Individuums ermittelt werden kann. Durch diese sogenannte „Kotgentypisierung“ konnten in den beiden Gebieten zunächst knapp 800 einzelne Gamsindividuen genetisch differenziert werden. Allerdings wird ja nicht von jeder Gams bei der Suche auch tatsächlich ein Kothäufchen gefunden. Gerade im unwegsamen Gelände können die Sammler auch nicht an allen Orten suchen.
Aus diesem Grund wurden die verorteten Fundpunkte der Kotproben, die Laufpfade der suchenden Personen und die Struktur des Lebensraums miteinander verschnitten. Diese ausgeklügelte Erweiterung eines in der Wildbiologie anerkannten statistischen Verfahrens, der sogenannten räumlich-expliziten Fang-Wiederfang-Methodik, ist aufwändig zu berechnen, weil viele Faktoren mit hohem Detailgrad in die Berechnung eingehen. Dafür liefert dieses Verfahren einen sehr guten Schätzwert für den Gesamtbestand. In enger Zusammenarbeit mit einer norwegischen Forschergruppe, die international führend auf dem Gebiet der Bestandschätzung von Wildtieren ist, kamen die Freisinger Wildbiologen so zu folgendem, abgesicherten Ergebnis: Im Spätherbst 2018 hielten sich auf den beiden untersuchten Flächen zusammen 1.350 Gämsen auf.
Doch damit nicht genug: Mit dieser Methode können auch flächenscharfe Dichtekarten erstellt werden: es kann also veranschaulicht werden, wo sich viele und wo sich wenige Individuen aufhalten. Dabei zeichneten sich in den Untersuchungsgebieten enorme Dichtegradienten ab. Das hat verschiedene Ursachen. Entscheidend ist dabei die Eignung des Gebiets als Lebensraum für das Gamswild. Aber auch menschliche Einflüsse, wie Tourismus oder Bejagung haben Auswirkungen darauf, wo sich die Gämsen bevorzugt aufhalten. Die Untersuchungen wurden exemplarisch in zwei Projektgebieten durchgeführt, die sich bezüglich der Lebensraumsituation der Wildtiere (insb. Wald-Offenland-Verteilung) stark unterscheiden. Beide Lebensraumsituationen bilden für den bayerischen Alpenraum durchaus typische Situationen ab. In sehr gut geeigneten Gamslebensräumen, wie felsreichen Bereichen oberhalb der Baumgrenze, welche z.B. häufiger im Karwendel anzutreffen sind, konnten die höchsten Dichten festgestellt werden. In bewaldeten Arealen in niedrigeren Lagen waren dagegen die geringsten Gamsdichten zu finden. Es zeigte sich auch, dass sich im Wald mehr Böcke als Geißen aufhielten.
Das laufende Forschungsprojekt, das vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert wird, ist jedoch noch wesentlich weiter gefasst: Es werden nicht nur die Gams, sondern im Kontext eines integralen Schalenwildmanagements auch Dichten und Raumnutzung des Rothirschs und des Rehs erhoben. Die drei Wildarten des Bergwaldes sind nämlich keineswegs unabhängig voneinander zu betrachten, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Die Ergebnisse für Rothirsch und Reh werden in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen. Gerade die Zusammenschau aller drei vorkommenden Schalenwildarten wird für das Wildtiermanagement im Bergwald von zentraler Bedeutung sein.
Als Charakterart der bayerischen Alpen, soll die Forschung zur Gams in den nächsten Jahren auf den gesamten Bayerischen Alpenbogen ausgeweitet werden. Dabei werden mit Hilfe einer innovativen Studie zum genetischen Status lokale Gamspopulationen in Bayern identifiziert und geografisch abgegrenzt. Darüber hinaus sollen die unterschiedlichen Populationen hinsichtlich ihrer genetischen Vielfalt genauer betrachtet werden. Der genetische Zustand bestimmt unter anderem die Gesundheit einer Population und gibt an, wie robust die Individuen auf Krankheiten, Seuchen und andere Stressfaktoren reagieren können. Eine ausreichend hohe genetische Vielfalt ermöglicht es einer Population sich besser an Veränderungen anzupassen. Die Analyse des genetischen Status des Gamswildes wird daher auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Gamsbestände spielen. Bayern ist mit seiner Forschung zur Gams damit am Puls der Zeit! Die vorliegenden aber insbesondere auch die noch ausstehenden Auswertungen und Ergebnisse werden ganz wesentlich zum besseren Verständnis der grundsätzlichen ökologischen Zusammenhänge beitragen und wichtige Rückschlüsse auf das derzeit praktizierte Schalenwildmanagement ermöglichen.

18.10.2021, Deutsche Wildtier Stiftung
Abschuss eines vom Aussterben bedrohten Waldrapps
Artenschützer fordern Bekämpfung der kriminellen Vogeljagd in Italien
Das junge Waldrapp-Weibchen „Dieks“, das im Rahmen eines europäischen Wiederansiedlungsprojektes aufgezogen wurde, ist auf ihrem ersten Flug ins Wintergebiet in Italien illegal abgeschossen worden. „Für die Population des vom Aussterben bedrohten Waldrapps ist das ein schmerzlicher Rückschlag“, sagt Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.
Das Waldrapp-Weibchen ist vor einem Jahr in Kärnten aufgewachsen und jetzt ihren Artgenossen ins Überwinterungsgebiet in der Toskana gefolgt. „Dieks sollte zur Gründerinnen einer neuen Brutkolonie werden“, sagt der Projektleiter Johannes Fritz. „Mit dem Abschuss werden so viele Hoffnungen zunichtegemacht.“
Seit vielen Jahren machen Artenschützer gemeinsam mit ihren italienischen Partnern die Behörden und Jagdverbände auf die hohen Verluste in Italien – insbesondere in der Toskana – aufmerksam. „2020 sind die illegalen Abschüsse wieder beträchtlich gestiegen. In diesem Jahr haben wir bereits zu Beginn der Herbstmigration den ersten Verlust“, beklagt Johannes Fritz. „Wir fordern endlich effiziente Maßnahmen gegen dieses sinnlose und illegale Töten!“
Aufgrund der von Dieks GPS-Sender übermittelten Daten starb der Vogel am späteren Nachmittag im Arno Tal nahe Figline Valdarno. Die Projektmitarbeiterin Daniela Trobe wertet täglich die Daten der GPS-Sender aus. Sie wurde auf ungewöhnliche Daten des Waldrapps aufmerksam, denn der Bewegungssensor zeigte nur noch geringe Aktivität. Die Mitarbeiterin wartete auf die nächste Datenübertragung; dann bestätigten sich ihre Befürchtungen: Das Waldrapp-Weibchen wurde illegal geschossen.
Illegale Jagd ist die häufigste Todesursache der Waldrappe in Italien. Allein im vergangenen Jahr verloren fünf Vögel nachweislich durch illegale Abschüsse ihr Leben. In weiteren drei Fällen konnte die Todesursache nicht direkt festgestellt werden, da die Vogelkörper nicht gefunden wurden.
Illegale Jagd ist eine substanzielle Bedrohung für die Artenvielfalt – und das nicht nur in Italien. Auf dem Flug in ihre afrikanischen Überwinterungsgebiete werden die extrem bedrohten Schreiadler beim Überqueren des Bosporus – der Meerenge zwischen Europa und Kleinasien – sowie über der Sinai-Halbinsel gewildert. Vor allem im Libanon droht Schreiadlern und vielen anderen Vogelarten besondere Gefahr. Dort werden sie geschossen oder mit Netzen gefangen. Auch dadurch sind Artenschutzbemühungen der Deutschen Wildtier Stiftung in Deutschland zum Scheitern verurteilt.
Laut einer Studie von BirdLife International werden allein in Italien jährlich etwa 5,6 Millionen Vögel illegal getötet. Und das, obwohl die Europäische Gemeinschaft im Rahmen des LIFE Programms erhebliche Geldsummen zur Verfügung stellt. Prof. Hackländer: „Wichtige Erfolge von Artenschutzprojekten werden Jahr für Jahr durch illegale Jagd wieder zunichtegemacht.“ Erst vor wenigen Tagen war der Welt-Zugvogel-Tag, ausgerufen vom AEWA, einem „Abkommen zur Erhaltung afrikanisch-eurasischer wandernder Wasservögel.“ Dieser Tag soll ein Bewusstsein für die Probleme ziehender Vögel schaffen. „Die Vertragsstaaten bekennen sich zum Kampf gegen Wildtierkriminalität, alleine die Erfolge sind noch zu gering“, sagt Hackländer.

19.10.2021, Max-Planck-Institut für Ornithologie
Vogel-Pupillen verhalten sich anders als erwartet
Die Pupille regelt nicht nur den Lichteinfall ins Auge, sondern spiegelt den Zustand des wachen Gehirns wider. Sind wir erregt oder konzentriert, erweitern sich die Pupillen. Die Pupille verändert sich sogar, wenn Säugetiere schlafen. Sie verengt sich im tiefen nicht-REM Schlaf und erweitert sich im REM-Schlaf. Nun haben Forschende am Max-Planck-Institut für Ornithologie und Kollegen erstmals das Pupillenverhalten in Vögeln untersucht. Überraschenderweise passiert hier genau das Gegenteil: In Erregung und im REM-Schlaf werden die Pupillen kleiner, im nicht-REM Schlaf hingegen vergrößern sie sich. Das unerwartete Pupillenverhalten von Vögeln bietet damit neue Einblicke ins schlafende Gehirn.
Die Pupille nimmt beim Sehen eine zentrale Rolle ein. Sie ist die Öffnung in der Mitte der Augen, welche reguliert, wie viel Licht auf die Netzhaut fällt. Ist es dunkel, wird die Pupille groß und lässt viel Licht durch – ist es hell, wird sie klein und verhindert, dass wir geblendet werden. Sie regelt jedoch nicht nur den Lichteinfall, sondern spiegelt Emotionen und den Zustand des Gehirns wider. Sind wir zum Beispiel erregt oder konzentriert, vergrößern sich die Pupillen – ohne, dass wir darauf Einfluss nehmen können.
In Vögeln wurden die Pupillengrößen noch nie systematisch untersucht. Dabei sind schnelle Pupillenverengungen unter Papageienbesitzern ein bekanntes Merkmal der Körpersprache der Vögel. Gianina Ungurean aus der Forschungsgruppe von Niels Rattenborg am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Kollegen am Neurosciences Research Center in Lyon untersuchte nun das Pupillenverhalten in Tauben. Überraschend für die Wissenschaftler:innen war, dass die Pupillen männlicher Tauben bei der Balz kleiner wurden – im Gegensatz zu Säugetieren, bei denen sich bei Erregung die Pupillen weiten.
Kürzlich würde an Mäusen gezeigt, dass sich die Pupillengröße auch im Schlaf verändert: Im tiefen nicht-REM Schlaf mit ruhigen Verhalten verkleinern sich die Pupillen; im aktiveren REM-Schlaf können sie sich langsam erweitern. Das Team untersuchte daher als nächstes das Pupillenverhalten von schlafenden Vögeln. Die durchsichtigen Augenlider der Tauben und ein spezielles Kamerasystem ermöglichten es den Wissenschaftler:innen, die Pupillengröße selbst bei geschlossenen Augen und im Dunkel aufzuzeichnen. Auch hier machten die Vogel-Pupillen wieder das Gegenteil, sie erweiterten sich im nicht-REM Schlaf. Im REM-Schlaf hingegen verengten sich die Vogel-Pupillen blitzschnell über tausendmal pro Nacht. Dieses Phänomen nennen die Wissenschaftler:innen rapid iris movement.
Die Forschenden konnten das Pupillenverhalten der Tauben genau so auch in einer Kuckucksart nachweisen. Das lässt vermuten, dass es sich um ein generelles Merkmal von Vögeln handelt. „Dies zeigt uns, dass grundlegende Verhaltensweisen wie die Pupillengröße in verschiedenen Tiergruppen völlig voneinander abweichen können“, erklärt Niels Rattenborg, Leiter der Studie. „Die Untersuchung dieses Unterschieds veranlasst uns womöglich dazu, unser allgemeines Verständnis des Pupillenverhaltens zu überdenken.“
Die Pupillengröße wird in Vögeln und Säugetieren durch unterschiedliche Muskeltypen in der Regenbogenhaut geregelt. Säugetiere nutzen glatte Muskeln, welche sich nicht willentlich steuern lassen. Vögeln dahingehen regulieren die Pupille durch gestreifte Muskeln, solche die zum Beispiel unsere Arme oder Beine bewegen. Die Forschenden konnten diesen strukturellen Aspekt als eine mögliche Ursache für das unterschiedliche Pupillenverhalten bestätigen: Legten sie mittels eines Medikaments Rezeptoren still, welche gestreifte Muskelzellen aktivieren, verengten die Tauben im Schlaf ihre Pupillen nicht mehr.
„Die Pupillenverkleinerung im schlafenden Vogel erfüllt wahrscheinlich wichtige Funktionen“, erklärt Gianina Ungurean. „Es ist möglich, dass durch die Verengung die Feinmotorik des Muskels geübt wird. Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen, dass Gehirnregionen, die im wachen Zustand bei Erregung aktiviert werden, im REM Schlaf wieder aktiv sind – möglicherweise, wenn Erinnerungen wiedergegeben werden.“ In diesem Zusammenhang könnten die Pupillenverengungen dabei helfen, festzustellen, wann und wie das schlafende Gehirn Erinnerungen verarbeitet.
Die Tatsache, dass Vögel ihre Pupillengröße durch gestreifte Muskeln regulieren und diese meist willentlich gesteuert werden, eröffnet eine spannende Frage: Können Vögel die Größe ihre Pupillen etwa gewollt verändern? Zukünftige Untersuchungen sollen der Frage nun nachgehen und klären, welche Rolle die Pupillen bei der Kommunikation zwischen Vögeln spielen.
Originalpublikation:
Pupillary behavior during wakefulness, non-REM sleep, and REM sleep in birds is opposite that of mammals (2021). Gianina Ungurean, Dolores Martinez-Gonzalez, Bertrand Massot, Paul-Antoine Libourel*, Niels Christian Rattenborg*
Current Biology

19.10.2021, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Gamsprojekt wissenschaftlich seriös
Landesanstalt weist Vorwürfe des Jagdverbandes entschieden zurück!
Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft weist die Vorwürfe des Bayerischen Jagdverbandes bezüglich der statistischen Schätzung von Gamswildbeständen in den Projektgebieten Chiemgau und Karwendel als haltlos zurück. Die Zahl der 1350 Gämsen in den beiden Untersuchungsgebieten wurde mit wissenschaftlich anerkannten Methoden ermittelt.
Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) legt höchsten Wert auf wissenschaftliche Seriosität. Daher veröffentlicht die Landesanstalt generell nur Projektergebnisse, welche mit wissenschaftlich anerkannten und bewährten Verfahren berechnet wurden. Auch im Verlauf des aktuellen Gamsprojektes wurden vorab keine ungesicherten Zwischenergebnisse bekannt gegeben, sondern erst nach sorgfältiger Prüfung veröffentlicht.
Das Forschungsprojekt inklusive der statistischen Auswertungen wurden von Wildbiologen der bayerischen Landesanstalt durchgeführt. Die Aussage des BJV, dass norwegische Wissenschaftler „Schätzungen“ durchgeführt hätten, ist daher falsch. Vielmehr wurden in den Projektgebieten Kotproben von Gams, Reh und Rotwild in einem Stichprobenverfahren gesucht und genetisch untersucht. Schon bei dieser Stichprobe konnten annähernd 800 unterschiedliche Gämsen identifiziert werden. Da es jedoch bei Wildtieren nie möglich ist, die Bestandszahlen vollständig direkt zu erfassen, ist man auf die Herleitung der Populationsgröße mit Hilfe von statistischen Verfahren angewiesen. So konnten naturgemäß in den beiden 125 km² großen Forschungsgebieten nicht von allen im Untersuchungsgebiet lebenden Gamsen Kothäufchen gefunden werden. Durch ein komplexes räumlich-explizites statistisches Verfahren wurde daher nachfolgend die wahrscheinliche Anzahl an nicht genetisch nachgewiesenen Individuen ermittelt. Dieses statistische Verfahren ist international anerkannt und wird weltweit von Biologen bei Bestandsschätzungen verschiedenster Tierarten verwendet. Die LWF wird von verschiedenen renommierten Wissenschaftlern beraten, unter anderem einer bei dieser Berechnungsmethodik sehr erfahrenen norwegischen Forschungsgruppe.
Die LWF weist zudem darauf hin, dass es wissenschaftlich nicht seriös ist, aus den Zahlen der Projektgebiete auf den gesamten bayerischen Alpenraum hochzurechnen. Das Rechenbeispiel aus der Pressemitteilung des BJV – noch dazu auf Basis allein der genetisch identifizierten Tiere – ist deshalb schlichtweg falsch. Die LWF ist eine seriöse Forschungseinrichtung und hat deshalb keine solche Hochrechnung vorgenommen. Um die tatsächliche Situation im gesamten bayerischen Alpenbogen wissenschaftlich abgesichert beurteilen zu können, wurde ein weiteres Forschungsprojekt initiiert, das den genetischen Zustand der Gamsbestände im gesamten bayerischen Gams-Verbreitungsgebiet untersuchen soll. Dieses Projekt ist einmalig im gesamten Alpenraum und wird zusammen mit weiteren Forschungsprojekten wichtige Beiträge zum besseren Verständnis des Gamswildes in Bayern leisten.

21.10.2021, Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Die Herkunft der heutigen Hauspferde ist endlich geklärt
162 internationale Forschende haben Pferdeknochen aus ganz Eurasien zusammengetragen und analysiert – darunter Funde der Universität Bamberg.
Pferde wurden zuerst in der pontisch-kaspischen Steppe im Nordkaukasus domestiziert, bevor sie innerhalb weniger Jahrhunderte den Rest Eurasiens eroberten. Domestizierung bedeutet, dass Menschen Wildpferde zähmten. Das sind die Ergebnisse einer Studie unter der Leitung des Paläogenetikers Prof. Ludovic Orlando vom französischen „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) aus Toulouse. Er leitete ein internationales Team, dem unter anderem Forschende der Universitäten in Toulouse, Évry und Bamberg angehörten. Die Studie löst ein jahrzehntealtes Rätsel und ist am 20. Oktober 2021 im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht worden.
Von wem und wo wurden die modernen Pferde zuerst domestiziert? Wann haben sie den Rest der Welt erobert? Und wie verdrängten sie die unzähligen anderen Pferdearten, die es damals gab? Dank eines Teams von 162 Forschenden, die sich auf Archäologie, Paläogenetik und Linguistik spezialisiert haben, können diese Fragen endlich beantwortet werden.
Forschende analysieren DNA von 273 Pferden
Vor einigen Jahren untersuchte das Team um Ludovic Orlando die Fundstätte der Botai-Kultur in Zentralasien, die den ältesten archäologischen Nachweis für domestizierte Pferde lieferte. Die DNA-Ergebnisse waren aber nicht zufriedenstellend: Diese aus der Zeit vor 5500 Jahren stammenden Pferde waren nicht die Vorfahren der heutigen Hauspferde. Neben den Steppen in Zentralasien erwiesen sich auch alle anderen vermuteten Ursprungsorte wie Anatolien, Sibirien und die Iberische Halbinsel als falsch. „Wir ahnten, dass auch der Zeitraum zwischen 4000 und 6000 Jahren nicht stimmen konnte, aber wir konnten keine Beweise dafür finden“, sagt Orlando. Das Forschungsteam beschloss daher, seine Studie auf ganz Eurasien auszudehnen und analysierte die Genome von 273 Pferden, die von 50.000 bis 200 vor Christus lebten. Diese Informationen wurden an der Université Toulouse III – Paul Sabatier und der Université d’Évry sequenziert und mit den Genomen heutiger Pferde verglichen.
Einzige deutsche Proben stammen aus Oberfranken
Die einzigen Proben von Pferdeknochen aus Deutschland, die analysiert wurden, stammen vom Hohlen Stein bei Schwabthal in Oberfranken. Diese hat ein archäologisches Team der Universität Bamberg während eines Forschungsprojekts im Jahr 2008 ausgegraben und datiert. Grabungsleiter Dr. Timo Seregély von der Professur für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie erläutert: „Wir haben dort Pferdeknochen von mehreren Tieren aus der Zeit um 2600 vor Christus gefunden, die im Zusammenhang mit einer Siedlung der schnurkeramischen Kultur aus der späten Jungsteinzeit stehen. Sie waren durch die direkte Lage am auffälligen Dolomitfelsmassiv des Hohlen Steins fantastisch erhalten und wiesen einen reichen Gehalt an alter DNA auf.“
Im Gegensatz zu Seregélys bisheriger Annahme ist nun nicht einmal mehr sicher, ob es sich bei den oberfränkischen Funden überhaupt um die Reste von domestizierten Pferden handelt. Es könnte sich ebenfalls um gejagte, damals noch in der Region lebende Wildpferde gehandelt haben. Die von Pablo Librado und Ludovic Orlando geleitete Studie kann diese Frage nicht sicher beantworten – dafür aber eine andere, unglaublich wichtige, wie Seregély bekräftigt: „Bisher ging man davon aus, dass Pferde bereits im frühen dritten vorchristlichen Jahrtausend bei der Expansion von Menschen aus den eurasischen Steppenregionen in zahlreiche Regionen Europas eine entscheidende Rolle bei der Mobilität spielten. Das ist nun klar widerlegt. Ob wir für diese große, sich über mehrere Jahrhunderte und einige Zwischenetappen erstreckende Migrationswelle nun eher Rindergespanne als Mobilitätsfaktor ins Auge fassen können, müssen spätere Studien zeigen.“
Explosionsartige Vermehrung der Pferde
Die Vorfahren der heutigen Hauspferde stammen hingegen aus einer späteren Zeit: In Eurasien, das einst von genetisch unterschiedlichen Pferdepopulationen bevölkert war, kam es zwischen 2200 und 2000 vor Christus zu einer dramatischen Veränderung. „Die Pferde, die in Anatolien, Europa, Zentralasien und Sibirien lebten, waren genetisch sehr unterschiedlich“, sagt Dr. Pablo Librado, Erstautor der Studie. Dann verbreitete sich ein einziges genetisches Profil, das es zuvor nur in der pontischen Steppe im Nordkaukasus gab. Es verdrängte innerhalb weniger Jahrhunderte alle Wildpferdepopulationen vom Atlantik bis zur Mongolei. „Die genetischen Daten deuten auch auf eine explosionsartige Vermehrung der Pferde hin, die in den letzten 100.000 Jahren ihresgleichen sucht“, fügt Orlando hinzu. „Damals übernahmen Menschen die Kontrolle über die Fortpflanzung dieser Tierart und produzierten Pferde in beträchtlicher Anzahl.“ Die Ausbreitung dieser Pferde ereignete sich zumindest in Asien gleichzeitig wie jene von Streitwägen mit Speichenrädern und indoiranischen Sprachen.
Doch wie lässt sich diese überwältigende Beliebtheit erklären? Die Forschenden fanden zwei auffällige Unterschiede zwischen dem Genom dieses Pferdes und dem Genom der Populationen, die es ersetzte: zum einen fügsameres Verhalten, zum anderen ein stärkeres Rückgrat. Das Forschungsteam vermutet, dass diese Merkmale den Erfolg der Tiere zu einer Zeit sicherten, als das Reisen mit Pferden weltweit zunahm.
Originalpublikation:
www.nature.com/articles/s41586-021-04018-9

21.10.2021, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
BioRescue stellt nach ethischer Risikobewertung Eizellenentnahme bei einem von zwei Nördlichen Breitmaulnashörnern ein
Bei der Mission, das Nördliche Breitmaulnashorn durch fortschrittliche Technologien der assistierten Reproduktion vor dem Aussterben zu bewahren, legen die Wissenschaftler:innen und Naturschützer:innen des BioRescue-Konsortiums höchsten Wert darauf, das Leben und Wohlergehen der einzelnen Tiere zu respektieren. Nach einer speziellen, umfassenden ethischen Risikobewertung hat das Team nun beschlossen, das ältere der beiden verbleibenden Weibchen – die 32-jährige Najin –, als Spenderin von Eizellen (Oozyten) in den Ruhestand zu schicken.
Damit steht dem ehrgeizigen Programm noch ein Weibchen zur Verfügung, welches Eizellen liefern kann: Najins Tochter Fatu. Unter Abwägung der Risiken und Chancen für die Individuen und die gesamte Art war diese Entscheidung alternativlos. Der Bedarf an stammzellassoziierten Techniken, die auch Bestandteil der BioRescue-Mission sind, und an langfristig angelegten Biobanken wird durch diese Entscheidung weiter erhöht. Najin wird als Repräsentantin ihrer Art und durch die Weitergabe von sozialem Wissen an zukünftige Nachkommen ein wichtiger Teil der Mission bleiben.
Najin wurde 1989 im Safaripark Dvůr Králové (Tschechische Republik) geboren und 2009 zusammen mit drei weiteren Nördlichen Breitmaulnashörnern für ein natürliches Zuchtprogramm in das Reservat „Ol Pejeta Conservancy“ (Kenia) gebracht. Fünf Jahre später stellten Wissenschaftler:innen fest, dass die letzte Chance für das Überleben von Najin und ihrer Art in modernen Techniken der assistierten Reproduktion liegt, wie sie vom BMBF teilgefördertem BioResuce-Konsortium durchgeführt werden. Bei diesem Ansatz werden weiblichen Breitmaulnashörnern Eizellen entnommen. Dafür erfolgt eine Hormonstimulation, eine Vollnarkose und eine transrektale, ultraschallgesteuerte Eizellentnahme.
„Bei Nashörnern ist dieses Verfahren absolut neu, und obwohl es von den weltweit führenden Wissenschaftler:innen und Tierärzt:innen des BioRescue-Teams auf höchst professionelle und sichere Weise durchgeführt wird, ist es mit Risiken für die Tiere verbunden“, sagt Jan Stejskal, Direktor für internationale Projekte im Safaripark Dvůr Králové. „Die Eizellenentnahme bei Najin hat nur wenige Eizellen geliefert, von denen keine erfolgreich befruchtet werden konnte, um einen Embryo zu produzieren. In Anbetracht dieses Ergebnisses und der möglichen Risiken ist es die verantwortungsvollste Entscheidung, keine weiteren Eingriffe an Najin vorzunehmen und sie nicht mehr als Eizellspenderin zu verwenden. Sie wird jedoch weiterhin Teil des Programms sein, indem wir beispielsweise Gewebeproben von ihr mit minimal-invasivem Eingriff entnehmen und für Stammzelluntersuchungen verwenden.”
Die Entscheidung, die Eizellenentnahme bei Najin einzustellen, wurde unter der Leitung des Ethiklabors für Tiermedizin, Naturschutz und Tierschutz der Universität Padua getroffen. Prof. Barbara de Mori und ihr Team kamen zu dieser Empfehlung, nachdem sie alle relevanten Möglichkeiten und ethischen Dimensionen analysiert sowie mehrere Diskussionen mit den Beteiligten geführt hatten. Zusätzlich evaluierten sie alle möglichen Optionen mit wissenschaftlichen Methoden wie Entscheidungsbäumen und Bateson-Würfel, um das Fachwissen der Beteiligten durch eine systematische, objektive Perspektive zu nutzen.
„Es war eine besondere Herausforderung, die Chancen zur Rettung einer Art gegen das Wohlergehen eines einzelnen Tieres abzuwägen“, sagt Prof. Barbara de Mori. „Wir ermittelten die wichtigsten Möglichkeiten und Kombinationen von Entscheidungen, die das Konsortium treffen könnte. Diese stuften wir dann mit Blick auf die verschiedenen Optionen ein, wie die Vermeidung schwerer oder kleinerer Unfälle, die Möglichkeit, Verfahren zu wiederholen, und die erfolgreiche Entnahme von Eizellen, ergänzt Dr. Pierfrancesco Biasetti, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und Mitglied des Ethik-Teams in Padua.
Es stellte sich heraus, dass einige Szenarien mit hoher Wahrscheinlichkeit die meisten gewünschten Vorgehensweisen erfüllen, während andere eher geringe Chancen haben. Daraus ergab sich, dass eine Fortsetzung der Eizellenentnahme oder andere potenzielle Optionen wie die Ovarektomie (zur Gewinnung von Biomaterial, das für künftige Verfahren im Labor [in-vitro] wertvoll sein könnte) unter den gegebenen Umständen keine ethisch akzeptablen Möglichkeiten sind.
Von Anfang an war es eine zentrale Säule der Arbeit des BioRescue-Projekts und seiner Partner:innen, alle relevanten ethischen Aspekte bei der Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns zu berücksichtigen.
„Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir die Grenzen des Machbaren im Naturschutz ausreizen und dies erfordert auch ein Nachdenken über ethische und moralische Konsequenzen“, sagt BioRescue-Projektleiter Prof. Dr. Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW). „Jedes Verfahren des Programms wird von einer umfassenden ethischen Risikobewertung begleitet. Wir sind überzeugt, dass wir nichts tun sollten, was wir tun könnten, nur weil wir es eben können. Die Entwicklung klarer ethischer Grundsätze auf der Grundlage unseres Wissens, wissenschaftlicher Expertise in der Tierschutzethik und Entscheidungsfindung sowie Aufmerksamkeit gegenüber dem gesellschaftlichen Diskurs ist eine wesentliche Basis von BioRescue.”
Bei den Überlegungen über die künftige Rolle von Najin war dieser Entscheidungsprozess außerordentlich schwierig, da die Expert:innen sowohl die Perspektive der Population (Schwerpunkt Artenschutz) als auch die Perspektive der einzelnen Tiere (Schwerpunkt Tierschutz) einbeziehen mussten.
„Ein einzelnes Tier aufgrund von Tierschutzbedenken aus einem Schutzprogramm herauszunehmen, ist normalerweise keine Frage, über die man lange nachdenkt“, sagen Leibniz-IZW-Cheftierarzt Dr. Frank Göritz und Ol Pejeta-Cheftierarzt Dr. Stephen Ngulu. „Aber wenn ein einziges Individuum 50 Prozent der Population ausmacht, überdenkt man diese Entscheidung mehrmals, weil sie erhebliche Auswirkungen auf die Aussichten des Schutzprogramms haben könnte. Jüngste Ultraschalluntersuchungen haben ergeben, dass Najin mehrere kleine, gutartige Tumore im Gebärmutterhals und der Gebärmutter sowie eine große zystische Struktur von 25 cm Durchmesser im linken Eierstock hat. Diese Befunde könnten erklären, warum die Eizellentnahme bei ihr nicht so erfolgreich war wie bei Fatu. Deshalb sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die wertvollste Rolle für Najin darin besteht, eine Botschafterin für die Erhaltung ihrer Art zu sein und ihr soziales Wissen und Verhalten in absehbarer Zeit an Nachkommen weiterzugeben.”
Da Najin nun nicht mehr für den ersten Pfeiler des BioRescue-Programms, die fortgeschrittenen assistierten Reproduktionstechnologien (advanced assisted reproduction technologies, aART), zur Verfügung steht, wird der zweite Pfeiler noch wichtiger werden. Für die aART werden natürliche Eizellen und Spermien benötigt, die direkt aus weiblichen und männlichen Nashörnern gewonnen wurden, um Embryonen zu erzeugen. Der zweite Pfeiler der BioRescue-Mission, die stammzellassoziierten Techniken (stem cell associated techniques, SCAT), zielen darauf ab, Geschlechtszellen aus gelagertem Gewebe von Nördlichen Breitmaulnashörnern im Labor zu erzeugen. Beispielsweise könnten Hautzellen von Najin in induzierte pluripotente Stammzellen umgewandelt werden, die dann so umprogrammiert werden könnten, dass sie sich zu neuen Geschlechtszellen (Eizellen oder Spermien) entwickeln. Diese hochmoderne Technik, die im BioRescue-Konsortium von international führenden Teams der Kyushu-Universität und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) entwickelt wurde, ermöglicht es, die Zahl der für die Embryonenproduktion verfügbaren Geschlechtszellen erheblich zu steigern. Dies kann ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein. Darüber hinaus gewinnt der genetische Vorrat des assistierten Fortpflanzungsprogramms enorm an Diversität. Zwar sind die stammzellassoziierten Techniken noch am Anfang – was die Nashornreproduktion betrifft – jedoch stärken die vom MDC und der Kyushu-Universität erzielten Fortschritte die Hoffnung, dass in den kommenden Jahren Nördliche Breitmaulnashorn-Embryonen aus im Labor entwickelten Geschlechtszellen erzeugt werden könnten.
„Bei der ethischen Risikobeurteilung wurde der beste wissenschaftliche Ansatz angewandt, um das Wohlergehen von Najin angesichts ihres fortgeschrittenen Alters und dem pathologischen Zustand ihrer Gebärmutter zu gewährleisten“, sagt Dr. Patrick Omondi, Direktor des Wildlife Research and Training Institute (Kenia). „Wir freuen uns, dass wir an der Beurteilung mitgewirkt haben. Diese bekräftigt die kooperative und innovative Herangehensweise des BioRescue-Konsortiums zur Rettung der Nördlichen Breitmaulnashörner.“
Der Wildtierschutz war in den letzten Jahrzehnten mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. BioRescue hat Technologien entwickelt, die es Experten ermöglichen, einige dieser Herausforderungen zu bewältigen. Die kenianische Regierung hat mit verschiedenen Partner:innen zusammengearbeitet, um den Schutz von Wildtieren durch technologische Fortschritte zu fördern. Zwar ist das Nördliche Breitmaulnashorn nicht ursprünglich heimisch in Kenia, hat jedoch eine Heimat in dem Land gefunden.
„Die Regierung hat sich im Rahmen des Ministeriums für Tourismus und Wildtiere verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Wildtiere in Kenia und weltweit für heutige und künftige Generationen erhalten bleiben und geschützt werden. Besonders im Fokus steht dabei, sicherzustellen, dass gefährdete Arten nicht vom Aussterben bedroht sind. Da Najin aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters keine lebensfähigen Eizellen produziert hat, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Schicksal zu akzeptieren, sie aus dem ART-Programm herauszunehmen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sie noch lange genug leben wird, um durch die Nachkommen ihrer Tochter Fatu einen positiven Einfluss auf die nächsten Nashorn-Generationen zu haben“, so Hon. Najib Balala, Kabinettssekretär im Ministerium für Tourismus und Wildtiere in Kenia.
In Anbetracht der ständig wachsenden Herausforderungen, denen der Nashornschutz gegenübersteht, war die Entscheidung, Najin auf Anraten der Experten aus dem ART-Programm zu nehmen, für den Kenya Wildlife Service sehr schwierig:
„Wir sind jedoch davon überzeugt, dass der Kenya Wildlife Service als staatliche Behörde, die mit der Erhaltung und dem Management der Wildtiere im Land beauftragt ist, wesentlich zu den Bemühungen beigetragen hat, das Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben zu schützen. Wir sind auch davon überzeugt, dass das Ausscheiden von Najin, obwohl es eine schwierige Entscheidung ist, die einzig richtige Option ist. Wir arbeiten mit technischen Expert:innen vor Ort und auf internationaler Ebene zusammen, um die Möglichkeiten zu erkunden, die sich durch neuartige Technologien der assistierten Reproduktion ergeben, um die Art vor dem Aussterben zu bewahren“, sagt Brigadier (Rtd.) John Waweru, Generaldirektor, Kenya Wildlife Service.

21.10.2021, Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) e. V.
Wally und Bavaria auf Reisen
Der erste der beiden im Juni ausgewilderten Bartgeier hat den Nationalpark verlassen – Flugrouten für alle auf Webseite mitzuverfolgen
Der erste der beiden Mitte Juni vom bayerischen Naturschutzverband LBV und dem Nationalpark Berchtesgaden ausgewilderte Bartgeier hat sein angestammtes Gebiet verlassen. Seitdem die imposanten Greifvögel Anfang Juli die ersten erfolgreichen Flugversuche außerhalb ihrer Horstnische unternommen hatten, hat das Betreuungsteam vor Ort auf diesen Tag gewartet: „Nach drei Monaten der Übungsflüge und Geländeerkundungen ist Bavaria am 17. Oktober ihrem natürlichen Wandertrieb gefolgt und hat einen bereits hunderte Kilometer langen Flug in die Ostalpen begonnen“, so LBV-Projektleiter Toni Wegscheider. In den kommenden Jahren werden die beiden Weibchen den östlichen Alpenraum durchstreifen und dabei tausende Kilometer zurücklegen. Interessierte können die Flugaktivitäten der beiden Bartgeier-Damen ab sofort auf der Webseite des LBV mitverfolgen unter www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen.
„Wir mussten in den letzten Wochen immer öfter scherzhafte Fragen von Geierfans beantworten, ob wir Wally und Bavaria zu gut füttern würden“, berichtet LBV-Projektleiter Toni Wegscheider schmunzelnd. Dass beide Geier sich nach ihrem Erstflug noch über drei Monate im weiteren Umfeld der Auswilderungsnische an der Reiteralm aufhielten, war nach den Erfahrungen des europaweiten Projekts eher ungewöhnlich. „Trotz vieler Tagesausflüge zu den umliegenden Gebirgszügen wie Steinernes Meer, Untersberg und Leoganger Steinberge kehrten die beiden Geiermädels fast jeden Abend zu den Futter- und Schlafplätzen in der Nähe der Nische im Klausbachtal zurück“, erläutert Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.
Während junge Bartgeier im Extremfall schon eine Woche nach dem Erstflug weiträumig herumstreifen, haben sich die beiden bayerischen Vögel deutlich mehr Zeit gelassen. Doch nun ist zumindest Bavaria zu einem ersten weiten Flug Richtung Osten aufgebrochen und befand sich nach drei Tagen bereits 230 km Luftlinie entfernt an der Bergkette Rax in Ostösterreich. „Wally unternahm kurze Zeit später offenbar einen Versuch ihr zu folgen, doch schon wenige Kilometer außerhalb ihres vertrauten Terrains verließ sie anscheinend der Mut und sie drehte wieder ab, hinein in den heimischen Nationalpark“, so Toni Wegscheider.
Doch auch bei Wally gehen alle eingebundenen Experten davon aus, dass sie in Kürze das bisherige Streifgebiet verlassen wird. Junge Bartgeier besitzen einen angeborenen Wandertrieb und erkunden in den ersten Lebensjahren tausende Quadratkilometer Gebirgsraum auf der Suche nach Nahrung, einem eigenen Revier oder einem künftigen Partner zur Fortpflanzung. „Da etwa zwei Drittel aller Bartgeier nach einigen Jahren der Wanderschaft wieder in die Ursprungsregion zurückkehren um dort sesshaft zu werden, haben wir durchaus die Hoffnung, dass zumindest eine unserer Geierdamen in Zukunft wieder um den Königssee herum zu sehen sein wird“, erklärt Ulrich Brendel. Durch die bis etwa 2030 jährlich geplanten Auswilderungen von Bartgeiern im Nationalpark Berchtesgaden werden sich nach und nach auch potenzielle männliche Partner für Reviergründungen in der Region finden.
Flugrouten online mitverfolgen
Nachdem in den vergangenen Monaten tausende Bartgeier-Fans die Geschehnisse in der Auswilderungsnische live per Webcam beobachtet hatten, kann der weitere Lebensweg der beiden Vögel in den nächsten Monaten und Jahren ebenfalls im Internet mitverfolgt werden. Durch eine Ausstattung der Bartgeier mit GPS-Sendern werden die zukünftigen Flugrouten der Vögel auf einer Karte auf der LBV-Webseite www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen dargestellt. Die Daten werden dort, wie europaweit bei allen Bartgeieransiedlungen üblich, zur Sicherheit der Vögel mit drei Tagen Verzögerung eingestellt. Damit soll verhindert werden, dass die Vögel etwa an ihren Schlafplätzen durch Schaulustige gestört werden.
Im Flug gut erkennbar
Bei ihren zukünftigen Flügen durch die Bayerischen und Österreicher Alpen werden die beiden Bartgeierweibchen in den kommenden zwei Jahren auch dank ihrer eindeutigen hellen Flügelmarkierungen für jede*n mit dem Fernglas gut zu erkennen sein. „Dabei lassen sie sich ganz einfach unterscheiden: Wally mit dem Doppel-L im Namen hat ihre zwei unterschiedliche Bleichstellen in derselben dunklen Schwinge. Bavaria mit dem V im Namen hat unter anderem zwei gebleichte Federn im braunschwarzen Stoß, der als Schwanz ja ähnlich wie ein der Buchstabe V geformt ist“, erklärt Wegscheider. Der LBV ruft deshalb alle Wandernden dazu auf, in Zukunft alle Sichtungen von Bartgeiern, möglichst mit Foto, online zu melden unter www.lbv.de/bartgeier-melden.

22.10.2021, Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels
Zahl gebietsfremder Arten in Hamburg und Umgebung steigt – Portal für die Meldung von Funden erweitert
Immer mehr gebietsfremde Insekten, Fische oder Vögel lassen sich langfristig in und um Hamburg nieder. Das Fundstellenportal www.neobiota-hamburg.de für Hamburg und Umgebung, das über gebietsfremde sowie invasive Arten informiert, erhält weitere Zuschüsse und wird ausgebaut. Auf dem Portal können Bürgerinnen und Bürgern Funde direkt melden.Mit den zusätzlichen Geldern sollen die Inhalte noch besser mit den behördlichen Datenbanken vernetzt und noch einfacher für Nutzerinnen und Nutzer zugänglich gemacht werden. Von der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger konnte die Forschung am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) bereits profitieren.
Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die sich an dem Projekt beteiligen, haben bereits mehr als 500 Funde im Portal gemeldet. Es konnte so sogar eine noch bis dato unbekannte Art für Hamburg nachgewiesen werden.
Weitere Partner sind die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA), die Universität Hamburg sowie die BürgerStiftung Hamburg, die das Portal im Rahmen des Themenfonds „NATUR erleben – verstehen – schützen“ fördert.
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann: „Die Wirtschaftsbehörde unterstützt den Aufbau des Neobiota-Portals finanziell und inhaltlich durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflanzengesundheitskontrolle am Großmarkt. Die Bestimmung invasiver Arten ist insbesondere für die Sicherheit unserer Flora und Fauna wichtig, täglich werden unsere Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse durch Kontrolleurinnen und Kontrolleure untersucht und bei Befall EU-weit gemeldet. Nun besteht auch die Möglichkeit für alle Hamburgerinnen und Hamburger gebietsfremde Arten in das Portal einzugeben. Ein tolles Projekt!“
Umweltsenator Jens Kerstan: „Das Interesse an dem neuen Portal in der Öffentlichkeit ist groß. Ich freue mich sehr darüber, dass etwa 1.000 Besucherinnen und Besucher monatlich auf das Neobiota-Portal zugreifen und sich informieren. Hier sind zahlreiche Arten beschrieben und mithilfe einer Karte wird dargestellt, wo sie bereits entdeckt wurden. Das Portal hilft dabei, bereits bekannte gebietsfremde Arten zu identifizieren. Eine wunderbare Hilfe für die vielen Hamburger Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.“
Das Fundstellenportal und die Seite des „AHlert -Nord“-Monitoring-Programms der Umweltbehörde für Imkerinnen und Imker sind offenbar besonders beliebt. Im Rahmen des Monitorings in Kooperation mit den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kontrollierten in diesem Jahr 53 Imkerinnen und Imker ihre Bienenstöcke auf Anflüge der Asiatischen Hornisse und meldeten über das Portal Ihre Beobachtungen. Darüber hinaus finden sich auch Informationen auf der Website.
Initiiert wurde das Projekt von einem Team um Dr. Martin Husemann, Leiter der Sektion Hemimetabole und Hymenoptera am Standort Hamburg des LIB: „Je mehr Menschen sich beteiligen, desto vollständiger zeichnet sich auf der virtuellen Karte ab, wo in Hamburg gebietsfremde Arten zu finden sind. Zudem können wir durch die Meldungen Ausbreitungen nachvollziehen und Früherkennung neuer Arten leisten.“ Das helfe dabei, die heimische Biodiversität genauer zu verstehen, Bedrohungen zu identifizieren und langfristig das Ökosystem in Hamburg besser zu schützen. Zudem sei denkbar, dass das Angebot künftig auch über die Region hinaus genutzt werden könne.
Dass das Portal funktioniert und angenommen wird, zeigt auch der Erstnachweis der Marmorierten Baumwanze Halyomorpha halys, die über das Portal bereits an zwei Stellen in Hamburg gemeldet wurde. Die ursprünglich aus Asien stammende Art ist im Süden Europas mittlerweile ein gefürchteter Schädling im Obstanbau und hat sich auch im Süden Deutschlands bereits fest etabliert – auch wenn sie hier bisher weniger Schaden anrichtet. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Verbreitung der Art weiter zu verfolgen und hiermit speziell zur Meldung dieser Art aufzurufen.
Auch die Asiatische Hornisse Vespa velutina kommt weiterhin in Hamburg vor. Bisher wurde in diesem Jahr nur ein Volk nachgewiesen – demnach weniger als im letzten Jahr. Das verringerte Vorkommen ist vermutlich, neben dem kalten Winter, auch das Resultat der gezielten Bekämpfungsmaßnahmen, die auch durch die Meldungen über das Portal möglich geworden sind. Um die Art weiter einzudämmen, ist die Umweltbehörde auch auf Meldungen aus der Bevölkerung angewiesen: Vor allem jetzt im Herbst wo die Blätter fallen, sind die Nester, die oft hoch in den Baumkronen sind, besser zu finden.

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