Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

03.05.2021, Universität Regensburg
Heiratsvermittlung bei Ameisen
Wie die Ameise Cardiocondyla elegans ihren Partner findet: Darüber berichten Wissenschaftler:innen der Universität Regensburg jetzt im renommierten Fachjournal Communications Biology.
Den richtigen Paarungspartner zu finden ist eine der wichtigsten Aufgaben im Leben von Tieren. Während viele Pflanzen dabei auf die Mitwirkung bestäubender Insekten angewiesen sind, findet die Partnerwahl bei Tieren generell ohne Hilfe eines vermittelnden Dritten statt.
Ganz anders bei der Ameise Cardiocondyla elegans in Südfrankreich: hier transportieren Arbeiterinnen Jungköniginnen aus dem eigenen Nest in die Erdnester anderer Kolonien, wo sie sich mit fremden, flügellosen Männchen verpaaren können. Wie Mathilde Vidal und Professor Dr. Jürgen Heinze gemeinsam mit weiteren Mitarbeiter:nnen des Lehrstuhls Zoologie / Evolutionsbiologie der Universität Regensburg und Professor Christophe Lucas von der Universität in Tours in einem Artikel in Communications Biology berichten, tragen die zwei bis drei Millimeter kleinen Arbeiterinnen die Jungköniginnen huckepack über mehrere Meter ganz gezielt zum nadelstichgroßen Eingang einer anderen Kolonie, in den sie sie dann hineinfallen lassen. Genetische Untersuchungen zeigten, dass durch diesen Transfer Inzucht vermieden wird. Arbeiterinnen suchen offensichtlich nur ganz bestimmte Empfängerkolonien aus, aber wie sie diese auswählen, konnte noch nicht geklärt werden. Von allen farbprächtigen und bizarren Varianten der sexuellen Selektion bei Tieren kommt das Verhalten von Cardiocondyla elegans der Eheanbahnung und Heiratsvermittlung beim Menschen am nächsten.
Originalpublikation:
Vidal, M., Königseder, F., Giehr, J. et al. Worker ants promote outbreeding by transporting young queens to alien nests. Commun Biol 4, 515 (2021). https://doi.org/10.1038/s42003-021-02016-1

03.05.2021, Georg-August-Universität Göttingen
Dem Geheimnis der Kakao-Bestäuber auf der Spur: Team unter Göttinger Leitung untersucht Agroforstsysteme in Indonesien
Wie wichtig Bestäuber für erfolgreiche Ernten und damit für die globale Ernährungssicherheit sind, ist weithin anerkannt. Allerdings ist oft nicht geklärt, wer genau die Bestäuber sind – selbst bei wichtigen Nutzpflanzen wie Kakao. Zudem ist bislang wenig erforscht, wie die Plantagen geschützt und bewirtschaftet werden sollten, um die Populationen der Bestäuber und deren Bestäubungsleistung zu erhöhen. Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat in Zentral-Sulawesi, Indonesien, herausgefunden, dass Ameisen und Fliegen – und nicht wie bisher angenommen Gnitzen – eine entscheidende Rolle beim Bestäuben der Kakao-Pflanzen spielen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass die Förderung der Artenvielfalt sowie der Erhalt von Laubstreu und schattenspendenden Bäume in Agroforstsystemen wichtig sind, um die sehr kleinen Bestäuber der Kakaobäume zu fördern. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Biological Conservation erschienen.
Das Team führte mit der Tadulako-Universität in Palu zwei verschiedene Experimente mit 42 kleinbäuerliche Kakao-Agroforstbetrieben im Napu-Tal in Zentralsulawesi durch. Die Forscherinnen und Forscher versahen dafür über einen Zeitraum von acht Monaten mehr als 11.000 Blüten an mehr als 500 Bäumen mit einem Kleber. Dann zeichneten sie Anzahl und Art der Blütenbesucher auf. In einem Experiment, an dem 18 Farmen beteiligt waren, untersuchten sie, welchen Einfluss die Entfernung zwischen Wald und Farm auf das Vorkommen der Bestäuber hat und wie sich der Anteil an Schattenwurf durch Bäume auswirkt. In einem anderen Experiment maßen sie auf 24 verschiedenen Kakaofarmen den Effekt des Kakao Laubstreu-Managements auf die Bestäuber. Dazu wurde das Kakao Laubstreu der Farmen erhöht, entfernt oder im natürlichem Zustand belassen, weil Laubstreu durch die Kakaobauern einfach zu verändern ist und mehr Laubstreu die Biodiversität in den Plantagen erhöhen kann. In beiden Experimenten wurde die Menge an Wald und Agroforst in der Umgebung der 42 Kakao-Farmen gemessen.
Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass Ameisen die Blüten am häufigsten besuchen. Das macht ihr Potenzial als Bestäuber deutlich, sei es direkt durch den Transport von Pollen oder indirekt dadurch, dass sie andere Bestäuber zu einem schnellen Blütenwechsel zwingen. Die Studie zeigt auch, dass biodiversitätsfreundliche Landschaften und die Förderung von Agroforstwirtschaft entscheidend für den Erhalt der Bestäuber ist. Dies fördert die Bestäubungsleistung und eine nachhaltige Kakaoproduktion. „Wir waren überrascht, dass wir keine Gnitzen gefangen haben, obwohl sie als wichtigste Bestäuber des Kakaos gelten. Das zeigt, dass die Bestäuber vielfältiger sind als bisher bekannt, aber auch, dass es noch viel zu lernen gibt“, sagt Erstautor Dr. Manuel Toledo-Hernández von der Universität Göttingen. „Aktuelle globale Kakao-Initiativen sollten die Rolle von biodiversitätsfreundlichen Lebensräumen für die Erhaltung von Bestäubern berücksichtigen, denn die Förderung von Bestäubern kann eine ökologische Alternative bieten, um hohe Erträge mit Naturschutz zu verbinden“, ergänzen die Koautoren Prof. Dr. Thomas C. Wanger, jetzt Westlake University in China, und Prof. Dr. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen.
Originalpublikation:
M Toledo-Hernández et al, Landscape and farm-level management for conservation of potential pollinators in Indonesian cocoa agroforests, Biological Conservation (2021). DoI: https://doi.org/10.1016/j.biocon.2021.109106

04.05.2021, Deutsche Wildtier Stiftung
Muttertag: Fünf To dos für den Besuch im Blumenladen
Deutsche Wildtier Stiftung: Denken Sie beim Blumenkauf auch ein bisschen an die Wildtiere
Nicht vergessen: Am 9. Mai ist Muttertag! Ganz oben auf der Geschenkeliste stehen Blumen. Über 230 Millionen Euro geben die Deutschen im Schnitt am Muttertag für Blumen aus (so der Handelsverband Deutschland). „Wenn Sie Blumen schenken, denken Sie doch auch an die Wildtiere“, rät die Deutsche Wildtier Stiftung. Damit der Besuch im Blumenladen gelingt, lesen Sie hier die fünf To dos beim Blumenkauf:
1. Blicken Sie aufs Etikett. Immer wenn ein lateinischer Art Name den Zusatz „fl. pl.“ (lateinisch für „flore pleno“ = „mit voller Blüte“) trägt, ist Vorsicht geboten. Dann handelt es sich um gezüchtete Blütenformen, die Insekten wie Schmetterlingen weder Nektar noch Pollen bieten. „Gefüllte Blüten finden sich häufig bei Chrysanthemen, Dahlien, Rosen und Pfingstrosen; ihr Nutzen für Insekten ist gleich null“, sagt Manuel Pützstück, Wildbienenexperte der Deutschen Wildtier Stiftung. Blüten mit nur einem Blütenkranz und sichtbaren Staubgefäßen sind dagegen ideal. Wählen Sie als Alternative zur Rose farbenprächtige Wiesenblumen wie die gelbe Margerite, violette Küchenschelle oder zartrosa Glockenblumen.
2. Kaufen Sie Topfblumen statt Schnittblumen. Topfblumen landen nicht schon nach wenigen Tagen vertrocknet in der Tonne. Außerdem locken die richtigen Topfblumen schon auf kleinen Balkonen und im Gartenbeet Insekten an und bieten ihnen Nahrung. Wählen Sie als „Futterblumen“ zum Beispiel Verbenen-Gewächse für Schmetterlinge, den Natternkopf für Wildbienen und Glockenblumengewächse für Hummeln. „Die Insekten werden es Ihnen danken, denn noch sind die Nächte oft kalt und die Natur ist noch nicht voll erblüht“, sagt Manuel Pützstück. Parks und Gärten bieten noch keine ausreichende Vielfalt an Nahrungspflanzen für Hummeln und Co.
3. Fragen Sie im Geschäft nach Blütezeiten. Gute Futterpflanzen für Insekten halten das ganze Jahr über Nektar und Pollen bereit. Wer auf Vielfalt im Beet achtet, zieht auch eine Vielfalt von Insekten an. So blüht die ungefüllte violette oder weiße Akelei von Mai bis Juli. Ist sie verblüht, übernehmen bis in den Oktober hinein der gelbe Sonnenhut und die Fette Henne.
4. Pflanzen Sie Küchenkräuter. Rosmarin, Thymian, Lavendel, Borretsch oder Oregano duften intensiv. Wer einen Teil der Pflanze bis zur Blüte wachsen lässt, bekommt später jede Menge summende Gäste. Insekten und Hobbyköche freuen sich gleichermaßen.
5. Nur was fürs Auge: Stiefmütterchen, Tulpen, Geranien und Begonien bieten weder Nektar noch Pollen und sind für Insekten als Nahrungspflanze wertlos. Auch menschliche Nasen gehen „leer aus“. Diese Sorten sehen zwar schön aus, aber sie duften nicht einmal.
Mehr Infos zu wildbienenfreundlichen Blumen hier: www.wildbiene.org

05.05.2021, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Giraffen-Genomik: Vier gewinnt
Umfassende Erbgut-Analysen bestätigen vier Arten von Giraffen mit insgesamt sieben Unterarten
Optisch sind sie kaum zu unterscheiden, aber genetische Analysen zeigen: Es gibt vier Arten von Giraffen mit insgesamt sieben Unterarten. Das hat ein internationales Team um Prof. Dr. Axel Janke vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik herausgefunden. Den umfassenden Erbgutanalysen zufolge entwickeln sich die vier Giraffenlinien seit Jahrtausenden getrennt voneinander. Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Giraffen waren umstritten. Lange ging man von einer, dann vier und später von drei Arten aus. Die im Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlichte Studie liefert neue Erkenntnisse über die Evolution der Giraffen und könnte ihren Schutz in Afrika auf ein neues Fundament stellen.
„Es ist sehr selten, dass neue Säugetierarten gefunden und beschrieben werden“, sagt Prof. Dr. Axel Janke, Leiter des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), Professor für Evolutionäre Genomik an der Goethe-Universität und Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F) in Frankfurt. „Die Genomik, also die Untersuchung aller Erbinformation eines Lebewesens, eröffnet neue Möglichkeiten und kann unseren Blickwinkel auf Arten und deren Evolution erweitern – so wie bei den Giraffen.“
Bei den afrikanischen Säugetieren mit dem langen Hals sollte es sich um eine einzige Art handeln, die Giraffe – das war lange Konsens. Erste genetische Studien aus Jankes Labor wiesen jedoch schon 2016 drauf hin, dass es nicht eine, sondern vier unterschiedliche Giraffenarten gibt. Dieses revolutionäre Ergebnis, das zusammen mit der Giraffe Conservation Foundation (GCF) entstanden ist, wird unter Forscher*innen und Tierschützer*innen kontrovers diskutiert. Die Genom-Analysen untermauern nun das Vier-Arten-Modell.
Die Analyse von jeweils rund 200.000 DNA-Abschnitten von insgesamt 50 Giraffen sprechen für die vier Arten Nord-Giraffe, Süd-Giraffe, Netz-Giraffe und Massai-Giraffe. Auf sie verteilen sich insgesamt sieben Unterarten. Die Daten zeigen auch: Die vier Giraffenlinien haben bereits vor 230.000 bis 370.000 Jahren angefangen, sich unabhängig voneinander zu entwickeln. Zwischen ihnen gibt es keinen oder nur einen geringen genetischen Austausch. Das bedeutet, in der Wildnis paaren sich die unterschiedlichen Arten in der Regel nicht. In Gefangenschaft ist das aber unter Umständen möglich.
„Die Ergebnisse der Genomanalyse haben große Bedeutung für den Giraffenschutz“, sagt Dr. Julian Fennessy, GCF-Direktor und Co-Autor der Studie. Die Bestände seien im vergangenen Jahrhundert stark zurück gegangen auf rund 117.000 wildlebende Giraffen. Fennessy: „Wird nun klar, dass diese Tiere vier unterschiedlichen Arten angehören, verschärft das die Situation zusätzlich. So gibt es zum Beispiel nur noch rund 6000 Nord-Giraffen in freier Wildbahn. Sie gehören zu den am stärksten bedrohten Großsäuger-Arten der Welt.“
Giraffen leben in den Savannen Afrikas südlich der Sahara vom Niger über Kenia und Namibia bis Südafrika. Mit bis zu sechs Metern sind die Pflanzenfresser die weltweit größten landlebenden Säugetiere. Ihre Lebensgrundlage wird durch den wachsenden Bedarf an Nutzflächen vielerorts dezimiert. Illegale Jagd und politische schwierige Verhältnisse erschweren ihren Schutz. Die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) stuft die Giraffen insgesamt als „gefährdet“ ein. Das Vier-Arten-Modell wurde bislang nicht berücksichtigt. Das könnte sich nun ändern.
„Die Datenlage ist besser als je zuvor“, sagt Raphael Coimbra, Forscher am SBiK-F und Studienautor. „Unsere Genomanalysen basieren auf deutlich mehr genetischer Information als frühere Untersuchungen.“ Für die Studie verglichen die Forscher*innen das Erbgut von Giraffen aller zuvor in Betracht gezogenen Arten sowie Unterarten aus insgesamt zwölf afrikanischen Ländern sowie aus Zoos. Im Zuge dessen wurde erstmals das Genom der Kordofan-Giraffe, einer stark bedrohten Unterart der Nord-Giraffe, vollständig sequenziert.
„Am Fall der Giraffen erkennen wir, dass wir die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt noch nicht ausreichend erfassen können“, sagt Janke. „Die Genome enthalten Informationen von unschätzbarem Wert, etwa über Anpassungen an Klimabedingungen oder die Evolution der Arten. Wir stehen erst am Anfang. Aber eines Tages werden wir bis auf den Grund vordringen und das Genom mit seiner Fülle an Erbinformationen vollständig verstehen.“
Die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt untersuchen und dokumentieren Janke und seine Kolleg*innen am LOEWE-Zentrum TBG in Frankfurt, Gießen und Marburg. Das vom Land Hessen geförderte Forschungszentrum baut derzeit eine umfangreiche Genom-Sammlung auf. Mehr als 349 Genome von ganz unterschiedlichen Lebewesen von Wurm bis Wal hat LOEWE-TBG dafür bereits sequenziert, 46 davon in besonders hoher Qualität. Die Daten stehen auch anderen Forscher*innen zur Verfügung, um sie für Anliegen der Gesellschaft zu nutzen, etwa für den Natur- und Artenschutz.
Originalpublikation:
Raphael T. F. Coimbra, Sven Winter, Vikas Kumar, Klaus-Peter Koepfli, Rebecca M. Gooley, Pavel Dobrynin, Julian Fennessy, Axel Janke (2021): Whole-genome analysis of giraffe supports four distinct species. Current Biology 31, https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.04.033

05.05.2021, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Rätselhafter Orientierungssinn von Fledermäusen lokalisiert – der sechste Sinn der Säugetiere liegt im Auge
Säugetiere sehen mit den Augen, hören mit den Ohren und riechen mit der Nase. Doch mit welchem Sinn oder Organ orientieren sie sich auf ihren Wanderungen, die mitunter weit über ihre lokalen Streifgebiete hinausführen und daher ein erweitertes Navigationsvermögen erfordern? Wissenschaftliche Versuche unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zeigen nun: Die Hornhaut (Cornea) der Augen ist der Ort eines solchen Sinnes bei wandernden Fledermäusen. Betäubt man diese gezielt, ist der sonst zuverlässige Orientierungssinn gestört, während die visuelle Hell-Dunkel-Wahrnehmung unbeeinträchtigt blieb.
Der Versuch nährt Vermutungen über eine Lokalisierung eines Magnetsinns bei Säugetieren. Der Aufsatz ist in der Fachzeitschrift „Communications Biology“ publiziert.
Einem Forschungsteam um Dr. Oliver Lindecke und PD Dr. Christian Voigt vom Leibniz-IZW gelang erstmals der Nachweis, dass über die Hornhaut der Augen Signale aus der Umwelt aufgenommen werden, die für das Navigieren über lange Strecken von Bedeutung sind. Hierzu führten sie Versuche mit Rauhautfledermäusen (Pipistrellus nathusii) während der spätsommerlichen Zugzeit durch. Bei einer experimentellen Gruppe von Fledermäusen betäubten sie temporär die Hornhaut lokal mit einem Tropfen Oxybuprocain. Dieses Oberflächenanästhetikum findet breite Anwendung in der Augenheilkunde bei Menschen und Tieren, wo es bei Patienten für die vorübergehende Desensibilisierung der Hornhaut bei einer Überreizung verwendet wird. Effekte auf das Orientierungsvermögen waren bisher nicht bekannt. Bei einer zweiten Gruppe von Fledermäusen betäubte das Wissenschaftlerteam die Hornhaut von nur einem Auge. Die Individuen der Kontrollgruppe erhielten keine Betäubung, stattdessen aber eine isotonische Kochsalzlösung als Augentropfen. Alle Tiere dieser wissenschaftlichen Untersuchung wurden bei Nacht in ihrem Zugkorridor an der Ostseeküste eingefangen und direkt nach der Behandlung in 11 Kilometer Entfernung vom Fangplatz auf einem freien Feld wieder einzeln freigelassen. Die Wissenschaftler stellten mit Fledermausdetektoren sicher, dass sich keine anderen Fledermäuse zum Zeitpunkt der Freilassung über dem Feld aufhielten, denen die Versuchstiere hätten folgen können. Zudem war den beobachtenden Personen unbekannt, welcher Behandlung das freigelassene Tier unterzogen wurde. „Individuen aus der Kontrollgruppe und der Gruppe mit einseitiger Cornea-Betäubung orientierten sich erwartungsgemäß nach Süden, während die Fledermäuse mit beidseitig anästhesierten Hornhäuten in zufälligen Richtungen davonflogen“, erklärt Dr. Oliver Lindecke, Erstautor des Aufsatzes. „Dies deutet darauf hin, dass die Betäubung der Cornea einen Orientierungssinn nachhaltig störte – und dass dieser offenbar auch noch mit einem Auge gut funktioniert.“ Da die Cornea-Betäubung nach kurzer Zeit nachlässt, konnten die Tiere nach Ende dieser Wirkung ihre Reise in den Süden fortsetzen. „Wir konnten hier das erste Mal im Versuch beobachten, wie ein ziehendes Säugetier wortwörtlich vom Kurs abgebracht wurde – ein Meilenstein in der Verhaltens- und Sinnesbiologie, der uns erlaubt, das biologische Navigationssystem der Säugetiere gezielter zu erforschen.“
Um auszuschließen, dass die Betäubung der Cornea auch den Sehsinn an sich beeinflusste und die Wissenschaftler*innen dadurch zu falschen Schlussfolgerungen gelangten, führten sie einen weiteren, ergänzenden Test durch. Wiederum aufgeteilt in Versuchs- und Kontrollgruppen prüften sie, ob die Fledermäuse in unterschiedlicher Weise auf Licht reagierten, wenn ihre Hornhäute einseitig oder beidseitig betäubt waren. „Wir wissen aus früheren Untersuchungen, dass Fledermäuse eine beleuchteten Ausgang einem unbeleuchteten Ausgang vorziehen, wenn sie ein einfaches Y-Labyrinth verlassen sollen“, erklärt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionäre Ökologie. „Diese Präferenz zeigten in unserem Versuch auch die Tiere mit einseitiger oder beidseitiger Betäubung. Daher schließen wir aus, dass unsere Versuchsanordnung die visuelle Wahrnehmung beeinträchtigte, welche auch die Langstrecken-Navigation hätte beeinflussen können.“
Eine Vielzahl von Wirbeltieren, neben Fledermäuse beispielsweise auch Delfine, Wale, Fische oder Schildkröten, können sich bei Dunkelheit sicher orientieren, sowohl unter freiem Nachthimmel, als auch bei nächtlicher Bewölkung, in Höhlen und Tunneln sowie in den Tiefen der Meere. Über viele Jahrzehnte suchen Wissenschaftler*innen daher nach dem Sinn und dem Sinnesorgan, welches den Tieren diese für Menschen schwer vorstellbaren Orientierungs- und Navigationsleistungen ermöglicht. Der bisher nur für wenige Säugetierartennachgewiesene und kaum verstandene Magnetsinn ist ein naheliegender Kandidat. Experimente lassen vermuten, dass womöglich Eisenoxid-Partikel innerhalb von Körperzellen als „mikroskopische Kompassnadeln“ fungieren könnten, so wie dies in einigen Bakterienarten der Fall ist.
Jüngere Laboruntersuchungen an Graumullen, Verwandten der bekannten Nacktmulle, die ihr Leben in verzweigten unterirdischen Gangsystemen verbringen, deuten darauf hin, dass der Magnetsinn im Auge verortet ist. Allerdings wurde ein solcher (Magnet-)Orientierungssinn bislang weder bei freilebenden, ziehenden Säugetieren getestet noch konnte ein Organ identifiziert werden, welches die morphologische Basis für die benötigten Sinnesrezeptoren enthalten könnte. Die Experimente des Teams um Lindecke und Voigt erbringen nun erstmalig belastbare Daten für die Verortung eines Orientierungssinns bei freilebenden, ziehenden Säugetieren. Wie und wo genau sich dieser Sinn in der Hornhaut der Fledermäuse befindet, wie er funktioniert und ob es sich um den lange gesuchten Magnetsinn handelt müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.
Originalpublikation:
Lindecke O, Holland RA, Pētersons G, Voigt CC (2021): Corneal sensitivity is required for orientation in free-flying migratory bats. Communications Biology. DOI: 10.1038/s42003-021-02053-w

05.05.2021, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Honigbienen fliegen auf Raps, Apfelblüten haben das Nachsehen
Rapsfelder ziehen Honigbienen magisch an. Sind die Felder direkt neben Apfelanlagen, fliegen die Insekten eher zu den gelben Blüten als zu den nahegelegenen Obstbäumen. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Dass die Apfelernte bei den untersuchten Apfelanlagen trotzdem stabil blieb, lag an Hummeln und anderen Wildbienen, die die Bestäubungslücke füllten. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Agriculture, Ecosystem and Environment“ veröffentlicht.
Große gelbe Rapsfelder im Frühjahr gehören seit vielen Jahrzehnten in weiten Teilen Deutschlands zum Landschaftsbild dazu. Zur gleichen Zeit blühen Apfelbäume. Damit die Bäume Früchte bilden, müssen ihre Blüten von Bienen bestäubt werden. „Apfelblüten produzieren allerdings etwas weniger Nektar als Rapsblüten“, sagt die Biologin Julia Osterman, die an der MLU und dem UFZ promoviert wird. Die Forschenden wollten herausfinden, ob dieser Fakt Einfluss auf Honig- und Wildbienen hat und damit auch die Bestäubung in kommerziellen Apfelanlagen beeinflusst. An zwölf Standorten in Sachsen-Anhalt zählten sie die Blütenbesucher in Apfelanlagen, in deren Umgebung jeweils unterschiedlich viel Raps angebaut wurde.
Insgesamt variierte die Anzahl der Honigbienen auf den Apfelblüten von Standort zu Standort stark und wurde deutlich erhöht, wenn Völker direkt in den Anlagen aufgestellt wurden. Die Auswertung ergab auch, dass Honigbienen von den Rapsfeldern angelockt werden und weniger Apfelblüten bestäuben. Sie können bis zu zehn Kilometer am Tag fliegen, um Nektar und Pollen zu sammeln. Wildbienen dagegen haben einen deutlich kleineren Sammelkreis und bleiben den Apfelanlagen treu. Dass Honigbienen in benachbarte Rapsfelder fliegen, hatte das Team erwartet, aber die Daten zu den Wildbienen waren überraschend: „Wir haben die meisten Wildbienen in den Apfelanlagen gesehen, die direkt von Raps umgeben waren. Das könnte daran liegen, dass es weniger Konkurrenz gibt, weil die Honigbienen weggelockt werden“, sagt Prof. Dr. Robert Paxton von der MLU.
„Wir haben aber nicht nur die Bienen gezählt, sondern auch die Bestäubungsleistung gemessen“, erläutert Osterman. Ein Teil der Blüten wurde mit einem Netz überzogen, sodass diese nicht von Honig- oder Wildbienen besucht werden konnten, um zu vergleichen, was passiert, wenn die Bienen als natürlicher Bestäuber fehlen. „Klar ist, dass sich ohne die Bestäubung von Insekten kaum Äpfel bilden“, sagt Osterman. Obwohl es weniger Honigbienen bei den von Raps umgebenen Anlagen gab, bildeten sich im Vergleich zu den Anlagen ohne nahen Raps gleich viele Äpfel. Das erhöhte Vorkommen von Wildbienen könnte den Verlust der Honigbienen ausgeglichen haben, so Osterman.
Aus ihren Ergebnissen folgern die Forschenden, dass es für Apfelbauern sinnvoll sein könnte, speziell die Ansiedlung von Wildbienen zu fördern. „Kommerziell gehaltene Honigbienen spielen bei der Bestäubung von Apfelbäumen natürlich weiterhin eine große Rolle. Hummeln und andere Wildbienen könnten aber lukrativer sein, da sie ähnlich effektive Bestäuber sind und weniger von anderen Nahrungsangeboten abgelenkt werden“, betont Julia Osterman. Mögliche Maßnahmen für den Wildbienenschutz reichen vom Anlegen von Blühstreifen bis hin zu Nisthilfen. Einige Arten nisten unterirdisch und benötigen offene Bodenstellen. Andere besiedeln alte Scheunenmauern und Steilwände in der Umgebung. „Wildbienen benötigen auch nach der Obstblüte Nahrungsmöglichkeiten. Das sollte beim Apfelanbau berücksichtigt werden“, sagt Paxton abschließend.
Originalpublikation:
Studie: Osterman J. et al. Apple pollination is ensured by wild bees when honey bees are drawn away from orchards by a mass co-flowering crop, oilseed rape. Agriculture, Ecosystems and Environment (2021). DOI: 10.1016/j.agee.2021.107383
https://doi.org/10.1016/j.agee.2021.107383

06.05.2021, Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
Artunterscheidung mithilfe Künstlicher Intelligenz: Antarktische Meeresschnecken sind vielfältiger als gedacht
In Kooperation mit der Harvard University und anderen internationalen Partnern haben Wissenschaftler der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) die Artenvielfalt einer Gruppe antarktischer Meeresschnecken mithilfe von genomischen Daten und KI- Algorithmen untersucht. Zusätzlich zu den bekannten Arten der Gattung Antarctophiline fanden sie drei neue Arten. Einige davon sind kleinräumig, andere weit verbreitet. Wieder andere dagegen sind nach Tiefen zoniert. Die antarktische Fauna ist komplexer und vermutlich anfälliger für Bedrohungen wie den Klimawandel und die Ozeanversauerung als gedacht. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.
Die Meeresschneckenfauna der Antarktis ist trotz der kalten Wassertemperaturen erstaunlich vielfältig und viel artenreicher als bisher angenommen. Ein Forscherteam aus den USA, Australien, Italien, Spanien und München hat in einer neuen Arbeit die antarktische Schneckengattung Antarctophiline aus dem Südlichen Ozean genauer untersucht. Die Tiere dieser Gattung sind in der Antarktis weit verbreitet: von der Küste bis in abyssale Tiefen. Während mehrerer Antarktisexpeditionen wurden im Rahmen der neuen Studie Proben vom Flachwasser bis in die Tiefsee gesammelt. Im Labor wurden genomische Sequenzdaten der Schnecken erhoben und diese mithilfe von Künstlicher Intelligenz – d.h. selbstlernender Algorithmen – analysiert. Die Analysen zeigen den Forscher:innen detailliert die genetischen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten.
Neben den sechs bereits bekannten Arten konnten die Wissenschaftler:innen drei neue Arten identifizieren, die in einer zukünftigen Arbeit im Detail beschrieben werden. Außerdem haben die Analysen gezeigt, dass die Verbreitung der Arten von Antarctophiline deutlich komplexer ist, als bisher angenommen: Einige Arten kommen nur in sehr kleinen Gebieten vor, andere dagegen sind weit verbreitet, teils über mehrere tausend Kilometer hinweg. Die molekulare Analyse der Proben aus verschiedenen Meerestiefen – vom Flachwasser bis in Tiefseebereiche mit einer Tiefe bis zu 3.700m – hat auch eine deutliche Zonierung der Arten gezeigt. Das heißt, bestimmte Antarctophiline-Arten bewohnen nur bestimmte Tiefenzonen.
„Unsere genomischen und KI-gestützten Analysen zeichnen ein neues Bild zur Verbreitung der antarktischen Antarctophiline-Arten“, stellt der ehemalige Harvard-Forscher Dr. Juan Moles, Humboldt-Stipendiat an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) fest „Diese und andere Tiergruppen sind artenreicher und teilweise in ihrer Verbreitung und ihren Ansprüchen spezialisierter als gedacht, und damit wahrscheinlich anfälliger gegen den globalen Wandel, der insbesondere im Südlichen Ozean dramatisch voranschreitet.“
Den Artenreichtum der Antarktis erklären die Forscher:innen als so genannte antarktische „Biodiversitätspumpe“: Während verschiedener Kaltzeiten dehnte sich das antarktische Eis weit auf den umliegenden Südlichen Ozean aus und Bodentiere konnten nur in wenigen eisfreien Refugien überleben. Schmolzen die Eisschilde wieder, breitete sich die Bodenfauna wieder aus, aktiv als bewegliche Tiere oder Larven, oder passiv, etwa durch Drift mit Eisschollen. Aufgrund genetischer oder ökologischer Unterschiede, etwa andere Nahrungspräferenzen, konnten sich die Tiere nun nicht mehr oder nur noch eingeschränkt mit den ehemaligen Artgenossen anderer Refugien fortpflanzen, neue biologische Arten waren entstanden.
„Nach bisherigen Erkenntnissen schienen die meisten Arten der antarktischen Meeresbodenfauna weit um den Kontinent herum verbreitet zu sein, vom Flachwasser bis in große Tiefen vorzukommen und ökologisch wenig spezialisiert zu sein, also etwa wenig wählerisch bei der Nahrungsauswahl zu sein oder an verschiedene Umweltbedingungen angepasst. Unsere Studie relativiert diese Paradigmen“, erläutert der Artenforscher Prof. Dr. Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München.
Die neue Studie über die antarktische Nacktschneckengattung Antarctophiline zeigt exemplarisch das Potential der Analyse genomischer Daten mittels Künstlicher Intelligenz zur Artunterscheidung und betont, wie wichtig Artenforschung ist, um Biodiversität zu verstehen und damit wirksam schützen zu können.
Originalpublikation:
Moles, J., Derkarabetian, S., Schiaparelli, S. Schrödl, M., Troncoso, J.S., Wilson, N.G. & Giribet, G. (2021) An approach using ddRADseq and machine learning for understanding speciation in Antarctic Antarctophilinidae gastropods. Scientific Reports 11: 8473.
https://doi.org/10.1038/s41598-021-87244-5

07.05.2021, Universität Zürich
Afrikanische Wildhunde als Botschafter für das weltweit grösste Naturschutzgebiet
Das weltweit grösste Landschutzgebiet liegt im Süden Afrikas und umfasst 520’000 Quadratkilometer in fünf Ländern. Eine Studie der Universität Zürich ergab nun, dass der stark bedrohte afrikanische Wildhund auf seiner langen Wanderschaft meist innerhalb des Kavango-Zambezi-Schutzgebietes bleibt. Dessen Grenzen bestätigen somit die wichtigsten Wildkorridore zur Erhaltung dieser und weiterer bedrohten Tierarten.
Für viele wildlebende Tiere ist die Abwanderung essenziell, um die eigene Art zu erhalten. Einzelne Tiere müssen ihr Geburtsgebiet verlassen, um sich anderswo niederzulassen und fortzupflanzen. Sie ermöglichen damit den genetischen Austausch zwischen räumlich getrennten Populationen, verstärken gefährdete Bestände und besiedeln neue Gebiete. In einer vom Menschen geprägten Landschaft wird es jedoch immer schwerer, besiedelte Gebiete zwischen den geeigneten Lebensräumen durchqueren zu können. Daher werden vermehrt Wildkorridore errichtet oder Schutzgebiete erlassen.
In Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe sollen 35 bestehende Nationalparks, Reservate und Schutzgebiete durch Wildkorridore miteinander verbunden werden. Mit einer Fläche von rund 520’000 Quadratkilometern ist das Kavango-Zambezi-Gebiet (KAZA) das grösste terrestrische, grenzüberschreitende Naturschutzgebiet der Welt. Doch entspricht diese Schutzzone auch dem Abwanderungsverhalten der zu schützenden Tiere? Dies untersuchten Forschende der Universität Zürich am Beispiel des afrikanischen Wildhundes – einer Tierart, die zu den am stärksten bedrohten und wanderfreudigsten Tierarten im KAZA-Schutzgebiet gehört.
Sehr stark gefährdetes Grossraubtier
Der derzeitige Bestand von rund 6’000 Tieren verteilt sich über verschiedene zersplitterte Populationen im südlichen und östlichen Afrika. Wildhunde (Lycaon pictus) leben in Rudeln, die von einem dominanten Paar angeführt werden. Nach der Geschlechtsreife begeben sich die jüngeren Tiere auf die Suche nach paarungsfähigen Artgenossen und einem passenden Territorium, um anderswo ihr eigenes Rudel zu gründen. Ähnlich wie Wölfe legen sie dabei mehrere hundert Kilometer zurück.
«Wir wollen verstehen, welche Routen die Tiere nehmen und ob sich die verschiedenen Populationen im riesigen Kavango-Zambezi-Schutzgebiet vernetzen», sagt Erstautor David Hofmann vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften. Die UZH-Forschenden statteten die Tiere mit GPS-Halsbändern aus und analysierten mithilfe der gewonnenen Bewegungsdaten, welche Habitate von Wildhunden bevorzugt oder gemieden werden und durch welche Gebiete geeignete Wildkorridore verlaufen.
Nur wenige Korridore ausserhalb der Schutzzone
Die Resultate zeigen, dass die Mehrheit der identifizierten Korridore innerhalb des Schutzgebiets verlaufen: Der Norden Botswanas scheint dabei zentraler Verbindungspunkt zu sein, ein anderer wichtiger Korridor verbindet die Nationalparks Angolas und Sambias. «Zwar verläuft der Korridor noch durch grösstenteils ungeschützte Gebiete, diese sollen aber im Rahmen KAZA-Initiative unter Schutz gestellt werden», sagt Hofmann. «Dennoch besteht weiteres Potential zur Ausweitung, da mehrere geeignete Routen noch nicht abgedeckt sind.»
Zudem sind nicht alle Gebiete gleich gut als Wildkorridor geeignet. In einigen Ländern kommen die abwandernden Tiere problemlos voran, in anderen Ländern wie etwa in Sambia und Simbabwe stellt die hohe Bevölkerungsdichte mit den Siedlungen, Strassen und der Landwirtschaft das grösste Hindernis dar. Die Forschenden fordern daher, dass auf diese länderspezifischen Unterschiede bei der Umsetzung der KAZA-Initiative besonders geachtet werden sollte.
Auch Löwen und Elefanten profitieren
Die in dieser Studie angewandten statistischen Verfahren und Daten über die Bewegungsmuster bedrohter Tierarten ermöglichen nicht nur für die KAZA-Initiative eine bessere Entscheidungsfindung, sie eignen sich auch als Grundlage zur Schaffung neuer Schutzgebiete oder zur Anpassung bestehender Zonen. Die Ergebnisse unterstreichen, dass das Kavango-Zambezi-Schutzgebiet einen wichtigen Beitrag zum langfristigen Schutz der bedrohten Wildhundbestände im südlichen Afrika leistet und weitgehend den Bedürfnissen der Tiere entspricht. «Letztlich dient ein ausgedehntes Netz von Korridoren nicht nur den Wildhunden selbst. Auch andere Arten wie Löwen, Elefanten oder Geparden, die im gleichen Ökosystem leben, profitieren davon», sagt Hofmann.
Die KAZA-Initiative
Im südlichen Afrika liegt das grösste terrestrisch, grenzüberschreitende Naturschutzgebiet der Welt – das Kavango-Zambezi-Schutzgebiet (KAZA). Mit einer Fläche von rund 520’000 Quadratkilometern, die sich über die Länder Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe erstreckt, wird ein grenzüberschreitendes Gebiet geschützt, das grösser als Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen ist. Mit dieser einzigartigen Initiative der beteiligten afrikanischen Staaten sollen per Staatsvertrag insgesamt 35 bereits bestehende Nationalparks, Reservate und Schutzgebiete durch Wildkorridore miteinander verbunden und zu einem dichten Netz für die Erhaltung bedrohter Tierarten vereinigt werden. https://www.kavangozambezi.org/en/about/about-kaza
Originalpublikation:
David D. Hofmann, Dominik M. Behr, John W. McNutt, Arpat Ozgul, Gabriele Cozzi.
Bound within boundaries: Do protected areas cover movement corridors of their most mobile, protected species? Journal of Applied Ecology. 7 May 2021. DOI: 10.1111/1365-2664.13868

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