Die Zauneidechse in Brehms Tierleben

Zauneidechse (Brehms Tierleben)

Viel vertrauter als mit der Smaragdeidechse sind wir mit unserer allverbreiteten und überall gemeinen Zauneidechse (Lacerta agilis, Seps coerulescens, argus, varius und ruber, Lacerta vulgaris, varia, stellata, arenicola, stirpium, sepium und Laurentii). Ihre Länge beträgt höchstens zwanzig, meist nur zwölf bis funfzehn Centimeter; der Kopf ist verhältnismäßig dick und stumpfschnauzig, der Schwanz etwa halb so lang als der Leib. Von den vier Zügelschildern stehen die vorderen im Dreieck; der kleine Hinterhauptschild ist trapezförmig; die Schläfengegend wird mit regelmäßigen Schildern gedeckt; die Schuppen des Rückens und der Seiten unterscheiden sich wesentlich durch ihre Größe; die Bauchschilder bilden acht Längsreihen. Im Zwischenkiefer stehen neun, jederseits im Oberkiefer sechzehn, im Unterkiefer bis zwanzig, auf dem Gaumen, einschließlich der kleinen, zehn nach rückwärts und einwärts gerichtete Zähne. In der Färbung des Männchens herrscht oberseits ein mehr oder minder lebhaftes Grün, in der des Weibchens Grau vor; der Scheitel, ein Rückenstreifen und der Schwanz sind stets braun, Kinn und Unterseite grünlich oder gelblich. Der Rückenstreifen und beim Weibchen auch die Seiten werden durch weiße, in Längszügen angeordnete Punkte, welche sich zu Augenflecken vergrößern können, gezeichnet, die Untertheile durch schwarze Punkte gesprenkelt. Vielerlei Abänderungen kommen vor, ohne jedoch das allgemeine Gepräge der Färbung und Zeichnung wesentlich zu beeinflussen.

Die Zauneidechse verbreitet sich über Mittel- und Osteuropa, in südlich-nördlicher Richtung von den Alpen an bis nach dem südlichen Schweden und vom Kaukasus an bis zum Finnischen Meerbusen, in westlich-östlicher Richtung vom mittleren Frankreich an bis zum Kaukasus, fehlt südlich der Alpen gänzlich und tritt je weiter nach Norden, je spärlicher auf. Im nördlichen Tirol steigt sie, laut Gredler, bis zu zwölfhundert Meter unbedingter Höhe im Gebirge empor. In Deutschland ist sie fast überall gemein, je doch nicht allerorten gleich häufig. Die Abhänge sonniger Hügel, namentlich solcher, welche mit krüppelhaftem Buschwerke bestanden sind, Heiden, Steinhalden, Hecken, Wald- und Straßenränder bilden von ihr bevorzugte Aufenthaltsorte; doch fehlt sie auch dürftig bestandenen Wiesen und nicht allzu feuchten Mooren nicht, siedelt sich im Gegentheile überall an, wo sie auf Beute rechnen darf. »Wenn«, sagt Leydig, »ein Markstein an einem Platze steht, wo die Zauneidechse sich findet, so wird dieser mit Vorliebe zum Wohnplatze erwählt. Das Thier sonnt sich auf demselben bei friedlicher Umgebung und scheint, indem es unter ihn sich flüchtet, eine Ahnung zu haben, daß dieser Stein in seiner Lage zu den bleibenden gehört.«

In ihrer Beweglichkeit steht sie hinter der Smaragdeidechse so weit zurück, daß Linné ihr sicherlich einen anderen wissenschaftlichen Namen gegeben haben würde, hätte er andere Arten ihrer Sippe im Freien beobachtet. Auch sie ist schnell und behend, aber doch nicht so, daß ein gewandter Fänger sich vergeblich abmühen sollte, ihrer so viele zu fangen, als er zu haben wünscht. Sie läuft nur da wirklich schnell, wo sie nicht behindert wird, schlüpft aber sehr gewandt durch dicht stehendes Gras und verschlungenes Gezweige, klettert recht leidlich, jedoch immer nur auf niederes Gebüsch, um hier sich zu sonnen, und schwimmt im Nothfalle unter rasch schlängelnder Bewegung über Pfützen, Bäche und selbst kleine Flüßchen. In ihrem Wesen unterscheidet sie sich viel weniger von ihren Verwandten als hinsichtlich ihrer Bewegungen, entspricht daher im wesentlichen dem oben gezeichneten Bilde.

Bei uns zu Lande erscheint sie in den ersten Tagen, spätestens in der Mitte des April, im Süden ihres Ver breitungsgebietes entsprechend früher, im Norden später, wird jedoch dort nur selten vor Ende März, hier bestimmt gegen Ende April beobachtet. Die alten Weibchen kommen, nach Leydig, um eine Woche später zum Vorscheine als die Jungen. Im Mai, bei recht schönem Frühlingswetter auch wohl bereits Ende April, paaren sich die Männchen; in einer Juninacht legt das Weibchen seine fünf bis acht, stumpf eiförmigen, weißschaligen Eier auf sonnigen Orten in den Sand, zwischen Steine, laut Schinz auch wohl in die Haufen der schwarzen Ameisen, welche sie nicht berühren; Ende Juli oder im Anfange des August entschlüpfen die Jungen. Die Alten scheinen sich, wie Leydig glaubt, nach der Fortpflanzungszeit in Verstecke zurückzuziehen oder zu vergraben, um vielleicht in ähnlicher Weise, wie es bei Wassermolchen vorkommt, eine Art Sommerschlaf zu halten. »Es ist eine Thatsache, welche jeder leicht bemerken wird, daß im Frühjahre an einem bestimmten Orte die Eidechsen sehr häufig sein können und später, etwa gegen Ende Juli hin, geradezu selten geworden sind, namentlich wenn starke Hitze sich eingestellt hat. Duges hat dies längst wahrgenommen und ebenfalls dahin ausgelegt, daß die Thiere entweder in eine Art Erstarrung, Sommerschlaf, verfallen oder in kühle, feuchte Verstecke sich zurückziehen.«

Unter dem fast zahllosen Heere von Feinden, wel che der Zauneidechse wie ihren kleineren Verwandten nachstellen, sind die Jachschlange und die Kreuzotter vielleicht in erster Reihe zu nennen. Erstere nährt sich ausschließlich von Eidechsen und ähnlichen Kriechthieren, letztere verfolgt, so lange sie selbst noch zu klein ist, um andere minder schlanke und geschmeidige Thiere zu verschlingen, insbesondere die Jungen. Verschiedene Marder, Falken, Raben, Elstern, Heher, Würger, Haus- und Truthühner, Pfauen, Störche und Enten jagen ihr ebenfalls nach und verzehren sie anscheinend mit Behagen.

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