Die Sporngans in Brehms Tierleben

Sporngans (Brehms Tierpark)

Im Jahre 1827 wurde in England, laut Yarrell, zur großen Ueberraschung der Forscher eine im Inneren Afrikas heimische Art der Familie, die Sporengans (Plectropterus gambensis, brevirostris, Rueppellii und Sclateri, Anser, Anas und Cygnus gambensis), erlegt und ihr somit das europäische Bürgerrecht zuertheilt. Die gedachte Art unterscheidet sich nicht unwesentlich von den anderen Gänsen und wurde demgemäß zum Vertreter einer besonderen gleichnamigen Sippe (Plectropterus), ja sogar Unterfamilie (Plectropterinae) erhoben. Ihre Merkmale sind bedeutende Größe, schlanker Leib, langer Hals, großer, starker, an der Wurzel des Oberschnabels höckerig aufgetriebener Schnabel, verhältnismäßig sehr hohe, noch über der Ferse nackte Beine, langzehige Füße mit großen Schwimmhäuten, lange, spitzige Flügel mit besonders entwickelten Oberarmfedern und zu starken Sporen ausgebildeten Hornwarzen, ziemlich langer, keilförmig zugespitzter Schwanz und glatt anliegendes, aber großfederiges Kleingefieder, welches die Stirngegend unbekleidet läßt. Wangen, Kinn und Kehle, Mittelbrust und Unterseite, auch die kurzen Oberflügeldeckfedern längs der ganzen Flügelkante sind weiß, Unterhals und Mantel, Schwingen und Steuerfedern braun, schwarzgrün schimmernd. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel bläulichroth, der Fuß hellroth. Die Länge beträgt neunzig, die Breite einhundertundsiebzig, die Fittiglänge funfzig, die Schwanzlänge achtzehn Centimeter. Das Weibchen ist beträchtlich kleiner, dem Männchen aber ähnlich gefärbt, der junge Vogel auf der Oberseite braun, auf dem Flügel schwarz, am Vorderhalse graubraun, an der Kehle weiß, übrigens hell gänsegrau.

Der Verbreitungskreis der Sporengans erstreckt sich über ganz Mittel-, Ost- und Westafrika, jedoch nicht bis zum Vorgebirge der Guten Hoffnung. Im Sudân fand ich sie in kleinen Gesellschaften auf beiden Strömen, ungefähr vom vierzehnten Grade nördlicher Breite an, regelmäßig und häufig, im Norden seltener. Sie bewohnt entweder die Ufer der Ströme selbst oder größere Regenteiche und streicht, meinen Beobachtungen zufolge, nur in einem beschränkten Gebiete auf und nieder. In den Monaten März und Juli hält sie sich möglichst verborgen auf sumpfigen Stellen, weil sie dann mausert und nicht fliegen kann; später trennen sich die Gesellschaften in Paare, welche im Anfange der Regenzeit die Brutplätze beziehen, und deren Weibchen hier in ein großes, nicht selten schwimmendes, aus Binsen, Rohr, Schilf usw. bestehendes Nest drei bis sechs Eier legen. Im September und Oktober findet man Junge im Dunenkleide und später die Alten noch in treuer Gemeinschaft mit ihren erwachsenen Jungen. Nach der ersten Mauser erhalten diese das Kleid ihrer Eltern, nehmen aber noch etwas an Größe zu und haben auch noch keinen entwickelten Höcker.

Die Sporengans läuft besser als jede andere mir bekannte Art der Unterfamilie, trägt sich vorn hoch aufgerichtet und erinnert beim Gehen entfernt an einen Storch oder Stelzvogel überhaupt. Vor dem Auffliegen rennt sie erst auf eine ziemliche Strecke dahin, erhebt sich, schlägt rasch und kräftig mit den Flügeln, steigt bald in bedeutende Höhen empor und streicht in diesen schnell vorwärts, gefällt sich aber oft in schönen Schwenkungen oder schwebt geraume Zeit. Im Schwimmen unterscheidet sie sich nicht von den gewöhnlichen Gänsen. Eine eigentliche Stimme habe ich nie von ihr vernommen, sondern höchstens, und auch selten, heiser zischende Laute; doch versichert Heuglin, daß die Alten trompetenartige, die Jungen pfeifende und schwirrende Töne ausstoßen. Alle, welche ich im Freileben sah, waren scheu und vorsichtig und unterschieden den Weißen sehr wohl von dem Schwarzen, ließen letzteren wenigstens viel näher an sich herankommen als jenen. Um andere Vögel schienen sie sich nicht zu bekümmern, obwohl sie mitten unter denselben lebten. Daß sie auch schwächere Thiere ihre Herrschsucht fühlen lassen, beobachtet man angefangenen, welche, wie die Schwäne, das mit ihnen auf demselben Teiche lebende Wassergeflügel regelmäßig unterjochen, erzürnt, mit wahrer Wuth auf ihren Gegner stürzen, in dessen Gefieder sich festbeißen und ihn zuweilen wirklich umbringen. Hinsichtlich der Nahrung unterscheiden sich die Sporengänse insofern von anderen, daß sie sehr gern Fische oder thierische Stoffe überhaupt fressen und diese, wenn sie sich einmal daran gewöhnt haben, mit derselben Sehnsucht wie Enten erwarten.

Von Westafrika aus werden alljährlich Sporengänse lebend nach Europa gebracht. Im Regents-Park hält man sie schon seit mehr als dreißig Jahren regelmäßig; gleichwohl haben sie sich bei uns noch nicht eingebürgert und, soviel mir bekannt, auch nirgends fortgepflanzt.

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