Die Perleidechse in Brehms Tierleben

Perleidechse (Brehms Tierleben)

Im Südwesten Europas tritt zu den bisher genannten eine der stattlichsten und prachtvollsten Arten der Familie: die Perleidechse (Lacerta ocellata, reticulata, margaritata, lepida, senegalensis und jamaicensis, Timon und Chrysolamprus ocellatus). Sie erreicht eine Länge von sechzig bis neunzig Centimeter und zählt zu den schönsten Mitgliedern der ganzen Ordnung. Der Oberkopf ist mit breiten Schildern gedeckt, unter denen der Hinterhauptsschild und die beiden Seitenschilder besonders hervortreten, seine Färbung bräunlich, die der Kopfseiten grün, der Rücken auf dunklem Grunde so dicht mit grünen, verschlungenen Linien bezeichnet, daß die lichte Färbung manchmal zur vorherrschenden wird, jede Seite außerdem mit ungefähr fünfundzwanzig blauen, schwarz eingefaßten Flecken gezeichnet, der Unterleib gleichmäßig hellgelblichgrün, alle übrigen Theile mehr oder minder lebhaft grün oder grüngrau. Jüngere Thiere unterscheiden sich von den älteren durch die minder lebhafte Färbung und die zahlreicheren Flecken.

Die Perleidechse bewohnt die Iberische Halbinsel und Nordwestafrika, verbreitet sich außerdem aber auch über Südfrankreich und zwar ebenso weit, als der Oelbaum reicht. In Süd- und Mittelspanien tritt sie fast überall häufig auf. Ich habe sie oft beobachtet. Gewöhnlich sieht man sie in der Nähe eines hohen Baumes sich umhertreiben, nicht selten in einiger Höhe über dem Boden und selbst kletternd im Gezweige. Bei Ankunft eines Menschen flüchtet sie rasch der von ihr bewohnten Höhlung zu, verschwindet in derselben, dreht sich um, und erscheint nun mit dem Kopfe vor dem Ausgange, um zu sehen, was weiter vorgeht. So lange sie flüchten kann, entflieht sie immer, nicht jedoch vor Hunden oder Katzen, stellt sich diesen vielmehr muthig zur Wehre, springt ihnen entgegen und beißt sich an der Schnauze oder am Vorderhalse der Vierfüßler fest, sie hierdurch regelmäßig vertreibend. Wird sie zufällig von der Höhle abgeschnitten, so erklettert sie einen der nächsten Bäume, eilt auf schiefen Aesten empor und erwartet spähend und lauschend, ob sie verfolgt wird. Geschieht das letztere, so springt sie, oft in mächtigen Sätzen, von oben zum Boden herab und eilt nunmehr einer Höhlung zu. Wenn sie sich unter einem Steine verborgen hat und man diesen aufhebt, pflegt sie sich fest auf den Boden zu drücken und läßt sich dann leicht ergreifen. Faßt man sie ungeschickt, so beißt sie um sich, manchmal recht heftig, bedient sich auch ihrer scharfen Krallen zur Vertheidigung.

Ihre Nahrung ist mehr oder weniger die unserer deutschen Arten; entsprechend ihrer Stärke aber jagt sie auch mit Vorliebe auf größere Thiere, insbesondere auf Mäuse, junge Schlangen, andere Eidechsen und kleine Frösche. »Bemerkt sie eine Beute«, sagt Schinz, »so lauert sie mit fest auf den Gegenstand gerichteten, glühenden Augen und springt mit größter Schnelligkeit nach demselben, ergreift ihn mit den Zähnen, schüttelt den Kopf einigemale heftig ab und läßt nun das gefangene und gequetschte Thier langsam hinuntergleiten. Dann leckt sie sich mit großem Wohlbehagen das Maul mit der Zunge, wie eine Katze, wenn sie Milch gefressen hat.« Duges beobachtete, daß sie auch Vögel oder Kriechthiere, selbst die der eigenen Art frißt. Unter zwei gefangenen Perleidechsen, welche er hielt, befand sich ein mit fast legereifen Eiern trächtiges Weibchen, dessen Umfang zur Ueberraschung unseres Forschers täglich abnahm, ohne daß er ein Ei bemerkt hätte. Dagegen fanden sich Spuren derselben im Kothe, und später sah Duges auch, wie seine Perleidechsen die ihnen vorgelegten Eier anderer Eidechsen und Nattern auffraßen.

Die kleineren wurden, wenn auch mit einiger Schwierigkeit, ganz verschluckt, die größeren zerbrochen und der Inhalt dann wie andere Flüssigkeit aufgeleckt.

Während der Begattungszeit kämpfen die Männchen sehr erbittert mit einander, in der Gefangenschaft ebensowohl wie in der Freiheit, und ihre Angriffe richten sich ebenfalls hauptsächlich nach dem Schwanze des Gegners. Die sechs bis zehn Eier werden gewöhnlich im Mulme der Oelbäume abgelegt.

Schinz berichtet, daß man mehrere lebende Perleidechsen im Pflanzengarten zu Bern aussetzte, in der Absicht, sie hier einzubürgern. Zu ihrer Wohnung hatte man ihnen einen passenden Hügel angewiesen. Während der heißen Sommertage zeigten sie sich ebenso lebhaft wie in ihrer eigentlichen Heimat, an kühlen Tagen aber träge und frostig und mit Beginn der kälteren Herbstwitterung gar nicht mehr. Den Winter überlebten sie nicht. Ob dieser Versuch als maßgebend betrachtet werden darf, mag fraglich bleiben; der Winter in Mittelspanien kommt, wenn auch nicht an Strenge, so doch an Dauer dem unserigen fast gleich, und deshalb sollte man meinen, daß letzteres für die Verbreitung des schönen und nützlichen Thieres kein Hindernis sein könne.

Während meines Aufenthaltes in Spanien haben wir, mein Bruder Reinhold und ich, die Perleidechse sehr oft gefangen, im Käfige jedoch niemals beobachten können, weil die weibliche Einwohnerschaft unserer Herbergen jedesmal in die größte Aufregung gerieth, wenn wir eine solche Echse von unseren Jagdausflügen mit heimbrachten, die Thiere auch stets entweder heimlich freiließ oder umbrachte. Ich habe sie später zwar öfters gepflegt, ziehe es jedoch vor, Liebe für mich reden zu lassen, da ich doch nicht im Stande sein würde, eine so treffliche Schilderung ihres Gefangenlebens zu geben, wie der genannte Forscher es gethan.

»Sie bürgerte sich in meinem Zimmer bald ein, machte sich aber mißliebig durch die Neigung, in den Vorhängen emporzuklettern, deren untere Zipfel sie im Sprunge erreichte. Ueberhaupt machte sie gerne mitten im Laufe ohne sichtbare Veranlassung Sprünge. Ihre Beute erfaßte sie nur dann im Sprunge, wenn dieselbe leicht entfliehen konnte, während sie sich kriechenden Kerfen in aller Gemächlichkeit näherte und sie mit einer schnellen Seitenbewegung des Kopfes aufnahm. Stellte man sich ihr in den Weg, so ward sie öfters so zornig, daß sie sich in die Fußspitze oder in das Beinkleid verbiß. Ein Greuel war ihr die Berührung des Körpers mit Wasser, obgleich sie, in ein Wasserbecken geworfen, sich durch gewandtes Schwimmen vor der Zauneidechse auszeichnete. Bespritzte man sie mit Wasser, so ward sie in solchen Schrecken gejagt, daß sie eitle Versuche machte, an der nächsten besten Wand emporzuklettern. Trotzdem aber soff sie Wasser, indem sie vorsichtig die Schnauzenspitze eintauchte und die Flüssigkeit, wie es schien unter Zuhülfenahme der Zunge, einsog. Auch Milch lernte sie gern saufen. Die Sonne that ihr ungemein wohl: eine Wolke, welche an derselben vorüberzog, war im Stande, die Echse zum Rückzuge unter Moos und Laub zu veranlassen. Viel Noth machte es mir anfänglich, ihr die rechte Nahrung zu verschaffen. Sie fraß Mehlwürmer, Maikäfer, Engerlinge und dergleichen, aber nie viel auf einmal, und namentlich die Maikäfer bekam sie bald zum Ueberdrusse. Regenwürmer, Schnecken und alle Arten nackthäutiger Lurche rührte sie auch bei stärkstem Hunger nicht an. Zum Verzehren einer jungen Maus habe ich sie ein einzigesmal gebracht, und nie wieder. Dagegen waren ein Leibgericht alle Arten von Geradflüglern, namentlich die großen Heuschrecken. Diese faßte sie stets in der Mitte, drehte sie durch einen Wurf mit dem Kopfe so, daß die langen Hinterbeine nach vorne zu liegen kamen, und verschlang sie sodann, wobei sie öfter die nachgleitenden Unterschenkel am Boden durch geschickte Wendung des Kopfes abbrach. Die größten Leckerbissen jedoch waren Kriechthiere: ihre eigenen Verwandten, Zauneidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern, glatte Nattern. Eine Kreuzotter habe ich leider zu dem Versuche nicht auftreiben können. Alle diese Thiere verbissen sich, sobald sie gepackt waren, in die Lefzen oder in die Halsfalten des größeren Räubers, wurden aber schnell durch heftiges Aufschlagen auf den Boden betäubt. Die Blindschleichen zersprangen bei der Gelegenheit allemal in Stücke, und diese nahm der Südländer nur dann auf, wenn sie noch ein wenig zuckten. Als der Winter heran kam, wurde es schwer, dem Thiere genügende Nahrung zu verschaffen; am meisten gefährlich aber schien ihm offenbar die Nachtkälte zu sein. Es fing an matt zu werden, abzumagern, die Freßlust zu verlieren, und versank endlich in einen fast lethargischen Zustand, aber keineswegs in einen Winterschlaf, denn Wärme vermochte keine Besserung des Zustandes hervorzubringen. Nachdem es sechs Wochen in diesem Zustande verharrt, starb es Ausgang Winters. Ich hatte es ziemlich ein Jahr lang gepflegt.«

Dank ihrer Wehrhaftigkeit, wird die Perleidechse von weniger Feinden bedroht als ihre kleineren Verwandten. Ihre gefährlichsten Gegner bleiben die Raubvögel, namentlich Schlangenadler und Bussarde, zu denen sich noch der Kolkrabe gesellt. Die Spanier halten sie für giftig, fürchten sich in wahrhaft lächerlicher Weise vor ihr und tödten sie infolge dieser Furcht öfter, als zu wünschen wäre.

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Eine Antwort zu Die Perleidechse in Brehms Tierleben

  1. Paulina sagt:

    Wirklich sehr interessant und lesenswert;)

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