Die Sandschlange (Eryx jaculus, Anguis jaculus und helluo, Boa tatarica, Eryx familiaris und turcicus) vertritt die gleichnamige artenreichste Sippe (Eryx) und lehrt uns die Lebensweise der gesammten Gruppe so vollständig kennen, als dies bei dem heutigen Stande unseres Wissens überhaupt möglich. Sie erreicht eine Gesammtlänge von siebzig, höchstens achtzig Centimeter und läßt sich an dem kurzen, stumpf zugerundeten Schwanze, dem kleinen, vom Rumpfe nicht abgesetzten, auf der Oberseite mit kleinen unregelmäßigen, hinterwärts sogar schuppenförmigen Schildern bekleideten Kopfe und den beiden sporenartigen Anhängseln an jeder Seite der Afterspalte, eben den Stummeln der Füße, leicht erkennen und von anderen Schlangen unterscheiden. Die seitlich gelegenen Nasenlöcher sind sehr eng, die Augen klein, die Schuppen leicht gekielt, die, welche das Kinn bekleiden, durch eine in der Mitte liegende Falte getrennt. Die Grundfärbung der Oberseite ist ein mehr oder minder lebhaftes Gelblichgrau, welches bei einzelnen Stücken ins Rost-, bei anderen ins Strohfarbene spielen kann. Der Kopf, mit Ausnahme einer jederseits schräg vom Hinterrande des Auges zum Mundwinkel sich ziehenden schwärzlichen Binde, einfarbig, höchstens auf dem Hinterhaupte durch zwei breite, in der Mitte zusammenstoßende schwärzliche oder dunkelbraune Bänder gezeichnet, die Oberseite des Rumpfes und Schwanzes mit ebenso gefärbten, in vier Längsreihen angeordneten, mehr oder weniger viereckigen Flecken geziert, welche in der verschiedensten Weise mit einander verschmelzen und mannigfaltige Zeichnungen darstellen.
Die Unterseite ist stets bedeutend heller und entweder einfarbig oder schwärzlich gefleckt. Mancherlei Spielarten sind bei dieser Schlange beobachtet worden.
Das Verbreitungsgebiet der Sandschlange, wie bemerkt des einzigen Vertreters der Stummelfüßler in Europa, beschränkt sich hier auf die türkisch-griechische Halbinsel, dehnt sich dagegen nach Osten hin bis zum Altaigebirge und nach Süden über einen beträchtlichen Theil Nordafrikas aus. In Europa tritt die Schlange namentlich in Griechenland ziemlich häufig auf und bewohnt ebenso mehrere griechische Inseln; in Rußland findet sie sich in den kaspischen Steppen, in besonderer Häufigkeit am Aralsee; in Asien hat man sie als Bewohnerin Syriens, Palästinas, Kleinasiens, Arabiens und Persiens kennen gelernt; im Norden Afrikas gehört sie in den Wüsten längs der ganzen Küste und ebenso längs beider Ufer des Nils, bis in das obere Quellgebiet des Stromes, zu den häufigen Schlangen. Nach meinen und anderer Beobachtungen findet man sie stets auf Stellen, welche mit weichem Rollsande bedeckt sind; denn nicht auf der Oberfläche, sondern unter derselben betreibt sie ihre Jagd, welche wahrscheinlich hauptsächlich den gleich ihr lebenden Echsen gelten mag. Gefangene, welche ich zuweilen in größerer Anzahl erhielt, kommen übertages nur dann einmal zum Vorscheine, wenn sie lange gehungert haben und vielleicht an den Bewegungen über ihnen Beute wahrnehmen oder vermuthen. Solche überfallen sie dann und würgen sie nach Art ihrer größeren Verwandten, bis das Leben entflohen, worauf sie in üblicher Weise zum Verschlingen übergehen. Von den Arabern wird gerade diese Schlange und eine ihrer nächsten Verwandten sehr häufig gefangen, aber meist durch Abschneiden der Zunge verstümmelt. Solche Gefangene leben zwar noch geraume Zeit, gehen aber nie aus Fressen und infolge dessen früher oder später mit Sicherheit ein, wogegen die unbeschädigten jahrelang in Käfigen ausdauern. Besonderes Vergnügen bereiten sie freilich auch dem eifrigsten Beobachter nicht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht zum Vorscheine kommen, und, aus dem Sande heraufgeholt, sofort wiederum unter denselben sich einwühlen. Läßt man sie ungestört, so bekommt man sie zuweilen monatelang nicht zu Gesicht und wundert sich, wenn der Käfig wiederum mit frischem Sande versehen wird, förmlich darüber, daß sie noch vorhanden sind. Dagegen pflegen freilich alle gleich ihnen dem Sand bewohnenden Echsenarten verschwunden zu sein.
In der zweiten Unterfamilie vereinigt man die Boaschlangen (Boaeinae), zu denen ein großer Theil der eigentlichen Riesenschlangen zählt. Ihre Gestalt ist sehr gestreckt, der wohlgestaltete Kopf seitlich deutlich vom Leibe abgesetzt, der Hals verhältnismäßig dünn, der Leib seitlich zusammengedrückt unt in der Mitte etwas vertieft, der Schwanz in verschiedenem Grade einrollbar, der Kopf häufig mit Schuppen, anstatt der Schilder, die Unterseite des Schwanzes mit breiten, in einer Reihe angeordneten Schildern bekleidet. Zähne finden sich im Ober- und Unterkiefer, auf dem Gaumen und Flügelbeinen, nicht aber im Zwischenkiefer.