Die Mendesantilope in Brehms Tierleben

Mendesantilope (Brehms Tierleben)

Die Mendesantilope (Addax nasomaculatus, Antilope und Strepsiceros Addax, Oryx nasomaculata) ist ziemlich plump gebaut, der Leib untersetzt, am Widerriste merklich erhaben, am Kreuze sehr gerundet, der Kopf gestreckt, aber breit am Hinterhaupte; die Läufe sind stark und verhältnismäßig kräftig. Die nach auf- und rückwärts gerichteten, in doppelter Windung gebogenen, gegen die Spitze zu allmählich von einander abweichenden Hörner werden von der Wurzel an von dreißig bis fünfundvierzig schiefen, nicht regelmäßigen Ringen umgeben, sind aber im letzten Drittel gerade und vollkommen glatt. Die Behaarung ist dicht und mit Ausnahme einiger Körperstellen kurz und grob. Vor der Wurzel der Hörner steht ein Schopf, welcher über die Stirn herabhängt; vom Ohre nach dem Hinterhaupte zieht sich ein Streifen verlängerter Haare hinab; den Vorderhals schmückt eine lange Mähne. Von der gelblich weißen Grundfärbung sticht das Braun des Kopfes, des Halses und der Mähne ziemlich lebhaft ab. Unterhalb der Augen verläuft eine breite Binde, hinter den Augen sowie auf der Oberlippe stehen weiße Flecken; die Quaste des ziemlich langen Schwanzes besteht aus weißen und braunen Haaren. Während der kühlen Jahreszeit geht die gelblich weiße Färbung allmählich ins Graue über. Beim Männchen ist das Haar dunkler und die Mähne größer als beim Weibchen. Junge Thiere sind rein weiß gefärbt.

Das Verbreitungsgebiet der Mendesantilope beschränkt sich auf Ostafrika. In den Ländern Südnubiens, zumal in der Bahiuda, sieht man sie zuweilen in zahlreichen Herden und häufig in kleinen Familien. Sie bewohnt auch die dürrsten Stellen, wo, nach der Versicherung der Nomaden, weit und breit kein Tropfen Wasser sich findet. Wenn man diesen Leuten Glauben schenken darf, ist sie im Stande, monatelang das letztere gänzlich zu entbehren. Sie ist scheu und furchtsam, wie die übrigen Antilopen, behend und ausdauernd im Laufe, dennoch aber vieler Verfolgung ausgesetzt. Unter den Thieren stellen ihr wohl nur der Hiänenhund oder Simir und der Karakal nach: um so eifriger aber verfolgen sie die Edlen des Landes, unter denen sie lebt. Die Machthaber der Nomaden und Beduinen sehen in ihr eines der edelsten Jagdthiere, und hetzen sie, theils um ihr Fleisch zu nützen, theils um die Schnelligkeit ihrer Pferde und Windhunde zu erproben, theils auch um Junge zu erbeuten, welche sie dann aufziehen.

An heißen Tagen rücken die Jäger mit Kamelen und Pferden auf die Jagd aus. Eine Anzahl von Kamelen trägt das der Jagdgesellschaft nöthige Brodgetreide, Wasser und Futter für die Pferde, Zelte und Lagerbedürfnisse, die Frauen und die weniger bei der Jagd Betheiligten. Die Männer reiten auf stolzen Pferden. Sobald sich Antilopen zeigen, werden die Pferde zunächst getränkt; dann jagt man den schnellfüßigen Thieren nach, bis sie vor Mattigkeit nicht weiter können. Am eifrigsten betreiben die Beduinen diese Jagd. Sie ist ihnen eine männliche Uebung, ein Spiel, eine Unterhaltung.

Der Werth der Antilope kommt hier nicht in Betracht; es gilt vielmehr die Gewandtheit des Mannes und die Schnelligkeit des Pferdes oder Windhundes zu zeigen. Nur die Edlen des Landes üben diese Jagd zu Pferde aus. Ihrer zwölf oder funfzehn vereinigen sich und nehmen ihre Diener, ihre Zelte, ihre vortrefflichen Windhunde und ihre abgerichteten Falken mit sich hinaus. Sobald man eines Haufens dieser oder anderer dieselben Ländereien bewohnenden Antilopen ansichtig wird, sucht man sich so weit als möglich ungesehen dem Trupp zu nähern. Wenn man in ihre Nähe gekommen ist, springen die Diener von den Kamelen oder Pferden und halten den Windhunden, welche sie bisher an langen Stricken führten, die Schnauzen zu, um sie am Bellen zu verhindern. Dann machen sie die klugen Thiere auf das noch fernstehende Wild aufmerksam und lassen sie endlich gleichzeitig los. So wie dies geschehen, fliegen die edlen Geschöpfe wie Pfeile über die Ebene dahin, und der ganze Reiterzug saust hinter ihnen drein, mit allerlei Liebkosungen und Befehlen die Hunde anfeuernd und aufstachelnd. »O! mein Bruder, mein Freund, mein Herr, eile, du Schnellfüßiger, du von einem Vogel Geborner, du Falkengleicher, eile! Dort sind sie, eile, mein Liebling, laufe, du Unübertrefflicher!« Schmeichelei folgt auf Drohung, Lob wechselt mit Tadel, je nachdem der Hund die Antilope oder diese ihn überbietet. Die besten Windhunde erreichen das Wild nach einer Jagd von einer bis zwei Meilen, die schlechteren müssen vier und zuweilen sechs Meilen weit den flüchtigen Antilopen nachstürmen, ehe diese, erschöpft, sich ihnen entgegenstellen.

In dem Augenblicke, wenn der erste Hund das Rudel erreicht, wird die Jagd überaus spannend und anziehend. Der edle Windhund stürzt sich immer auf das stärkste Thier des Rudels, aber nicht blind, sondern mit größter Vorsicht, mit unübertrefflicher Gewandtheit und wahrhaft bewunderungswürdiger Leichtigkeit. Die Antilope versucht dem Feinde zu entfliehen, schlägt Haken nach der Rechten, nach der Linken, wirft sich über den Hund weg und springt rückwärts. Dieser schneidet ihr jeden Weg ab und kommt ihr immer näher. Endlich stellt sie sich und weist das spitze Gehörn; in demselben Augenblicke aber, in welchem sie den Kopf zur Erde beugt, um ihrem Angreifer einen gefährlichen Stoß zu versetzen, springt dieser auf ihren Nacken und reißt sie mit wenigen Bissen zu Boden, entweder das Genick oder die Schlagadern durchbeißend. Wenn das Wild gefallen ist, eilen die Araber mit Freudengeschrei herbei, springen von den Pferden herab und schneiden ihrer Beute unter dem Ausrufe: »Be ism lillahi el rachmân, el rachím, Allahu akbar!« – im Namen Gottes des Allbarmherzigen, Gott ist größer! – die Kehle durch, damit sie sich verblute, wie das Gesetz des Propheten es befiehlt. Fürchten sie aber, nicht zur rechten Zeit auf dem Walplatze einzutreffen, so rufen sie von weitem dem Hunde die obigen Worte zu, in dem festen Glauben, daß nun er seinerseits das gesetzmäßige Schlachten besorgen werde. Dasselbe thun sie auch, wenn sie ein Thier mit der Kugel erlegen: sie sagen, daß ihr Geschoß durch jene Worte das Gesetz vollständig erfülle.
Gegen Abend endet die Jagd. Einer der Reiter sprengt zu den Kamelen zurück oder gibt deren Führern den Sammelplatz an, auf welchem man übernachten will. Dann zieht alles dorthin, und ein eigenthümliches, frisches, fröhliches Weidmannsleben erwacht in den Zelten.
Solche Jagden währen oft mehrere Wochen. Die Jäger nähren sich von ihrer Beute; aber gewöhnlich ist diese so reich, daß sie einen Tag um den andern immer noch ein mit Wild befrachtetes Kamel nach den Zelten schicken können, um auch ihren Frauen und Kindern einen Antheil zukommen zu lassen. Die Zeit der Regen ist die geeignetste zur Jagd aller Antilopen; denn wenn der Boden benetzt ist, kann das Wild nicht so schnell laufen als sonst, weil sich Klumpen von feuchter Erde oder Schlamm an seine Hufe hängen.

Neuerdings sind lebende Mendesantilopen wiederholt nach Europa gelangt und hier in verschiedenen Thiergärten erhalten und beobachtet worden. Sie zeigen durch ihr Betragen, wie nahe sie mit den Oryxböcken verwandt sind; denn sie sind ebenso launisch und unverträglich wie diese. Doch kennt man auch Ausnahmsfälle. Eine, welche der Großherzog von Toscana aus Egypten erhielt, scheute sich nicht im geringsten vor dem Menschen, ließ sich streicheln und liebkosen und leckte ihrem Wärter die Hand. Zuweilen wollte sie spielen und wurde dabei unangenehm; denn oft zeigte sie unversehens die Hörner und versuchte den zu stoßen und zu schlagen, welchen sie eben geliebkost hatte. Beim geringsten Verdachte spitzte sie die Ohren und setzte sich in Vertheidigungszustand. Auf Hunde und andere Feinde lief sie mit zurückgeschlagenen Hörnern los, stemmte sich mit den Vorderfüßen auf den Boden, wendete das Horn nach vorn und stieß rasch von unten nach oben; auch mit den Füßen schlug sie sowohl vor- als rückwärts. Ihre Stimme war bald ein Grunzen, bald ein schwaches Plärren. Mit letzterem drückte sie Verlangen nach Nahrung aus. Bei einfachem Futter halten sich diese Antilopen gut und lange in Gefangenschaft, pflanzen sich hier auch ohne besondere Schwierigkeiten fort.

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