Die Kragentaube in Brehms Tierleben

Kragentaube (Brehms Tierleben)

In einer der prachtvollsten aller Tauben, der Mähnen- oder Kragentaube (Calloenas nicobarica, Columba nicobarica und gallus, Geo philus nicobaricus), sehen einige Forscher das Urbild einer besonderen Familie (Calloenadidae), wir unsererseits wenigstens die Vertreterin einer Unterfamilie (Calloenadinae). Sie ist sehr gedrungen gebaut, ihr Schnabel, welcher vor der Stirn eine weiche, kugelige Warze zeigt, stark, der Fuß hühnerfußartig, kräftig, hochläufig und kurzzehig, der Flügel außerordentlich entwickelt, sehr lang und breit, in der Ruhe bis über das Schwanzende hinausreichend, in ihm die dritte und vierte Schwinge über alle anderen verlängert, der aus zwölf breiten Federn bestehende Schwanz schwach abgerundet, das Gefieder reich und in der Halsgegend so verlängert, daß hier eine tief herabfallende Mähne entsteht. Kopf, Hals, Unterseite und Schwingen sind schwarzgrün, die Federn der Unterseite kornblumenblau gesäumt, die längsten Halsfedern des Kragens, Rücken, Bürzel und die Flügeldeckfedern grasgrün, metallisch schimmernd, die kürzeren der Mähne goldglänzend, die Schwanzfedern reinweiß. Das Auge ist licht rothbraun, der Schnabel lederschwarz, der Fuß röthlich purpurfarben. Der junge Vogel hat minder glänzendes Gefieder und schwarze Schwanzfedern. Die Länge beträgt sechsunddreißig, die Breite fünfundsiebzig, die Fittiglänge fünfundzwanzig, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

Von den Nikobaren an bis zu den kleinen im Geelvinkbusen gelegenen Inseln an der Nordostküste Neuguineas und den Philippinen hat man die Mähnentaube auf allen Inseln gefunden, vorzugsweise aber auf kleinen, unbewohnten Eilanden, gleichviel, ob dieselben in der Nähe größerer Landmassen oder vereinzelt im Meere liegen. Sie gehört zu den Arten, welche fast nur auf dem Boden leben, und ihr Flug erscheint schwerfällig; aber sie ist im Stande, viele hunderte von Kilometern zurückzulegen, ohne zu ermüden, und so hat sie sich über viertausend englische Meilen verbreitet. Wallace erkennt, vielleicht nicht mit Unrecht, einen der Hauptgründe für ihr Vorkommen auf kleinen Eilanden darin, daß letztere keine Raubthiere beherbergen, welche die etwas schwerfällige, Bäume nur zum Ruhen und Schlafen aufsuchende Taube gefährden könnten, findet ihre Verbreitung über das ganze Indische Inselmeer aber so außerordentlich, daß er in unserem Vogel ein seltsames Beispiel von Anpassung an ungewöhnliche, ausnahmsweise und zwingende Verhältnisse erblickt und sich zu einer geradezu kindischen Abschweifung über den Vorzug großer Schwingen verleiten läßt. »Die Mehrzahl aller Nikobartauben«, meint er, »verbraucht, da sie im Walde lebt, gefallene Früchte frißt und auf niedrigen Bäumen schläft, nicht erhebliche Kräfte, um zu fliegen, kann daher nie vollen Gebrauch von ihren außergewöhnlich mächtigen Flügeln machen, bis der seltene Fall sich ereignet, daß eine auf die See hinausgeweht oder durch das Eindringen eines fleischfressenden Thieres oder durch die Spärlichkeit des Futters zum Auswandern gezwungen wird. Während es nun auf solchen Inseln, wie Neuseeland und Mauritius, welche fern von allen Festlanden liegen, für einen seine Nahrung auf dem Boden suchenden Vogel sicherer war, überhaupt nicht zu fliegen, und sich daher allmählich eine flügellose Gruppe von Vögeln herausbildete, war es in einem ausgedehnten, dicht mit Inseln und Eilanden übersäeten Inselmeere von Vortheil, gelegentlich wandern zu können, und so erhielten sich die lang- und starkbeschwingten Arten am besten, ersetzten schließlich alle übrigen und verbreiteten sich über das ganze Inselmeer.« Erweislich von all diesem, mit so vielem Aufwande von scheinbarer Weisheit vorgetragenem Geschwätz ist, daß die Mähnentauben, entsprechend ihren sehr entwickelten Flügeln, vortrefflich fliegen können. Ein gewisser Duivenboden erzählte Wallace, daß er eine dieser Tauben einer kleinen, hundert Meilen von Neuguinea und jedem anderen Eilande entfernten Koralleninsel zufliegen, jedoch, noch ehe sie das Ufer erreichen konnte, erschöpft ins Wasser stürzen sah und rettete.

Die Mähnentaube ist allerorten, wo sie vorkommt, selten, wird wenigstens nicht in größeren Trupps gefunden. Nach Versicherung der Reisenden ernährt sie sich von Sämereien, Beeren und kleinen Früchten, nimmt wohl auch thierische Nahrung zu sich. Ihr Nest legt sie nach Art der Rebhühner am Boden an. Sie wird von den Europäern, welche sich in ihrer Heimat angesiedelt haben, oft gefangen gehalten, gelangt aber nicht so häufig nach Europa, als wünschenswerth wäre. Doch sah Levaillant bereits vor siebzig Jahren in dem Vogelhause des Holländers Ammershof siebzehn Stück dieser prachtvollen Taube und konnte daher eine durchaus richtige Beschreibung ihres Gefangenlebens geben. Als Levaillant den ersten Blick auf sie warf und sie so lebhaft am Boden umherlaufen sah, fragte er den Besitzer, was das für niedliche Hühner seien, und erfuhr zu seiner Ueberraschung, daß er die Mähnentaube vor sich habe. Auf ferneres Befragen theilte Ammershof mit, daß er die Vögel seit zwei und drei Jahren besitze, daß sie sich fortwährend auf dem Boden hielten, von Körnern aller Art ernährten, Kerbthiere aber auch nicht verschmähten und des Abends wie die Hühner zu einem niederen Sitze sich erhöben, um hier die Nacht zu verbringen. Es sei schwierig, sie durch den ersten Winter zu bringen; hätten sie diesen aber erst hinter sich, so brauche man sie bloß noch gegen die Nachtkälte und noch mehr gegen Nässe zu schützen, und dann sei es leicht, sie zu erhalten. Die weiblichen Mähnentauben zeigten sich fortpflanzungslustiger als die Tauberte, legten auch verschiedene Eier von der Größe der kleiner Hühnerrassen. Diese Eier schienen unfruchtbar zu sein; wenigstens gelang es nicht, Junge zu erzielen.

Im Londoner Thiergarten haben sich mehrere Paare wiederholt fortgepflanzt und die Jungen glücklich großgezogen.

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